Volltext Seite (XML)
«acht, an die Wundelkraft der in der Christnacht ge fertigten Ketten und Sporen ist altheidnischen Ursprungs. Es ist auch bis heutigen Tages noch nicht ganz aus der Volksseele geschwunden. Auch der einsam lebende Bauer im bayerischen Hochgebirge glaubt daran, daß die Pferde in der Christnacht reden können. Er giebt nicht nur ihnen und den anderen Haustieren besseres Futter, ehe er zur nächtlichen Christmette geht, er legt auch Heubündel hin für die Tiere des Waldes und streut Futter für die wilden Vögel. Andere Weihnachtssagen, so die Legende von den in der Christnacht blühenden Apfelbäumen, sind dagegen christlichen Ursprungs — von dem blühenden Baume wird der Fluch genommen, dem er bei der Austreibung der Menschen aus dem Paradiese verfiel. Ebenso die Legende, daß das in der Christnacht geschöpfte Wasser sich in Wein verwandle — sie führt darauf zurück, daß die Christen der ersten Jahrhunderte auch das Wunder der Hochzeit von Kana auf diesen Tag verlegten. Das in manchen Gegenden am zweiten Weihnachts feiertage übliche milde Rutenstreichen der Kinder an Er wachsenen, Pfeffern genannt, von dem letztere sich durch Geschenke lösen müssen, wird mit dem Martern des heiligen Stephanus in Verbindung zu bringen sein. Denn diesem Heiligen war der 26. Dezember geweiht, schon bevor man überall am 25. Weihnacht feierte, und der zweite Weihnatsfeiertag hat somit eine doppelte Be deutung. Aber ob uns der Mistelschmuck, den die Engländer noch heute zu Weihnachten an der Stubendecke anbringen, daran erinnert, daß unsere Vorfahren mit diesem Strauch, der ihnen die Zauber- oder Wünschelrute lieferte, ihr Haus segnen wollten, ob die Julgrütze in Skandinavien und das Julgebäck und des Julklappwerfen in Mecklen burg und Pommern, (bei dem vielmal eingewickelte Ge schenke von Unbekannten ins Haus geworfen werden), uns an die festlichen Mahlzeiten und an die segen bringenden Geschenke der alten Germanen erinnern, ob wir im Weihnachtsbanm den alten Julblock flammen oder das Licht der Welt leuchten sehen, überall wollen wir Weihnachter feiern als Fest der Liebe und des Lichtes. Und sind wir auch mehr und mehr abgekommen von den alten Gebräuchen, da, wo wir ihre Ueberreste noch antreffen, sollen sie uns anmuten wie die halbverwehten Klänge eines alten, ehrwürdigen Liedes, drin unsere Vorfahren ihr Fühlen und Sehnen niederlegten. Anna Plothow. Vermischtes. * Die Nachricht von einem Einbruchsversuch in die Gewölbe von Notre Dame hat die Bevölkeruug von Paris in große Aufregung versetzt. Nur einem Zufall ist es zu danken, daß der Raubanschlag verraten wurde Wie der Polizeichef versichert, muß eS geradezu ein genialer Kopf sein, der den „Entwurf" zu dem ge planten Verbrechen ausgearbeitet hat. Der betreffende Gauner dürfte zum wenigsten zwei Jahre zu seinen sorg fältigen Vorbereitungen gebraucht haben. Er hat sich über den Mechanismus sämmtlicher Sicherheitsvorrich tungen an dem Eingänge zu den Schatzgewölben, die überdies Tag und Nacht bewacht werden, genau zu orientiren gewußt, und mehr als ein Dutzend erfahrener und geistesgegenwärtiger Diebe müssen von ihm in- struirt worden sein. Bei einem zum Complott gehören den Verbrecher fand man..die geheimnißvollen Zeich nungen und Instruktionen, die auf das geplante Atten tat hindeuteten. Die unschätzbaren Reliquien der Ka thedrale, diese seit Jahrhundertewsin den Gewölben der alten Kirche aufgespeicherten Kostbarkeiten haben übrigens schon oft die Raublust geweckt. Es existirt ein im Pes Itätsels Kösnng Kriminalroman von Fr. Ferd. Tamborini. 