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Lckweirer ^ricgsnöw. In seinem letzten Bericht über seine auf Grund außerordentlicher Vollmachten getroffenen Maßnahmen, umfassend den Zeitraum vom 15. Mai bis 1. September, stellt der Schweizer Bundesrat fest, daß sich im überseeischen Post- nnd Telegrammverkehr keine Erleichterungen bemerkbar gemacht haben, trotzdem der Bundes rat am 4. Juni den Vertretern Frankreichs und Englands als Untwort auf die Denkschrift vom 21. März/16. April eine eingehende Rechts verwahrung gegen die Unterbindung und die Störung des schweizerischen Postverkehrs mit dem neutralen Auslande überreicht Halle. Die Schwierigkeiten, denen die schweizerische Aus fuhr angesichts des sogenannten Handelsverbots begegnete, sind im wesentlichen die gleichen ge blieben, und wiederholt mußte der Bundesrat schweizer Kaufleute gegen falschen Verdacht schützen. Der Bericht gibt dann eine eingehende Dar stellung der schwierigen Verhandlungen mit dem Vicrverband und Deutschland über den Aus- tauschwarenverkchr und stellt fest, daß die schweizerischen Vorschläge in den Pariser Ver handlungen über den Austausch auf grundsätz lichen Widerstand stießen und schließlich be stimmt abgelehnt wurden, so daß die Ver handlungen fast durchweg kein.Ergebnis hatten. Immerhin sind während der Verhandlungen mit Deutschland von einzelnen Vierverbands- staaten gewisse Zusicherungen gegeben worden, nach Möglichkeit sür Beschaffung dessen zu sorgen, was die Schweiz für die Ausrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens unbedingt bedarf. Die Verhandlungen mit Deutschland in Bern werden im Bericht nur kurz berührt, da sie bei Abschluß des Berichtes noch nicht ab geschlossen waren. Der Bundesrat stellt fest, daß die bisherigen Ergebnisse voraussehen lasse», daß es mit Deutschland zu einer " an nehmbaren Lösung kommen wird, die der durch die Verhandlungen in Paris für die Schweiz geschaffenen Lage gerecht wird und ihr durch Leistungen im Nähmen ihrer eingegangenen Verpflichtungen und der eignen Landesbedürf nisse diejenigen Gegenleistungen gewährleistet, die ini Interesse von Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft für den Lebensunterhalt des Schweizervolkes und für die Bedürfnisse der Armee beansprucht werden müssen. Das Ab kommen wird sofort nach erfolgter Genehmigung veröffentlicht werden. Der Bundesrat stellt bezüglich der wirt schaftlichen Lage fest, daß der Kampf mit den zahllosen Schwierigkeiten, denen die Versorgung mit industriellen Rohstoffen begegnet, unver ändert sortdauere, indem es bald an der nötigen Bewilligung der Erzeugungs- oder Durchfuhrländer, bald an Verfrachtungsgelegen- heiten, an Transportmitteln oder an Be willigung zu ihrer Benutzung fehlt. Zum Teil haben sich auch die von den Vierverbands- staaten ausgesetzten Mengen als unzureichend erwiesen, so besonders für Schwefel, Sprit, Ol, englisches Baumwollgarn, sowie Baumwoll gewebe sür Stickerei und Druckerei, so daß es in den. letztgenannten Zweigen bereits zu Ar beitseinstellungen in bedauerlichem Umfange ge kommen ist. Der Bundesrat verkennt trotzdem keineswegs das Bestreben der fremden Re gierungen, der Schweiz nach Möglichkeit über die Hemmnisse hinwegzuhelfen. Im wesentlichen zeigt auch dieser Bericht wie der der nordischen Länder und Hollands, daß. Deutschlands Feinde auf Neutrale keinerlei Rücksicht nehmen, in der Hoffnung durch wirt