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Graf Ltepkan Hisra. Ein Charakterbild. Unter den österreichisch-ungarischen Politikern des Weltkrieges ist heute der ungarische Minister präsident Graf Stephan Tisza unzweifelhaft die meistbeachtete und meistgenannte Persönlichkeit. Die außerordentliche Volkstümlichkeit, die Tisza in verhältnismäßig kurzer Zeit sowohl bei der ungarischen wie bei der österreichischen Bevölke rung der Habsburger Monarchie erlangte, hat etwas geradezu Erstaunliches, wenn man zurück blickend die innerpolitischeu Kämpfe betrachtet, durch die der grimmigste Gegner der ungarischen Opposition' sich fast mit Gewalt seinen Weg bahnte. Einer der entscheidcnsten Tage im Leben des heutigen ungarischen Ministerpräsidenten war der 7. Juni des Jahres 1912. Es war jener für das ungarische Abgeordnetenhaus so auf regende Tag, au welchem von der Journalisten tribüne auf den Präsidenten des Parlaments, Tisza, Revolverschüsse abgefeuert wurden. Ein Jahr nach diesem fanatische» Versuch, den „ver- semten Beleidiger der Opposition" aus dem Wege zu räumen, wurde Graf Tisza Minister präsident, und nun begann er seinen unerbitt lichen Willen mit der ganzen Kratt seines Jnlellerts durchzusetzen. Damals mied die Minderheit des ungarischen Parlaments jede Berührung mit der Mehrheit und der aus ihr herausgewachsenen Regierung. Sie hielt sich vom Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses fern, um erbittert und verbittert in ihrem ab gesonderten Klub über den neuen Mann zu Gericht zu sitzen. Das Riesenwerk, das Tisza seit jener Zeit bis heute zu volliühren vermochte, ist am besten dadurch charakterisiert, daß heule die drei großen Gruppen der Minderheit je einen ihrer Führer dazn berufen haben, ein Vertrauensmänner- kollegium zu bilden, das in engster Gemein schaft mit dem ungarischen Ministerpräsidenten selbst wirken soll. Zu Tiszas iu gewisser Be ziehung fast beispiellosem Ausstieg haben viel seine Erfolge beigetragen, die ja stets die Menge au sich locken; mehr noch verdankt'der Ministerpräsident aber seinem Wesen, das .sich die Umgebung unfehlbar uuterordnet. Wie Eharmatz in Erinnerung bringt, hat schon der Vater Koloman von Tisza es verstanden, seine Anhänger mit sich'zwMßen und die eigenen Absichten. durchzusetzen. Den größten Eindruck lösen die harte Entschlossenheit und zielsichere Unbeugsamkeil des. heute, im Vordergrund der österreichisch-ungarischen Politik stehenden Staats mannes ans. Er, dem -der Krieg die volle Entfaltung seiner Kräfte brachte, er, auf den ganz Ungarn und auch die österreichische Hälste der Monarchie im Kampf' mit Rumänien blicken, ist im Grunde eine durchaus soldatische Natur. i Tisza^ trug früher die Husarenuniform lieber als das prunkvolle Galakostüm der ungarischen Magnaten. Und dies ist keine bloße Äußerlich keit. Seine ganze Natur deutet auf den Husaren hin. Er war und ist schneidig, kühn, losstürmend, der Hindernisse-nicht achtend, wenn nölig, querfeldein seinen Weg nehmend. Aber Tisza ist erst in der Vollkraft seiner Jahre, und seine Stellung in der Geschichte hängt nach nienschlicheni Ermessen weniger von dem ab, was ihm bisher zu leisten vergönnt war, als von dem, was er noch vollbringen wird. Denn auch jene unter seinen früheren Gegnern, die vielleicht noch einen leisen Nachgeschmack des früheren Grolls bewahrt haben, anerkennen die vielverheißende Zukunft des ungarischen Minister präsidenten, der an den Universitäten in Buda pest, Heidelberg und Berlin studierte, um nun seiner Heimat als politischer Führer im Wclt- tämpf zu dienen, im Kampf, der durch den Ein tritt Rumäniens