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286 Die Stationsgebäude sind auf das Nothwendigste beschränkt, und gemäß der spanischen Sitte, daß der Reisende seinen Mund vorrath bei sich führt, ist nur an wenigen derselben eine Er quickung zu bekommen. Eine Ausnahme machen ans jeder der oben genannten Linien einige bestimmte größere Stationen, wo bei Ankunft der Züge der Reifenden ein Frühstück oder Mittag essen harrt, welches allerdings sehr gut bezahlt werden muß. Aus deu andern Stationen dagegen ist selten etwas mehr als Wasser zu erhalten, welches in Spanien ein gesuchter Artikel ist und mit gellendem Geschrei den Reisenden, wenn nicht in Gläsern, so doch in irdenen Krügen angeboten wird. Auf deu Bahnhöfen werden die Billets beim Betreten der Perrons und dann erst wieder kurz vor der Ankunft am Bestimmungsorte nachgesehen, was dem Reisenden den großen Borthcil bietet, seinen Platz sich nach Belieben wählen zu können. Vor der Einfahrt in die Endstation hält der Zug erst eine ziemliche Zeit, um die Billctrcvisiou stattfiudeu zu lassen. Die Einrichtung der Coupös für Nichtraucher keimt mau nicht, eben so wenig die Damencoupes. Die Fahrpreise sind im allgemeinen nicht zu hoch. In den letzten Jahren der Regierung Jsabel's II. war eine Steuer von 10 Prozent des Fahrpreises zugeschlagcn, die natürlich die Reisenden mit tragen mußten. Ein den Eisenbahnen nicht viele Jahre vorausgeschrittencs ferneres Transportmittel sind die Diligencen, welche in neuerer Zeit schon wieder im Abnehmen begriffen sind, da die Hauptronten, welche früher mit Madrid durch Diligeuceu kom- munizirten, jetzt mit dieser Stadt durch Eisenbahn verbunden sind, für Nebenrouten aber die Haupt- und Grundbedingung für die Diligencen, die Kuuststraßen, fehlen. Diese Diligencen sind eine Nachahmung der früher in Frankreich gebräuchlichen Fuhrwerke, kolossale Wagen, auf den Transport von 15 bis 20 Personen und deren Gepäck eingerichtet, welche, mit 8 bis 12 Pferden oder Maulthieren bespannt, fast stets in scharfem Trabe oder Galopp fahren. Das oft sehr bedeutende Gepäck findet seinen Platz oben auf dem Wage», wo öfters auch noch Sitze für Passagiere angebracht sind. Bei ihrer Einrichtung mußten die Thore verschiedener Städtchen erweitert und erhöht werden. Die Diligencen sind stets von dem Mayoral, dem Kondukteur, und dem Vorrciter, Delantero, begleitet, welche die ganze Tour durchmacheu, während der eigentliche Kutscher und oft ein Gehilfe desselben mit der jedesmaligen Bespannung, gewöhnlich aller vier spanischen Meilen, Leguas (1 span. Le- gua — 3/4 deutsche Meile), wechseln. Dies muß besonders in früheren Zeiten, wo die Diligencen noch lange Touren, z. B. von Bordeaux nach Madrid, oder von Madrid nach Sevilla, Touren von 100 bis 150 Leguas, machten, eine furchtbare Ausgabe für den Vorreiter gewesen sein, diese Strecke bei Tag und bei Nacht ohne Ausruhen und stets im Trabe oder Galopp zurückzulege». Diese Delanteros sind meist Jungen von 14 bis 18 Jahren, sie sitzen auf dem Sattelpferde des vordersten Paares und führen außer einer kurzen Peitsche ein kleines Horn, um entgegen kommenden Wagen schon von weitem das Signal zu gebe», damit diese ausweichen. In früher» Zeiten war and ist auch jetzt noch in einigen Gegenden die Sitte üblich, daß von einer Station zur andern die Diligence von Esco- peteros, d. h. 2 bis 3 Mann, mit Flinten bewaffnet, begleitet wurde; welche zum Schutze der Reisenden gegen Räuber dienen sollten, es fehlen jedoch alle nur irgend glaubhafte Nachrichten darüber, daß solche Escopeteros jemals etwas genützt hätten. Neuerer Zeit werden sie, wo man sie noch für nöthig hielt, durch die Ouarckias aivilos, die spanischen Gensdarme», ersetzt, welche Truppe außerordentlich viel zur Verminderung des Räuberunwesens beigetragen hat, indem selbige einzig zur Sicherstellung der Wege bestimmt waren und jeder Reisende in irgend einem Orte, wo sich ein Poste» dieser Gensdarmerie befand, unentgeltlich deren Begleitung nach dem nächsten Posten verlangen konnte. Diese Truppe hat eine sehr kleidsame blaue Uniform, gelbes Riemenzeug, einen freilich höchst unpraktischen, aber kleidsamen quer aufgesetzten dreieckigen H"t und ist mit Spitzkugelbüchsen bewaffnet. Die neueste» politische» Ereignisse haben indeß das