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W p-' Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bt, vormittag w Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 156. Freitag, den 30. Dezember 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, 29. Dezember 1904. — Aus Anlaß seiner vollendeten fünfzig jährigen Dienstzeit erhielt der Waldarbeiter Karl Kluge in Ottendorf durch Herrn Oberförster Fritzsche ein Geschenk von fünfzig Mark ausgehändigt. — Die Postämter sind bekanntlich in den letzten Tagen des Dezembers derart in An spruch genommen, daß wir den geschätzten Postabonnenten der „Ottendorfer Zeitung" und allen denjenigen, die auf unser Blatt neu abonnieren wollen, dringend raten, ihre Be stellungen für das erste Vierteljahr 1905 schleunigst bei einem Postamte zu bewirken zu wollen, damit die ersten Nummern des neuen Quartals recht promt geliefert werden können. — Die Faschingszeit, die am 7- Januar beginnt, dauert diesmal den ganzen Januar und Februar hindurch und auch noch das erste Viertel im März, also reichlich 8 Wochen. Für die tanzlustige Welt, sowie für alle Freunde des Mummenschanzes und Humors steht demnach eine ausgedehnte Saison vor der Tür, die bis zum Sonntag Lätare, diesmal 2. Apnl, anhält. Eine Freude der tanzlustigen Jugend — aber ein Schrecken der Ballmütter und Ballväler. — Im Königreich Sachsen wurden im Laufe des dritten Vierteljahres 1904 ins gesamt 67 Streiks begonnen und 65 beendet. Die Zahl der davon betroffenen Betriebe be lief sich aus 227, von denen 108 zu völligem Stillstand kamen. Die Höchstzahl der gleichzeitig streikenden Arbeiter betrug 2708, der gezwungenen Feiernden 216. In 22 Fällen hatten die Streikenden vollen, in 23 nur teilweisen, in 20 überhaupt keinen Erfolg. Auf die Kreishauptmannschast Dresden entfielen allein 46 neue Streiks, bei denen 2144 Arbeiter gleichzeitig in den Aus stand traten. Einen vollen Erfolg hatten nur 16. — Nack den alljährlich gemachten Wahr nehmungen sind sich sehr viele noch darüber im Unklaren, ob und was man auf die Neu jahrskarten schreiben darf, um dieselbe noch gegen die Drncksachentaxe versenden zu können. Die Folgen davon sind teils unnötige Ausgaben von zu hohem Franko, teils ver gebliche Absendung der Drucksachen. Durch die besonders für den Neujahrsverkehr ge troffenen Ausnahmebestimmungen wird dieser jetzt sehr erleichtert. Als Drucksachen können befördert werden alle Arten von gedruckten (auch mit Kautschukstempeln), autographierten oder hektographierten Karten usw., gleichviel ob sie nur Diuck oder auch Abbildungen und dergleichen enthalten Außerdem ist es zulässig auf allen Drucksachen den Ort, das Datum Und den Äand des Absenders handschriftlich anzugeben. Dagegen sind. Karten usw. mit anderen schriftlichen Angaben, insbesondere auch solche, welche zur Bezeichnung des Absenders schriftliche Vermerke, wie „Deine Freundin", „Eure dankbaren Kinder" usw. enthalten oder auf denen „ein Gruß" niedergeschrieben ist, gegen die Drucksachentaxe nicht mehr zulässig, sondern als geschlossene Briefe zu versenden. Besondere Ausnahmen sind bei folgenden Drucksachen zugelassen: 1) Gedruckte Visiten karten können zur Erläuterung des Zweckes der Uebersendung der Karte handschriftlich mit den Anfangsbuchstaben üblicher Formen ver sehen werden, hier also mit dem Aufdruck eines Glückwunsches, wie zum Beispiel „U. G. Z. w." oder p k." usw. Auf Visitenkarten kann der Glückwunsch aber auch vollständig niedergeschrieben werden, sofern dazu nicht mehr als fünf Wörter verwendet werden, zum Beispiel also: „Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr I" Im weiteren kann auf den Visitenkarten auch noch Titel und Adresse des Absenders, sowie,daü Datum niedergeschrieben werden. — 2) Auf gedruckten Neujahrs- iarten kann eine Widmung niedergeschrieben werden. — 3) Am meisten werden die Be- 'timmungen bezüglich der offenen Karten Ansichtspostkarten, Postkarten mit Glückwunsch usw.) außer acht gelaßen. Solche Karten Annen ebenfalls als Drucksache versandt werden, wenn außer der handschriftlichen An gabe von Ort, Datum, Name und Stand des Absenders weitere Zusätze nicht gemacht werden und die Karten auf der Aufschriftseite als „Drucksache" bezeignet werden. Tragen die Karten die Aufschrift „Postkarte" und wird siese Angabe nicht in Drucksache abgeändert, so ind die Karten gleichviel ob alles darauf ge druckt ist oder nicht, wie gewöhnliche Post karten mit 5 Pfg. zu frankieren oder sie werden von den Postanstalten mit Strafporto lelegt. Dresden. Die zumeist armen Mitglieder eines Billardklubs wurden um ihr gesamtes Spargeld, das ihnen vor dem Feste ausgezahlt werden sollte, gebracht. Der Kassierer des Klubs, ein Möbeltransporten^. hatte das ihm anvertraute Geld, 323 Mark unterschlagen. — Auf der Augustsbrücke machte sich am Dienstag plötzlich ein Kippen der Gangbahn auf der östlichen Seite des dritten Bogens be merkbar, so daß die Platten an der Bordkante gehoben, das Geländer aber niedergegangen er schien. Die gefährdete Stelle ist alsbald dem Verkehr entzogen worden und alles Fuhrwerk zu langsamen Ueberfahren veranlaßt worden. In der Nacht wurde eine Gleisumfahrung ein gelegt und danach die Obeiflächenbefestigung entfernt, um klarzulegen, welche Art die Ur- fache der sonderbaren Erscheinung ist. Ver mutlich haben die großen Tragsteine an Trag fähigkeit nachgelassen, sei es, daß einzelne ge brochen, sei es, daß der Zusammenhang mit den übrigen Brückenteilen gelockert worden ist. Bei den eingehenden Untersuchungen, welche im vergangenen Sommer bei dem außergewöhnlich niedrigen Wasserstande der Elbe möglich waren, sind jedenfalls Defekte am Gewölbe und an den Pfeilern, die zu Bedenken Anlaß geben könnten, nicht bemerkt worden. — Am Weihnachtsheiligenabend ist bei einem hiesigen Kommerzienrat ein gewandt auftretender junger Mann vorgefahren, der sich als Kommissar der geheimen politischen Polizei in Berlin ausgegeben, auch auf diesem Namen lautende Visitenkarten bei sich geführt hat. Ec hat dem Kommerzienrat und dessen Bruder eröffnet, daß er gegen beide eine Untersuchung wegen Verrats militärischer Geheimnisse beim Reichsgericht führe und sie zwecks Verhaftung der Königlichen Staats anwaltschaft zuzuführen habe. Zum Beweise seiner Angaben hat er aus einer mitgesührten Aktentasche einen entsprechenden Haftbefehl vor gelegt und ihnen vorgelesen, auch hiernach ein Protokoll ausgenommen. Hierauf hat er ihnen weiter eröffnet daß die Inhaftnahme durch Hinterlegung einer Kaution etwa in Höhe von 500 000 M. vielleicht vermieden werden könnte zur Königlichen Staatsanwaltschaft müßten aber beide mitfahren. Der von der Polizei alsbald festgenommene angebliche Kommissar ist ein mehrfach schwer vorbestrafter Handlungs kommis, der nach den in seinem Besitze vor gefundenen Suchen als Hochstapler in den ver schiedensten Städten, insbesondere auch in der Riviera aufgetreten ist. Bei der Festnahme unternahm er einen Fluchtversuch. In seinem Besitze befand sich ein Revolver. — Die Sächsisch-Böhmische Dampfschiff- fahrtsgesellschast hat am Mittwoch abend infolge Eistreibens den gesamten Verkehr eingestellt. — Hier hat sich ein Komitee