Volltext Seite (XML)
Annahme des Zündholzgesetzes. Deutscher Reichstag. Sitzung, vom 28. Januar. Der Präsident eröffnete die Dienstag-Sitzung um 1 Uhr. Auf der Tagesordnung stand die dritte Beratung des Zündwarenmonopolgesetzes. Abg. Hergt (DntlZ beschäftigte sich mit der Kassenlage und erklärte, die gestern vom Finanzmini- ster gegebenen Aufklärungen hätten seine Partei nicht voll befriedigt. Die Wirtschaft sehe mit großer Sorge in die Zukunft. Zu begrüßen sei die Erklärung des Mi nisters, daß in den Reichsfinanzen nun endlich Ordnung geschaffen werden müsse. Allerdings sei man gegenüber solchen Versicherungen schon etwas mißtrauisch gewor den. Die Regierung und den bisherigen Finanzmini- stcr treffe der schwere Vorwurf, daß sie trotz der großen Finanznöt die Hände in den Schoß gelegt haben. Auch bei den Verhandlungen über den Poungplan habe man die Lage der deutschen Finanzen nicht genügend betont. Zu einer Ankurbelung der Wirtschaft, die die Voraus setzung für die Durchführung des Poungplanes sei, sehe die Deutschnationale Volkspartei nicht die geringste Möglichkeit. Abg. S ch l a ck fZentrZ verteidigte die in der Vorlage enthaltenen Sonderbestimmungen zu Gun sten der Konsumgenossenschaften. Wenn diesen nicht eine gewisse Bewegungsfreiheit gelassen werde, dann müßte die gesamte Arbeiterschaft sich gegen das Monopol wen den. Von einer Vorzugsstellung könne nicht die Rede sein. Der Finanzminister habe vielmehr an diesen Be stimmungen ein großes Interesse, weil beim Fortfall der Sonderabgabe der Genossenschaften ein Ausfall von 1 bis 1,2 Millionen eintreten würde. Man habe fa auch nicht über Vorzugsstellung und Begünstigung geklagt, als im landwirtschaftlichen Rotprogramm den land wirtschaftlichen Genossenschaften glatt ein Geschenk von 60 Millionen gegeben wurde. Abg. Schröter- Merse burg sKom.) sah in der Vorlage einen Bestandteil der gegen das Proletariat gerichteten Blutsaugerpolitik des Weltkapitals. Dis Vorlage wurde darauf in dritter Beratung und in der Schlußabstiinmunq mit 240 gegen 145 Stimmen bei sieben Enthaltungen der Demokraten angenommen. Das Veamtenvertretungsgesetz, Anträge, die sich gegen die Erhöhung der Berliner Stadtbahntarife rich ten und ein volksparteilicher Antrag über Maßnahmen zur Erhöhung der Roggenpreise wurden der Ausschuß beratung überwiesen^ Das Haus vertagte sich auf Mittwoch, 5. Februar 15 Uhr. " ' Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gesetzentwurfes über die Haager Konferenz. Schluß nach Z43 Uhr. Das Zündholzmonopol vom Reichsrat angenommen. Berlin, 28. Jan. Der Reichsrat hielt am Dienstag nachmittag eine Vollsitzung ab, in der der Gesetzentwurf über das Zimdholzmonopol endgültig genehmigt wurde. Ein Antrag Thüringens, gegen das Gesetz Einspruch zu erheben wegen der Sonderstellung der Konsumgenossen schaften und das Eingreifen in die freie Wirtschaft, fand nicht genügend Unterstützung, nachdem noch der sächsische Gesandte, Dr. Gradnauer, erklärt hatte, daß die säch sische Negierung ihre Bedenken im Hinblick auf die zur Erörterung stehenden wichtigen Interessen zurückstelle. Der Reichsrat befaßte sich dann mit dem Gesetzent wurf über die Beteiligung des Reiches an der preu ßischen Zentralgenossenschaftskasse. Es handelt sich um das Abkommen zwischen dem Reich und Preußen, das vor wenigen Tagen schon im preußischen Landtag ange nommen worden ist. Der Neichsfinanzminister wird er mächtigt, eine Stammeinlage in Höhe von 50 Millionen zu übernehmen. Der Reichsrat stimmte dem Gesetzent wurf zu. Am Donnerstag findet keine Reichsratsvoll- sitzung statt. Am Freitag werden sich die Reichsratsaus schüsse mit denl Younqplang beschäftigen. Am Sonn abend wird der Reichsrat in einer Vollsitzung darüber beschließen. ZmWMö kl Mm MMg Ks »ilsmistm