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Die Rmmkwfcr Nachrichten erscheinen jeden DienStag, Donnerstag und Sonnabmd Nachmittag 8 Uhr mit dem Tatum des nachfolgenden TageS. Schlub der Anzeigenannahme: Vormittags 11 Uhr am Tage deS Erscheinen- 12. Jahrgang. Nr. 106 Mittwoch den 4. September 1901 Ankündigungen: Für Inserenten der Amt-Hauptmann« schast Grimma 10 Pfg. die vierge spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt. Bezugspreis: Frei in'S Haus durch Austräger Mk. 1-20 vierteljährlich. Frei in s Haus durch die Post Mk. 1.30 vierteljährlich. Verlag und Druck: Günz ä: Eule, Naunhof. Redaktion: Robert Günz, Naunhof. Mit zwei Beiblättern: Illustriertes Tonntagsblatt und Landwirtschaftliche Beilage. Letztere alle 14 Lage. Naunhofer Nachrichten. Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Erdmannshain, Eicha, Fuchshain, Grotzsteinberg, Klinga, Köhra, Kleinsteinberg, Lindhardt, Pomhen, Staudnitz, Threna und Umgegend. Deutschland, Rußland, Frankreich. Fürst Bismarck hat für die deutsche Poli tik durch seine Erfolge ein für allemal den Satz aufgestellt, daß eS in der Erreichung großer Ziele keinen Haß und keine Liede, sondern nur eine Notwendigkeit gebe! Der erste deutsche Reichskanzler ist diesem Grund satz stets gefolgt, er hat sich über persönliche Angriffe, Leidenschaften und ehrgeizige Be strebungen leichthin fortgesetzt, wenn es galt, Großes zu erlangen; er hat auch auf allge meine Freundschaftsbeteuerungen wenig ge geben, wenn hinter diesen keine Thaten steckten. Von der energischen Wahrnehmung der deut schen Interessen gegenüber jedermann, hat der Alte im Sachsenwalde nicht blos gesprochen, darnach hat er vor allen Dingen gehandelt Der Erfolg kam nicht immer auf den ersten Hieb, aber Bismarck hatte Geduld, wo diese Notwendigkeit war; vielleicht größere Geduld und Zähigkeit als viele annehmen. Einer der größten Gegner Bismarcks ist der letzte russische Minister des Auswärtigen gewesen, der den Titel „russischer Reichs kanzler" führte, Fürst Gortschakoff. Gortscha- koff war der ausgesprochene Vertreter der alten diplomatischen Schule, die in fein ge sponnenen Jntriguen und sonstigen Kinker litzchen das Ideal einer meisterhaften Diplo matie erblickten. Bismarck trat offen auf, wollte niemanden ein L für ein U machen, und das war jenen Herren unfaßbar. Daß der erste deutsche Reichskanzler aber auf dem allerbesten und allerrichtigsten Wege gewesen ist, das ergiebt sich daraus, das alle Nach folger des Fürsten Gortschakoff, von Herrn Giers an, dann Lobanow, Murawiew, Graf Lambsdorff nach BiSmarckschem Rezept die russische Politik betrieben. Sie gingen ge rade auf ihr Ziel los und thaten, was not wendig war. Der vorletzte Kaiser von Rußland, Alexander III., halte im letzteren Punkte schon einen weitgehenden Schritt gethan, in dem er, der selbstherrliche Zar, in nähere Beziehungen zu Frankreich trat. Sein Sohn, der heutige Kaiser Nikolaus, ist viel wciter gegangen, wie sein Vater. Er ist 'chatsächlich der beste Schüler Bismarkscher Politik; was er zu thun notwendig findet, das thut er ganz, er macht reine Bahn und hat den Er folg. Nikolaus ist nach Paris gegangen, er geht wieder nach Frankreich; er hat mit Bulgarien bereitwillig Frieden geschlossen, er hält seine Hand schützend über Alexander und Draga von Serbien, er hat dem vermale deiten Chinesenkorps gegenüber eine weitgehende Nachsicht walten lasten, er hat aber auch den gar zu unverschämt gewordenen PankeeS gegen über bewiesen, daß bange machen nicht gilt. Mag einer über die charakteristische Stellung des Zaren denken was er will, mag er selbst überzeugt sein, daß Nikolaus