in den Krieg nunmehr seinen stärksten Hitzegrad erreicht hat. k^negssürsorge. Eine mackleuburgische Krieger heimstätte. Die Stadt Rostock wird laut Beschluß der städtischen Körperschaften in Nostock-Dierkow eine Kriegerheimstätle errichten für unbemittelte, kinder reiche Kriegsbeschädigte. Geplant ist der Bau von freundlichen Familienhäuschen mit Acker- Gartenlaud in Gruppen von je 10 Heimstätten verteilt auf verschiedene Gebiete der Stadlfeld mark. Die Stadt Rostock stellt das erforderliche Gelände kostenlos zur Verfügung, wohlhabende Rostocker Bürger geben die Baugelder — 6000 Mark für eine Heimstätte — als Schenkung oder als nicht rückzahlbares Darlehen zu einem ganz niedrigen Zinsfuß. Nach etwa 50 Jahren gehen die Heimstätten in den Besitz der Stadt Rostock über. Um möglichst große Mittel für den Ausbau der Kriegerheimstötten zusammen zubringen, sollen Bausteine zu 50 und 100 Mk. verkauft uud zurzeit den einzelnen Bauten bei gefügt werden. Von Mk rmä Keine Explosivstoffe mit der Post ver senden. Trotz aller Warnungen werden noch immer Explosivstoffe mit der Post versandt. die Herstellung von über 50 Millionen Stück eiserner Münzen zu 1, 2 und 3 Kopeken an geordnet. Einschränkung des Schweinefleisch- Verbrauchs in Bayern. Auf dem bayrischen Lebensmittelmarkt steht eine neue beträchtliche Einschränkung des Schweinefleischverbrauchs be vor. Die Fleischversorgungsstelle gibt nämlich unter der Überschrift „Rückgang der Schweine schlachtungen" bekannt, daß sowohl Städte wie die Presse sich neuerdings über das Verschwinden des Schweinefleisches vom Lebensmittelmarkt be klagt hätten. Zur Aujklärung wird mitgeteilt, daß die Reichsfleischstelle die Zahl der zulässigen Schweineschlachtungen in ganz Deutschland um die Hälfte gekürzt hat. Die Ursache dieser Kürzung liegt darin, daß aus verschiedenen Gründen die Zahl der schlachtreifen Schweine im Gegensatz zur Zahl der Zuchtschweine in einem Umfang abgenommen hat, daß die not wendigen Schweinelieferungen an das Heer in Frage gestellt waren. Da die Versorgung der Hindenburg bei unseren österreichisch-ungarischen Verbündeten. Gencralfeldmarschall v. Hindenburg (1) und Generaloberst Terstyanszky (2) begeben sich zur Front. Auch Heeresangehörige lassen sich diesen Verstoß gegen die oft wiederholten amtlichen Bestim mungen zuschulden kommen. So wurde neulich in einem Pakelwagen durch die Explosion eines Pakets ein Bediensteter verletzt, einem anderen das Bein so schwer beschädigt, daß es abge nommen werden mußte und der Betreffende seiner Verwundung erlag. Es versteht sich von selbst, daß der Absender nicht nur für den angerichteten Sachschaden aufkommen und die Verletzten ent schädigen muß, er wird auch strafrechtlich zur Veranlworlung gezogen und sieht einer emp findlichen Bestrafung entgegen. Neuerdings wurden wieder zwei Fälle festgestellt, wo Hand granaten Miltels der Post aus dem Felde nach Hause geschickt wurden. Die eine fiel aus dem Paket heraus, ohne Schaden anzurichlen, die andere explodierte und bewirkte die Zerstörung einer ganzen Reihe von Paketen. Siebe« Bergleute aus einer Stadt Ritter des Eisernen Kreuzes erster Klasse. Dem Unteroffizier Simon in Wattenscheid (Wests.) ist das Eiserne Kreuz erster Klasse verliehen worden. Bisher haben nicht weniger als sieben Bergleute aus Wattenscheid. diese hohe Aus zeichnung-erhalten. Eiserne russische Münzen im besetzte» Gebiet. Die deulfche Heeresverwaltung hat, uni dem Mangel an kleinen Scheidemünzen in den besetzten Gebieten des Ostens abzuhelfen, Zivilbevölkerung mit Schweinefleisch eine Auf gabe ist, die der möglichst restlosen Erfüllung