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Miklucho-Maklai's Reisen seit Juni 1875. 75 phanten in vier Tagen gestern spät Abends hier in der Re sidenz der Jam-tuan (d. i. Sultan) von Kedda anlangte. Heute ist von Dschohor-Baru an gerechnet der 113. Tag meiner Reise, welche mit den verschiedenartigsten Transport mitteln stattfand: zu Fuß, auf Elephanten, auf Flößen oder den einheimischen Praus der verschiedensten Größe und Con- struction, bald allein, bald mit einem Gefolge von 30 bis 40 Menschen. Die inzwischen heraugckommcne Regenzeit verzögerte und erschwerte mein Fortkommen während des letzten Monats sehr und zwang mich, die weitere Landreise bis Bangkok aufzugeben. Die positiven Ergebnisse meiner Reise bestehen in anthro pologischen und ethnologischen Angaben über die Papua-Be völkerung der Halbinsel, in (freilich unvollständigen) Nach richten über ihre Verbreitung und in Sammlungen einiger Dialekte dieser aussterbenden Stämme. Ein zweites Ergeb niß, das für mich von untergeordneter Bedeutung ist, ist mein Bekanntwerden mit den Malayen und ihren socialen und politischen Verhältnissen, und zwar in Gebieten, die von directem Einflüsse der Europäer gänzlich abseits liegen. In diesen drei Monaten habe ich, wie ich glaube, einen rich- tigern Begriff von den Malayen und ihrem Charakter be kommen, als während meines fast dreijährigen Aufenthaltes in den holländischen Colonien des malayischen Archipels. Nicht wenig Schwierigkeiten, Zeitverlust und unvollstän dige und ungenaue Benachrichtigungen erwuchsen mir aus dem großen Argwohn der malayischen Radschas und Würden träger, trotz meiner Empfehlungsbriefe der englischen und siamesischen Behörden, so daß ich mitunter zu dem Glauben gebracht wurde, daß jene Briefe gerade die Ursache des Arg wohns und Betruges seien. Zu diesen bösen Eigenschaften der höchsten Schichten gesellt sich eine große Trägheit und Furchtsamkeit der unteren Classen. Ich habe die ganze Zeit über ein genaues Tagebuch ge führt und interessante Typen gezeichnet; auch hoffe ich, daß meine Aufzeichnungen einigen Nutzen für die Vervollständi gung der geographischen Kcnntniß der Halbinsel (— die bis jetzt noch gleich Null ist — Red.) haben werden. Aber ich schiebe die Veröffentlichung der Resultate dieser wie der frü heren Reisen bis zu meiner Rückkehr nach Europa auf, weil ich meine Zeit hier mit größerm Nutzen auf neue Forschun gen verwenden kann und weil Zeichnungen und Karten nicht ohne meine persönliche Aufsicht angefertigt werden können. Als ich übrigens im vorigen Jahre von Java aufbrach und mir die Aufgabe gestellt hatte, genaue Nachrichten über die damals problematische Papua-Bevölkerung der Halbinsel einzuziehen, erwartete ich durchaus nicht, daß mir das ein ganzes Jahr kosten würde und daß die Lösung dieser Frage, welche den Horizont unserer Kenntniß erweitert, eine ganze Reihe weiterer Aufgaben für neue Forschungen und Reisen nach sich ziehen sollte, von denen ich berichten will, so wie ich dafür eine bequemere Gelegenheit finde." Einen zweiten Brief schrieb der Reisende an dieselbe Adresse am 29. Februar 1876 auf dem Molukken-Meer. Derselbe lautet: „In der Absicht, die Zahl meiner Forschungen über die Nacen des südöstlichen Asiens, des ostindischen Archipels und der Inseln des Stillen Oceans zu vermehren, lasse ich eine sich mir bietende Gelegenheit nicht vorüber, die Inseln des westlichen Mikronesien und andere noch interessantere unter denselben Längengraden, aber südlich vom Aequator, die wenig bekannten Inseln und Inselchen zwischen Neu-Guinea, Neu-Irland und Neu-Britannien zu besuchen. Dieser