II. vieles ge- than hat, was sein Urgroßvater Nikolaus I. für unmöglich erklärt hätte, das eine steht fest: Rußland hat einen Erfolg an den anderen gereiht, sein Einfluß ist kolossal gestiegen, alle Eifersüchteleien undRivalitäten anderer Staaten sind von Petersburg aus mit einem über legenen Lächeln abgefertigt. Was Rußland in Ostasien in Scheffeln geerntet hat, während die übrigen Staaten kaum in Metzen ernteten, ist ja allgemein bekannt. Der Zar reist nach Deutschland und nach Frankreich! Handelte er anders, er wäre nicht Nikolaus II. Machen wir uns über die wahre Bedeutung dieser Tour kein L für U; sie beweist, daß der russische Kaiser in Europa zwar nicht über Krieg und Frieden gerade, wohl aber über die Annehmlichkeiten der diplomatischen Beziehungen entscheidet. Er thut das, er hat die Franzosen sist am Bändel, Deutschland, oder sonst wer, mag den Leuten in Paris alle möglichen und unmöglichen Liebenswürdigkeiten erweisen, Nikolaus II. braucht nur mir dem Finger zu winken, flugs vergißt das leicht beeinflußte Völkchen jen seits der Vogesen alles andere. Auch uns Deutschen gegenüber. . Es ist viel vom Frieden angesichts di-ser Reise die Rede! Nun, das Papier ist ge duldig. Trotz seiner bekannten Anregung der internationalen Friedenskonferenz im Haag würde Nikolaus II. keinen Moment einen fri'chen und fröhlichen Krieg, mit wem cs auch sein möchte, scheuen, wenn ohne den kein bedeutendes Ziel zu erreichen wäre. Der Zar ist aber infolge des gewaltigen, alles be stimmenden Einflusses, den er an der Seine besitzt, in der angenehmen Lage, auf das bittere Mittel des Krieges verzichten zu können. Er verlangt ohnedem, was er für notwendig hält. Wir können erfreulicherweise auf fried liche, nachbarliche Verhältnisse mit Rußland rechnen, wir dürfen aber nicht erstaunt sein, wenn das Zarenreich auch uns im nächsten Jahrzehnt einige Ueberraschungen bereitet. Rußland läßt nicht viel von seiner stillen Ausdehnungsthätigkeit verlauten, aber es handelt. „Petersburkija Wjedomosti" schreiben an leitender Stelle über den Besuch des Kaisers und der Kaiserin von Rußland in Deutsch land und Frankreich: „Das kürzlich stattgehabte Zusammengehen Rußlands mit den übrigen Mächten in Ost- asicn bei der führenden Rolle, die der deutsche Oberkommandirende dort spielte, die von alther bestehenden nachbarlichen und verwandtschaft lichen Beziehungen zwischen dem russischen und dem deutschen Kaiserhause, endlich die Nachbarschaft Deutschlands und Rußlands, sowie die zwischen ihnen unvermeidliche Soli darität vieler politischer und wissenschaftlicher Interessen, — alles das zusammengenommen mußte zwischen Rußland und Deutschland jene Beziehungen gegenseitigen Vertrauens und Wohlwollens Herstellen, die, indem sie ihrem Wesen nach natürlich, traditionell, nicht ausrottbar sind, zugleich in keinem Sinne für irgend Jemand beunruhigend oder im Stande sind irgendwelche Zweifel wachzurufen. Die Persönlichkeit des energischen und von idealen Bestrebungen geleiteten Deutschen Kaisers er scheint kraft ihrer internationalen Bedeutung so hervorragend, daß cs unnatürlich wäre, wenn gerade in diesem Jahre eine freund schaftliche Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem russischen Monarchen nicht erfolgte, dessen Verehrung in allen Ländern der Welt nicht aufhört, in dem Maße zu wachsen, als die erhabene, jedem Egoismus fremde Politik Rußlands nicht aufhört, die Achtung und das Vertrauen aller Völker zu genießen. Des halb muß auch der jetzt bevorstehende Besuch des russischen Monarchen in Danzig, der für Deutschland eine neue Bestätigung der an dauernden freundnachbarlichen