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Decken gehüllt, andere nur mit Ruß überzogen, während außen eine entsprechende Anzahl wolfsähnlicher Hunde Tags über schlafend sich ausstreckt, nachts aber die Luft mit kläglichem Ge heul erfüllt. Ein unangenehmer durchdringender Geruch ver pestet die ganze Umgebung. Diese Indianer sowohl, wie die Repräsentanten zahlreicher anderer Stämme, die sich aus Neu gier oder des Handels wegen nach der Stadt drängen, sind trag, dumm, kränklich, diebisch und ekelhaft unmäßig. Sie ar beiten nur, wenn sie auf keine andere Weise sich geistige Ge tränke verschaffen können. Da ihrem Geschmacke ein Seerabe "der eine Möve eben so zusagt wie Wildpret, so ziehen sie nnr selten zur Jagd aus; zur Verfertigung von Putz und Tand fehlt ihnen die Geschicklichkeit. Der Verkauf geistiger Getränke ist bei weitem nicht genügend eingeschränkt, denn kein Tag ver ging, wo man nicht betrunkene Indianer sah, keine Nacht, die nicht durch den widerwärtigen Lärm ihrer Orgien gestört wurde. Gesundheitliche Rücksichten hatten den Gouverneur genöthigt, die Geschlechter zeitweise von einander zu trennen. Vor ihrer Spitzbüberei ist kein Laden, kein Kupferbeschlag eines Schiffes sicher. Es ist höchst merkwürdig, wie ihr Muth und ihre Be deutung so weit überschätzt werden konnte. Sie leben am Ufer des Meeres oder der Flüsse, wo sie Fische im Ueberflnsse finden, »nd besitzen als Transportmittel lediglich ihre aus ausgehöhlten Baumstämmen bestehenden Kanoes. Wollte man sie von der Äste vertreiben, so würden sie bald Hungers sterben. Sie haben weder Vorräthe von Lebensmitteln noch von Munition, und ihre wenigen Feuergewehre sind von alter Konstruktion und im elendesten Zustande. Abgesonderte, zusammenge- schnwlzene Stämme, die nicht nur nicht unter einander ver bunden sind, sondern sich gegenseitig, wenn auch nur matt, be- bämpsen, bewohnen die unbedeutenden zerstreuten Dörfer. Die Sprache der Sitka-Indianer ist von der der Chinooks verschieden nnd besteht in einer Aufeinanderfolge unangenehmer Kehllaute. Ihre Todten verbrennen sie und bewahren die Asche in kleinen bienenkorbähnlichen, ans heidnische Weise geschmückten Behältern im Hintergründe ihrer Hütten; einen Theil der Asche aber, mit Ruß vermischt, verwenden die Angehörigen, nm ihr Gesicht zu beschmieren, was, in Verbindung mit kurz gestutztem Haar, ihr Trauerkostüm bildet. Die Medizinmänner be- iitzeu größeres Ansehen als die Häuptlinge. Die Ceremonie ihrer Amtseinsetzung, von der wir in der kältesten Periode des Wahres Augenzeugen waren, wird Tomanoß genannt. Die Kandidaten, einige dreißig junge Leute, waren zwei Tage lang eingeschloffen gewesen, um zu fasten und Zauberformeln zu beten, bis sie sich schließlich in einen fast wahnsinnigen Zustand empor gearbeitet hatten. Nun wurden sie herausgebracht, in Gegenwart der ganzen Bevölkerung entkleidet und in den Hafen geworfen. Nach zehn oder fünfzehn Minuten Aufenthalt in bem eiskalten Wasser wurden sie herausgerufen, nm sich gegen- !Eg zu peitschen, was sie mit aller Kraft nm die Wette voll führten. Dann wieder in das Wasser und wieder heraus zu Äem neuen Gange. So ging es eine Stunde lang fort, wo bei etwa zwei Drittheile der Kandidaten abficlen. Die übrigen Ärten zu ihren heidnischen Zauberformeln und zum Fasten zu rück. Am nächsten Tage wiederholten sich die Wasser- und ^eitschkämpfe, bis abermals die Hälfte der „Klaffe" „leck ^"urde"; die Sieger aber wurden unter großem Geschrei und Gejauchz zu der Hütte des obersten Häuptlings geleitet und dort ^cumlum urtoin als Medizinmänner bestallt nnd mit der Ge- svalt der Zauberei betraut. Jedem Stamme gilt irgend ein Der als „Sinnbild" für geheiligt, dem Sitka Stamme die Äähe. Darum sitzen diese zutrauliche» und geschwätzigen Vögel überall ganz gemächlich nnd krächzen in den Thüreu nnd ans D Fenstersimsen. Ihr Berns als Straßenreiniger schützt sie hbrigens jetzt noch mehr, als die abergläubische, von den Russen Dktionirte Nachsicht. Bei den verschiedenen Stämmen werden ^ Kriegsgefangenen und deren Nachkommen als Sklaven ge lten, und noch herrscht, wie in Dahomey, die Sitte, dieselben ei dem Tode ihrer Herren zu opfern. Während der letztver- ^angenen Jahre pflegten die Russen diese Opfer durch reiche aben von Lebensmitteln und Munition loszukaufen; seit der Ankunft der Amerikaner flüchtete