Volltext Seite (XML)
251 Hellem Gebirgswasser durchströmten Thales erreichten. Hier breiteten sich vor unseren Blicken ringsum die hellglänzenden Maschinen- und Arbeitsgebäude der Plantage „Barzenas", Kaffeefeld an Kaffeefeld, aus. Diese Besitzung mit 300,000 Bäumen ist bis jetzt die größte nicht nur in Guatemala, sondern auch in ganz Centralamerika und steht bezüglich der ungemein sorgfältigen Bearbeitung ihrer Kaffees, die mit den besten und bewährtesten von Europa bezogenen Maschinen erfolgt, un übertroffen da. Die diesjährige Ernte, wozu nur etwas mehr denn zwei Drittel der Bäume beigetragen haben, wurde von den, mich mit echt spanischer Liebenswürdigkeit überall umher- führenden Mayordomo auf ca. 5000 Qnintales (Zentner) ver anschlagt und gibt ein Produkt, welches sich hinsichtlich der Gleichheit und Reinheit der Bohnen sowie des herrlichen aro matischen Geschmackes würdig zur Seite der Java-Kaffees stellen kann. Künftiges Jahr, wo alle Bänme in tragfähigem Zustande sind, hofft man auf eine Ernte von ca. 7000 Quintales. Be sitzer dieser Plantage ist ein alter Terzerone, Senor San Mayor. Nach fast zweistündigem Verlveilen setzte ich meine Tour mit frischen Pferden fort, ans steilem Pfade die entgegengesetzten Höhen steil hinan; näher und näher traten die riesigen Piks der Vulkane und legten durch die immer mächtigeren Aschen- und Bimsstein-Anhäufungen, die zu förmliche», das Urgestein hollkommen bedeckenden Gebirgszügen wurden, Zeugniß ihres früheren so gewaltigen Wirkens ab. Vom Kamm des Berges senkte sich die Straße in scharfer Neigung in eine enge Gebirgs schlucht. Zur Rechten einen tiefgähnenden Abgrnnd, aus dem das Rauschen eines wilden Wassers mein Ohr erreichte, zur Linken himmelanstrebende steile Massen plntonischer Gebilde, sagten wir den gefährlichen Pfad hinab, bis sich endlich bei scharfer Biegung der Straße vor meinen freudig überraschten Blicken das romantisch schöne Thal von La Antigua ansbreitete, sm Vordergründe die zahlreichen hell schimmernden Häuser der nach und nach aus deu Trümmern von 1773 wieder erstan denen, jetzt reichlich 20,000 Einwohner zählenden Stadt, aus denen die gewaltigen Ruinen der von den furchtbaren Natur kräften zertrümmerten Kathedrale des Klosters San Francisco, Kelches seiner Zeit eine kleine Stadt für sich allein bildete, des Tesuitenklosters nnd vieler anderer Kirchen ernst emporragen. Ein dichter Gürtel von Nopal- und Kaffeepflanzungen fo- kie von den lieblichsten Obstgärten umgibt von allen Seiten die Stadt und zieht sich hinauf bis an den Saum der sie höher Anschließenden üppigen Waldungen, hinter ihr, in anscheinend unmittelbarer Nähe, erheben sich die schönen, gewaltigen Formen des 4420 m. hohen Vulkans Del Agua in Gestalt eines voll kommenen, am Kraterrande abgeplatteten Kegels, ihm zur Linken, durch tiefen Gebirgssattel verbunden, die fast gleich hohen, in scharfen Piks gipfelnden Vulkane DelFuego (4246 in.) und Acatenango, von denen der erstere immer »och hie und s da Zeichen seiner im Innern wüthenden Kräfte gibt. Nach kurzer Rast in dem für hiesige Begriffe guten, von einem alten grämlichen Franzosen gehaltenen Hotel de Comer- eio, trat ich einen Rnndgang durch die Stadt an nnd besuchte ein- üchend die Ruinen der einst so herrlichen Kathedrale, ans deren halbzertrümmertem Hochaltäre, vielleicht auf derselben stelle, von der aus der reich geschmückte Erzbischof seiner Zeit der andächtig versammelten Menge die heilige Messe las, ich einen Rosenstrauch voll schönster Blüten friedlich in unmittel- darer Nähe eines echten Kindes der Tropen, einer breitblät- chgen emporstrebenden Banane, gedeihen sah. Schlingpflanzen 'u reichster Fülle, wie sic nur ein üppiges, südliches Klima her- ^orbringt, umwncherten die halb gestürzten Säulen, die vielen ^stäre nnd Nischen, bedeckten mit einem dichten Teppich das kilde Trümmerchaos, gleichsam als wollte die Natur mitleidig das, was sie erst so furchtbar zerstörte, den erschreckten Menschen- mdcrn unter einer lieblich grünen Hülle verbergen. Auf gleiche Bilder der Verwüstung trafen meine Blicke beim Besuche der keit ausgedehnten Ruine» des Klosters San Francisco, über ich von den noch ca. 20 m. emporragenden Trümmern des Nockenthurmes die beste Nebersicht hatte. Die eine ganze Seite " großen