nie ganz vertilgte Rünbernnwese» wieder ans lebe» lassen, und schon fehlt es nicht an Nachrichten über er folgte Ucberfälle und Mordthaten. In deni Maße als die Di ligence» durch den weiter fortschreitenden Bau der Eisenbahnen I in Spanien an Boden verloren, erhöhte» sie ihre Preise, das Publikum klagte natürlich darüber, mußte es sich aber gefallen lassen, da keine andern schnelleren Transportmittel vorhanden waren. Die Diligencen gingen und gehen theilweisc noch da, wo sie längere Strecken durchlaufe», una»sgesetzt Tag und Nacht und halten täglich blos zweimal längere Zeit an, um den Reisenden Gelegenheit zn geben, etwas zu sich nehmen zu können. Ihre Plätze und deren Preise sind verschieden; der theucrste ist die Berlin«, was wir Kabriolet nennen, welches drei Plätze enthält, dann folgt das Innere, das Jntcrior mit sechs bis neu» Plätze», soda»» ei» hittterer Anbau, die Rodonda mit ebenfalls drei Plätze», »ad endlich das Coupe, eine Reihe von drei Sitzplätzen auf dem Verdeck über der Ber lina und dicht hinter dem Kutscher, im Sommer jedenfalls der angenehmste Platz, da hier hinauf nicht so viel Staub kommt und er auch die beste Umsicht bietet. Außer den Diligencen übernimmt auch die Post auf den Hauptlinien die Beförderung der Reisenden, allein nur in sehr beschränktem Maßstabe, da die spanischen Postwagen nur für Brief- und Zeitungsbefördcrung bestimmt sind, vorn aber ein Kabriolet haben, in welchem außer dem Kondukteur mir noch zwei Reisende Platz finden. Ihre Preise stehen gewöhnlich in gleichem Berhältmß mit denen der Diligence», sind oft ei» we nig, aber »»bedeutend billiger, die Beförderung aber ist etwas schneller und sicherer, da die Post unbedingt weiter geschafft werden muß, was bei vorkommendeu Unfällen von Borthcil ist. Den Transport von Packeten und Waaren übernimmt die Post in ganz Spanien nicht; kleine Packete kann man als Briese unter Entrichtung des gebührenden Porto senden. Für den Waarentransport und für die billigere Komm» nikationsmittel als die beschriebenen suchenden Reisenden bleibeu ans den Hauptstraßen nur noch die Galeras und Carroma tos, uiisern deutschen Frachtwagen entsprechende Transport mittcl übrig, die allerdings ihrer Unbequemlichkeit und Laug samkeit wegen mit Recht gefürchtet sind. Die Galeras sind vierrädrige Wagen, die Hinterräder sehr groß, die vorderen außerordentlich klein, sie schleppen sich, hoch bepackt nud mit einer Plane überspannt, von 6, 8 oder 10 Maulthieren gezogen, stets im Schritt aus einem Nacht quartier in's andere; ihre tägliche Tour überschreitet nie 8 Le guas, etwa l'/? deutsche Meile«. Derselben Art sind die Car romatos, nur zweirädrig, entweder mit Stangen- oder mit Gabeldeichsel, im ersteren Falle mit zwei oder drei, im letzteren oft mit sechs bis acht Maulthieren, eins hinter dem andern, be spannt. Diese Karren haben keinen festen Boden wie die Ga leras, sondern ist derselbe aus Espartomatten gebildet, die, wenn die Fracht viel ist, oft bis beinahe auf den Boden zwischen den Rädern herabreichen. Beide Arten reisen oft in Gesell schäft, d. h. mehrere zusammen, wo dann die Oberleitung ein Kondukteur, gleichfalls Mayoral, über die verschiedenen Kutscher, Zagales, hat. Bei diesem Transportmittel rangirt der unglückliche Reisende, der sich ihm anvertraut, iu deu Augen des Mayoral der Galera durchaus nicht höher, als ein seiner Fürsorge anvertrauter Sack oder Balle», was schon daraus her vorgeht, daß diese Leute ihre Reisende» nicht »ach Personen, sondern nach Asientos, Sitzen, zählen, obgleich von diesen Sitzen in der Regel keine Spur vorhanden ist und es dem Rei senden freigestellt wird, es sich auf einem Sack Gerste oder einer Kiste oder seinem Gepäck so bequem als möglich zu mache». Ist doch dem Schreiber dieser Zeilen einmal passirt, auf der Reise von Granada nach Almeria, welche die Galera in drei Tagen macht, ans einer Ladung Stabeisen aushalten zu müssen, was allerdings durch eine genügende Anzahl Decken erträglich ge macht wurde. Wehe aber dem Unglückliche», welcher a»s Geld ma»gel oder aus Stolz und Exklusivität es versäumt, sich den Mayoral durch freigebige Wei» und Cigarreuspcuden geneigt zu mache»! Ihm wird i» der Galera der schlechteste Platz an gewiesen, die Stichelreden fallen ohne Ende, und in de» Nacht