Volltext Seite (XML)
— 9l — Man vergegenwärtige sich allezeit, daß man zwei charakteristische Eigenschaften haben muß, worauf die Hoheit der Kunst beruht: erstens, das ernsthafte und tiefinnige Erfassen von natürlichen Thatsachen, alsdann das Regeln derselben durch die menschliche Geistes kraft, damit sie im höchsten Grade hilfreich, unver geßbar und schön für alle gemacht werden, welche sie anschauen. Und so ist die hohe Kunst weiter nichts als der Ausdruck tüchtigen und edlen Lebens. Denn, so wie der Unedle sich gegenüber allem, was in seiner Welt vorgeht, gebahrt: — erstens, keine Sachs klar wahrnimmt, keine aufrichtigen Blickes betrachtet und alsdann sich fortreißen läßt vom reißenden Strom und von der unausweichbaren Macht der Dinge, welche er nicht vorauszusehen und zu begreifen im Stande war: — so schaut anderseits der Edle den Thatsachen der Welt offen ins Gesicht; ergründet sie mit tiefer Einsicht; verfährt dann mit ihnen mit unerschütterlicher Besonnenheit und unübereilter Kraft. Sein Geist wird kein unbewußter noch unbedeutender Sachwalt, indem er das Gute zuffördern und das Schlechte zu hemmen sucht. So sehen Sie im Leben die zwei Gebiete recht mäßiger Arbeit allzeit gesondert, dennoch allzeit vereinigt: zuerst Wahrheit, alsdann Plan oder Ziel, welche auf ihr beruhen. So auch finden Sie in der Kunst dieselben zwei Gebiete allzeit gesondert und allzeit vereinigt: zuerst Wahrheit, alsdann Plan oder Ziel, welche auf ihr beruhen. 9