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Peking und Umgebung. 163 Welches ist der edle Ort Ihrer Geburt? Ihr edles Ge schäft? Wie viel Erbprinzen haben Sic? Wo steht Ihr Palast u. s. w.;" worauf stets eine demiithige Antwort er folgt: „Ihr niedriger Diener, ich verächtlicher Mensch — oder dergleichen —, heiße so und so." Zuerst wurden nun Thee, Pistazien, gezuckerte Nüsse, im Ofen getrocknete Meloncnkerne und kleine Birnschnitten auf- gclragen; dann folgten gesalzene Fische, gesalzene Mandeln, Rosinen, gesalzene Garnelen, conservirte Enteneier und Krab ben, die lebend in kalten, zuvor mit Wachholderbceren auf gelochten Branntwein gethan sind. Nun ging es erst eigent lich zu Tische. Um die Tafel standen für die fechs Anwe senden drei Sessel, zwei Lehnstühle sür die vornehmsten der Gäste und dicht an der Thür, also am schlechtesten Platze, loser Sauberkeit, wo allerhand falsche Edelsteine, Spielsachen und die niedlichen Börsen und gestickten Etuis, Pekinger Specialitäten, verkauft werden. Eine Restauration in einer Seitenstraße, wo ein befreun deter Chinese ihn erwartete, war Choutzö's nächstes Ziel. Sie heißt Tisn-fu-tang (Tempel des himmlischen Glückes) nnd hat wie alle ihres Gleichen die Küche unmittelbar am Eingang, so daß inan sic durchschreiten muß, ehe man in die Speisesäle und einzelnen Gemächer gelaugt. Köche, Bücker und Kellner gehen im Sommer mit nacktem Ober körper nmher, das Tuch unter dem Arme. Eine nicht enden wollende Fluth der hergebrachten Höflichkeitsfragen Seitens der zum Mahle Geladenen empfing den eiutrctende» Euro päer: „Wie ist Ihr edler Name? Wie alt sind Sie? Chinesische Musikanten. (Nach einer Photographie.) eine kleine Bank, welche stets der Gastgeber, der die Ein ladung erlassen hat, einnimmt. Anch bestimmt nicht er die beide» Würdigsten sür die Lehnsessel, sondern fordert nur zum Niedersetzen auf; unter den Gästen entsteht dann natür lich oft ein halbstündiges Complimcntircn. Das Gedeck besteht aus kleinen Untertassen statt der Teller, Stäbchen statt der Gabeln und porcellanenen Spateln als Lössel; der lauwarme Wein wird in metallenen Thcckannen scrvirt und aus kleinen Tassen von 1 bis 1Ve Zoll Durchmesser und Tiefe getrunken. Weder Tischtuch noch Servietten sind auf dein schwarz lackirtcn Tische zu seheu, sondern nur kleine viereckige Papierblätter, mit welchen man vor Beginn des Essens Stäbchen und Tassen abwischt, nm sich ihrer Rein lichkeit zu vergewissern. Der Gastgeber erhebt sich nun, füllt die Tassen seiner Gäste mit Wein, heißt sie willkommen, hebt die sciuigc bis in Augenhöhe empor und fordert zum Trin ken auf. Dann nimmt er sein Stäbchen und legt den Tischgenossen von den Vorspeisen vor; diese bedienen ihrer seits den Wirth auf gleiche Weise. So will es der gute Ton; und wenn man cs unterläßt, so muß man sich wegen dieses Mangels an gutem Benehmen wenigstens entschuldi gen. Diese etwas umständliche Ceremouie dauert aber nur einen Augenblick; denn cs erscheint nun der Wirth des Speise hauses und empfängt von jedem Gaste die Bestellung sei ner Lieblingsgerichte, denen dann wieder der Gastgeber be sonders theuerc Speisen, welche seine Gäste deswegen höflicher Weise übergangen haben könnten, hinzufügt. Nach zehn Minuten erscheint schon das erste Gericht auf einem Schüssel- 2l*