22 Wohl kombinierte Laubell, daß dieser Bruder SeipelS mit in die Geschichte verflochten war, denn die Frau schien große Angst vor ihrem Manne zu haben. Hatte denn Feo dor Seipel je von diesem Bunde gesprochen ? Laubell wußte eS nicht. Wenn er doch diese Frau oder den Bruder aus findig machen könnte. Er begab sich nochmals zur Familie Michel, bei welcher Frau Seipel bedienstet gewesen war. Aus den Kindern erfuhr er folgendes durch gütige Ver mittlung der Mutter: Frau Seipel hatte eine» TageS Be such bekommen: ein großer schwarzer Mann, der hatte sehr mit Frau Seipel geschimpft; die Kinder mußten das Zim mer verlassen, und als nachher der Mann fort war, weinte Frau Seipel fast den ganzen Tag. Laubell frug, was der Mann für Kleider angehabt habe und erhielt zur Antwort, daß er ausgesehen habe wie ein Jäger: eine graue Jacke mit grünem Kragen und Aufschlägen hätte er angehabt, die großen Knöpfe seien den Kindern besonders ausgefallen. Laubell entnahm seiner Tasche den großen Knopf, und die Kinder erkannten ihn sofort wieder. Hier erfuhr er auch, daß Frau Seipel möglicherweise setzt bei ihrer Freundin, einer Fanny Blois in dem Dorfe L... sein könne. Am selben Tage suchte Laubell Fanny Blois in X... auf; aber leider, Frau Seipel war auch hier nicht mehr. Jetzt war seine Geduld zu Ende. Zwar erfuhr er die ge- nane Adresse von Frau Blois, und so wollte er noch den letzten Versuch machen. Ein anderes Dorf, aber auch andere- Wetter. Hefti ges Schneetreiben hatte sich eingestellt, jede Aussicht ver hüllend. Endlich fand er nach mehrfachem Fragen das be zeichnete HauS, da sollte Frau Seipel bei einer Familie Lhoin wohnen. Vor dem Hause stand ein Toteuwagen, neben demselben schwarz gekleidete Menschen; er trat ein. Ein Sarg, bedeckt mit einigen Kränzen. Jahre 1840 erschienens Buch, in welchem die bis dahin unternommenen 42 Raubversuche und die fünf zum Teil erfolgreichen Einbrüche in die Schatzgewölbe, da runter RobeSpierreS Eindringen während der Revolu tion, geschildert sind. Bis zum heutigen Tage haben bereits 16 Wächter bei der Verteidigung des unterir dischen Kirchentresors ihr Leben eingebüßt. * Anm Selbstmord des japanischen Delegierten für die Pariser Weltausstellung. Am Sonntag hatderVer- treter Japans auf der Weltausstellung, Legationssekretär Sakai, sich durch Sturz aus dem Fenster seines Hotels das Leben genommen. Die verzweifelte That, nach deren Motiven man anfangs vergeblich suchte, hat nun doch ihre Aufklärung gefunden. Unglückliche Liebe waren die Beweggründe! Herr Sakai ein überaus empfindsamer Mann, der überdies das Pariser Klima nicht vertrug und schon im Sommer aus Gesundheitsrücksichten heim kehren woll te, hatte, so schreibt man, in Paris ein junges Mädchen kennen gelernt und sich sterblich in die Schöne verliebt. Als in diesen Tagen für ihn die Stunde zur Heimfahrt nach Dokohama schlug, wendete Sackai alle Überredungskunst auf, um die Geliebte zu bestimmen, daß sie mit ihm Paris verlasse und ihn in seiner Heimat Japan mit ihrer Liebe beglücke. Die kleine Pariserin wollte aber sich nicht so weit von den Boulevards und den Champs Elysses entfernen. So sind die jungen Damen von der Seine! Er aber, der wohl ernstlicher als seine Angebetete sein Herz verloren hatte, verlor nun auch vollends den Kopf, und das Ende war der geschilderte Selbstmord des allgemein be liebten und hoffnungsvollen jungen Diplomaten. * Volkszählungs-Kuriosum. Ein biederer Tischler meister in Neustadt i. H. hat bei der letzten Volkszählung die Karte für Vieh- und Baumzählung folgendermaßen ausgefüllt: 1. Ich habe kein Pferd und auch kein Fohlen, 2. Auch Maultiere sind hier nicht zu holen, 3. Den Esel spiel ich selber; 4. Ich habe keine Kuh und keine Kälber, 5. Schafe habe ich nicht ein, 6. Und halt' im Leben niemals Schwein; 7. Und Ziegen habe ich auch nicht, Doch Böcke, glaube ich, finden sich, Denn wenn bei uns die Unterhaltung mal stockt, Sagt meine Frau: „Ich habe den Bock." 8. Zählbares Federvieh habe ich nicht, Denn mein KanarienhauS zählt ja nicht, Und meine Lora, die sich sonst in alles mengt, Ist aus dieser Statistik verdrängt. 