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2W und Dutch-Mat windet sich die Lokomotive Puffend und stöhnend höher aufwärts, bald links, bald rechts dem Auge Einblicke in die tiefen, mit Tannen, Fichten und Kiefern bewachsenen Thaler gestattend. Schon zeigen sich in schattigen Schluchten weiße Schueemassen; von der Jnlihitze des Sacramcntothales ist in diesen Höhen (Station Alta 1115 m.) nichts mehr zu spüren. Wir passiren die ersten ans mächtigen Baumstämmen gezimmer ten Galerien, die an scharf abfallenden Felswänden zum Schutz gegen Lawinenstürze errichtet sind, den ersten, 250 m. langen Tunnel hinter Shady-Run, den zweiten hinter Emigrant-Gap und dampfen gegen Mittag in den 1802 m. hoch gelegenen Bahnhof von Cisco ein. Ein halbstündiger Aufenthalt gab uns hier Gelegenheit, für 1'/^ Thaler (1 Dollar) ein reichliches, aber seiner übrigen Beschaffenheit nach sich nicht empfehlendes Mahl zu uns zu nehmen; dann rief die Glocke zurück iu die Waggons. Langsam setzte sich der Zug, bei einer anhaltenden Steigung von 1: 30 bis 1: 25 wieder in Bewegung. Wilder werden die Bergszenerien, Tunnel folgt auf Tunnel, sämmtlich im Innern ohne Verzimmerung, oft mit Sturzbächeu, die die Wagen benetzen oder überschütten. Die Bahnstrecke ist fast gänzlich niit Schneegalerien bedeckt, die allerdings die winter liche Fahrt durch das schuee- und lawinenreiche Hochgebirge möglich machen, aber mit ihren bretcrncu Seitenwünden dem Reisenden meilenweit die schönen Aussichten entziehen. (Man zweifelte an der Möglichkeit, durch diese Galerien die Gewalt der Lawinen aufzuhalten, doch haben iu diesen zwei Wintern nur selten Einbrüche der starken Balkendecken stattgefunden, und der Verkehr ist fast ohne Unterbrechung gewesen.) Endlich erreichten wir Crest oder Snmmit, die höchste Station in der Nevada, 2146 m. über dem Meere, die Wasser scheide zwischen dem Pacific und den Steppenflüssen ves Hoch landes. Eng umschlossen von steil emporsteigeudcn, schneebedeckten Felswänden, über welche der Krystallpik sein Weißes Haupt uvch 1100 m. höher erhebt und in den klaren Fluten eines kleinen Sees abspiegelt, ist dieses wildromantische schöne Hochgebirgs- thal jetzt*) der höchste Punkt auf Erden, bis zu welchem hinauf menschliches Genie das Dampfroß, die größte Erfindung nnsers Jahrhunderts, geleitet hat. Wenige Minuten nach der Abfahrt von Summit bogen wir auf starken Kurven in einen 506 m. langen Tunnel ein; bei der Ausfahrt hatten wir den schönsten Aussichtspunkt der ganzen Fahrt. Tief unter uns (760 m. tiefer) aus dichtbewal detem Thale schimmerte uus der dunkelblaue, über 1 Meile lauge Dounersee entgegen (so benannt nach einer Familie Donner, welche bei dem Uebergang über die Nevada in Schneestürmen hier elend ums Leben kam), ringsum breiten sich die gigantischen, wildzerrissenen Felsenmassen zum großartigsten Panorama aus. Auf langen Schlangenwindungen, wie auch durch 6 Tun nels, ging es nun hinab in das Thal des Flusses Truckee, au dessen reißenden hochgehenden Fluten eine Reihe von Säge mühlen durch den Eisenbahnbau ins Leben gerufen worden ist. Drei Meilen von Summit liegt das Städtchen Truckee, 1788 m. hoch, an der Grenze von Kalifornien und Nevada; die Berge umher siud mit hohen Fichten bedeckt, die Rücken der Bergzüge nicht mehr so phantastisch gebrochen wie in den kahlen Felsen- gebirgen. Wie die Landschaft frisch ist, so herrscht auch ein re ges Leben in dem Orte: Amerikaner, Deutsche, Chinesen sieht man in buntem Gemisch; Gruppen schmuziger Indianer saßen am Bahnhöfe umher und spielten eifrig Karten um Silbcr- münzen oder bettelten die Passagiere an. Truckee mag au 3000 Einwohner haben, die Chinesen, die ein Drittheil der Bevölkerung bilden, wohnen in einem besonderu Quartier. Bald ivareu wir aus dem Hochgebirge iu die kahlen nackten Borberge versetzt, die bei weiterer Fahrt zu immer kleineren Hügeln zusammenschrnmpften und zuletzt iu die große Hochebene *) Zu der Zeit, wo der Reisende diese Fahrt schilderte und wo die Bahn über die östlicheren Pässe noch nicht vollendet war. Der durch eine Eisenbahn nach Fell'schem Systeme vermittelte Uebergang über den Mont Cenis ist 2065 m., der Gipfel des Rigi, ans welchen in diesem Jahre eine ähnliche Bahn