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Steil abfallende Thalschluchten vereinigen sich zu engen, tiefen Thalern, deren Palmenwälder das tropische Klima verrathen. Der Tiesta, der Balasun, der Mahanaddi (Tischta, eigentlich Tisrotas, Fluß mit drei Armen), der Metschi führen in reißendem Laufe gewaltige Wassermengen und mit ihnen viel Steinschutt und Sand ins Tiefland hinaus und dem mächtigen Ganges zu. Unter den Bergen des Innern ist der 2621 m. hohe Sin- tschal der bedeutendste; ein verbindender Kamm zieht sich von ihm nach der hohen Westgrenze, andere Kämme ziehen nach Norden, Osten, Süden, Südwesten, immer mit steilen Berg seiten gegen die Thäler abfallend. Diese ganze Bergwelt hat nichts Pittoreskes, nichts besonders Auffallendes. Das Gestein, aus dem sie bestehen, ist hart genug, um feine ursprünglichen abgerundeten Formen zu bewahren, wenn auch nicht so hart, daß der häufige Regen nicht zahlreiche Wasserrinnen und Schluchten an den Bergseiten gebildet hätte. Da jede Schlucht wieder mehrere Seitenrinnen hat, sind die ganzen Bergseiten so regelmäßig geformt, daß sie das Auge erinüden. Früher war alles mit dichtem Urwald bedeckt; jetzt bieten zahlreiche Lich tungen dem Beschauer eine angenehme Abwechselung. Freilich müssen die Bewohner sehr vorsichtig fein, damit nicht auf den gelichteten Stellen der Regen das fruchtbare Erdreich hinab wasche und den harten unfruchtbaren Untergrund bloßlege. An den Fuß der letzten niedrigeren, doch noch immer steil abfallenden Vorberge legt sich hier, wie in der ganzen Länge des Himalaya, das Terai oder Tarei (in der Sanskrit Tarey-lni) an, eine 3/4 bis 2 Meilen breite Zone Landes, deren Quellen reichthum weder Wald noch Bodenkultur gut anfkommen läßt, sondern eine tropische Sumpfvegetation erzeugt: Rohr und Schilf, dicht durchwachsen mit Schlingpflanzen, bieten den wilden Thieren willkommene Zufluchtsstätten. Durch das Terai, welches zugleich für Europäer ein so ungesunder Aufenthalt ist, daß Niemand in demselben ungefährdet übernachtet, führen breite, durchgehauene Wege, dem Reisenden zugleich die nöthige Sicherheit gewährend. Ueber das Terai erstreckt sich das bri tische Sikkim noch einige Meilen südwärts in eine reich bewässerte, fruchtbare, gut angebaute Ebene hinein. Hier grenzt Sikkim au zwei Distrikte der Provinz Bhagalpur, an den Distrikt Pan- uija, der ans 270 lliMeilen 1,600,000 Einwohner zählt, und an den Distrikt Tirhut, wo auf 288 LiMeilen 2,400,000 Ein wohner zusammen leben; ein Gebiet von 37 bis 84 m. über dem Meeresspiegel, ohne alle Hügel, ein Haupt-Kultnrland für Mais, Weizen, Reis, Tabak, Indigo. So dichte Bevölkernng zählt freilich das britische Sikkim noch nicht: bis vor wenigen Jahrzehnten noch ein dichter, urnbewohuter Urwald, erst seit kurzem unter dem Einflüsse europäischer Kultnr stehend, nur in jenen südlichen Theilen, dem Moruug, stärker bevölkert, mag es jetzt nicht viel über 100,000 Bewohner haben. Das Klima von britisch Sikkim ist so feucht, als irgend eines der Erde. Es zeichnet sich durch seine Gleichmäßigkeit aus, istfrei von raschem Temperaturwechsel und von hestigen Winden. Freilich sind die Oertlichkeiten des Landes selbst sehr verschieden: anders ist es auf deu frischen Berghohen, anders in den heißen Thälern; anders in dem durch den vorliegenden Sintschal ge schützten Dardschiling, anders an den Wetterseiten des Sintschal selbst. Die mittlere Temperatur betrug nach den in Dardschi ling in der Höhe von 2185 in. von 1853 bis 1860 angestellten Beobachtungen im Durchschnitt (Grade nach Celsius) Jauuar 5,2 Juli 17,-, Februar 7,2 August 17,.I März 11,i September 1< April 13,2 Oktober 15,8 Mai 15,u November 10,» Juni 16,5 December 7'8 oder im Jahresmittel 12»,2 C. Der jährliche Regenfall war durchschnittlich 3191 Milli meter nud vettheilte sich aus die Monate wie folgt: Jauuar 12 April 84 Februar 36 Mai 162 Mürz 33 Juui 695 Juli 732 Oktober 165 August 818 November 15 September 433 December 