Gesinnung Ruß lands ist, zugleich auch in Frankreich volle Sympathie finden, wo Vieles aus der Ver gangenheit schon vergessen wird und viele Hoffnungen wach werden auf Schaffung einer engeren, ernstlicheren französisch-deutschen An- Näherung und gemeinsamen europäischen Politik (gegen England und Amerika?.") Ein neuer serbischer Thronsolger. Serbien ist längst das Land dynastischer Experimente geworden. Die Heiraten, Ehe scheidungen, freiwillige oder unfreiwillige Exile von Gliedern der Henscherfamilie weisen ein recht buntes, phantastisches Gepräge auf und die größte Enttäuschung oder Täuschung be treffs des erhofften SprößlingsKönigAlexanderS setzte allem die Krone auf. Seitdem regen sich die Prätendenten aus dem Geschlechte KarageorgS, und anderseits glaubt man in Montenegro Anwartschaft auf die serbische Erbschaft zu besitzen. Man ist aber gewöhnt, die seltsamsten Dinge aus Belgrad nicht nur zu vernehmen, sondern auch sich bewahrheiten zu sehen, und so wird inan es kaum als er« staunlich betrachten, wenn, wie belichtet wird, König Alexander ernstlich den Einfall hegen sollte, seinen Unlerthan und Schwager den Serben zum Thronfolger aufnötigen zu wollen. Hierzu wird berichtet: Belgrad, 31. August. Schon vor ge raumer Zeit tauchte hier das Gerücht aut, König Alexander gedenke, einen der beiden Brüder der Königin Draga zum Thronfolger auSzurufen. Nun tritt dieses Gerücht aber mals auf und findet sogar aus Hofkreisen Bestätigung. Der AuSerwählte des Königs soll sein jüngerer Schwager, Leutnant Nilodcm Lunyeviza sein. Bewahrheiten sich diese Meldungen, so wird damit vielleicht da: Signal zu neuen Wirren in Serbien gegeben sein. Stoff ge nug dazu ist in Belgrad ohnedies vorhanden, und gerade die Familie der Königin Diaga hört nicht auf, der Mißstimmung Nahrung zu bieten. Ein weiteres Telegramm meldet: Belgrad, 31. August. Großes Aufsehen erregen hier die Vorkommnisse in der Militär akademie. Der Direktor der Akademie, General Boschkovits, wurde seines Postens enthoben, weil er einen Neffen der Königin, der Kadet ist, zurechtgewiesen hatte. Diese Maßregel verursachte in den Offizierskreisen große Ent rüstung. Der König ernannte den General Lazarevits zum Direktor der Akademie, doch weigert sich dieser, nach dem Vorgefallenen den Posten anzunehmen. — Auü Sparsam keitsrücksichten wurden die bisherigen 30 Jnfantericregimenter zu je zwei Bataillonen in 20 Regimenter zu je drei Bataillonen umgewandelt. Die Piäsenzziffcr erscheint da durch unverändert, doch werden durch Ver minderung der Kommandantenstellc wesentliche Ersparnisse erzielt. Die Mißstimmung in der Armee ist offen bar im Wachsen. Pensionirungen und Ver kürzung des Avancements sind geeignet den Kreis der Mißvergnügten zu erweitern. Man wird den Lauf der Dinge aufmerksam ver folgen müssen. Die Verjährung alter Forderungen. Mit dem Ablauf dieses Jahres tritt eine Verjährung alter Forderungen in bedeutendem Umfange ein, und zwar gerade der Forder ungen, die sich aus dem täglichen Geschäfts verkehr ergeben und deshalb am häufigsten vorkommen. Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt nämlich, daß die neu kingeführten kürzeren Verjährungs fristen auch auf die unter dem allen Recht entstandenen Forderungen in der Weise An wendung finden sollen, daß die Verjährungs frist vom 1. Januar 1901 an zu rechnen ist. Alle die alten Ansprüche, die jetzt einer zweijährigen Verjährungsfrist unterliegen, werden also mit dem Ablauf des Jahres 1901 verjähren und und nicht mehr eingeklagt werden können, soweit sie nicht nach altem Recht schon früher verjähren. Zu solchen schnell ver jährenden Forderungen gehören