schaftliche Bedrückung der Neutralen den ge samten Handel mit Deutschland nach und nach zu unterbinden. Man weiß ja, daß zwar Eng land wie auch Italien und Rußland nicht im Ernst daran denken, nach dem Friedensschluss den Wirtschaftskrieg gegen Deutschland so , fort- znsetzen, wie man es in Frankreich träumt. Augenblicklich aber setzen alle unsere Feinde alles daran, uns anszuhungern. Mit welchen Mitteln sie das erreichen wollen, zeigt auch der vorliegende Schweizer Bericht. Es wird immer mehr begreiflich, dass die Niederlande erneut den Entschluß gefaßt haben, in einer gemein samen Konferenz Massnahmen zum Schutz ihrer st ätigt. j die Seite der Entente nm und dis russisch- ! tlLrung Norwegens (auge)MS deS j rumänischen Streitkräfte ein Stück weit ent- Eintritts Rumäniens in den Krieg) erneut b «» gegenkommen können. Unter diesen Umständen ist cs allerdings richtiger, wenn Sarrail auch in Zukunft bei Saloniki stehen bleibt und sich nicht in ein Unternehmen einlässt, das nur zur Niederlage führen kann. Zmeregen zu beraten, zumal Amertta, auf das Man noch immer gehofft hat, in seinem Vor gehen gegen England allgemein enttäuscht hat. verschiedene UnegsmchrWen. Ernste Stimmung in Paris. Die französischen Blätter geben ohne grosse Umschweife die neue schwere Ent täuschung zu, die nach dem Fall von Tutrakan der von Silistria dem Dierverband bereitete. Bitterkeit entlädt sich in versteckten Angriffen auf diejenigen, die das Eingreifen Rumäniens in den Krieg nicht besser arrangiert hatten. Die gleichen Blätter, die bei der Kriegs erklärung Rumäniens den Untergang Bulgariens und Osterreich-Ungarns sür besiegelt erklärten, schauen sich bereits um Hilfe für die Balkanheere des Vierverbandes um. Herbette sagt, von den Griechen könne die Hilfe nicht kommen. Dagegen lenkt er die Aufmerk samkeit auf Italien, das jetzt berufen zu sein scheine, im Orient eine neue bedeutende Rolle zu spielen. Andere richten ihre ermunternden Worte mehr an die Adresse der Russen, * Lieber keine»» Winterfeldzng! Das amtliche Blatt des russischen Kriegs ministeriums, ,Rußli Invalid', hebt hervor, Ruß land müsse gründliche Vorbereitungen für einen Winterfeldzug treffen, ob wohl es erwünscht wäre, daß der Krieg noch vor dem Winter seinen Abschluß fände. Zeichnet die sunste Kriegsanleihe! — . Mannschaftsmangel in England. Die englische Regierung wird astgesichts der in den letzten beiden Monaten in den Regi mentern entstandenen Lücken im Parlament einen Nachtrag zum Gesetz über die militärische Dienstpflicht einbringen mit einer Reihe von Verschärfungen. Außerdem sollen auch die „Pfadfinder" zwangs weise und allgemein gemacht werden. Man hat auch daran gedacht, die Dienstpflicht jetzt doch noch auf Irland auszudehnen. Sicher aber ist, daß die Dienstpflicht bis zum 45. Jahre aus gedehnt wird. * Dio Rumänen in Kronstadt. Budapester Blätter stellen nach vollkommen verläßlicher Mitteilung fest, daß den rumäni sche» Soldaten in Kronstadt eine dreitägige Plünderung zu gestanden war. Schon nach dem ersten Tage aber habe die rumänische Heeresleitung sich veranlaßt ge sehen, die Truppen aus der Stadt herauszu ziehen, so daß sich in Kronstadt augenblicklich nur rumänische Vorposten befinden. Nach der Räumung von Kronstadt waren noch mehrere Waggons Benzin und Petroleum zurückgeblieben, deren Bergung jedoch wichtig war. Deshalb wurde ein österreichischer Panzcrzug nach Kron stadt abgelaffen, der die Aufgabe glänzend löste und nicht nur alle Güter barg, sondern auch noch eine große Anzahl Flüchtlinge mitbrachte. 