der für das Heer aufgegebeneu Schweiuelieferungen nachsteht, mußte zur erwähnten Kürzung ge schritten werden. Folgenschwere Bcnzinexplofion. Eine gewaltige Benzin-Explosion ereignete sich in einer chemischen Waschanstalt in Gotha. Auf noch nicht aufgeklärte Weise entzündete sich Benzin in einem Kessel Und explodierte mit einem lauten Knall, der in der ganzen Stadt gehört wurde. Ein Teil des Gebäudes wurde in die Luft gesprengt. Der Besitzer der Waschanstalt wurde so schwer verbrannt, das; er starb. Auch seine Tochter erlitt gefährliche Brandwunden. Die Wurstvergiftungen in Gumbinnen. Die Zahl der durch Wurstvergiftung in Gum binnen erkrankten Personen ist auf über 100 ge stiegen. Das Ergebnis der Wurstuntersuchung durch das Nahrungsmittel-Untersuchungsamt steht noch aus. Seebeben im Indischen Ozean. Wie einem Amsterdamer Blatt aus Weltevreden (Holländisch-Jndien) gemeldet wird, wurde in Mittel-Java eine heftige Panik durch vier sehr kräftige Erdstöße im Süden von Banjumas hervorgeruseu, die auf unterirdische Ausbrüche und Seebeben im Indischen Ozean zurückgesührt werden. Alle Gebäude in Maos haben mehr oder weniger Schaden gelitten. Eine Eisenbahn ¬ stalton und em pharmazeutisches Laboratorium sind ein Raub der Flammen geworden. Die Bevölkerung von Tjilatjap ist geflüchtet, ebenso. die von Djambu und von Karangkemiri. Viele Häuser sind verwüstet; die Brücke üb.er den Seraju ist-beschädigt, kann aber noch für den Verkehr benutzt werden. Der Eisenbahnverkehr erleidet im allgemeinen wenig Störung. Einsturz des Brückenneubaues über den St. Lorenzstrom. Der mittlere Bogen der großen Brücke über den St. Lorcnzstrom, mit dessen Kon struktion mäst beschäftigt war, um den im Jahre 1907 eingestürztcn Teil zu ersetzen, ist zusammen gestürzt. Viele Arbeiter sielen in den Strom. Die Zahl der Opfer ist groß. Die Schiffahrt auf dem St. Lorenzstrom ist für unbestimmte Zeit infolge des Zusammensturzes der Brücke stillgelegt. Gericktskalle. Berlin. Mit 75 Liter Wasser täglich war bei einem Umsatz von 300 Liter die Milch der Milch- grobhändlerin Franke aus Schöneberg gestreckt Worden, die sich wegen wissentlichen Vergehens gegen das Nahrungsmitlelgcsetz vor dem Schöffengericht ver antworten mußte. Neben ihr war wegen des gleichen Vergehens ihr Kutscher Schwarz angeklagt. Es ergab sich, daß der Kutscher Schwarz unterwegs Wasser in die Fässer goß, wenn er die Milch von der Bahn abgeholt hatte. Das Schöffengericht verurteilte von den beiden, die im großen uud ganzen den Sach verhalt zugabcn, die Angeklagte Franke zu 1000 Mk., den Schwarz zu SO Mk. Geldstrafe. VoiksWirtsekaMickss. Preisgestaltung für Obst und Gemüse, lkbcr die Preisgestaltung der Zwiebeln hat vor einiger Zeit in der Neichsprcisslclle mit Sach verständigen aus verschiedenen Erzeugungsgcbieten eine Besprechung stallqefimdcn, bei der auch die ReichSstcllc für Gemüse und Obst vertreten war. Von einigen Seiten wurde damals ein d-m Ernte aussichten angemesseneres Fallen der Zwiebclpreise in Aussicht gestellt und die Einführung von Höchst preisen, wenigstens zurzeit, für überflüssig erachtet. Inzwischen scheint auch auf dem Zwicbelmarkt die Spekulation cinzusetzen, so daß die Frage der Ein führung eines Höchstpreises in ernste Erwägung ge zogen werden muß. Die Neichsstclle für Gemüse und Obst wird mit einigen Sachverständigen die Entwicklung der Preise, und des Handels dauernd verfolgen, damit gegebenenfalls rechtzeitig eingegriffen werden kann. Auf etwaige Spekulationskäufc kann- dann keinerlei Rücksicht genommen werden. „Prusionsschweinc" und HanSschlach- tuugen. Die Frage, ob und inwieweit