führen wird, 1800 m. über dein Meere; die Straßeu- Paßhöhc der Furka ist 2410 m., die des St. Gotthardt 2137 m. ! (die „Plains") übergingen. In trauriger Einöde, wo weder Baum noch grüner Strauch, nur düstres Sage-Gebüsch, ja kein grünes Rasenfleckchen zn sehen ist, hat hier der amerikanische Spckulativnsgeist das Städtchen Reno ins Leben gerufen, einen Ort mit einigen hundert hölzernen Häusern, zahlreichen Provisionsgcschäftcu, Trinkstuben, Herbergen, Spielhöllen — freilich dem baldigen Verfall gewidmet. Denn die Vollendung der Bahn hat den Frachtverkehr aufhörcu lassen, die Seitenstraße nach Virginia-City mündet jetzt bei Glendule in die Bahnlinie, und für dauernde Niederlassung bietet Reno keine Veranlas sung mehr. Von hier an ist die Gegend fortwährend öde und einförmig, lieber die Stationen Eagle-Gap 1524 m., Glcndnle 1350 w., wo der Weg nach Virginia-City sich jetzt abzwcigt, und Big- Beud-Truckee 1286 m. gelaugt die Bahn an ihren tiefsten Pnukt in Nevada, die Station Humboldt 1234 in., so benannt nach dem Flusse gleiches Nameus, der im Nordosteu vou Nevada ent springt und nach einem Lauf von 7o bis 80 Meilen - freilich bei dem trocknen Hvchlandsklima unbedeutend für solche Länge I — in dem kleinen, sumpfigen, abflußlosen Humboldt-See endigt. Die Bahn bericht diesen See und geht nun viele Stationen au dem genannten Flusse thalaufwärts, anfangs noch durch breite, flache Thalebene, allmählich von näher herautrcteudeu schroffen Bergen und Bergzügen cingeschlossen. Stets sind hier Gebirge in Sicht, bald in rundlich schwellenden Formen, bald spitzig ver einzelt oder als in Rechen stehende scharfe Zähne — hier nud da mit ihren Schncekroneu den Himmel berührend. So hat auch diese Gegend ihren Reiz, der durch die reiue klare Luft und den in weite Ferne möglichen Blick erhöht wird. Die Stationen sind Oreana 1268 m., Mill-City 1206 in., Big-Bend-Humboldt 1330 in., Jron-Poiut 1360 in., Reese-River oder Skull-Rauch 1387 m., Shoshone-Point 1430 in., Twelve-Mile-Canon i 1471 in., Two-Mile-Canon 1521 in., North-Fork 1591 m., BishopS-Creck 1652 in., Humboldt-Wells 1722 in. Rasch wachsen einige Städte an dieser Bahn heran, beson ders da, wo Straßenliuien nach den benachbarten Silberniinen ! abzweigen. Elko liegt an der Abzweigung des Wegs, dec nördlich nach den Werken von White-Pine abgeht; ein buntes Gemisch vou Ziegelsteinhäuscru, Hvlzhütteu uud Zelten, mit 2500 Einwohnern und regem Verkehrslebcu. Bald nach Humboldt-Wells senkt sich der Schienenweg wieder zu der weiten, mit einer schuecähnlichen Alkalikruste bedeckten Ebene im Westen des Großen Salzsees. Ungefähr 12 Meilen weit fährt der Zug durch diese Einöde, deren trostlose Einför migkeit kaum einzelne dürftige grane Salbeistaudeu unterbrechen; an den wenigen Stationen stehen nur einzelne Hütten nud Zelte. Die Station an der Ostgrcuze vou Nevada liegt 1472 nn, die am Salzsceufer 1308 in. hoch. Ans der Anhöhe vou Pro montory Poiut, nördlich am See, erreicht die Central Pacific-Bahn ihr Ende nnd schließt sich an die hier beginnend Uuion-Pacific-Bahn (denn die gestimmte Bahnlänge von MH souri bis nach Sacramento ist von zwei Kompagnien gebaut worden) an. Promontory-Pvint ist hochgelegen, besteht aus Zelten und Breterhütten, in denen fast durchgängig Gelegenheit zum Trinken nnd Spielen gegeben wird; der Deutsche Karl Schurz schildert den Eindruck, deu er bei seinem kurzen Aufent halte dort empfing, als den „einer Verbrecherkolonie ohne poli zciliche Koutrole." Die Nordostufer des Sees umfahrend gelangt der Reisende über deu Bear-River 1317 m., dauu bei Mormoneudörferu nnd zwei von Nicht-Mormonen gegründeten Städten vorbei nach Uintah, von wo gegenwärtig noch Postwagen (bald auch Lokomotiven) hinüber zur Salzseestadt oder Mormvn Citv führen. Dann geht's in ein enges Thal hinein und rasch ans wärts in die östlich vom Salzsee sich hoch erhebenden Berge. Station Weber-Canon liegt 1418, Echo-Canon 1632, Echv-Pah 2007 m. hoch, zum zweiten Male überbrückt die Bahn den Bear River, 1843 m. üb. d. Meere, ans dem Hochlande, gelangt in Rceds-Snmmit 2306 m. auf die Wasserscheide des Colorado Gebiets, überschreitet den Green-River, d. i. den Oberlauf dieses Stromes, iu einer Höhe von 1857 m. und geht dann