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Französisch-italienischer Streit um Paneuropa. Im „Petit Parisien" wird ein Artikel Mussolinis über Briands Europaföderation veröffentlicht. „Die gegenwärtige Epoche", schreibt Mussolini, „unter scheidet sich nicht von früheren Epochen in bezug auf die Kombinationen verschiedener Nationen, die sich zu anderen Kombinationen in Gegensatz gestellt haben. Der Weltkrieg, der dis germanische Völkerkombination für lange Zeit zerbrochen hat, hat der Welt den Zustand der Verwirrung hinterlassen, aus dem der Völkerbund und auch der Europaplan Briands hervorgegangen sind." Mussolini spricht dann von den gröszten nationalen For mationen der Gegenwart, dem britischen Reich, dem Panamerikanismus, Panslawismus und von der pan indischen Bewegung. Wenn auch die unter germanischer Führung stehende Völkerkombination zerschlagen ist, so ist doch neben dem britischen Reich und den Vereinigten Staaten von Nordamerika das Deutsche Reich aufrecht qeblieben. Das Deutsche Reich ist das Werk Bismarcks, und auf der von Bismarck geschaffenen Grundlage sind jetzt nach dem Zusammenbruch die deutschen Bundes staaten eine Einheit" qeblieben. Das gemeinsame Band in jedem dieser drei national geeinigten Reiche ist die Verteidigung eines gemeinsamen Zieles und eines ge meinsamen Schicksals. Irgendein noch gemeinsames Band, wenn auch nur lockerster Art, für die geplante europäische Föderation Herauszusinden, ist nicht möglich. Wie sollen z. B. die Ziele Frankreichs und Deutsch lands vereinigt werden? Wie die Ziele Englands und seiner Dominions mit denen Europas? Das heutige Europa ist viel zu verschiedenartig, um ein gemeinsames Ganzes bilden zu können. Mussolini kommt dann zu dem Schlusz „Es ist zwar sür Europa eine dringende Notwendigkeit, eine Periode der Beruhigung zu erreichen, aber Mißbehagen, Unzu friedenheit und der mangelnde Ausgleich der Kräfte bilden für diese vorgeschlagene europäische Konsolidie rung ein Hindernis,und ehe wir zu einer gemeinsamen Zielsetzung gelangen, muh eine ernsthafte und aufrich tige Revision der bestehenden Verträge erfolgen." Französische Aufregung über Mussolini und Grandi. Paris, 4. Juli. Die Erklärungen, die der italie nische Außenminister vor einigen Tagen einem Ver treter des „Daily Herald" abgegeben hat, finden ebenso wie der Artikel Mussolinis in Frankreich nach wie vor lebhaften Widerhall. Das „Journal" betont, daß sich llnnwW ZWO? im ömgebick Saarbrücken, 4. Juli. Im Landesrat des Saar gebietes begann heute die Aussprache über den Haus haltplan der Regierungskommission. Besonders scharf wandte man sich gegen das weitere Verbleiben der B a h n s ch u tz t r u p p e n im Saargebiet, sowie gegen die f r a n z ö s i s ch e S ch u l po l i t i k im Saargebiet. Der Regierungskommission sei bekannt, daß von der französischen Schule ein unerhörter Druck auf die Bergleute und deren Frauen ausgeübt werde. Besonders sei die Propaganda eines Lehrers der fran zösischen Schule, des Luxemburger Wingert, hervorzu heben. Dieser behaupte, daß die französische Regierung, die Regierungskommijsion im Saargebiet und die Erubenverwaltung hinter ihm stehe. Gegen die Berg leute wird mit offenen Drohungen oorge- gangen. Entweder müßten sie ihre Kinder in die fran zösische Schule schicken oder sie müßten ihre Werkwoh- nungen verlassen. Auch würden diejenigen, Vie ihre Kinder nach französischen Schulen schickten, von der all- Frankreich bisher stets zurückhaltend benommen habe trotz der Reden Mussolinis in Livorno, Florenz und Mailand. Es habe erst des Vorstoßes von Grandi be durft, um Briand zu veranlassen, die Lage so darzu stellen, wie sie wirklich sei. Briand habe am Donners tag den französischen Botschafter in Rom beauftragt, noch einmal darauf hinzuweisen, daß Frankreich jeder zeit bereit sei, die Beratungen wieder aufzunehmen, um endlich einmal die politischen Meinungsverschieden heiten zu klären. Der „Excelsior" betont, daß es im Augenblick nur zwei Lösungen gebe, um aus der schwierigen Lage, m der sich Europa befinde, herauszukommen. Die eine sei die