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Mit besonderer Berücksichtigung äer Anthropologie unll Ethnologie. Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von I)r. Richard Kiepert. N1'NIIn sI^stmvin Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten zum Pr-nse von 12 Mark pro Band zu beziehen. Camcron's Reise quer durch Afrika (1873 bis 1876). V. Am 22. Juni verließen Cameron und die Karawane der Händler Pachündi und zogen über gebirgiges Land nach Kwascre, wo noch unlängst ein blühendes Dorf gestanden hatte, das aber nebst mehreren benachbarten Ansiedlungen erst kürzlich zerstört worden war. Sessel, Töpfe, Mörser lagen zerstreut umher, und die reifende Ernte stand noch auf den Halmen. Und sicher hatten die Händler dabei ihre Hand im Spiele gehabt, obwohl sie es nicht Wort haben wollten; denn an jenem Tage errichteten sie, was sie sonst nie gethan hatten, eine starke Einfriedigung nm ihr Lager. Jener Tage marsch war übrigens überausanstrengend gewesen; denn das Thermometer stieg um 1^z Uhr bis 38° R. im Schatten, während es in der Sonne auf 62° stand. Dazu war das Gras, durch welches sich der Zug seinen Weg zu bahnen hatte, fast undurchdringlich; stellenweise war es über zwölf Fuß hoch und so dicht, daß man beim Gegenlehnen kaum einen Eindruck zurückließ. Die Hauptstengel desselben waren oft dicker als ein Mannesdaumcn, und selbst wo man das Gras niedergebrannt hatte, standen sie noch vier, fünf Fuß hoch empor und zerkratzten den Leuten Gesicht und Hände, während die herumstäubende Asche Mund, Augen und Nase erfüllte. Weiterhin durchzogen sie mehrere Tage lang ein frucht bares, wohl bewässertes und bevölkertes Gebiet, dessen Ein wohner mit den Arabern auf einem gespannten Fuße zu stehen schienen, obwohl sie ins Lager kamen und Lebensmittel, Sklaven und Elfenbein zum Verkaufe brachten. Sklaven werden dort gewöhnlich mit einem Stück Holz wie eine Trense geknebelt; um den Hals tragen sie wuchtige Gabeln, und die Hände sind ihnen auf dem Rücken zusammengebunden. Ein Seil verknüpft ihren Leib mit dem ihres Herrn. Meist sind es Gefangene, welche unweit ihres Dorfes allein im Walde sich überraschen ließen, und nun gefesselt werden müssen, da mit sie nicht entfliehen. Sonst geht es ihnen nicht schlecht, namentlich nicht bei den Händlern. Biele der Dörfer jener Gegend hatten in der Mitte „öffentliche Parks", nämlich weite, offene, von schönen Bäu men beschattete Plätze, wo große Stümpfe der Fächerpalme standen, auf denen die Männer staunend und gaffend den Durchzug der Fremden musterten, während Weiber und Kinder sich mehr im Hintergründe hielten. Zwar begrüßten die Männer die Hauptpersonen der Karawane mit dem Ge sänge „Naäsobi mnüo" und mit Händeklatschen, waren aber sonst grob und unhöflich und schlugen Cameron selbst einen Trunk Wassers oder Feuer für seine Pfeife ab. Die Einwohner der Landschaft Uhiya, in welcher er sich jetzt befand, unterscheiden sich in Kleidung und Gewohnheiten sehr von ihren Nachbarn. Viele z. B. feilen sich sämmtliche Zähne spitz, so daß sie wie wilde Thiere aussehen. Ihre Haartracht ist zugleich häßlich uud merkwürdig : manche tra gen ein großes schüsselförmiges Chignon von Leder, welches in der Mitte ein Loch hat, aus welchem eine Art lederner Zunge heraushängt, andere salben ihr Haar mit Schmutz und Oel, die dritten formen cs in Büsche und Wülste u. s. w. Beide Geschlechter tättowiren sich, aber ohne jeden Geschmack und jede Regelmäßigkeit, so daß die Narben entschieden ab schreckend aussehen. Die Männer tragen einen kleinen Schurz von Fellen oder Rindenzeug, die Frauen Gürtel aus zwei bis drei Lederstreifen, von welchen vorn und hinten kleine Schürzen herabhängen. Etwas weiter gegen Westen soll das Giobus xxxi. Nr. 24. 47