Plaza nimmt der prächtige, zwei Stock hohe, in seiner ! ganzen 200 m. langen Fronte mit einem doppelten Portikus ko rinthischer Säulen verzierte Palast ein,- derselbe ist zur Hälfte wieder hergestellt und geht man auch mit Restaurirung der anderen Seite langsam zu Werke. Durch diesen Palast und das große ihm gegenüberliegende, in gleichem Stile aus gehauenen Steinen aufgeführte Gebäude der städtischen Verwaltung ist dem großen Platze ein angenehmer Abschluß gegeben. Auf ihm entwickeln sich täglich in den späteren Morgenstunden, wenn die Indianer, schwer mit Früchten, Mais, Geflügel oder sonstigen ihrer Produkte beladen, in ihren bunten Trachten von den hoch in den Bergen gelegenen Dörfern herabkommen und ihre Waaren feilbieten, äußerst pittoreske Bilder. Die kurzen gedrungenen Gestalten der Jndianerfrauen in ihren seltsamen Röcken, die nur aus einem Stück groben, möglichst buntfarbigen Tuches bestehen, welches um den Leib gewunden und durch einen rothen Schal um die Hüfteu fest gehalten wird, in ihren kurzen leinenen, vorn offenen Oberhemden, geschmückt mit rothen, blauen oder gelben Wollfäden, nnd mit ihrem dichten kohlenschwarzen, langen Kopfhaare, welches, mit bunten Bän dern in Zöpfe geflochten, ein gewundenes, thurmähnliches Ge bäude auf dem Kopfe bildet und den Trägerinnen einen eigen- thümlichen malerischen Reiz verleiht, verschaffen dem, sich vor dem Auge des Fremden entfaltenden Bilde einen äußerst gro tesken Anstrich. — Noch sei erwähnt, daß ich auch die von Tenor San Mayor in den Ruinen des früheren Jesuiteu-Kolle- giums mit vielen Kosten eingerichtete Baumwollspinnerei be suchte. Das Etablissement hat den Zweck, grobe Watergarne für die einheimische Weberei zu spinnen und mit neu von Eng land bezogenen Patent-Spinnmaschinen und mechanischen Web stühlen aus einheimischer Baumwolle auch Domestiks herzu stellen. Zur Stunde meines Besuches stand das Werk leider still. Die späteren Nachmittagsstunden verwandte ich noch zu einer Fahrt nach dem ca. 1 Meile im Thale herab am Fuße der Vul kane gelegenen Ciudad vieja, der 1524 von den Spaniern gegründeten ersten Hauptstadt, die bereits uach wenig Jahren, an, 11. September 1541, durch den fürchterlichen Wafferaus bruch des Del Agua gänzlich zerstört wurde. Nur einige wenige Grundmauern, namentlich die der alten Pfarrkirche, stehen noch als Zeugen dieses gewaltigen Naturereignisses, die meisten Trümmer liegen tief begraben unter den Schichten fruchtbarsten Schlammes und Asche, die das entfesselte Element von der Höhe des geborstenen Berges herabführte und auf denen die Kaffeepflanzungen und die reichen Obst- und Ge müseanlagen der Indianer in üppigster Weise gedeihen. Die den kleinen Ort jetzt fast ausschließlich bewohnenden Indianer sind noch Nachkommen der alten Tlaskalaner, jener mächtigen, kriegerischen Hilfsvölker, die unter Cortez thätigen Antheil an der Eroberung von Mexiko nahmen. Den Morgen des folgenden Tages besuchte ich die unter den Arkaden des Regierungsgebäudes stattfindende sogenannte Kochenillebörfe. In flachen runden Holzspankörben, die zu zehn und zwölf über einander geschichtet, dann mit Riemen zu sammen gebunden sind, bringen die Indianer in langen Zügen, namentlich aus dem Thale von Amatitlün, die Muttcr-Koche- nille zur Stadt, wo die neue Aussaat brauchenden Pflanzer schon harren und bald mit den braunen Gestalten, zu deren Schutz gegen Uebervortheilungen beim Wiegen und Bezahlen stets eine Gerichtsperson zugegen ist, handelseinig werden. Zufolge freundlicher Einladung eines Pflanzers begab ich mich nach dessen dicht vor der Stadt liegenden Nopalgärten, um einer Besäung des Kaktns mit junger Kochenillebrut beizu wohnen. lieber fünfzig Weiber, Mädchen und junge Burschen, alle der lohbraunen Jndianerrasse angehörend, fand ich emsig beschäftigt, kleine Gazesäckchen, in denen sich ca. 50 der dick an- geschwollenen, fast erbsengroßen Mutterthiere befanden, an die frischen Triebe der Nopalstauden — die durchgängig eine Höhe von 120 cm. hatten und in langen Reihen mit Gängen von 45 cm. Breite als Zwischenraum gepflanzt waren — mit den eigenen langen, spitzen Nadeln des Gewächses anzuheften. Das Auskriechen der jungen Brut erfolgt nun durch die feinen Maschen der Gaze und breiten sich die winzigen, röthlich weißen 32*