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346 Es mochte 1 Uhr herangekommen sein, als ich von einem lauten Geräusche dicht neben uns in die Höhe fuhr. Die Lampe brannte nicht mehr, völliges Dnnkel umgab uns; auch L. war erwacht und fragte mich, was das sei. Ich sprang in die Höhe; da that etwas neben uns einen Fall, und nach einem lauten Ge raschel wurde es still. Mein Feuerzeug gab schnell Licht, die Lampe brannte bald wieder, als ich den Docht hervorgezogen; aber nirgend war etwas zu sehen. Ich stieg die zwei Stufen hinunter, und unter mir begann das Rascheln von neuem. Da bemerkte ich, daß unser Frühstück nicht mehr an seiner Stelle lag: unter unserm Lager, dem Dielboden, saß bei unserm Käse eine gewaltige Ratte und hatte ihn schon znr Halste verzehrt. Unser Schreck verwandelte sich in Lachen; aber ich wollte ihr den Raub auch jetzt nicht gönnen, den sie bei unserm Geräusch so weit mit fortgezerrl hatte, obgleich er für uns nun doch ungenießbar geworden war. Ich legte ihn an eine noch unzugänglichere Stelle und freute mich, daß wenigstens der kleine Rest unseres Huhns unberührt geblieben war. Nachdem L-, der schon Schmerzen von dem harten Lager empfand, sich hatte bewegen lassen, einen Mantel noch unterzubreiten, überließen wir uns getrost von neuem dem Schlaf; denn unsre Ruhestörer waren eben nicht zu fürchtende Feinde. Mit Tagesanbruch, um 4 Uhr, erhoben wir uns gestärkt, obwohl hie und da ein Glied schmerzte. Wir waren froh, als wir unsre Klause und die Klostermauern hinter nnS hatten. Bist Aufgang der Sonne waren wir wieder am Quell, wo wir schon einen Mann beschäftigt fanden, einen ganzen Karren voll hölzerner Bütten mit frischem Wasser zu füllen und so den Bedarf für die Arbeiter in den Steiubrücheu und andre Anwohner weiterhin hinabzuführen. Uns erquickte der frische Sprudel Zunge und Antlitz und gab einen trefflichen Spiegel ab; und so machte jeder von nns seine Toilette in schönster, gewohnter Ordnung, und die Quellennhmphe half aufs allergetrcnlichste. Denselben Fußsteig, den wir gestern eingeschlagen, zurückeilend, gelaugten wir bald zum Hause bei den Steiubrücheu; und da hier in die Erde ge rammte Tische und Bänke so freundlich entluden, ließen wir nns nieder, die traurigen Reste unserer Abendmahlzeit zu verzehren; und wenn gleich die Nationen noch halbirt wurden (denn vom Stückchen Fleisch, das jedem zusiel, fraßen die unverschämtesten Wespen, die wir fast mit in den Mnud steckten, und ein Trunk Wasser, den wir von einem Knaben dazu erlangt hatten, war aus dem durchlöcherten Scherben schon znr Hälfte ausgelaufen, ehe man ihn bis zum Munde brachte), so erquickte uns doch das Wenige so, wie selten etwas. Das war auch nöthig, da es etwa für die nächsten zwölf Stunden vorhalten mußte. Wir hatten uns nicht sehr beeilt, um möglicher Weise noch unsern vierten Manu, der ja am Morgen Nachkommen wollte, zu erwarten, da er uns auf der Höhe schwerer ausfindig gemacht haben würde, nun aber sing die Sonne schon an ein wenig lästig zn werden, und wir durften nicht mehr säumen. Die untersten Stcinbrüche liegen unfern des Hauses, das wohl ein Beamter bei denselben bewohnen mag. Dort fanden wir etwa drei Steinbrecher be schäftigt und einige griechische Handlanger. Es ist kein Geld vorhanden, um die Arbeiten in gehörigem Umfange fortznsetzen, und darum war hier auch die einzige Stelle am ganzen Berge, wo man brach. Bon diesen Steinbrüchen an beginnt das stärkere Ansteigen, und um zu den Brüchen der Alten zu gelangen, machten wir uns daran, den steilen Weg über nackten Fels in die Höhe, zu klimmen. Es war keine kleine Arbeit, nnd alle zwanzig Schritte bedurften wir der Ruhe und Erholung; dazu lag uns die brennende Sonne auf dem Rücken, von Schatten war nichts zn finden, und der arme M. hatte gar bei dieser Fahrt ausdrücklich einen ganzen Flanellanzug auf dem Leibe. Er legte sich deun auch zuweilen, wie verschmachtend, neben den Weg. Und diesen ganzen schwierigen Pfad sind der Parthenon und alle prachtvollen Tempel Ättika's, die Werkstücke enthalten, welche man heut zu Tage nur mit den künstlichsten Maschinen von der Stelle schaffen könnte, heruntergewandert. Wenig anderes gibt eine» so klaren j Begriff von den ungeheuren