1» Das Verhalte»» der Saloniki-Armee. In den ,Basler Nachrichten' schreibt Oberst Egli: Nur durch eine grosse Offensive lässt sich das Ziel erreichen, das der Orientarmee der Verbandsmächte gesteckt ist. Die Verhältnisse in Griechenland, dessen Armee wehrlos gemacht worben ist, können kein Hindernis sein, daß Sarrail endlich vorgeht, wohl aber die bereits erörterte militärische Unmöglichkeit, mit dm verfügbaren Kräften einen weitgehe ir den Kriegszug auf der Balkanhalb - inseI zu unternehmen. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob die Armee 3, 4, 5 oder 600000 Diann zählt und ob tatsächlich auch noch eine portugiesische Division eiugetroffen ist oder noch eintreffen wird. Von Saloniki bis Tutrakan sind in gerader Linie etwa 500 Kilometer, also eine Entfernung wie von Basel nach Lille; zur Überwindung dieser Strecke reicht die Orient armee nicht aus, auch wenn Griechenland auf Vie,.Gefahr" eines Fr eun d s ch a ftl i ch c V c rw i ckl u n g c n. Ganz Wider Willen ist einem englischen Blatte ein seltsames Geständnis entschlüpft und — was noch seltsamer ist — der sonst so wach same englische Zensor hat es nicht einmal ange halten. Die Londoner ,Pall Mall Gazette', ein der gegenwärtigen Negierung mit Haut und Haaren verschriebenes Blatt, veröffentlicht einen Artikel, in dem die englisch-französische Finanz konferenz, die kürzlich in Calais getagt hat, einer längeren Besprechung unterzogen wird. Die Konferenz sollte über das Maß der Ab machungen der "Pariser Wirtschaftskonferenz hinaus das „Band der geineinsamen Arbeit der Entente Cordiale" noch verstärken, hauptsächlich aber die Frage der auswärtigen Zahlungen und des Wechselkurses zwischen den beiden Ländern regeln. Es sind nur 18 Zeilen, die das Londoner Blatt unter seinen „Tagesnotizen" bringt, aber darin steht wörtlich der Satz, daß über die Valuta und ähnliche finanzielle Fragen zu ver handeln, die anderen Vertreter des Vier verbandes wenig Meinung haben dürften, und daß man sich gegen die Gefahr eines Sonder friedens keine bessere Sicherung denken könne, als die Vervielfältigung und Verschachtelung der gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Frank reich und England: Jahre müßten vergehen, ehe die beiden Länder sich aus ihren freund schaftlichen Verwicklungen befreien könnten. Also die „Gefahr eines Sonderfriedens" scheint den Londoner Kriegsmachern von Frank reich her zu drohen, und — ausgerechnet in Calais, aus dem ja England auch militärisch und politisch nicht so leicht und nicht so bald zu verdrängen sein wird — legt man darum dem französischen Herzensfreund neue wirtschaftliche und finanzielle Fesseln an. Der „freundschaft lichen Verwicklungen" gibt es ja allerdings von Kriegsmonat zu Kriegsmonat mehr. Frank reich ist auf die englischen Zufuhren von Kohle, Fleisch und anderen Lebensmitteln und Rohstoffen angewiesen und kann seine Kriegsfinanzen nur mit Hilfe Englands und (auf dem Umwegs über London) Amerikas notdürftig im Gleich gewicht halten. England wiederum bedarf der französischen und der italienischen Handels marine, offenbar auch, wie man jetzt sieht, der französischen Unterstützung zur Aufrechterhaltung des „glänzenden" Sterlingkurses und, natürlich in erster Linie, was die Somme-Schlacht mit jedem neuen