gebildet, das eine Masseneingabe an den Reichstag und die Reichsregierung gegen die Zwangsentfernung der Gräfin Montignoso als Reichsangehörige aus Dresden in Umlauf setzen will. Eine solche Eingabe konnte der Gräfin nichts nützen, wohl aber ihr schaden, und wird des halb hoffentlich unterbleiben. Blas-witz. Im Vormittagsgottesdienste am zweiten Feiertage stürzte auf den Altarplatze ein Kirchgänger platt aufs Gesicht und blieb ohne ein Lebenszeichen liegen. Durch hilfreiche Hände in einen Nebenraum verbracht, erholte sich der Betroffene, ein Gärtner, bald von seinem Ohnmachtsanfall. Tieferschüttert verließ die Gemeinde, die der Meinung war, daß es sich um einen tödlichen Schlaganfall handle, das Gotteshaus. Tauscha. Am zweiten Weihnachtsfeiertage stieg ein Bettler in ein hiesiges Gehöft offenbar in nicht ganz lauterer Absicht ein. Der un gebetene Gast wurde bemerkt und verschwand mraufhin unter Zurücklassung seines Ueber- iehers. Pulsnitz. Hier gedenkt man im nächsten Jahre ein Heimatsfest zu begehen und nimmt die e'sten Vorbereitungen hierzu werktätig in die Hand. Ebenso ist ein Altertummuseum ns Leben gerufen worden, in dem Westlausitzer Volksmunde sehr eifrig gepflegt wird. Stadt Wehlen Ein trübseliges Weih nachten war einer Familie in Stadt Wehlen »esckieden. Eine 70 Jahre alte Frau, die eit vielen Jahren auf der Bastei als Auf- wasckfrau tätig war und immer treu und redlich sich verhalten, wurde des Diebstahles verdächtigt. Eine -worgenommene Haussuchung ergab das Vorhandensein einiger alten Teller und zweier Flaschen Wein. Es stellte sich edoch heraus, daß diese Sache durch Geschenk n das Eigentum der Frau übergegangen waren Aus Gram über die ihr angetane Schmach wt die Frau Hand an sich gelegt und sich in der Nacht zum 23. Dezember auf Lohmener Revier entleibt. Neusalza. Herr Rittergutsbesitzer und Kirchenpatron 0. Criegern und Frau Gemahlin auf Spremberg und Neusalza stifteten für die Kirche zu Neufalza zur Instandhaltung der Orgel ein Kapital von 3000 M. Aussig. Bei etwas Niedrigerem Wasser stande als in der Vorwoche wickelten sich die Verladungen der abgelaufenen Woche in ruhiger Weise ab und es kamen zum Umschlag in Aussig 1978 Wagen Kohle, 126 Wagen andere Güter und tn Rosawitz 620 Wagen Kohle. Das Frachtengeschäft war nicht mehr nennenswert, vereinzelt fanden noch Ab machungen statk. Niederhäßlich bei Deuben. In den frübeu Morgenstunden des zweiten Feiertages brannte die Niederlage des Zigarrenfabrikanten Ernst Starke vollständig aus. Etwa dreißig Personen sind sür längere Zeit dadurch ohne Beschäftigung. Es wird Brandstiftung vermutet. Meißen. Zwischen Meißen und Neu sörnewitz ist in der Nacht vom ersten zum zweiten Feiertag ein Mann tödlich überfahren worden. Ob ein Unfall vorliegt oder der Tod gesucht wurde, ist noch nicht aufgeklärt. — Am zweiten Weihnachtsfeiertage früh wurde am Rangierberge in Meißen rechts der schwer verstümmelte Leichnam eines in den dreißiger Jahren stehenden Mannes auf gefunden und behördlich aufgehoben. Wie später festgestellt wurde, ist der Ueberfahrene der Töpfer Lantzsch ans Zscheila. Er hinter läßt eine Frau und sieben noch unerzogene Kinder. L. hat sich in der Nacht zum zweiten Feiertage durch den 12 Uhr 32 Minuien von Dresden in Meißen eintreffenden Personenzug in der Nähe der Fabrikstraße überfahren laßen. Er soll am Heiligen Abend aus der Arbeit entlaßen worden sein, was ihm vermutlich zu dem unglückseligen Schritte die Veranlassung gegeben hat. Bei der Aufhebung des Leich nams ereignete sich dadurch noch ein Unfall, daß das Pferd scheute, durchging