9. Nun wollt ihr Nachricht über die Bienen? Da kann ich leider nicht mit dienen, Als Handwerksbursch' da hatt' ich sie, Jetzt halt' ich nichts mehr von dem Vieh. 10. Apfelbäume, die habe ich auch nicht. 11. Hinter Birnbäume kommt ein Strich. 12. Doch Pflaumenbäume halt' ich drei 13. Und Kirschbäume halt' ich zwei, Doch weil die Spatzen immer vor mir kommen, Habe ich sie vorigen Herbst 'rausgenommen. * Der älteste aktive europäische Offizier dürfte ohne Zweifel der russische Admiral und Generaladju tant Graf Loguin Loguinowitsch von Heyden sein. Ihm ist es vergönnt, in diesen Tagen sein 80 jähriges Mili tärjubiläum zu feiern, ein Jnbilänm, das mit Aus nahme Kaiser Wilhelms I. kein Anderer vor ihm er lebt hat. Im Jahre 1806 geboren, trat Graf Heyden schon 1820 in den Dienst der russischen Marine und nahm 1827 unter den Befehlen seines Vaters, welcher das rutsche Geschwader kommandirte, an der Seeschlacht „Wohnt hier," fragte er den ersten besten, „eine Frau Seipel?" „Jawohl," sagte man ihm, „hier wohnt sie!" und da bei deutete man auf den Sarg. „Sind Sie ein Verwand ter ? Sie kommen .. ." „Zu spät, ich sehe er." Man forderte ihn auf, einzutreten. Nachdem die Leiche aus dem Hause gebracht war, unter hielt sich Laubell mit der zurückgebliebenen alten Mutter. „Bor drei Tagen ist sie gestorben." „Vor drei Tagen?" „Ja, nun hat das arme Geschöpf Ruhe; sie hat schwer gelitten!" Man sollte verrückt werden, dachte Laubell. „Sehen Sie," begann die Alte wieder, „sie kam hier her von unserer Frenndin Blois; wir nahmen sie gern, sie war ein liebes, sanftes Ding. Oben auf dem Stübchen hätte sie in Ruhe leben können, aber man ließ sie ja nicht in Ruhe, auch hier nicht." Die Alte weinte. „Wer raubte ihr denn die Ruhe?" „Ach, eS war einige Male ein Mensch zu ihr gekom men, ein großer, schwarzer Mann, hu, der sah unheim lich aus, und da merkte ich, daß sie stets stiller und ge drückter wurde, auch viel weinte. Ich fragte sie, was das nüt dem Manne auf sich hätte. Da bekam ich zur Ant wort: ich habe großes Leid erfahren durch diesen Mann, aber sagen kann ich es nicht. Am besten ist's, ich sterbe. .. Ich habe mir viel den Kopf um den Kerl zerbrochen und was er ihr wohl gethan haben konnte. Da, eines Abends, kam er wieder; ertappte an mir vorüber nach oben. Mich faßte die Furcht, ich schlich nach, stellte mich vor die Thür, ob er ihr etwas zu Leide thun würde. Da hörte ich laut sprechen, verstanden hab' ich nicht viel, sie sprachen dentsch und davon versteh' ich nur wenig. Einmal nur sagte sie in unserer Sprache: ich kann Dir nichts geben. Dann schlug er auf den Tisch und fluchte. Gleich darauf lief er fort. Ich war froh. Nun ging ich zu der Armen, sie sah bei Navarin teil. Zar Nikolaus I. ernannte ihn 1849 zum Generaladjudanten, ein Amt, das er 51 Jahre hindurch und unter vier Kaisern innegehabt hat. Als er im vorigen Jahre die 50. Wiederkehr dieses Tages beging, verlieh der Zar ihm, da er längst sämmtliche russische Orden besitzt, die Medaillenportraits Nikolaus I., Alexanders II. und Alexander III., mit Brillanten be setzt und auf der Brust zu tragen. Der 94 jährige Greis besitzt heute noch eine erstaunliche Lebensfrische und Rüstigkeit. Der Jubilar entstammt einer holländischen Familie, die erst am Ende des 18. Jahrhunderts nach Rußland gelangte. * Ein neuer Orden. Prinz Georg von Griechen land hat in Paris einen Orden bestellt, der die Brust derjenigen schmücken wird, die für Kretas Befreiung ge kämpft haben Er wird, so schreibt der Athener L.