Tage beweist, des französischen Blutes. Dass die „freundschaftlichen Verwicklungen" zwischen England und den anderen Verbündeten, besonders zwischen ihm und den Balkanvölkern, und vor allen Dingen auch, durch Schuld und Schulden, zwischen ihm, Italien und Rußland, nicht minder vielfältig sind, liegt auf der Hand. Aber gerade in Frankreich, wo man es immer nicht wahr haben wollte, muss das Eingeständnis der ,Pall Mall Gazette', dass das stolze und schöne Frankreich völlig und auf Jahre hinaus unter die Botmäßigkeit Englands geraten ist, besonders stark wirken. Freilich, noch wird das Volk ja von dieser unheilvollen Verkettung nichts erfahren, noch glaubt es ja, dass nach dem un ausbleiblichen Siege alle Not ihr Ende haben wird. Aber allgemach wird auch der einge fleischteste Englandsfreund einsehen müssen, daß der Waffengang mit Deutschland, der das ge burtenarme Land entvölkerte, ein einziges Blut opfer für England war. Politische Aunäkkau. Deutschland. * Wie die ,Nordd. Allgem. Ztg.' meldet, hat der norwegische Gesandte in Berlin im Auftrage seiner Regierung die Neutralitätser- *Auf eine Eingabe derBergarbeiter- verbände, die Mängel in der Volks - ernähr u n g rügte, antwortete. Herr von Batocki, daß die Brotrationen sür Schwer arbeiter durch die in Vorbereitung befindliche Neuregelung der Brotversorgung einheitlich neu festgesetzt werden. Der Kartöffelpreis konnte nicht niedriger festgesetzt werden. Es wird dafür gesorgt werden, dass der Preis von 4,75 Mark frei Keller für den Winter nicht über schritten wird, und daß der Kleinverkaufspreis 0,55 Mark sür 10 Pfund nicht überschreitet. "Nach verschiedenen Blättermeldungen sollte ein neues Kriegsinvalidengesetz in Vorbereitung sein, das bis zu einem gewissen Grade eine gesetzliche Verpflichtung zur Ein stellung von Kriegsinvaliden vorsieht. Von halbamtlicher Seite wird demgegenüber erklärt, dass ein solches Gesetz nicht geplant ist. Da gegen ist von verschiedenen Seiten, u. a. auch auf dem Kriegsbeschädigtenfürsorgetag in Köln, befürwortet worden, bei Submissionen solche Unternehmer in erster Reihe zu berücksichtigen, die Kriegsbeschädigte wiedereinstellen. Dieser Anregung wird höchstwahrscheinlich Folge ge geben werden. Dänemark. *Das englische Verbot der Einfuhr ge wisser Waren nach Dänemark hat im ganzen Lande lebhafte Unruhe hervorgerufen. Die Vereinigung der Großhändler sowie der Jndustrierat haben die Regierung ersucht, sofort in London Schritte zu tun, damit das Verbot wieder aufgehoben werde. Rußland. *Ein politischer Skandal, bei dein der Ministerpräsident Stürmer in Mitleiden schaft gezogen ist, setzt Petersburg in Erregung. Einer der Hauptredakteure des Hetzblattes ,Nowoje Wremja' Manasewitsch-Manuilow ist unter geheiinnisvollen Umständen verhaftet worden. Dem Vorfälle wird von allen Seiten größte politische Bedeutung beigemessen. Manuilow war seit der Ernennung Stürmers zum Ministerpräsidenten dessen rechte Hand, in der letzten Zeit dessen engster Vertrauter. Mit dieser Verhaftung hängen die Gerüchte vom be vorstehenden Rücktritt Stürmers zusammen. Im Kreise seiner Kollegen scheint man Stürmer bereits aufgegeben zu haben. Jin letzten Ministerrat wurde die Einführung neuer Staatsmonopole nochmals beraten. Trotz dem Ministerpräsident Stürmer sich sür die Ein führung gewisser Monopole aussprach, siegte die Auffassung des Finanzministers Bark und des Landwirtschaftsministers