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58 E. Metzger: Gedebus und Sintren. Schwierigkeit, von welcher sich selbst der keine Vorstellung machen kann, der sich mit dem Gebrauch von tu, voi und toi im Italienischen recht vertraut gemacht hat, da in den Landessprachen Javas für viele Ausdrücke in jeder der drei Klassen besondere Wörter bestehen —, daß außerdem jeder eingeborene Häuptling oder Beamte die malaische Sprache, das Mittel für den gewöhnlichen Verkehr, kennen muß, daß viele derselben Holländisch wenigstens einigermaßen ver stehen, so wird man gern zugeben, daß wenn auch in jenen Tagen ihre formelle Bildung, zu deren Erwerbung die Ge legenheit manchmal fehlte, oft viel zu wünschen übrig ließ, doch der Geist schon durch die Erwerbung der nöthigcn Sprachkenntnisse — und die Etikette für den Gebrauch der hohen, Mittlern und niedern Sprache ist sehr streng — ziemlich viel „Hirngymnastik" geübt hatte, mehr vielleicht, als sehr viele Europäer, welche mit solchen Leuten in Be rührung kommen, anzunehmen geneigt sind. Gewöhnlich schickten die eingeborenen Beamten Mittlern Ranges, welche eine Ehre darin suchten, ihren Sprößlingen einen einiger maßen europäischen Schliff zu geben, ihre Söhne im Alter von 8 bis 12 Jahren, auch wohl früher und fpäter, in das Haus eines Europäers, am liebsten eines Beamten, mit dem sic auf gutem Fuß standen. Der Junge wuchs da auf einigermaßen gleichem Fuße mit dcu Kindern des Hau ses auf, lernte wohl mit ihnen, besuchte auch manchmal eine Schule; wurde er älter, so verrichtete er allerlei Dienst leistungen; dafür aber sah er, wie es in einem europäischen Haushalt zuging und lernte sich an den Umgang mit Euro päern gewöhnen. Später trat er womöglich als Schreiber bei einem Beamten ein, gewann so einen Einblick in die Verwaltung, kam, wenn er sich Freunde erworben hatte, in eine Stellung als Beamter und rückte je nach Umständen weiter vor. Eine solche Erziehung hatte denn auch mein Nachbar genossen und er hatte eine große Vorliebe für alles Europäische und einen ungeheuren Wissensdurst, der manch mal selbst unbequem werden konnte, aus der Zeit seines Aufenthalts in einem europäischen Hause mitgebracht. Nach dem wir erst einmal mit einander etwas vertraut geworden waren, brachte er, wie gesagt, viele Stunden bei mir zu und quälte mich mit allerlei Fragen, wogegen ich ihm dies mit Zinsen heimzahlte und viel von ihm über Land und Leute lernte. Meine Wohnung war nicht sehr anlockend; ich hatte mir ein gewöhnliches Wohnhaus eines Eingeborenen — es hatte übrigens Holzwände, ein Luxus, den man ziemlich oft in den Preanger Regentschaften findet — etwas aus- besscrn lasten; farbige Leinwand bildete die Decke, damit mir nicht etwa eines Abends ein Gekko (klatzäaot^kns Kuttatus), deren eine Anzahl im Dachstuhl hauste, auf den Kopf fiel; ebenso waren die Seitenwände mit ähnlichen Tüchern geschmückt und durch Vorhänge zu beiden Seiten des Eingangs zwei Zimmer hergestellt worden, welchen ich versucht hatte durch wenige, größtentheils aus Bambu verfertigte Möbel ein etwas häusliches Ansehen zu geben. Der Mittelraum war eigentlich ein Durchgang zwischen der Küche und der offenen Veranda; letztere diente — bei gutem Wetter wenigstens — zu jeglicher häuslichen und wissenschaftlichen Beschäftigung. Da wurde gegessen und gezeichnet, studirt und Toilette gemacht, wenn nicht etwa in der Westmousson der Wind den strömenden Regen hinein peitschte. Der Flnr, der sich, wie cs im westlichen Java allgemein üblich ist, einige Fuß über den Erdboden erhob, bestand aus Bambu; nämlich zunächst aus einigen mit Zwischenräumen liegenden ganzen Bambus, welche die Stelle der Balken vertraten, darüber ein