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Ottendorfer Zeitung : 30.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190412306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041230
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-30
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 30.12.1904
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politische Kunälebau. Der rnsfisch-japanische Kriek. * Auch während der Weihnachtsfeiertage wurde vor Port Arthur heftig gekämpft. Am Weihnachtsheiligabend nahmen die Japaner an der Westfront der Festung einen Hügel, eine starke Viertel weile von dem 203 Meter-Hügel. * In derMandschurei ist „alles ruhig". Die einzige Depesche, die von Kuropatkin stammt, wiederholt die frühere russische Mel dung, daß die Iapaner in der Mandschurei stark unter der Kälte litten, besonders ihre Fußbekleidung sei unzulänglich. Einem Japaner, der sich im Hospital befinde, sei ein abgefrorener Fuß abgenommen worden. (Es mag schon sein, daß die Japaner unter der Kälte mehr leiden als die daran gewöhnten Russen. Wenn die Bekleidung der Japaner jetzt unzulänglich ist, so ist das weiter kein Wunder nach den monatelanaen Strapazen, die das Schnhwerk wie die Montur erfahrungsgemäß stark mit nehmen.) * * * Deutschland. * Der Kaiser begab sich Montag abend mit Gefolge nach Koburg zur Beisetzung der Herzogin Alexandrine, der Witwe des Herzogs Ernst II. Die Rückkehr nach Berlin erfolgte am Dienstag nachmittag. * Die Verlegung des kaiserlichen Hofh altes von Potsdam nach Berlin ist nach vorläufig getroffener Disposition auf den 7. Januar festgesetzt. Gleich nach dem Neujahrsfest wird im Neuen Palais mit den Vorbereitungen für die Übersiedelung begonnen werden. * Der Entwurf des amtlichen Waren verzeichnisses zum Zolltarif wird einer offiziösen Verlautbarung zufolge im Bundesrat noch verschiedenen Änderungen unter worfen werden. Man wird das Verzeichnis noch mehr den Bedürfnissen des Handels anzu passen suchen. Dis Arbeiten an dem Entwürfe werden sich deshalb noch einige Zeit hinziehen. Jedoch besteht die Absicht, sie möglichst zu be schleunigen, damit die Interessentenkreise früh zeitig über die Interpretation der einzelnen Zolltarif-Positionen, wie sie das amtliche Warenverzeichnis bringen wird, aufgeklärt werden. * Der Preuß. Kultusminister läßt durch die Regierungen unu Kreisschulinspektoren eilige Erhebungen anstellen über die Zahl der vorhandenen Schulen und Schulklassen, über die Art der Schulen, ob es öffentliche oder private, ob evangelische, katholische oder pari tätische find. Ferner soll feftgestellt werden, wie viele der vollbsschäftigen Lehrkräfte evangelischer, katholischer oder jüdischer Kon fession sind. Bezüglich der Schulkinder soll ermittelt werden, wie viele Kinder die deutsche, die polnische oder eine andre Muttersprache haben. Die Erhebungen scheinen im Zusammen hang mit dem Entwurf des Schulunter - haltungsgetzes zu stehen. * Samuel Maharero ist auf eng lisches Gebiet entkommen, und die Engländer behandeln ihn als politischen Flücht ling ; sie denken nicht daran, ihn den Deutschen auszuliefern, wie das von deutschen kolonialen Kreisen und der diesen Kreisen nahestehenden Presse wiederholt verlangt worden ist. * Das Gouvernement von Deuts ch-Süd- westafrika veröffentlicht die Liste von 33 im Witboi-Aufstande ermordeten Farmern; außerdem werden noch 5 vermißt. Österreich-Ungar«. * Nach einer Meldung der ,Münch. N. Nachr/ aus Salzburg ist der toskanische Hof über den Besuch der Gräfin Mon- tignoso in Dresden geradezu bestürzt. Die erste Nachricht ist erst Donnerstag nach mittag dort eingetroffen. Die Großherzogin wurde von einem Weinkrampf befallen; auch auf den leidenden Großherzog hat die Nach richt um so nachhaltiger gewirkt, als das Ver hältnis zwischen Luise Monügnoso und dem sächsischen Hofe ein derartiges war, daß ein Wiedersehen mit den -Kindern in absehbarer Zeit nicht ausgeschlossen schien. Frankreich. * Zum Huller-Zwischenfall brachte der Dampfer „Paraguay" eine interessante Meldung nach Bordeaux. Danach stiegen in Libreville vier Offiziere des russischen Ge schwaders von Bord, welche von dem Admiral Roschdjestwensky mit einer Spezialmisfion für die russische Regierung betraut find. Sie werden vor der Hull-Kommission über den Zwischenfall in der Nordsee vernommen werden; unter ihnen befindet sich auch der Leutnant Bulleron, welcher Leiter der elektrischen Scheinwerfer an Bord der russischen Kriegsschiffe war. Er ver sichert ganz bestimmt, in der betreffenden Nacht japanische Torpedoboote in der Nordsee gesehen zu haben. *Jn der Kammer wurde am Freitag in bewegter Sitzung über die Auskunsts zettel verhandelt. Die von Combes be kämpfte einfache Tagesordnung wurde mit nur 16 Stimmen Mehrheit abgelehnt. * Eine eigenartige parlamentarische Neuigkeit wird auS Frankreich gemeldet, die Deputierten kammer beschloß am Freitag eine Pensions - lasse für ehemalige Deputierte, deren Witwen und minderjährige von ihnen hinterlassene Kinder zu schaffen. Diese Penfions- kasse soll gegründet werden auf monatliche Abzüge von 15 Frank von den Tagegeldern der Deputierten. Rußland. * Die neuerlichen Mobilifierungsbefehle haben eine fieberhafte Erregung in Russisch-Polen und Litauen hervor- gcrusen. Unter der Bevölkerung herrscht eine gefährliche Stimmung, die von den geheimen revolutionären Gesellschaften in rastloser Arbeit vertieft wird, um den Befehlen der Regierung bewaffneten Widerstand entgegen zusetzen. Die Behörden haben alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln ergriffen, um eine etwaige Erhebung im Keime zu ersticken, trotzdem herrscht in allen Bevölkerungsklassen das Gefühl, daß man am Vorabend ernster Ereignisse steht. Amerika. * Von den Philippinen kommt einmal wieder eine Hiobspost nach der Union. Einer Depesche aus Manila zufolge überfielen Pula- Janes auf Samar die 38. Kompanie der Ein- geborenen-Schützsn und töteten 1 Leutnant und 37 Mann. Die Lage ist ernst; der Kom mandeur der Truppen hat um Hilfe gebeten. Afrika. *Frankreich spielt in Marokko eine erbarmenswerte Rolle. Im Pariser Ministerium des Äußern wird bestätigt, daß die Abreise der französischen Mission nach Fes vorläufig verschoben worden ist. Grund: die Fran zosen sind ihres Lebens nicht sicher. Und da soll noch ein Mensch naiv genug sein, das französisch-englische Abkommen für mehr als ein Stück beschriebenes Papier zu halten. Im Ernst werden die Franzosen ja selbst nicht mehr denken, daß es eine Macht geben könnte, die sich begnügen dürfte, die Interessen ihrer in Marokko lebenden Untertanen dem Schutze zu überlassen, den die Franzosen ihnen nach dem Wortlaut ihres Abkommens mit England ge währen wollten. *Bci Timbuktu hat, einer Privat nachricht zufolge, ein Gefecht zwischen den fran zösischen Truppen und den Eingeborenen statt gesunden. DieFranzosen sollen empfind liche Verluste erlitten haben. Kückblicke