Bobrinski, daß Vkoiwpole schädlich feien, da sie die von ihnen betroffenen Industrien zugrunde richten. Der Ministerrat beschloss die Einstellung aller Vorarbeiten zur Einführung der von Stürmer geplanten Monopole. Balkanftaaten. * Unter dem Druck des Vierverbandes ist nunmehr das griechische Ministerium zurückgetreten. Die Lage ist — da sich alle Nachrichtenquellen in englischen und franzö sischen Händen befinden — von hier aus nicht zu übersehen; doch scheint sicher zu sein, das; der Vierverband zuletzt vom Ministerpräsidenten Zaimis die Zusicherung verlangt hat, daß Griechenland bedingungslos mit- kämpfen werde. Die französischen Blätter schreiben nämlich, daß Griechenland Munition und Ausrüstung geliefert erhalten wird, dass es aber im übrigen zum Edelmute des Vierver- bandes Vertrauen haben müsse. — Armes Griechenland! Amerika. * Der Verlauf der englisch-amerika nischen Verhandlungen rechtfertigt die Ansicht, daß Präsident Wilson keine Eile mit den Maßnahmen gegen England hat, zu denen er durch den Kongreß ermächtigt worden ist. Man darf wohl annehmen, dass England Ver sicherungen gegeben wurden, daß das neue Ge setz nicht als Drohung angesehen zu werden braucht, sondern nur als ein Zeichen, daß in Washington die Zwischenfälle mit Eng land ernsthaft betrachtet werden. Ick will. 7j Roman von H. Courths-Mahler. (Fortsetzung.) Letzingen lächelte wie zu der Rede eines Kindes. . »Ihre Freundin, Fräulein von Ranzow, sagte mir neulich. Sie liebten es, sich kalt und gefühllos zu zeigen. In Wahrheit seien Sie ein gütiges, liebevolles und großmütiges Ge schöpf. Sie behauptet, alle Welt verkenne Sie, weil Sie ängstlich Ihr wahres Wesen ver steckten." Sie zuckte die Achseln, wurde aber sehr rot. „Pah — Ursula hat Ihnen ein Märchen anfgetischt, woran sie vielleicht selbst nicht glaubt. Sie ist eine kleine sentimentale Schwärmerin und redet sich und anderen solche Sachen ein." Er sah sie eine Weile stumm und prüfend an. Dann erwiderte er, indem seine Augen plötzlich aufglühten: „Abgesehen von dem, was Fräulein von Ranzow sagte — die Natur lügt nicht. Ein Weib, wie Sie es sind, ist zur Liebe geschaffen. Sie werden lieben — heiss — unsagbar — allem festen Willen zuin Trotz. Das prophezeie ich Ihnen. Und wenn ich will, wird diese Liebe mir gehören." Sie zuckte zusainmen, wie unter einem Schlag. Wild ^d zornig riss sie an den Zügeln, so daß Wotan sich aufbäumte. Letzingen wich keinen Schritt zurück. Wie von Erz stand er vor ihr und sah sie groß und zwingend an. Ein heißer, ohnmächtiger Trotz regte sich in. ihr... Sie hätte- ihn zu Boden reiten und über ihn hmwegsetzen mögen. Was hätte sie darum gegeben, wenn sie ihn hätte anslachen können. Aber dis Kehle war ihr wie zugeschnürt. Was konnte sie ihm nur antun, um ihn zu demütigen! „Meine Liebe nie -- aber meinen Haß. Ich hasse Sie mehr wie alle anderen!" rief sie end lich, wie außer sich vor Zorn und durchschnitt mit der Reitpeitsche die Lust. Dann riß sie Wotan jäh herum und jagte an ihm vorüber durch den Wald. Das sah trotz aller Empörung fast aus wie eine Flucht. Letzingen sah ihr eine Weile nach. In seinen Augen sprühte es auf, und ein Lächeln umspielte seinen Mund. Erst als Renate seinen Blicken entschwunden war, wandte er sich langsam zum. Gehen. In tiefes Sinnen verloren, durchkreuzte er den Forst. Und dann trat ein weicher Ausdruck in sein Gesicht. Er blieb stehen und sah noch einmal zurück, als könne er sie sehen. „Ich will dich zähmen — zu deinein eigenen Heil, scheuer Edelsalke," sagte er halblaut vor sich hin.'