und mit dem Siechkorbe in einen Graben stürzte. Riemsdorf. Bei einer in der Nähe von Riemsdorf abgehaltenen Treibjagd hatte einer der beteiligten Jagdgäste das Unglück, wahr scheinlich durch Prellschrote, einen Treiber an uschießen. Der ziemlich schwer Verletzte ist ein etwa 16 Jahre alter Knecht des Jazd- gebers. Die Schrote, gegen zwölf Stück, drangen dem jungen Menschen in Kopf, Brust und Leib. Sein Dienstherr ließ ihn sofort dem Meißner ländlichen Krankenhause zu führen. Es ist leider schon der dritte Fall in dieser Jagdsaison, daß in der Umgegend von Meißen Treiber angeschoßen wurden. So er hielt ein sogenannter Obertreiber, ein Guts besitzer, nicht weniger als achtzehn Schrote in seinen Körper. Riesa. Durch den abends gegen 7 Uhr von Riesa abgehenden Chemnitz—Elsterwerdaer Güterzug wurde am Sonnabend nahe Zeithain ein aus Oichatz stammendes junges Mädchen tödlich überfahren Döbeln. Unterm Christbaum vom Tod ereilt wurde am WeihnachtSmorgen der hiesige Kaufmann und Kolonialwarenhändler Theodor Bicckner. In der Familie hatte eben die Christbescherung stattgefunden und das Famstien- haupt spielte auf der Zither einige Weihnachts stücke. Da wurde dem etwa 40 jährigen Manne unwohl, bald darauf verbreitete der Tod seine Schatten an der Stätte, die eben noch von Jubel und Freude der Kinder erfüllt war. Papstdorf. Ein Unglücksfall mit tödlichen Ausgange ereignete sich hier in der Scheune des Gutsbesitzers Strohbach. Die daselbst beschäftigte, 54 Jahre alte, ledige Dienstperson Auguste Amalie Böhme wurde auf dem Scheunenboden von einem Schwindelanfall betroffen uud ist dabei auf die Scheunentenne gestürzt. Die hierbei erlittenen Verletzungen führten den Tod der Bedauernswerten herbei. Deuts chluppa. Hier brannte in der Nacht zum zweiten Feiertage das Haus mit Schuppen der kinderreichen Witwe Kirsten, deren Mann beim Bau des Hauses tödlich verunglückte, vollständig nieder. Eine 72 Jahre alte, im oberen Stock wohnende Frau Schedler, deren Mann zufällig bei Kindern und Enkeln zu Besuch war, mußte bei eigener Lebensgefahr der Helfer durchs Fenster gerettet werden. Alle ihre Habe ist verloren ge gangen. Hartenstein. Die von einer Zwickauer Gewerkschaft neuerdings betriebenen Bohr versuche auf Kohlen in der Flur Oberzschocken haben eine Tiefe von 300 w erreicht. Ob wohl die ersten Versuche eine solche von 100 m erlangt hatten und doch als aussichtslos auf gegeben werden mußten, hofft man jetzt stark auf günstigen Erfolg. Plauen. Bei der Reparatur des Ober leitungsdrahtes der elektrischen Leitung riß der Draht und traf einen Sckloßergehilfen mit solcher Wucht an den Hals, daß er von der hohen Leiter herunter auf das Straßenpflaster geschleudert wurde. Der Unglückliche erlag bald darauf seinen schweren Verletzungen. Schwaderbach b. Klingenthal. Ein auf regendes Gerücht hat sich seit einigen Tagen unter der Bewohnerschaft des Ortes Schwader bach verbreitet. Vor etwa 18 Jahren wurde dort der Lehrer Zuber beerdigt, der auf dem Nachhausewege vom Wirtshause tot auf der Straße gefunden wurde. Die Todes ursache konnte damals nicht festgestellt werden, man sprach von Blutsturz und Schlaganfall. Seinen Heimweg hat Zuber mit zwei dortigen Einwohnern angctreten, wovon jetzt der eine in erreg'em Zustande dem anderen den Vorwurf machte, daß er den Lehrer zer schlagen habe. Durch einen weiteren Zufall mit der Frau des Beschuldigten wird der Ver dacht bestärkt, daß damals ein Mord begangen worden wäre. Die Untersuchungen in der dunklen Angelegenheit sind im Gange. Witwe und Sohn des Lehrers leben noch in Schwaderbach.