auf das Jabr 1904. Wie im Fluge rauscht die Zeit davon und reißt auch den Eindruck der Ereignisse mit sich. Was uns heute stark aufregt, ist übermorgen unter dem Anprall neuer interessanter Ereignisse vergessen. Das Jahr 1901 fing günstig an. Eine der ersten Meldungen, die es uns brachte, war die von der Beendigung des Bondelzwarts au f st a n d e s. Aber leider: am 12. Januar, als der Reichstag nach den Weihnachts- > jenen zusammsntrat, begann schon wieder ein Aufstand in Südv'cstafrika, unter dessen Folgen wir heute noch leiden, der der Hereros. Am 19. Januar bewilligte der Reichstag die notwendigen Kredite für den Hererofeldzug und am gleichen Tage endete auch, ziemlich un erwartet, der Krimmitschauer Weber- Aus st and. Am 23. Januar brannte die norwegische Stadt Aalesund nieder, wobei Kaiser Wilhelm durch schnelle Hilfe die Herzen der Norweger gewann. Am 25. Januar starb Herzog FriedrichvonAnhalt. ZweiTage darauf wurden in Darmstadt 21 Personen infolge giftigerKonserven getötet und am gleichen Tage forderte Japan von Rußland bündige Erklärungen wegen dessen Man- d sch urei-Politik. Der Februar setzte mit günstigeren Mel dungen aus dem Herero-Ausstandsgebiet ein. Die Kompanie Franke (ihr Kom mandant ist dieser Tage zum Urlaub in Deutschland eingetroffen) entsetzte Windhoek und Okahandja und schlug die Aufständischen am Kaiser Wilhelmsberg. Am 6. erklärte Japan seine Beziehungen mit Rußland für ab gebrochen. Am 8. ging ein großer Teil der Stadt Baltimore in Flammen auf. Am 9. eröffneten die Japaner die Feindselig keiten gegen Rußland; Admiral Togo überfällt die russische Flotte bei Port Arthur und be schädigt drei russische Schiffe schwer, während Admiral Uriu bei Tschemulpo die russischen Kreuzer „Warjag" und „Korejetz" vernichtete. Am nächsten Tage besetzten die Japaner Koreas Hauptstadt Söul und die Ruffen überschritten den Jal u. Am 23. nahm Korea daS Protek torat Japans an. Am 25. unternahm Togo einen ersten mißglückten Branderangriff auf den Hafen von Port Arthur. Kuro patkin wurde militärischer Oberbefehlshaber der Russen im Osten. Am 5. März starb Graf Waldersee, viel gepriesen und viel geschmäht. Am 8. hob der Bundesrat den 8 2 des Jesuiten gesetzes auf. Am 12. trat Kaiser Wilhelm seine Mittelmeerreis e an. Am 14. trat Erzbischof Dr. Kohn von Olmütz von dem erz bischöflichen Stuhle ab. Am 16. wurde bei Kiautschou die erste Strecke der Schantung- Bahn eröffnet. Am 21. erfolgten in der italie nischen Kammer die Enthüllungen über die Unterschlagungen des früheren Kultusministers Nasi. Kaiser Wilhelm und König Viktor Emanuel trafen am 26. in NeaPel zu sammen. Am 28. nahm die französische Kammer das Kongregationsgesetz an und eröffnete damit den „Kulturkampf." Die englische Tibet-Expedition hatte am 31. ihren ersten bewaffneten Zusammenstoß mit den Tibetanern, die jämmerlich unterlagen. Der 6. April brachte ein glücklicherweise erfolgloses Attentat auf den jungen König von Spanien. Am 8. wurde der englisch- französische Schiedsgerichtsvertrag (der erste seiner Art, der seither Dutzende von Nachfolgern zwischen den verschiedensten Staaten gefunden hat) unterzeichnet. Am 13. wurde auf den spanischen Ministerpräsidenten Maura ein Attentat verübt. Am 13. ging vor Port Arthur der russische Panzer Petropaw - lowsk" mit Admiral Makarow, dem Maler Wereschtschagin und 600 Mann unter. Am 20. begann der dreitägige Streik der ungari schen Eisenbahner. Am 25. war Präsi dent Loubet