Mn in Mi. i Wien, 28. Jan. Der hier weilende preußische Kul- i tusminister Dr. Becker hielt am Dienstag abend im Kul- > turbund einen Vortrag über „Pädagogik der Gegenwart". Seine schweren Zwistigkeiten mit den deutschen Studenten scheinen auch auf seinen hiesigen Aufenthalt ihre Rück wirkung nicht verfehlt zu haben; denn sofort nach Beginn ; des Vortrags herrschte lebhafte Unruhe im Saal, die von einem Hustenkonzert ausging, das die Zuhörer ur sprünglich für einen Zufall hielten. Baid machte jedoch ein Chor von Hustenden die Ausführungen des Ministers schlecht verständlich und einige der jugendlichen Ruhe störer ließen Gegenstände zu Boden fallen, scharrten mit den Schuhen und machten Zwischenrufe, dis sich schließ lich bis zum Lärm verdichteten. Als die Zuhörer, unter denen sich der Unterrichtsminister Srbik, der Rektor der Universität Eleispach, der deutsche Gesandte Graf Lerchen feldt und der französische Gesandte Clauzel befanden, Ruhe verlangten, sprang einer der jugendlichen Ruhe störer auf und rief: „Sie wissen ja nicht, wein Sie zu hören. Das ist der Mann, der gegen den Anschluß ist!" Allerseits ertönten im Saal Rufe nach der Polizei. Inzwischen hatten zehn Polizisten unter Führung eines Offiziers vor dem Eingang zum Vortragssaal Aufstellung genommen. Nach einer kurzen Unterbrechung konnte Mi nister Becker seinen Vortrag fortsetzen. Bald wurde er jedoch wieder von neuem Lärm gestört. Der Präsident des Kulturbundes stieg schließlich auf das Podium und entschuldigte sich beim Publikum wegen der Ruhe störungen. Darauf rief einer von den Ruhestörern: „Warum soll denn bei einem solchen Vortrag Ruhe sein?" Neue Zwischenrufe ertönten, bis schließlich die Ruhe wiederhergestellt war und Minister Becker seinen Vortrag, der mit Beifall aufgenommen wurde, zu Ende führen konnte. Die Kommunisten planen Massenstreiks. Chemnitz, 28. Jan. Die „Chemnitzer Volksstimme" berichtet über einen Landeskongreß der revolutionären Gewerkschaftsopposition, der am Sonntag in Chemnitz stattfand. Als das kommunistische Endziel wurde klar und eindeutig gefordert: Planmäßige Organisierung von wirtschaftlichen Kämpfen. Erzeugung von politischen und revolutionären Bewegungen und Herbeiführung von Massenstreiks zur Eroberung der politischen Macht durch Errichtung der Diktatur des Proletariats. Der Kongreß nahm ein Kampfprogramm an, das strategische und taktische Richtlinien föstlegt. In den Mittelpunkt der Aufgaben, die dir revolutionäre Gewerk- schastsopposition in Sachsen in den nächsten Wochen und Monaten zu erfüllen hat, stellte der Kongreß die Organi sierung und Durchführung der Kämpfe der sächsischen Arbeiterschaft für folgende Forderungen: Einführung des Ein Frauenlos. Roman von Ida B o S. 41) (Nachdruck verboten.) „Wissen Sie. ob der Kahn, der Kaminsky erwartete, flußaufwärts oder -abwärts fuhr?" fragte Egger. „Schräg hinüber ans andere Ufer!" „Verdammt — wo nimmt man jetzt bei Nacht ein Boot zur Überfahrt her! Daran hätte man doch denken müssen!" „Ich habe daran gedacht, Herr Egger!" sagte der Chauffeur stolz, nahm das Paket, das Franz vom Auto abgeladen hatte, ein Faltboot . . Mit sichtlicher Geübt heit hatte er es in wenigen Minuten montiert — dann tanzte es lustig aus dem Wasser. „So, Herr Egger, hinüber müssen wir unter allen Umständen — drüben finden wir schon irgendeinen Weg. Ich sah einmal, daß Kaminsky schnurstracks auf den Wgld losging!" Karl ruderte das leichte Fahrzeug mit sicherer Hand über den Strom. Dann faltete er Vas Boot wieder zu sammen und nun schritten sie eine Weile, immer vor sichtig spähend, ganz gerade durch die schütteren Bäume, um die das Helle Mondlicht geisterte. Plötzlich blieb Karl stehen und wies mit ausgestrecktem Arm rechts hinunter aus einen ganz deutlich