Theil des Stillen Oceans hat für die Ethnographie ein besonderes Interesse, da er auf der Grenze zwischen Malesien, Mela nesien und Polynesien (Mikronesien) liegt und nach der An sicht einiger Ethnologen (s. Waitz-Gerland'sche Anthropologie der Naturvölker V, Abth. 2, S. 43) das Thor bildete, durch welches sich der Strom der malayo-polynesischen Bevölkerung nach den Inseln des Großen Oceans ergoß. Ich befinde mich auf einem kleinen Schiff, dem Schooner „Sea-Bird" von 105 Tonnen, welcher mit Waaren und Lebensmitteln nach den westlichen Inseln des Karolinen-Archipels, den Palau-, Admiralitäts-Inseln u. s. w. geht. Nach getroffener Abrede habe ich das Recht, behufs Beobachtungen den Weg des Schovners ein wenig zu modificiren, d. h. an Orten anlegen zu lassen, die sich nicht gerade im Programm des Capitäns finden, aber unfern der Route liegen, sowie den Aufenthalt an besonders interessanten Stellen verlängern zu dürfen. Ist der Schooner seiner Fracht ledig, so steht er ganz zu meiner Verfügung. Da ich mich auf den Inseln des ostindischen Archipels nicht aufzuhalten wünsche, so werden wir uns zunächst fast ohne Verzug nach der Insel Jap, einer der westlichsten der Carolinen, begeben. Am 18. Februar verließen wir die Rhede von Tjrebon (auf der Nordküste von Java), erreichten erst nach neuntägiger Fahrt (infolge schwachen Windes und von Windstille) am 27. die Rhede des kleinen Dorfes Bon thein am Südende von Celebes, der letzten Station, wo ich der Post einige Briefe übergeben konnte, eine Annehmlichkeit, der ich nun wahrscheinlich lange beraubt sein werde. Dann passirten wir die Meerenge von Salaija, umsegelten heute die Insel Buton und werden zwischen den Molukken hindurch auf die Insel Gebe (zwischen Djilolo und Neu-Guinea) los- und dort in den Stillen Ocean einsegeln." Eine Nachschrift, datirt: „Stiller Ocean (8°26' nördlBr., 136° 12' östl. L.), 12. April 1876. Unterwegs nach den Palau-Inseln", fügt hinzu, daß sie bei den Inseln Gebe, S. David, Auripig und im Archipel Uluti (oder Mogemug) anlegten und Jap erreichten. Dort blieben sie 14 Tage und segelten dann nach den Palau-Inseln und von dort nach Süden. Inzwischen hat der „Golos" vom 28. November 1876 einen neuen Brief des Reisenden, ä. ä. 3. Juli 1876, Maklai-Küste auf Neu-Guinea, veröffentlicht, aus welchem Folgendes hervorzuheben ist. „Ich landete am 28. Juni und wurde von den Ein geborenen sehr freundlich empfangen, die keineswegs erstaunt waren, mich wieder unter sich zu sehen; sie erklärten viel mehr, meine Ankunft schon längst erwartet zu haben, da ich bei meiner Abreise ja wiederzukchren versprochen hätte. Seit der Abfahrt des „Jsumrud" (jenes russischen Schiffes, wel ches Miklucho-Maklai zu seinem ersten Aufenthalte dorthin gebracht hatte) im December 1872 war kein Schiff wieder dort gewesen. Drei bis vier Monate später hatte ein Erd beben stattgefunden und viele Dörfer im Gebirge zerstört. Während des Gesprächs mit meinen alten Bekannten war ich erstaunt darüber, wie viele russische Worte sie von mei ner ersten Anwesenheit her behalten hatten. Sie sprachen dieselben sehr gut aus und wandten sie im täglichen Ge brauche an. Hunderte von Eingeborenen aus den nächsten Niederlassungen halfen mir ein Haus bauen. Ich habe den Papuas verschiedene Sämereien nützlicher Pflanzen und Obst bäume mitgebracht und hoffe, daß dieselben ebenso gut ge deihen werden wie der Mais, welchen ich 1872 zurück- gelassen." Der-Capitän des „Sea-Bird", welcher diesen Brief über brachte, fügt hinzu, daß Maklai während der ganzen Fahrt des Schovners und bei der Landung sich im besten Wohlsein befand.