-Korrespondent, in drei Klaffen zerfallen, in das gol dene, silberne und eherne Kreuz. Das goldene wird nur an 100 Personen verliehen werden, das silberne an 200, das eherne an 700. Das Recht der Ordensver leihung steht dem Prinzen laut 30. Artikel der kretischen Verfassung zu. Die Dekorirungen werden am 22. Dez., dem Jahrestage der Landung des Prinzen in Kreta, stattsinden. Bericht über den Schlachtviehmarkt auf dem städtische« Viehhofe zu Leipzig am 20. Dezember 1900. Auftrieb: 546 Rinder, 1176 Kälber, 303 Stück Schafvieh, 1580 Schweine, 8605 Tiere. Marktpreise für 50 Kg. inMark. Tier gattung Bezeichnung -AZ- «K Ochsen 1. vollfleischige, ausgemästete höchsten ./r! Schlachtwertes bis zu 6 Jahren . . — 71 2. junge fleischige, nicht ausgemästcte, — ältere ausgemästete — 67 3. mäßig genährte junge, gut genährte ältere — 62 4. gering genährte jeden Alters .... — 56 Kalben u. 1 vollfleischige, ausgemästete Kalben Höch- Kühe: sten Schlachtwertes — 65 2. vollsleischige, ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren . . — — 3. ältere ausgemästete Kühe und wenig 60 gut entwickelte jüngere Kühe und Kalben — 54 4. mäßig genährte Kühe und Kalben . . — 46 5. gering genährte Kühe und Kalben . . — 62 Bullen: 1. vollfleischige höchsten Schlachtwertes — 58 2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere — 54 3. gering genährte ........ — —. Kälber: 1. feinste Mast- (Vollmilch-Mast) und beste Saugkälber 40 ! — 2. mittlere Mast- und gute Saugkälber . 46 — 3. geringere Saugkälber 40 — Schafe: 4. ältere gering genährte (Fresser) . . . — — 1. Mastlämmer und jüngere Masthammel 33 2. ältere Masthammel ....... 30 — 3. mäßig genährte Hammel und Schafe (Merzschafe) — —- Schweine 1. vollfleischige der feineren Raffen und deren Kreuzungen im Alter bis zu 1 Jahren — 59 2. fleischige — 57 3. gering entwickelte, sowie Sauen u. Eber — 51 4. ausländische . — — Astronomischer Kalender. Sonntag, den 23. Dezember 1900. Sonnenaufgang 8 Uhr 12 Min. Sonnenuntergang 3 Uhr 46 Min. Mondaufgang 8 Uhr 54 Min. Monduntergang 5 Uhr 46 Min MEM!»: EL«»«« SW »»-MM»»-«-«« WWq KM!»'«' zum Erbarmen aus, kann's Ihnen nicht beschreiben, aber sie sagte mir keine Silbe. Spät abends besuchte ich sie nochmals, da schrieb sie Briefe, und am andern Morgen lag sie im Fieber, Herr. Es dauerte nicht lange, sie hatte nichts mehr zuzusetzen, schon nach zwei Tagen starb sie." „Wissen Sie, was sie geschrieben hatte?" „Ja, sie gab mir den einen Brief, ich sollte ihn an die Adresse besorgen, den andern hat sie wieder verbrannt Dieser eine Brief liegt noch oben in der Kommode." „Und der Mann?" „Ist nach ihrem Tode nochmals hier gewesen, machte aber gleich wieder fort." „Zeigen Sie mir den Brief." Beide gingen hinauf; die Alte suchte und suchte, der Brief war verschwunden. Vermutlich hatte der Kerl ihn an sich genommen. Laubell war außer sich. Er verließ das HauS, blieb aber im Orte, denn er hoffte, den fraglichen Patron ir gendwo zu erblicken. Nach einigem Ueberlegen beschloß er, mehrere Kneipen und Spelunken zu besuchen. Es dun kelte, als er die dritte Kneipe betrat. Eine ganz miserable Banernspelunke: eine Oellampe, einige Tische, Stühle, Ka rnin, Schnaps-und Weingläser, in einer Ecke ein gedeckter Tisch, das Buffett. Sollte er hier übernachten? ES war außer ihm und seiner» Kutscher niemand im Gastzimmer anwesend; bei Nacht und solchem Wetter die Rückfahrt antreten, war nicht ratsam; die anderen Kneipen waren noch schlechter gewesen ... also? Er bestellte Essen und Trinken, frug nach Herberge für sich und sein Gespann. Da öffnete sich die Thür nnd mehrere Gäste traten ein: Landleute, Krämer, meist Per- sonen aus dem Dorfe. Laubell betrachtete die Menschen genau und beachtete ihr Gespräch. DaS drehte sich um alltägliche Dinge. Plötzlich wurde die HauSthür mit Wucht ins Schloß geschlagen. Die Anwesenden sichren durch diesen Krach ordentlich zusammen. 76,18