ein dem Scheiterhaufen Ge weihter in die Stadt und fand Schutz bei der Garnison. Sitka liegt unter 57" 35^ nördl. Br., in gleicher Breite mit den Eisschollen der Hudsonsbai und dem nördlichen Theile des kalten Labrador, aber sein Klima ist von dem dieser Länder außerordentlich verschieden. Ein gewaltiger Strom von Wasser dunst, der beständig von den westlichen Gewässern emporsteigt und diesem Theile der Küste von Alaska zugeführt wird, ist der Hauptgrund für diese hohe Mitteltemperatur*). Mag auch die Statistik nachweisen, daß die jährliche Regenmenge an andern Orten eine größere ist, häufigere Regenschauer können sicher nirgends vorkommen **). Selbst während des Winters regnet es bei weitem öfter als es schneit. Auch dringt der Frost nicht tief ein; auf einem künstlichen Teiche bildeten sich nur 18 em. Eis und dies war porös und darum unverkäuflich. Der Gleu- boke (tiefe) See, jenseit der ersten östlichen Bergkette, friert nur an den Ufern. Im Hafen bemerkten wir nur einmal wenig dünnes Eis, welches nicht einmal im Stande war, den Gang eines Boots zu verzögern. Abgesehen von der Gärtnerei, sind noch keine landwirthschaftlichen Versuche angestellt worden; es bleibt daher noch fraglich, ob sie anzurathen sind oder nicht. Bänme erreichen in dem dortigen Alluvialboden tropische Di mensionen und die Dickichte sind fast undurchdringlich. Gras und wilde Blumen sprießen mit erstaunlicher Schnelligkeit her vor und holen bald ein, was sie infolge der später eintretenden Wärme versäumt hatten. Noch bevor unsere Schiffe ihre Ladung gelöscht hatten, er lebten wir einen Sturm, der seit Menschengedenken auch nicht annähernd seines gleichen gehabt hatte. Er war entsetzlich; plötzlich mit aller Gewalt eines nördlichen Sturmes hervor brechend, warf er Schiffe auf den Strand, fegte die Küste und zerstörte Gebäude. Später war bis zur Frühlings-Tag- und Nachtgleiche der Wind nicht stärker als in südlicheren Breiten des Stillen Ozeans. Der kürzeste Tag dauerte sechs Stunden nnd wenige Minuten. Wochen lang war weder Sonne, noch Mond, noch irgend ein anderer Himmelskörper sichtbar. Bei dem besten Wetter strömte das Tageslicht fast immer nnr schwach hinter den Bergen hervor, an welchen die Nebel hinzogen und schwere Wolken hingen. Es fehlt der Reiz des Lichtes; die düstere, feuchte Atmosphäre drückt den Geist darnieder, der Verkehr mit der Außenwelt ist fast gänzlich abgeschnitten, die Leibesbewegung beschränkt, selbst die Geschmacksnerven sind durch den ewigen Genuß vou Wildpret abgestumpft — kein Wunder, wenn bei einem solchen Winteraufenthalte der Körper der Hyperämie verfällt, selbst wenn das Gemüth das Heimweh niederzukämpfen versteht. Nordlichter waren seltener als wir geglaubt hatten; einmal jedoch gegen Ende des Frühjahrs erlebten wir ein Schauspiel, welches unsere hoch gespannten Erwartungen weit übertraf. Prächtige symmetrische Bogen überspannten das Himmelsge wölbe, vom Horizont empor stiegen Reihen von Flammen säulen. Alles schien sich auflösen, verschwimmen oder zwischen den natürlichen Kulissen der Berge versinken zu wollen; da brachen von einem glühenden Punkte im Zenith konzentrische, rasch sich drehende Scheiben hervor, die sich abwechselnd aus dehnten, zusammenzogen und mit einander vermischten, wäh rend einzelne vom Kerne hinweg quer über den Himmel fort tanzten, alle in den prächtigsten Farben des Spektrums schim mernd , vom schwächsten Bernsteingelb bis zum tiefsten Violet. *) Der wahre Grund der hohen Mitteltemperatur, sowie des üppi gen Gedeihens der Wälder rc. ist nach den Mittheilungen Davidson's an die naturwissenschaftliche Akademie zu San Francisco die große Kuro Siwo-Strömung, die (ähnlich dem Golfstrom im Atlantischen Ozean) von Formosa und den südlichsten Spitzen Japans aus nach NO. hinüber zieht und südlich von Sitka die Küste von Nordamerika trifft, während ein zweiter Arm, der unter 48» nördl. Br. und 148» w. Länge sich ab zweigt, an der Küste der Königin-Cyarlotle- und Vanconver-Jnsel nach den Gestaden von Washington, Oregon und Kalifornien hinströmt. **) Nach vierzehniährigen Beobachtnngen beträgt die Regenmenge des Frühjahrs 356 mm., des SommersMl, des Herbstes 783, desWin ters 583, desJayres2H3mm. Die größte Regenmenge 1850:2440mm., die kleinste 1861: 1284 mm. Durchschnittliche Zahl der Niederschlags tage im Jahre 245. 34^