für Schweine, die einem fremden Master zur Mast über geben werden, die Genehmigung zur Hausschlachtung erteilt werden kann und ob die Besitzer solcher „Pcnsionsschweine" als Selbstversorger im Sinne der neuen Verordnung zur allgemeinen Regelung des Fleischverbrauchs anzUsehen sind, ist neuerdings von verschiedenen Seiten lebhaft erörtert worden. An das Kriegsernäbrungsamt ist die Bitte gerichtet- wordcn, die Frage zu klären, und man darf an- nchmen, daß von dieser maßgebenden Stelle schon in nächster Zeit eine amtliche Auslassung hierüber erfolgen wird. Vei'milcktes. Der Kriegsgefangene» - Postverkehr, der von der Reichspost (also mit Ausschluß von Bayern und Württemberg) vermittelt wird, um faßt nach einer neuerdings angestellten Zählung monatlich fast 7 Millionen im Reichspostgebiet aufgelieferte und über 10 Millionen im Reichs postgebiet eingegangene, insgesamt also rund 17 Millionen Postsendungen. Davon entfallen auf kriegs- und zivilgefangene Russen 6,5 Mil lionen, auf Franzosen und Belgier 9,1 Millionen und auf weiße uud farbige Engländer 1,4 Millionen. Ein Kitchener-Denkmal im Meere. Nach Abschluß der in England und den Kolonien ver anstalteten Sammlung zur Errichtung eines Kitchener-Denkmals und nach Prüfung der zahl reichen Pläne durch ein zu diesem Zweck be sonders eingesetztes Komitee wurde nunmehr der' endgültige Beschluß zur Verewigung Kitcheners gefaßt. Auf einem der Riffe von Marwich, ringsum von Wellen umgeben, soll Kitchener in Uberlebensgröße in Stein aufgestellt werden. .Dies soll die Stelle kennzeichnen, an der die „Hampshire" mit dem englischen Kriegsminister „Womit reizte er dich denn, Urselchen?" „Ach — er hat so eine Art, ungläubig aus zusehen — da kommt man förmlich in Eiser ihn zu überzeugen." „Das-'wird. dir schwerlich gelingen, wenn du Lutes über mich sagst." „Ja, es ist empörend. Er sah mich an, als sollte er sagen : „Die kleine Ranzow ist eine Mlimeutale Närrin". Bis ich all mein Pulver erschossen hatte, .machte er sein zweifelndes Ge sicht. Erst zum Schluß, als ich ganz böse uud ärgerlich wurde, sägte er lächelnd: „Nun ereifern Sie sich nicht länger, gnädiges Fräulein — ich glaube Ihnen jedes Wort." — Nur wußte ich nicht recht, ob er das im Scherz oder ini Ernst sagte." Renate lachte hart auf. „Was liegt daran — laß ihn glauben, was er will. Sprechen wir von etwas anderem. Willst du mir einen Gefallen tun?" „Jeden — ohne Ausnahme." „Dann fahre heute nachmittag mit Tante Josephine nach Frankenstein. Die Gräfin er warten uns zum Tee. Aber ich mag nicht hin über. Die Grafcnjünglinge stehen sicher wieder irgendwo mit einem Antrag im Hinterhalt. Ich kann noch so deutlich abwinken — sie scheinen absolut begriffsstutzig zu sein. Deshalb will ich durch mein Fernbleiben beweisen, daß ich mich in Frankenstein durchaus nicht heimisch, zu fühlen gedenke. Allein würde Tante Josephine, nicht gern fahren — es wird schon schwierig sein, sie zu bewegen, mich daheim zu lassen. ES bleibt mir nur übrig, kolossalen Kopfschmerz vorzu- iLützen." „Es ist gut, Renate, ich fahre natürlich mit, wenn du es wünschest. Dolf und Jürgen werden sich also vergeblich die schönen vergißmeinnicht blauen Augey nach dir ausschauen. Die Gräfin wird nicht in sehr rosiger Laune sein, wenn die Hauptperson fehlt." „Ach — sie macht'mich wirklich nervös mit ihren Attacken auf meiue Freiheit." „Es soll sehr schlecht stehen mit Franken stein. Dr. Bogenhart sprach gestern Mit mix darüber." „Das geht schon lange-so, Papa tut, was er kann, um die Gräfin über Wasser zu Haltern" „Das sagte mir Dr. Bogenhart auch. Ach Renate, den solltest du über