. Dann schritt er schnell davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Renate hatte den Heimweg in wilder Hast zurückgelegt, wie auf der Flucht vor sich selbst. Zu Hause angelangt, schloss sie sich auf ihrem Zimmer ein. Wie erstarrt stand sie eine Weile regungslos da und sah mit düsteren Augen vor sich hin. Alles, was sie mit Letzingen gesprochen, ging ihr noch einmal durch den Sinn. Ein bren nender Zorn aeaen ibn und aeaen sich selbst nagte an ihrem Herzen. Wie hatte sie nur überhaupt ihm gegenüber ihre spöttische Ruhe verlieren können. Sicher hatte er sie reizen und demütigen wollen. „Was ich will, setze ich durch." Wie er das gesagt — wie er sie dabei angesehen hatte! Sie preßte die geballten Fäuste vor dis Augen, als wollte sie jetzt noch diesem Blick entgehen. Wie konnte er wagen, sie so anzusehen. Glaubte er, weil sie eine Bürgerliche war, habe er nicht nötig, sich in ihrer Gegenwart Zwang aufzuerlegen. Warum war er überhaupt plötzlich so anders als sonst? Sie fühlte es seit langem schon, daß er sich mehr als sonst mit ihr beschäftigte. Was sollte das heissen? Glaubte er seinem hochmütigen Dünkel vielleicht, er könnte sich ihr gegenüber gehen lassen, wie ihm gerade die Lauste danach stand. Was wollte er plötzlich von ihr? — Sie sah ihn wieder vor sich. Das schmale, energische Gesicht, .die schlanke, stolze Gestalt und die seinen und doch nervigen Hände. Da zu die Augen, in denen so seltsam der Ausdruck gewechselt hatte — diese Augen, die bisher nur kühl und gelassen auf ihr geruht hatten. Sie warf Hut und Reitpeitsche von sich und trat vor den Spiegel. Langs blickte sie sich an, als sei sie sich selbst fremd geworden. Und plötzlich durchzuckte sie ein heißer, wilder Schmerz. Sie warf sich auf den Diwan und barg das Gesicht in den Händen. „Und wenn ich will, wird diese Liebe mir gehören." So hatte er ge sagt. „Der Unverschämte — der Unverschämte," stieß sie zwischen den Zähnen hervor, und schwere Tränen rannen ihr über die Wangen, Tränen des Zornes, wie sie sich sagte. Am nächsten Morgen verzichtete Renate aus ihren gewohnten Ritt. Sie promenierte mit Ur sula im Park und nahm später sogar eine Hand arbeit, um die Zeit zu kürzen. Dies war ein so seltener Anblick, daß Ursula darüber lachen mußte. „Ich kann mir nicht helfen, Renate, es sieht wunderlich aus, wenn dn eine Stickerei in den Händen hältst. So, als weun Tante Jo sephine sich mit ihrer Lorgnette quält. Akan merkt, daß es dir eine ungewohnte Beschäfti gung ist." Renats warf lächelnd die Stickerei wieder beiseite. „Ist es auch, Urselchen. Ich finde alle Hand arbeiten greulich. Wo du di« Geduld hermmmst, solche Wunderwerke an feinen Stickereien her zustellen, ist mir rätselhaft." „Geduld ist überhaupt nicht gerade deine hervorragende Tugend," entgegnete Ursula lä chelnd. „Ich besitze nur Untugenden, Kleinchen, das merke dir endlich einmal. Vor allen Dingen, tue mir die Liebe an und erzähle niemand, daß ich irgend welche Tugenden besitze. Ich glaube, das tust du mit Vorliebe." Ursula wurde sichtlich verlegen. „Ach, — du hast wohl, neulich etwas von meiner Unterhaltung mit Letzingen gehört. Weißt du — er reizte mich geradezu, dein Lob zu singen. Ganz sicher tat er das." Renate sah scheinbar gleichgültig auf ihre Fingernägel berab.