Anstrengungen, welche für diese alten Bauwerke aufgcwendet worden sind, als diese örtlichen Verhält nisse des Weges, auf welchem das Material zur Stelle geschafft werden mußte. Neben den Weg gewälzt, findet man noch Reste solcher Arbeiten, die entweder bei der Transportation schadhaft geworden und dann des weiten Transportes nicht für werth er achtet werden mochten, oder zur Zeit des untcrgeheuden Glanzes verlassen wurden. Es waren Reste vonSäuleustücken, schon im Steinbruch selbst ziemlich bearbeitet, selbst schon kannelirt, im Durchmesser 2 bis 2,6 M. haltend. Der Weg geht über Glimmer schiefer, mit Kalkschichteu wechselnd, die an einigen Stellen deutlich neben ciuauder und steil nach Süden, wenig östlich fallend, liegen. Oft blickten wir zurück; aber obwohl wir dcu Weg in der Ebene weit übersehen konnten, zeigte sich von dem erwarteten Gefährten doch keine Spnr. Die blendende Sonne und ein dichter Duft verhinderte leider den klaren Ueberblick über die attische Ebene nnd die Inseln im Saronischen Meere, die am Abend als köst liches Bild vor dem vom Pentelikon Blickenden gebreitet liegen müssen. Auch als wir uach mühseligem Steigen bei den alten Brüchen angelangt waren, zeigte sich das Bild nm nichts deut licher. Hier aber erquickte uns Schatten und kühler Wind. Eine steinerne Hütte, wohl zur Bewahrung des Materials der Arbeiter errichtet, und eine schlechte, steinerne Lanbe boten große sonnen- freie Strecken, und wir genossen der erquickenden Kühlung lange. Die steilen, gewaltigen Wände der alten Brüche lagen uns gegen über, glatt wie die Mauer eines Festungswerkes standen sie aufge richtet, so daß sic zu sehr verschiedene« Meinungen über die Art des Brechens bei den Alten verleitet haben. Daß diese es in andrer Weise thaten, als wir es vornehmen, ist gewiß, und daß sie von oben herunter die Stücke gleichsam schon als fertige Quadern vom Felsen abgcuommen haben müssen, scheint nothwcndig zu folgen; aber ihre Mittel der Loslösung solcher Massen sind nicht bekannt. - Es befindet sich unterhalb der Brüche eine Höhle, die zu betreten wir auch nicht unterlassen durften, da sie nun einmal zu den Merkwürdigkeiten gehört, die hiervon jedem Reisenden in Augen schein genommen werden. L. war, trotz allen Abrathens, wie er von Schweiß durchnäßt hier angekommcn war, hiueiugelausen; wir thaten cö nach der Rnhe; aber wir fanden eben nichts Beloh nendes. Der niedrige Eingang ist mit Ephen und anderem Grün malerisch nmhangen; das Innere zeigte einen geräumigen Platz, mit wenig charakteristischen Tropfsteinbildungeu bedeckte Wände und war völlig geschwärzt; denn es scheint vielfach zum Aufenthalt von Menschen, selbst zu religiösen Zwecken, gebrauch! zu sein, worauf in die Wände gehauene Nischen, wie inan sie zur Aufbewahrung von Marienbildern anbringt, hiudeuteten. Hier mag wohl einst ein Apostel eine getreue Schar erster Christen versammelt und ihnen die ewigen Lehren mitgethcilt haben, die er selbst aus Christi Munde empfangen. Diese Steinbrüche sind aber noch weit vom höchsten Kamme des Pentelikon, von welchem mau dauu nach der andern Seite über die Marathouische Ebene, über Euboea und Audros und Tinos eine weite Uebersicht gewinnt. Zn D.'s großer Verwunderung wollten wir noch höher steigen; indcß vcrrieth er seine Unlust zu weiterer Anstrengung nicht zn sehr und folgte geduldig. Der Weg war um wenig besser; durch dichtes, niedriges Buschwerk mußten wir uns oft hindurchdrängen. Mich verlangte, der erste auf der Höhe zu sciu, nnd ach ließ daher die beiden Herren bald hinter mir zurück. Blich kümmerte kciu Weg; ich harte dcu Punkt im Auge, welcher der höchste schien, nnd steuerte darauf los, durch Schluchten und über steile Partien, durch dichtes Gebüsch und über chaotische Felstrümmcr. Aber je Weiler ich kam, um so ferner schien das Ziel; denn die von jetzt an sich im Ganzen allmählich erhebende Höhe wurde durch nie drigere Punkte stets verdeckt, die später als der Gipfel erschienen, und erst nach langer Mühe ward deutlich, daß der scheinbar höchste Punkt noch ein recht niedriger gewesen war. Zuweilen stand ich athemlos still, rief daun weit in oie Berge hinein, und fernher erscholl eine schwache Antwort der Gefährten, die ich kaum noch