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Richard Andree: Die Anfänge der Kartographie. Völkcrlisten zeigen deutlich, daß man angefangen hatte, die bekannten Racen in Gruppen systematisch zusammenzufassen, so daß man rothe, gelbe, schwarze und weiße Völker unter schied. Was die altägyptischeu Landkarten betrifft, so waren die selben den griechischen Schriftstellern wohlbekannt. Eustathios erzählt, daß König Sesostris (Ramses II.) Reisekarten habe anfertigen lassen, die er dann den Aegyptern und Skythen mitgetheilt habe. Das findet eine Bestätigung durch die Nachricht bei Apollonias Rhodios, daß die Aegypter der Colonie Kolchis Holztafeln in Verwahrung gehabt hätten, worauf Erde und Meer, Wege und Straßen genau gezeich net gewesen seien ch, und die uns erhaltene altägyptische Landkarte der nubischen Goldminen bestätigt vollauf diese Miltheilung. Diese altägyptischen Goldminen lagen zwischen dem Nil und dem Rothen Meere, an der Grenze des heutigen Ober ägypten gegen Nubien, und noch jetzt findet man überall Gold dort im Gebirge, z. B. im Wadi Sawanib, am Dschebel Aswad, Dschebel Om-Kebrid. Noch bis ins zwölfte Jahr hundert wurden diese Minen, aus denen Pharaonen, Pto lemäer, Kaiser und Chalifen Gold holten, ausgebeutet. Deutliche Ueberbleibsel der allen Minen sind heute noch im Wadi Ollaki (südöstlich von Korosko) nachweisbar. Bei dem hohen Ertrag, welchen dieselben schon in den ältesten Zeiten lieferten, waren sie für die Pharaonen von großer Wichtigkeit; man weiß, daß unter Amenemha I. ein Di rector für diese Goldminen er nannt und daß unter Ramses II., dem Großen (1407 bis 1341 v. Ehr.), hier Cisternen ange legt wurden, da die Goldgewin nung durch Wassermangel be einträchtigt war 4). Um die Zeit dieses Herrschers ist denn auch eine Karte jener Goldberg werke ausgenommen worden, die trotz ihres ehrwürdigen Alters von 3200 Jahren bis zum heu tigen Tage in einem Papyrus des Turiner Museums sich er halten hat und die von Chabas ausführlich beschrieben wurde. Sie ist überhaupt die älteste bekannte Karle oder, wenn man will, der älteste bekannte Plan, welcher existirt. Auf ihr steht bei L.: „Die Berge, von denen man das Gold bringt, sind auf dem Plan roth colorirt." Und so ist es in der That und zum Ueberfluß tragen die Berge noch die Inschrift TOM MTV, nämlich „Goldgebirge", bei L. Bei 0. finden wir das „Heiligthum Ammons vom heiligen Berge" über dem Hauptwege. Es bestand aus zwei von Kammern umgebenen Sälen, welche als Wohnungen der Priester und Beamten dienten. Oberhalb des Tempels liest man bei L.: „Stirn des . . . ." (wahrscheinlich „Gebirges"); ebenso ist bei U. ein Theil der Inschrift verloren, doch kann man hier lesen: „Wohnung, in welcher Ammon ruht." Beim Tempel ist ein Weg, der sich zwischen zwei Bergen hinzieht mit der Bezeichnung bei v.: „Weg von tu moiiat- ti"; über die Deutung dieses tu msuut-ti sind die Aegyp- b) H. Brandes, Ucbcr die geographischen Kenntnisse der alten Aegypter. Im neunten Jahresbericht des Vereins von Freunden der Erdkunde zu Leipzig 186g, S. 36. R.^Hartmann, Die Nigritier I, 46. tologen uneinig, sie geben verschiedene Erklärungen, die wir hier übergehen dürfen. Bei II. sieht man den Plan von vier Häusern, nach der Legende „die Häuser des Landes von Ti (?), wo man das Gold niederlegt." Etwas weiter unten, bei I., findet sich die Stele des Königs Ramamen. Da wo der erste Weg vom Hauptweg abzweigt, bei L., liegt der Nein oder die Cisterne; das Land dabei ist schwarz colorirt, zum Zeichen, daß es — Dank dem Wasser — cultivirbares Land ist. Am Kreuzpunkt der Wege bei I-. liegt eine zweite kleine, zur Be nutzung für die Vorübergehenden bestimmte Cisterne. Der Hauptweg LI. geht, wie die Inschrift besagt, zum Meere. Ebenso der Weg lÖ Endlich ist noch der unterste Weg, mit Meermuscheln bestreut, vorhanden, der bei 0. die Bezeichnung „Weg von Tipamat" führt. Die darauf ge zeichneten Muscheln sind ein Beweis, daß das Meer nicht weit von den Minen lag, wobei an das Rothe Meer gedacht werden muß. Doch läßt sich die Localität leider nicht näher bestimmen, da die Bezeichnung derselben bei 8., nämlich Ti, keine weiteren Anhaltepunkte giebt. Die Vertheilung der Schrift zeigt, daß dec Kartenzeichner sich das Meer zur Lin ken dachte; sie ist also so orientirt, daß Süden und Norden vertauscht sind I. In der fac- similirten Nachbildung haben wir die hieratische Schrift wegge lassen, da sie in der Verkleine rung zu undeutlich geworden wäre. Auch in den Wandgemälden der alten Aegypter treffen wir auf Darstellungen, die sich un seren Karten nähern oder wenig stens als Pläne aufgefaßt wer den können. So z. B. in den Gemälden der Gärten, welche uns in den Gräbern von The ben erhalten sind und die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Man sieht die Mauern, welche sie umgeben, die Teiche mit Wasserschrasfirung, die Fußwege und die Bäume in Signaturen, wie sie ähnlich auch heute noch auf Plänen an gewandt werden ch. Erscheint Afrika für unsere Zwecke ziemlich steril, so ge winnen wir sofort eine reichere Ausbeute, wenn wir den Boden Asiens betreten, wo cimlisirte und halbcivilisirte Völker theilweise schon im grauen Alterthum der Kartogra phie ihr Augenmerk zuwandten und Werke geschaffen wur den, die theilweise bis auf den heutigen Tag als Quellen benutzt werden, indem unsere Kartographen nicht umhin kön nen, sie bei der Darstellung solcher Gegenden zu Rathe zu ziehen, die von Europäern noch nicht erforscht wurden. Okadas, I-es iusoriptions äos minos ä'vr. Odalons s. 8. et karis 1862, 4», p. 3V tp. — Die Weltgcgcnden rechneten die Aegypter in dieser Folge: Süd, Nord, Ost und West. Vorsteher derselben waren die vier Todtengenien, die in Gestalt von Gänsen ihnen zufliegcn, dem Süden als menschcnköpfige, dem Norden als hundsköpfige, dem Osten als schakalköpfige und dem Westen als sperber- köpfige Gans. Der Osten bezeichnete dem Aegypter die rechte Seite, der Westen-dic linke, zugleich die Seite des Todes und der Gräber, wo die Sonne untergeht. Die Zwischentheilung der Windrose war den Aegyptern schon unter der achtzehnten Dynastie bekannt. (Brugsch, Die Geographie der alten Aegypter. Leipzig 1857.) H Wilkinson, Unnnors nnä Oustoms os tüe nnoient LZ^ptians, 3. douäou 1847. Vol. II, 143. Altägyptische Darstellung eines Gartens. (Nach Wilkinson.)