friedliche Lösung der gemeinsamen Schwierigkeiten und Lie andere das Abenteuer einer Aenderung der poli tischen Karte, wie sie Mussolini vorschlage. Frankreich habe den verstandesgemäßeren Weg gwühlt. Der „Quotitien" wendet sich ebenfalls scharf gegen die Aus führungen Mussolinis und sieht den einzigen Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten in der Ver wirklichung des Briandschen Paneuropaplanes. Die „Volont" erklärt, Mussolini habe mit einer geradezu blendenden Genauigkeit die faschistische Außenpolitik Italiens auseinandergesetzt. Es sei falsch, wenn man eine derartige Erklärung auf die leichte Schulter nehmen würde, denn sie sei sicher lange vorbereitet und durch beraten gewesen. Für Deutschland sei cs das Schlimmste, was es machen könne, wenn es sich von den Ausführun gen des Duce irgendeinen Vorteil verspreche, denn der italienische Ministerpräsident habe nur für Italien ge sprochen. Das „Peuple" weist auf das eigentümliche Spiel hin, daß der Korrespondent des „Daily Herald" in Rom getrieben habe, für den Macdonald um die Aufenthaltsbewilligung gebeten habe. Es sei derselbe Korrespondent, der bereits vor kurzem seinem Blatt mit geteilt habe, daß der Generalsekretär der Faschistischen Partei Frankreich den Krieg angekündigt hätte und der jetzt von Grandi ausgefordert worden sei, die Bejchuldi- gungen gegen die französische Politik zu veröffentlichen. Das „Oeuvre" beschuldigt den italienischen Außen minister, sich mit seinen einseitigen Erklärungen an ein englisches Arbeiterblatt über jede diplomatische Korrekt heit hinweggesetzt zu haben. Der sozialistische „Popu- laire" wendet sich gegen Briand, weil er in seiner Ant wort an Grandi den italienischen Vorschlag wegen der vorläufigen Einstellung der Flottenbauten nicht er wähnt habe. Man werde im Ausland leicht auf den Ge danken kommen, daß Frankreich einen italienischen Frie densvorschlag abgelehnt hätte. gemeinen Entlassung im Bergbaubetrieb verschont wer den. Der Zentrumsabgeordnete, Schulrat Martin, richtete an die Regierungskommission die Anfrage, ob sie gewillt sei, diesen Methoden ein Ende zu machen Die Saarbevölkerung erwarte von der Regierungskom mission, daß sie mit dieser unwürdigen französischen Schulpropaganda Schluß mache. Die Antwort war nichtssagend und brachte keinerlei Aufklärung. Vor der Zurückziehung des belgisch-französischen Bahn- schutzcs aus dem Saargebiet. Paris, 4. Juli. Wie aus zuverlässiger Quelle ver lautet, wird der belgisch-französische Vahnschutz schon in allernächster- Zeit aus dem Saargebiet zurückgezogen werden. Es handelt sich um etwa 400 Soldaten die den Schutz der Bahnverbindung zwischen dem Saargebiet und dem besetzten Gebiet aufrechterhalten sollten. Da das Rheinland inzwischen geräumt ist, ist auch dieser Bahnschutz überflüssig geworden. Arbeitslosensorgen in England. London, 4. Juli. Die Notmaßnahmen der Regie rung zur Linderung der Arbeitslosigkeit werden voraus sichtlich am kommenden Freitag im Unterhaus vor gelegt werden. Das Notgesetz sieht eine Beschleu nigung bei den Plänen für die Beschäftigung Arbeits loser vor, die nicht mehr durch die lokalen Behörden, sondern durch einen Ausschuß des Ober- und Unter hauses behandelt werden. Ferner sollen Unterstlltzungs- darlehen der Regierung für solche Pläne verdoppel» und ein Fonds von 10 Millionen Mark bewilligt werden. Wie die „Morningpost" mitteilt, wird eine Verlänge rung der gegenwärtigen Tagungsperiode des Parla ments bis in die erste Woche des August notwendig werden. — Eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit bildet die immer stärker zutage tretende unzureichende Höhe des Fonds für die Arbeits losenversicherung. Dieser Fonds der eine Milliarde Mark betrug, dürfte im September bereits bedeutend überschritten sein, so daß eine Erhöhung um weitere 300 Millionen Mark beantragt werden wird. Es wird befürchtet, daß die Zahl der Arbeitslosen in der nächsten Zeit weiter stark zunehmen und 2 Millionen bald über schreiten wird. Dürfen Beamte Nationalsozialisten oder Kommunisten sein? Berlin, 3. Juli. Die Nachtausgabe