sichtbaren, weil ziemlich ausgetretenen Waldpfad. Egger klopfte dem Chauffeur anerkennend aus die Achsel und dann schritten sie mit langen Schritten diesen Pfad entlang. Fast entrang sich Egger ein Fubelruf: es schimmerte hell durch die Bäume. Bald standen sie vor einem kleinen Waldwirtshaus, aus dessen Fenstern mattes Licht quoll. „So — also für die Nacht werden wir wohl ein Unterkommen finden, denke ich — der Himmel helfe nns weiter," sagte Egger und betrat als erster die armselige Wirtsstube. Wände und Fußboden waren verschmutzt, über dem ganzen Naum lagerte ein dicker blauer Tabaksqualm, so daß man beim Eintreten aus der Dunkelheit kaum unterscheiden konnte, wer da un den dunklen Hölztischen hernmsaß. Der Chauffeur Kar! und Richard Egger standen einen Augenblick ungewiß in der Eingangstür. Als ihre Augen den blauen Qualm Halbwegs durchdrungen hatten, sahen sie die ihnen zugewandten Köpfe einer ganzen Reihe von Gästen, die, Bier oder Schnaps vor sich, alle die Pfeifen im Mundwinkel, verwundert auf die unbekannten Eindringlinge blickten, deren Erscheinen zu so später Stunde sichtlich Staunen Hervorries. Der Wirt, ein kleiner, hagerer Mann mit verkniffenem, leder nem Gesicht und einer Wollmütze auf dem großen Schädel, trat näher und grüßte: „Wünschen die Herren was?" Bald standen sie vor einem kleinen Waldwirtshaus, aus dessen Fenstern mattes Licht quoll Egger nickte: „Freilich — Essen, Trinken und Nacht quartier." Der Wirt rückte einen kleinen Tisch zurecht, wischte mit einem Tuch von recht zweifelhafter Weiße darüber hin und machte eine einladende Handbewegung: „Wegen vei Stube werde ich die Frau fragen!" sagte er dann, nicht übermäßig freundlich. „Für Nachtquartier sind wir nicht so recht eingerichtet, Essen gibt's nur noch Wurst oder Butter und Eier." Er gab sich nicht die geringste Mühe, zu verbergen, daß die so spät herein geschneiten Gaste ihm wenig willkommen waren. Der Chauffeur verstaute das Boot und seinen Ruck sack und setzte sich dann neben Egger. Siebenstundentages, sofortige Erhöhung der Löhne, gleicher Lohn der Jugendlichen und Frauen, wie der Männer, sofortige Erhöhung der Unterstützungssätze der Erwerbslosen, Einreihung der Erwerbslosen in die Be triebe, Erhöhung der Bezüge aller Sozialrentner und Kriegsopfer, Wehrhaftmachung des Proletariats gegen den imperialistischen Krieg und für die Verteidigung und den Schutz der Sowjetunion usw. Zur Erreichung dieser Ziele sollen nach den Be schlüssen des Landeskongresses die Kräfte der revolutio nären Opposition fester und straffer als bisher zusammen gefaßt werden. Der revolutionäre Klassenkampf sei auf der ganzen Linie sofort zu eröffnen. Aus aller Mell. * Böß gegen Pension zum Rücktritt bereit. Im Aeltestenausschuß der Berliner Stadtverordnetenversamm lung wurde am Dienstag ein Schreiben des Oberbürger meisters Böß an die Stadtverordnetenversammlung ver lesen, in dem er sich erneut bereit erklärt, noch vor Ab lauf seiner Amtszeit in den Ruhestand zu treten. Er könne jedoch auf seine wohlerworbenen Rechte auf Ruhe gehalt nach 35jähriger Tätigkeit im Staais- und Stadt dienst, zumal er ohne Vermögen und mit geschwächter Gesundheit aus seinen: Amt scheide, nicht verzichten. * Von Kommunisten niedergestochen. Aus Halle wird gemeldet: In der Nacht zum Dienstag wurde in der Großen Waldstraße ein Angehöriger der Halleschen Sängerschaft „Friedericiana" von einer Horde von 20 Kommunisten überfallen. Mit Messern und Totschlägern bearbeiteten die Gesellen den Studenten so lange, bis er blutüberströmt zusammenbrach und liegen blieb. Der Kiefer des Ueberfallenen war völlig zerschlagen und das ganze Gesicht zerstört. Der Verletzte wurde sofort dem Krankenhaus zugcführt, wo eine schwierige Operation vorgenommen werden mußte. Die