Flechtwerk aus gespaltenem Bambu anstatt der Bretter. Daß es bei einer solchen Zusammensetzung des Gebäudes einiger Uebung bedurfte um Tische und Stühle so aufzustellen, daß sie auf den durchlaufenden Bambus ruhten, ist leicht er sichtlich, und dies war nothwendig, wenn man vermeiden wollte plötzlich ein Stuhlbein durch den geflochtenen Flur hinschicßen oder den gedeckten Tisch in stürmisches Schwan ken gerathen zu sehen. In diesem Raum nun saßen wir eines Abends; unser einfaches Essen war eben abgelaufen und das Gefolge des Wedana that sich mit meinen Leuten an den Resten des Mahls gütlich; da kam der Tjamat (ein Häuptling, der unter dem Wedana steht), der in meinem Dorfe wohnte, ließ sich vor der Veranda auf einer für die sen Zweck da bereit liegenden Matte nieder, brachte die zu sammengelegten Hände zum Gruß an die Stirn und rauchte, in der Erwartung, daß der Wedana, der sich noch mit mir unterhielt, ihn anreden würde, seine Cigarette weiter ^). Nachdem ich eine kurze Pause im Gespräch hatte ein treten lassen und der Wedana auf die Gegenwart seines Untergebenen aufmerksam geworden war, entspann sich zwi schen beiden eine kurze Unterhaltung, von der ich — ich be fand mich erst seit wenigen Monaten in den Sundadistrik- ten — kein Wort verstand. Dann fragte mich der We dana: „Wünscht der Herr das Gedebusspiel zu sehen?" Natürlich ging es mir ebenso, wie es wohl dem größten Theil meiner Leser gehen dürfte; ich wußte nicht, was das war. Nach einigen Mißverständnissen wurde mir die Sache deutlich gemacht und will ich die erhaltene Belehrung in den folgenden Worten zusammenfasten: „Die „Gedebus" sind fromme Diener des Propheten, die durch Reinigung, Fasten und Gebet, namentlich aber durch das Gebet eines frommen Mannes gar wunderbare Eigenschaften erlangen. Kein Eisen verwundet sie, kein Feuer brennt sie, kein Strick ist im Stande sie zu binden. Sie zeigen ihre Kunst nur um den Ruhm Allahs und seiner Propheten zu erhöhen und zu diesem Zweck wandern sie umher, um die Herzen der Gläubigen zu stärken und die Ungläubigen zum Glau ben zu erwecken, nehmen aber keine Bezahlung an." Die Truppe, welche uns eine Vorstellung geben wollte, lebte ganz in meiner Nähe als eine Art religiöser Gemeinschaft; soweit der Wedana wußte, gab es nur wenige derselben und zwar nur in den Sundalanden; ich selbst habe sie we der vorher noch nachher wieder in gleicher Form angetrof- fen und auch nur einige wenige Notizen über sie gefunden, die ich weiter unten mittheilen will; zunächst gehe ich zu der Beschreibung des merkwürdigen Schauspiels über, wel ches mir geboten wurde, nachdem ich die Erlaubniß zur Aufführung desselben gegeben hatte. Einer nach dem andern traten einige Leute in der ge wöhnlichen Tracht der Eingeborenen der Sundaländer ein, einige von ihnen trugen allerlei Geräthschaften in der Hand; ihnen folgte ein älterer Mann, der das Zeichen eines Hadji (Mekkapilgers), ein in der Art der Türken um den Kopf geschlungenes Kopftuch?), trug; in der Hand hatte er zwei kupferne Gefäße. Er trat bescheiden auf uns zu, begrüßte uns und erbat die Erlaubniß mit seinen Ge nossen einige Uebungen in meinem Hause vornehmen zu dürfen. Nachdem dies alles abgemacht war, ersuchte ich ihn mit seinen Gefährten Platz zu nehmen. Er ließ sich an einer Seite der Veranda nieder, auf einer Matte, die ich hatte hinlegen lasten; er erbat sich etwas gekochten Reis ft Ich erwähne absichtlich diese den Sundanesen eigen- thümliche Gewohnheit in Gegenwart von Höherstehenden und selbst im Gespräch mit ihnen unaufgefordert weiter zu rauchen. ch Alle männlichen Eingeborenen von Java tragen es im mer, aber in sehr verschiedener Art, nur Hadjis in der Form eines Turban.