6 Der stärkste Regenfall war im Jahre 1856 mit 4014 mm., der schwächste im Jahre 1857 mit 2540 mm., der stärkste in einem Monat, im Juni 1856, mit 1168 mm.; Monate ohne allen Regenfall kommen nicht selten vor. Wolken und Nebel gibt es in allen Jahreszeiten, völlig sonnenhelle Tage sind auch in der trockenen Jahreszeit eine Seltenheit; das Geschenk eines in Dardschiling aufzustellenden Sonuenzeigers hätte man fast einen Spott nennen mögen. Die Wolken treiben fast fortwährend ihr anmuthiges Spiel: sie rollen in den Thälern heran, ziehen an den Bergseiten herauf, überschreiten die Kämme, sinken drüben wieder in die Tiefe hinab oder schweben längs der Bergseiten hin; bei heiterem Wetter krönen sie die Gipfel. In der Regen zeit ist die Atmosphäre, auch wenn es nicht regnet, stets mit Feuchtigkeit gesättigt, sodaß z. B. Schlagiutweit's Zelt in drei Wochen nicht trocken wurde. Die Lichtung der Wälder um Dardschiling fängt übrigens bereits an, ihren Einfluß geltend zu machen. Es gibt drei Jahreszeiten. Der Frühling dauert von März bis Ende Mai mit einer mittler» Temperatur von 13"; das stärkste Schwanken der Temperatur innerhalb vierund zwanzig Stunden beträgt 60,7. Die Morgen sind kühl und hell, die Tage warm und mild, die Vögel singen, die Pflanzen blühen am üppigsten. Warme Regenschauer beleben häufig die Natur; Hagel kommt bisweilen vor. Die Regenzeit dauert von Anfang Juni bis Ende September mit einer durchschnitt lichen Temperatur von 16",.^; sie beginnt mit Gewittern, dann solgen ruhige, gleichmäßige Regen mit Unterbrechungen am Morgen oder Abend. Südost- und Ostwinde herrschen vor. Die tägliche Schwankung der Wärme beträgt höchstens 50. Der Himmel ist fast stets bedeckt, die Feuchtigkeit wirkt aus den Körper etwas erschlaffend, ist aber nicht gerade ungesund. Der Winter dauert von Oktober bis Ende Februar, die Temperatur wechselt zwischen 13« und dem Gefrierpunkte, die durchschnittliche Wärme ist über 8", die tägliche Schwankung steigt bis 6°,7. Es ist eine köstliche Jahreszeit mit Hellen Tagen, klaren, kalten Nächten. Ende December ist es bisweilen wolkig, selten fällt Regen oder Schnee; letzterer bleibt nur kurze Zeit liegen, da ihn der Helle Sonnenschein wieder anfzehrt. Das Grün in der Pflanzen Welt hört nicht auf, Gemüfe gibt es iu den Gärten auch in: December uud Januar. Kaum läßt sich ein gesünderes Klima denken als das von Dardschiling mit seiner Gleichmäßig keit, mit seiner reinen Lust, seinem ausgezeichneten Wasser. Denn Wasser quellen wohin man nur blickt uud eilen in Gieß bächeu, hin und wieder mit kleinen Fällen, die Berge hinab; Teiche uud Seen können sich nicht bilden. Die Eingeborenen leiten das Quellwasser iu halbgeschuittencu Bambusröhreu iu ihre Häuser. Keine Fieberluft, keine besondere durch örtliche Verhältnisse bedingte Krankheit kommt vor. Immer kann man im Freien verweilen; das körperliche und geistige Wohlbefinden ist nament lich an den Kindern rasch und leicht zu bemerken. Das Kloster Loretto mit seiner Pension hat bei einer Durchschnittszahl von 11 Erwachsenen und 28 Kindern, die meist krank dorthin kamen, in 13 Jahren seines Bestehens keinen Todesfall zu beklagen ge habt, keinen Kranken in anderweitige Versorgung geben müssen. In Dardschiling selbst zählte man bei 200 Bewohnern in drei Jahren nur 7 Todesfälle: 3 Personen starben bald nach ihrer Ankunft an den aus dem Tieflaude mitgebrachten Krankheiten, 3 ungeimpfte Kinder erlagen den Blattern, eine Frau starb in den Wochen. Der Gneiß- oder Syenitfels ist mit einem fetten, gelben und rothen Lehm bedeckt oder ist zu einer Schicht Sand zerfallen, auf welchem dann der fruchtbare Boden 15 bis 30 Centimeter tief liegt. Die Felsen treten selten zu Tage aus. Metalle findet man nicht in abbauwürdiger Menge: Kupfer, Eisen, Mangan sind vorhanden. In den Thälern findet sich auch Kalk. Man zählt 10 bis 12 Mineralquellen, unter denen das „Arznei- Wasser" Meutschn im Thale des Rauguo, 1'/., Meile von der