meldet unter der Ueberschrift: „Verstoß gegen Weimarer Verfassung": Von nationalsozialistischer Seite und von verschiedenen anderen politischen Stellen geht uns die Mitteilung zu, daß die preußische Regierung im Laufe des heutigen Abends eine Verordnung herausgeben wird, durch die die Zugehörigkeit von-Beamten des preußischen Staates zur Nationalsozialistischen Arbeiterpartei und zur Kom munistischen Partei verboten wird. Die amtliche Mitteilung. Berlin, 3. Juli. Der Amtliche Preußische Pressedien st meldet: Das preußische StaatsMini- sterium hat in seiner letzten Sitzung den folgenden Be schluß gefaßt, der nunmehr den Nachgeordneten Behör den aller Zweige der Staatsverwaltung und den Ge meindebehörden zugeht: Nach der Entwicklung, die die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei und die Kommunistische Partei Deutschlands genommen haben, sind beide Parteien als Organisationen anzusehen, deren Ziel der gewaltsame Umsturz der bestehenden Staatsordnung ist. Ein Be amter, der an einer solchen Organisation teilnimmt, sich für sie betätigt, oder sie sonst unterstützt, verletzt da durch die aus seinem Veamtenverhältnis sich ergebende besondere Trcneverpflichtung gegenüber dem Staate und macht sich eines Dienstvergehens schuldig. Allen Be amten ist demnach die Teilnahme an diesen Organisa tionen, die Betätigung für sie oder ihre Unterstützung verboten. Das Staatsministerium bringt diese Auffassung der Beamtenschaft hiermit besonders zur Kenntnis und weist sie darauf hin, daß künftig gegen jeden unmittel baren oder mittelbaren Staatsbeamten, der dem zu widerhandelt, disziplinarisch eingeschritten wird. Das Staatsministerium ordnet gleichzeitig an, dah die Nach geordneten Behörden über jeden Fall der Zuwider handlung dem zuständigen Fachminister zu berichten haben." WUMM MS MiMöWMWlWM. Mainz, 4. Juli. Der frühere separatistische Prooin- zialdirektor der Separatistenxegierung Dr. Roth, der von den Separatistenoersolgern am Donnerstagnachmittag m seiner Wohnung belagert wurde, hatte versucht, sich und Wer ist Ben? Kriminalroman von Franz Roßdorf. 11s (Nachdruck verboten.) „Außerdem hörte sie noch ein zweites Geräusch, das wie das Hinfallen eines Körvers anzuhören war. Das war -Braun. Dann hörte sie em Stöhnen und dann war es ihr, als spräche jemand ein paar Worte. Was es war, konnte sie begreiflicherweise nicht verstehen. Das alles bewog sie, das nächste Polizeiami anzurufen. Glauben Sie nun noch, daß Braun Selbstmord verübt hat?" , „Sie sind ein Teufel, Quincy," sagte Martens. Der Inspektor lächelte. Derartige Anzüglichkeiten faßte er grundsätzlich als ein Kompliment auf. „Der Vorhang kam mir gleich ein wenig kurios vor," meinte er. „Als gewiegter Kriminalist sollten Sie übrigens die Praktiken unserer Gegner ein wenig besser kennen, Martens. Fenster und dergleichen mit licht- undurchlässigen Vorhängen zu versehen, ist ein alter Trick der Einbrecher, die ungestört und in voller Ruhe ihrem lichtscheuen Gewerbe nachgehen wollen. Braun hat das Tuch auch bestimmt zu seiner eigenen Sicherheit ange bracht; nur daß er dabei einen anderen Zweck verfolgte. Er muß irgendeinen Feind gehabt haben. Wahrscheinlich ist er es gewesen, der ihn überraschte und ihn dann um die Ecke brachte. Fragt sich allerdings noch, wer es war. In der Tat," meinte er, indem er sich zu dem Toten herabbeugte und die Einschußstelle untersuchte, „man kann unmöglich einen Selbstmord annehmen. Der Schuß muß aus weiterer Entfernung abgegeben sein. Wahrscheinlich von der Tür aus. Das beigelegte Schießeisen sagt gar nichts. Verstehen Sie etwas von Chiromantie oder wie man das Zeug nennt?" fragte er dann den verdutzten Martens. „Ich persönlich verstehe zwar auch nicht viel davon, aber es ist eine wirklich hochinteressante Wissen schaft, obgleich manche Leute sie mit der erniedrigenden Bezeichnung Hokuspokus belegen. Sehen Sie," sagte er und ergriff die wächserne linke Hand des Toten, „diese Pfote könnte uns vielleicht mehr vom Leben und Treiben dieses Mannes erzählen, als wir bisher von ihm wissen. Betrachten Sie doch nur mal diesen