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No. 7 FalmlienblltN für Länder- »nd Völkerkunde Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Redigirt von vr. Ttto Delitsch, Privat-Docenl und Realschul Oberlehrer. Wöchentlich eine Nummer. -<- Leipzig, 17. November 1869. Vierteljährlich 18 Sgr. I. Jahrgang Zu beziehen durch atte Buchhandlungen des In- u. Auslandes sowie Postämter. Am heutigen Tage erfolgt die Eröffnung des Kanals von Suez — vielleicht eines der folgenschwersten Ereignisse unserer rasch fortschreitenden Zeit. Ein beträchtlicher Theil des Welt handels wird durch diesen neuen Seeweg in neue Bahnen ge lenkt, auch Deutschlands Handelsverhältnisse werden dadurch wesentlich modifizirt werden. Wir geben daher in Folgendem eine Beschreibung dieses auch au sich interessanten Riesenwerkes, der wir eine Karte des Kanals, einen Profildurchschnitt, Situationspläne von Port Sätd und Suez sowie eine Ansicht des zuletzt genannten Hafens beifügen, indem wir uns Vorbehalten, später auf den Gegenstand zurückzukommen, um unsern Lesern Notizen von allgemeinerem Interesse über die Eröffnungsfeier mitzutheilen. In geschichtlicher Beziehung bemerken wir, daß die geringe Erhebung der Landenge von Suez über das Niveau des Meeres schon im grauen Altcrthume die Anlegung eines Kanals veran laßte, welcher sein Wasser aus dem Nil, der Insel Rodah gegen über, empfing, am Rande der Wüste bis Bnbastis lief nnd durch das Thal der sieben Quellen (8obn vir) um die Bitter seen herum nach Suez (dem alten Arsinoö oder Elcopatris) führte. Er war 22^ gcogr. Meilen lang, 10 Fuß tief und so breit, daß zwei Ruderschiffe neben einander fahren konnten. Nach Herodot wurde er um die Mitte des 7. Jahrhunderts vor Ehr. Geb. von Necho, Psammetich's Sohne, begonnen und von Darius, Hystaspes Sohne, vollendet. Mehr als 120,000 Ae- gypter sollen bei dem hundertjährigen Bau zu Grunde gegangen sein. Strabo setzt den Anfang des Baues sogar unter Scsostris vor dem trojanischen Kriege. Den Beherrschern des alten Ae gyptens genügte zur Erweiterung ihrer Handelsbeziehungen ein Süßwasserkanal, von dessen Benutzung die übrigen handel treibenden Völker des Biittelmeeres ausgeschlossen waren. Unter der Herrschaft der Araber, deren Schriftsteller ihn zum Theil noch mit den prunkendste» Namen bezeichnen, wurde er verschüttet. Napoleon I. faßte während seines Aufenthaltes in Aegypten im Jahre 1798 den Plan, das Mittelmeer direkt mit dem Rothen Meere durch einen Kanal zu verbinden und beauftragte seinen ersten Ingenieur Lepöre mit dem Nivellement der Landenge, welches zu dem Resultate führte, daß der Wasserstand des Rothen Meeres um 11 m. höher sei als der des Mittelmeeres. Man suchte den Grund dieser Erscheinung in einer Anstauung des Wassers im Rothen Meere, fürchtete ein rasches Abströmen des selben nach dem Mittelmeere und infolge dessen eine Versan dung des Kanals, und ließ daher das Projekt fallen. Ein in den Jahren 1846 und 1847 durch den Engländer Stephenson, den Franzosen Talabot, den Oesterreicher Ritter Negrelli und den Aegypter Linant Bellefonds Bey ausgeführtes Nivellement zeigte dagegen, daß der mittlere Wasserstand des Rothen Meeres mir 0,ig m. oder etwa Fuß höher sei als jener des Mittelmeeres, wobei noch unentschieden bleibt, ob nicht diese ganze Differenz in der Schwierigkeit ihren Grund hat, den mittleren Wasserstand des Rothen Meeres zu bestimmen. Dies Resultat bewog Ferd. von Lesscps, den Sohn des französischen Vizekonsuls in Aegypten zur Zeit Mehemed Ali's, den Plan eines maritimen Kanals wieder aufzunehmen. Der Klugheit, Energie und Ausdauer dieses Mannes verdankt die Welt die Ausführung des riesigen Unternehmens. Im Jahre 1854 erhielt er von Said Pascha, dem er persönlich nahe stand, die Konzession zu seinem Unternehmen und gründete die „Oom- pagnio univorsoUs cku eanU maritime äs 8uor:." Die Summe von 200 Mill. Fres. (53^ Mill. Thlr.) in 400,000 Aktien ü 500 Fres., welche zur Anlage ausreichend erschien, wurde gezeichnet, und zwar bekheiligte sich Frankreich mit mehr als der Hälfte, Said Pascha mit einem Viertheile der Summe, während der Rest von Rußland und Oesterreich aufgebracht wurde, das übrige Deutschland und England aber fast ganz thcilnahmlos blieb. Durch die Konzession überließ Said Pascha der Gesellschaft 63,000 Hektaren (246,747 prenß. Morgen) Land und verpflich tete sich, 20,000 Fellahs oder Leibeigene zur Arbeit zu stellen, die sich monatlich ablösten und von der Gesellschaft bezahlt wurden. Kanal und Häfen sollten 99 Jahre, voni Tage der Er öffnung an, Eigenthum der Gesellschaft bleiben, von jenem Zeitpunkte an in den Besitz der ägyptischen Regierung über gehen. Dagegen verpflichtete sich die Gesellschaft, 15o/y des jährlichen Ertrags an die Regiernng abzugeben und die Ab gaben für die Schiffe aller Nationen gleich hoch zu normiren. Oer Kanal von Suez. Bearbeitet von Professor Or. Kühne. l