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tlo. 17. Wöchentlich eine Nummer. --4 Leipzig, 26. Jaiinar 1870. Vierteljährlich 18 Sgr. s. Jahrgang. Fumiiienblatt für Kuder- uud Völkerlrundt. Zn beziehen durch allechutchandlunAen de» In- u. Auslandes sowie Postämter. Redigirt von vr. L)tto Delitsch, Privat-Docent und Realschul^Oberlehrer. Der Jahrgang (52 Hummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Die Erdbeben des Jahres 1M). Nach amerikanischen und anderen Quellen mitgctheilt von Professor Dr. H. A. von Fi lüden. Vor vielen andern ist das Jahr 1868 durch die Zahl der Erdbeben, ihre weite Verbreitung und ihre gewaltig zerstörenden Wirkungen ausgezeichnet gewesen. In Bezug auf die Manig- faltigkeit der erhabenen und bcwnndernswerthcn Erscheinungen können sie den schrecklichsten Erdbeben, welche die Geschichte kennt, an die Seite gestellt werden. 1. Sandwichs-Jnseln. Das erste Phänomen dieser Art, das einer besonder» Erwähnung wcrth ist, begann am 27. März auf einer der Sandwichs-Jnseln, ans Hawaii. An dem genannten Tage fing der Vulkan Mauna-Loa an, gewaltige Lavamassen zu ergießen, und zugleich begann die Erde zn erzittern. Zwölf Tage lang folgten, nach einer unge fähren Schätzung, in Kau etwa zweitausend Stöße einander (am 28. zählte man 150, bis zum 22. April erfolgten 100 bis zu 200 binnen 21 Stunden), in deren Zwischenzeiten sich furcht bare Flutwellen erhoben, die ganze Ortschaften nnd zahlreiche Bewohner derselben fortrissen. Am frühen Morgen des 20. und in der darauffolgenden Nacht ergoß sich die Lava aus dem Krater. Der erste Erguß kam in einem breiten, einige Fuß tiefen Strom die Seite des Berges herab und schritt mit solcher Geschwindigkeit fort, daß eine auf seinem Wege wohnende Fa milie, obwohl fast eine Stunde von dem Punkte entfernt, wo er hervorbrach, kaum Zeit hatte sich zu retten und nnr ihre Kleider mit sich nehmen konnte. Die Lava drang 3'/^ geogr. Meilen weit bis zum Meere vor, ergoß sich iu dasselbe, drängte das Wasser mit ungeheurer Gewalt zurück und bildete ein fast eine Viertelmeile langes Kap. Der zu dieser Zeit aus bemMauua-Loa aufsteigeude Dampf erhob sich zn ciuerHöhc von I//4 geogr. Meile», auf weite Entfernung ringsum alles ver- sinsternd, außer wenn der Helle Feuerschein aus dem Schlunde des Vulkans anfleuchtetc. Der stärkste Stoß erfolgte am 2. April. Beim Dorfe Waischina barst der Erdboden auf, und eine Flutwelle stürzte mit furchtbarer Geschwindigkeit heran, über schwemmte die Gipfel der höchsten Kokospalmen und führte Tod und Verderben mit sich. Mächtige Erdmassen wurden von der ! Seite des Berges losgerissen und in ansehnlicher Entfernung uiedergeworfen. Man berichtet, daß die Seite nnd ein Theil vom Gipfel eines Berges, der 500 m. hoch war, dnrch den Erdstoß in die Höhe gehoben und über die Gipfel der Bäume auf mehr als 300 m. Entferuuug fortgeschleudert worden sind. An der einen Seite des Mauna-Loa erfolgte ein merkwürdiger Ausbruch von Schlamm, der estien etwa 2^ Meilen langen und 1 Meile breiten Raum überdeckte: die Schlammflut von Kapapaka. Ihm folgte ein ungeheurer Wasserstrom. Tiefe Abgründe wurden vollständig ausgefüllt, und in Gegenden, wo der Boden zuvor auf Meilen ringsum ununterbrochen eben ge wesen, war er jetzt anfgerissen nnd in die Höhe gehoben, und ungeheure Spalten und Klüfte waren an die Stelle getreten. Der Boden schwankte hier unablässig derartig hin und her, daß die Bewohner seekrank wurden. Das ganze Aussehen der Oberfläche rings umher war so vollständig verändert, daß die Bewohner dieses Bezirks nach dem Vorgänge die Oertlichkeiten, mit denen sie ehedem völlig vertraut gewesen waren, nicht wieder erkennen oder bezeichnen konnten. Glücklicher Weise war dieser Theil der Insel nur spärlich bewohnt nnd die Ländereien meist nicht in Kultur. Der am 27. März entstandene neue Krater des Mauua-Loa hatte ziemlich eine halbe Meile im Um fange. Ein anderer Strom ergoß sich den Berg herab, hatte ein furchtbares Zusammentreffen mit dem Wasser nnd erstreckte sich bis über */? Meile von Waischina in's Meer hinaus. Zugleich erfolgte ein sehr starker Stoß, und unmittelbar darauf stieg eine Insel bis zu fast 130 m. Höhe aus dem Meere und wurde mittels des Lavastroms schnell mit der Insel Hawaii vereinigt. Eine hohe Säule Dampf und Rauch stieg aus der Insel und bedeckte das vorüberfahrende Postboot „Kono" mit Schlamm. Der Fuß des Vulkans bot nach den Stößen einen traurigen, und öden Anblick, da die aus den Spalten der Erde aufsteigenden Gase alle Vegetation vollständig zerstört hatten. Mau sühlte die Stöße auf allen Sandwichs-Jnseln, aber nnr ans Hawaii waren die Wirkungen so trauriger Art. Der Ver lust an Menschenleben wird in folgender Weise angegeben: im Dorfe Palinka 33, in Mokaka 13, in Punalua 4, in Honah 27, in Varulo 3, zusammen 80. Alle getödteten oder verletzten Personen waren Eingeborene von Hawaii. Den Verlust an 17