haarigen Hand rücken! Irgendwo las ich einmal, vaß er bei einer Frau auf Grausamkeit schließen läßt. Leider bin ich nicht über seine Bedeutung beim männlichen Geschlecht orientiert, aber sicher hat er etwas Ähnliches zu sagen. Oder diesen brutalen Daumen — brutal nennt man ihn, wenn man an ihm diese komische Verdickung wahrnimmt." „Ich möchte wahrhaftig wissen," grollte Martens, „was diese Faxen bedeuten sollen. Leiden Sie etwa unter der Hitze?" fragte er anzüglich. „Ich möchte doch zu gern mal einen Blick in das Innere der Hand werfen," fuhr Quincy fort, ohne den Einwurf zu beachten. „Ich habe gewissermaßen eine Leidenschaft für so geheimnisvolle Dinge wie Chirto — oder wie sich der Mumpitz nennt. Ein paar verzwickte Linien in einer Hand können mich direkt zum Philosophen Er versuchte die verkrampfte Hand ausetmmderzubtegen machen." Er versuchte die verkrampfte Hand auseinander zubiegen, aber es gelang ihm nur schwer. Er beschäftigte sich eine Weile auf geheimnisvolle Weise und als er aufstand, hatte er ein kleines Stück abgerissenes Papier zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger. Er trat damit zum Fenster und untersuchte es. „. . . will ich gestehen ... sich Ben nennt . . ." las er auf der einen Seite und . in seinen Händ . . ." aus der anderen. Haben Sie etwas gefunden?" fragte Martens und trat näher. „Was ist das? Hatte er das in der Hand?" Und als er die wenigen, scheinbar zusammenhanglosen Zeilen gelesen hatte: „Das ist doch sicher ein Teil des Briefes, den er schrieb, als man ibn »m die Ecke brachte." „Wirklich," gestand Quincy, „an Ihnen ist ein Detektiv verlorengegangen, Martens. Sie sollten einen verantwortungsvolleren Posten bekleiden; die Polizei braucht solche Männer, wie Sie es sind." Er wog das Stück Papier in der flachen Hand. „Mir scheint es," meinte er, „das Studium der Hand- lesekunst ist eine lohnendere Sache, als es sich unsere Schulweisheit träumen läßt." Quincy war sehr nachdenklich geworden. Der Name Ben gab ihm eine Menge zu denken. Ohne Zweifel hatte Braun mit dem Mann, der diesen Namen führte, in Ver bindung gestanden. War er es, der ihn tötete? Braun hatte also etwas gestehen wollen, das ging klar aus den paar Worten hervor. Er wies dabei auf einen Mann namens Ben hin. der ihn, folgerte Quincy weiter, völlig in seinen Händen hatte. Das war allerdings eine bloße Annahme. Es konnte ebensogut heißen, daß sich etwas — irgendeine Sache, von der man keine Ahnung hatte — in seinen Händen befand. Wie dem aber auch war, jeden falls mußte aus „Ben" ein starker Verdacht fallen. Quincy nahm von vornherein als sicher an. daß er der Mörder Brauns war Die Frage war nur, ob er in irgendeiner Hinsichi mit der Strangertschen Affäre in Verbindung stand Wollte Braun etwa gestehen, daß er zu der Tat von „Ben" angestiftet wurde? Das setzte allerdings einen vorsätzlichen Mord voraus. Quincy mußte auch an den geheimnisvollen I. N. denken. Welche Rolle spielie der Mann, der das Messer mit diesen Initialen verlor, in dieser Tragödie? War es möglich, daß Ben und I. R. ein und dieselbe Person waren? Welche Zwecke sollte er dann aber mit seinem verbrecherischen Treiben verfolgen? „Ist es Ihnen nicht ausgefallen, Inspektor," unterbrach Martens sein Grübeln, „daß Braun in Zivilklust und nicht in seiner Pilotenkleidung steckt? Ich nehme an. daß er sie zuletzt trug." „Sie lernen beobachten, Marlens," entgegnete Quincy, „aber dieser Umstand braucht nicht unbedingt von Be deutung zu sein. Wenn Braun sich wirklich schuldig fühlte — und der Umstand, daß er sich verborgen hielt, deutet schon allein darauf hin —, wäre es die größte Eselei von ihm gewesen, im Fliegerdreß umherzulaufen. Haben Sie noch eine andere Wunde an ihm entdeckt?" „Nein, wenigstens keine Schußwunde, wenn Sie eine solche meinen." „Auch ich habe nichts dergleichen gesehen, obgleich ch sie zu finden glaubte Das ist aber ungemein wichtig Wichtiger jedenfalls, als Sie glauben," setzte er b'"" und er halte damit vollkommen recht, denn Martens n, ja von den Ereignissen keine nähere Kenntnis erba.', .. (Fortsetzung folgt !