deinen Vater sprechen hören — das Herz lacht dir im Leibe." - Renate nickte freundlich. „Bogenhart ist ein prächtiger Mensch, wir haben.ihn alle gern. Au dem ist. alles echt — ein tüchtiger,, ganzer Mann." Ursulas Gesicht errötete wie in einer heim lichen, Men Freude. „Warum er wohl nicht verheiratet ist? Er ist doch Ende, der Dreißig." „Ich glaube, er hat eine harte, schwere Jugend hinter sich. Papa erzählte mir, daß er seines unscheinbaren Äußeren wegen zu Hause hinter einem schönen, glänzenden Bruder zurückstehen mußte. Dieser Bruder ist später in schlechte Gesellschaft geraten und hat sich erschossen. Seine Mutter soll an der Leiche ihres Lieblingssohnes ausgernfen haben: „Warum hast' du mir den genommen, Vater im Himmel, warum nicht den andern." Ursula sah blaß mit großen Augen in Renates Gesicht. „Und das hat er gehört?" „Ja — er hat es gehört." Tränen verdunkelten Ursulas Blick. „Der Ärmste, — wie bitter muß ihm dabei zumute gewesen sein." „Jedenfalls ist er ein einsamer Mensch ge blieben. Schade, er könnte wohl eine Frau glücklich machen," sagte Renate, — und plötzlich schien ihr ein Gedanke zu kommen, der sie über raschte. Sie sah forschend in Ursulas trauriges, geneigtes Gesicht. Diese beiden Menschen — Bogeuhart uud Ursula — wahrhaftig — die hätten sich zusammenfmden' müssen. Beide waren tief angelegte, wertvolle Menschey, deren unscheinbares Äußere große Schätze barg. Und sie waren einander sehr sympathisch, unterhielten sich gern uud hatten viel gemeinsame Interessen. Daß ihr dieser Gedanke noch nie gekommen war! — Was. wäre es sür ein großes Glück für die kleine Ursula', wenn ein Mann, wie Bygenhart, ihr Schicksal in seine Hände nähme! Sinnend blickten die beiden jungen Damen vor sich hin, ohne zu sprechen. Und als nach einer Weile Taute Josephine eintrat, schraken sie lächelnd empor. Gleich darauf kam der Kommerzienrat nach Hause. Er begrüßte seine Damen, neckte sich ein wenig mit Renate und Ursula und ließ sich behaglich in einen Sessel nieder. Es waren ausnahmsweise keine Gäste zugegen — da war er immer besonders gut aufgelegt. Vor Ursula hatte er alle Scheu abgelegt. Die gehörte eben schon zur FavMie. Als Tante Josephine zu Tisch bat, führte, er die beiden jungen Damen mit komischer Grandezza in den Speisesaal. Er konnte sehr lustig und vergnügt sein, wenn er wußte,. datz- keine kritischen Augen sein Tun verfolgten. ' Am Nachmittag saß Renate allein draußen auf der Terrasse unter einem gestreiften Leineu- zelt. Das Laub begann schon sich herbstlich zu särben, aber die Sonne brannte noch heiß her nieder. Renate trug ein duftiges, Helles Kostüm, das sich anmutig ihren schönen Formen anpaßte. Lässig hatte sie sich in einen bequemen Korb sessel geschmiegt und hielt ein Buch in der Hand, ohne darin zu lesen. Neben ihr stand ein Tischchen, mit Büchern und Zeitschriften bedeckt. Ehe Ursula mit Tante Josephine nach Franken stein gefahren war, hatte sie für Renate eine Unmenge Lektüre herbeigeholt, damit dieser'die Zeit nicht zu laug wurde. Renate hatte jedoch keine Lust zum Lesen. Ihre Gedanken weilten wieder bei iyrer gestrigen Begegnung mit Letzingen. Als ob diese Gedanken Gestalt angenommen hätten, sah sie plötzlich Letzingen zu Pscrde an- kommcn. Sie hatte ein Gefühl, als müßte sie sich vor ihm verbergen. Unwillkürlich richtete sie sich empor, als wollte siedavonlaufen. Aber da hatte er sie bereits entdeckt und grüßte her über. So blieb sie sitzen wie von einem lähmen den Bann besangen. Zugleich erwachte ein heimliches Erwarten in ihr, wie er sich nach der Szene von gestern zu ihr stellen würde. Sw r (Fortsetzung folgt.)