Täter sind noch nicht ermittelt. * Gang auf Leben und Tod im Schneetreiben. Dieser Tage befanden sich drei Berliner Hochschüler im Riesen gebirge auf dem Wege von Spindelmühle zur Nenner- bauds. Im Weißwassergrunde kamen sie vom Wege ab, und es war ihnen trotz aller Bemühungen nicht möglich, sich wieder emporzuarbeiten. Sie mußten, da mittlerweile ein Wildes Schneetreiben einsetzte, einen Gang auf Leben und Tod gehen. Zur gleichen Zeit schlug in der Renner baude der große Bernhardiner an und ließ sich nicht be ruhigen. Als man den Hund freiließ und ihm folgte, stieß man auf die drei Hochschüler, die bereits dem Tode durch Erfrieren nahe waren. Man brachte sie in die Rennerbaude, Wo sie sich wieder erholten. * Großfeuer in Braunschweig. Ein Großfeuer, das am Dienstag früh auf dem Lagerschuppengrundstück Ger- loffshof ausbrach, ist bis zum Nachmittag noch nicht ge löscht worden, obgleich die Hauptgefahr beseitigt ist. Das Feuer fand an großen Mengen Oel, Firnis und Farben reiche Nahrung. Der Schaden ist sehr groß. In letzter Minute konnten zahlreiche Stahlflaschen in Sicherheit gebracht werden, so daß die große Explosions gefahr abgewendet wurde. Geschädigt wurden unter an derem eine chemische Fabrik, eine Müllerei, eine Spitzen- sabrik sowie eine Erudesabrik. * Brand in einem Kinderheim. Aus Kowno wird gemeldet: Eine schwere Feuersbrunst, die um Mitter nacht ausbrach, hat das jüdische Kinderheim bis auf die Grundmauern vernichtet. Unter den Kindern brach eine furchtbare Panik aus, und nur mit allergrößter Mühe gelang es, die 150 Insassen zu retten. 102 Kinder haben schwere Rauchvergiftungen erlitten und schweben in Lebensgefahr, während ein Kind bereits gestorben ist. Das jüdische Kinderheim zu Kowno war seinerzeit mit amerikanischem Eelde begründet worden und wird durch amerikanische Wohltäter erhalten. „Sehr oft scheinen sich Fremde nicht in diesen gott verlassenen Winkel zu verlieren! Die reinste Verbrecher kneipe, flüsterte er Karl zu. Der sah sich jetzt um und schüttelte den Kopf: „Ach wo, das steht nur so aus, sind Waldbauern, also nicht sehr zugängliche Menschen — aber — die lange ich mir schon. So einer wie die war mein Vater auch, die werden ganz zutraulich, passen Sie aufl" Der Wirt brachte das Abeudbrot und Bier, stellte alles vor die beiden Gäste hin und blieb breitbeinig vor dem Tische stehen, als erwarte er nun eine Aufklärung über woher und wohin. „Was, va wundert sich der Olsch, weil ihm zwei Kerle so plötzlich ins Haus fielen? Fremde glbt's nicht oft?" fragte Karl, während er sein Bierglas gegen den Wirt hob und ihm zutrank. „Gutes Bier!" sagte er dann anerkennend. Das schien den Wirt etwas freundlicher zu stimmen, er rückte einen dritten Stuhl heran und ließ sich nieder. „Sie kommen wohl aus der Stadt? Verlaufen oder was?" sragte er schon etwas gnädiger. ,Wir sind Touristen und wollten bei dem schönen Mondschein ein Stück auf dem Fluß weiter — aber das Boot ist kaputt," log Karl und stieß Egger unter dem Tisch mit dem Fuß an. Der Wirt sah ihn verwundert an. „Das Boot? Habt es auf dem Wasser? Doch wohl gut festgemacht?" „Nein, das haben wir bei uns!" „Bei euch?" „Dort!" Karl wies auf das an der Wand lehnende Bündel. Der Wirt machte kreisrunde Augen: „Das soll 'n Boot sein? Ihr wollt mich wohl gar zum' Narren halten?" „Nein, nein — das ist ein Faltboot! Derlei kennt Ihr nicht, was? Das trügt man unterm Arm!" „Und rudert mit der Suppenschüssel — na, na, mit solchem neumodischen Dreck geben wir uns nicht ab! Neubacher — guck mal, die va tragen's Bötche unterm Arm!" rief er mit dröhnendem Lachen zu einem Tisch hinüber, wo, den Rücken der Stube zugekehrt, ein einzelner Gast saß, der sich jetzt umwandte und brummig sagte: „Was schert's mich!" (Fortsetzung folgt.)