besonders die Ansprüche: 1. der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker, für Lieferung von Waren, Aus führung von Arbeiten, Besorgung fremder Geschäfte gegen die Privatkundschaft; 2. der) Eisenbahnen, Frachtfuhrleute, Schiffer, Lohn kutscher und Boten für Fahrgeld, Fracht usw.; 3. der Gast- und Speisewirte für Wohnung und Beköstigung; 4. der Lotte:iekollekteure gegen die Privatkundschaft für Lieferung von Loosen; 5. der Vermieter von beweglichen Sachen wegen des Mietzinses; 6. Derjenigen, die die Besorgung fremder Gäste oder Dienst leistungen gewerbsmäßig betreiben, also der Haus- und Geschäftsmakler, Stellenvermittler usw.; 7. der Privatangestellten wegen Ge haltes usw.; 8. der Arbeiter wegen Lohnes; 9. der öffentlichen und privaten Angestellten für Unterricht, Verpflegung, Heilung sowie der öffentlichen und privaten Lehrer wegen ihrer Honorare; 10. die Aerzte und Medizinal personen für ihre Dienststellungen, sowie der Rechtsanwälte usw. für ihre Gebühren und Ausladen. Im Vorstehenden sind nur für die städtischen Verhältnisse am häufigsten vor- kommcnden Kategorien aufgezählt. Die Ver jährung läuft nicht ab, so lange die Forder ungen gestundet ist. Sie wird unterbrochen und muß neu beginnen, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber seine Verpflichtung durch Zins- ä eonto- Zahlung, Sicherstellung oder sonstwie anerkennt. Außerdem aber kann die Verjährung verhindert werden — und dies ist natürlich der sicherste Weg — durch Erhebung und Zustellung der Klage oder eines ZahlungSbcfehles. Da die kurze Ver jährung mit dem ausgesprochenen Zwecke ein« geführt ist, das schädliche Borgsystem einzu schränken, so thut jedenfalls der Geschäfts mann, der unter eine der genannten Kategorien fällt, gut daran, rechtzeitig vor Jahresschluß sich seine säumigen Schuldner aus den Büchern herouszusuchen und nach erfolgter Mahnung vor Ablauf dieses Jahres zu v rklagen. Rundschau. — Berlin. Der russische Generalagent v. Niedermüller, der im Sommer des vorigen Jahres vom Zaren mit einer militärischen Expedition in der Mandschurei betraut war, sagte bezüglich des Sühne-Prinzen Tschun zu einem Vertreter des „Berliner Tageblatt", daß nach seiner Kenntnis der Dinge der Prinz erwartet und verlangt habe, an der deutschen Grenze von einem kaiserlichen deutschen Prinzen empkangen zu werden und daß auf d:ese ge täuschte Erwartung wohl hauptsächlich die Erkrankung des Prinzen zurückzusühren sei. Basel, 2. September. Die Mitglieder der Berliner chinesischen Gesandtschaft sind gestern von Basel nach Berlin abgereist. Vor der Abreise hatte der Gesandte mit seinem Nachfolger und dem Prinzen Tschun eine lange Konferenz. Für die Unmöglichkeit des geforderten Kotau wurde auch hervorge hoben, daß ein Gesandter, der sich vordem Souveränen eines europäischen Kulturstaates zu Boden geworfen, dem diplomatischen Korps nicht mehr als ein Gleichgestellter erscheinen könne und folglich als diplomatischer Ver treter unmöglich geworden sei. Wie sehr man hofft, daß die Regierung allen diesen Gründen Rechnung tragen werde, geht daraus hervor, daß man die noch in Genua ver bliebenen Gepäckstücke nach dem Badischen Bahnhof, also nach der deutschen Station hat überführen lassen. Nichtsdestoweniger erscheint den Chinesen die Lage noch kritisch. — Hamburg. Großes Aufsehen erregt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des kürzlich verstorbenen Wein händlers Rudolf Fuchs, der mit Pollini zu sammen vielfach an Theatergründungen be teiligt war. Die Passiva sollen über eine Million betragen. — Wie der „Tägl. Rundsch." zufolge verlautet, ist die Nachricht, daß der Dragoner