in Rom, ohne den Papst zu be suchen. Am 30. wurde dieWeltau sstelluug in St. Louis eröffnet. Am 1. Mai wurde dieMainzerRhein- ) rücke eröffnet. Am selben Tage erlitten die Russen ihre erste Niederlage bei Kulien- scheng. Am 3. Mai wurde General von Trotha zum Oberbefehlshaber in Deutsch- Südwestafüka ernannt. Am 5. gelang es den Japanern, durch Versenken von Schiffen die Hafeneinfahrt von Port Arthur für größere Schiffe zu sperren. Am gleichen Tage starb der ungarische Schriftsteller Maurus Jokai, am nächsten Tage der Maler Franz v. Len - bach in München und am 9. Mai der Afrika- reisende Stanley. Am 20. gingen zwei japa nische Transportschiffe mit 736 Mann zugrunde. Am 22. erfolgte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Vatikan. Am 29. Mai starb Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklen burg-Strelitz. Am 1. Juni wurde das zweite deutsch amerikanische Kabel beendet. Am 7. vermählte sich der junge Großherzog Friedrich Franz VI., von Mecklenburg-Schwerin mit der Herzogin AlexandravonCumberland. Am 15. ging der amerikanische Vergnügungs dampfer „General Slocum* mit 1500 Personen (meist Kindern) unter. Am gleichen Tage schlug General Oku bei Wafangkou den Rnssengeneral Stackel be r g, der zum Entsätze Port Arthurs heran gerückt war. Am 16. wurde Bobrikow, Generalgouverneur von Finnland, ermordet. Am 17. fand die Gordon-Bennett-A utomobil fahrt bei Homburg statt, und am 22. begann die „Ki eler Wo ch e", zu der diesmal auch König Eduard eintraf. Am 3. Juli ging das dänische Aus wandererschiff „Norge" mit 700 Personen unter. Am 6. erstürmte die englische Tibetexpedition Gyangtse. Am 14. starb Ohm Krüger. Am 16. beschlagnahmten russische Schiffe die deutsche Post nach Japan. Am selben Tage wurde Andrejew, Gouverneur von Eli- sabethpol, ermordet. Am 28. wurde der russische Minister des Innern v. PIehwe er mordet. Am 5. August fand in Ilsfeld der große Brand statt. Am 8. traf die Tibet- expedition in der Hauptstadt Lhassa ein. Am 10. starb Waldeck-Rousseau. Am 11. wurden die Hereros am Waterberge be siegt und vertrieben. Am gleichen Tage ging ein großer Teil der russischen Port Arthurflotte bei einem Durchbruchsversuch verloren. Der 12. August brachte den Ruffen den lang ersehnten Thronfolger. Am 31. fand die Flucht der Prinzessin Luise von Koburg auS Bad Elster statt. Am 2. September trat Graf Mir bach, Oberhofmeister der Kaiserin, von seinen Nebenämtern zurück. Die Russen räumten am gleichen Tage nach 7tägigen Kämpfen Liau- j an g. Am 4. verlobte sich der deutsche Kronprinz mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin. Am 11. wurden in Neu- Guinea fünf Missionare und fünf Schwestern ermordet. Am 15. erhielt Italien seinen Kronprinzen. Am 18. starb Fürst Herbert Bismarck. Am 21. erfolgte die Königskrönung Peters von Serbien. Am 26. starb der Graf-Regent von Lippe- Detmold; am folgenden Tage protestierte Schaumburg-Lippe gegen die Fortführung der Regentschaft durch die Biesterfelver Linie. Am 4. Oktober wurde das Kaiser- telegramm an den Graf-Regenten Leo pold zur Lippe-Biesterfeld bekannt. Am 9. erfolgte die Erhebung derWitboi 8. Nach dem am 10. General Kuropatkin zum allge meinen Angriff gegen die Japaner vorgegangen war, wurde er am 18. über den Schahe zurückgeworfen. Am 15. starb KönigGeorg von Sachsen. Am 24. fand die „große Seeschlacht an der Doggerbank" statt; infolge dessen Konflikt zwischen England und Rußland. Am 1. November ging Graf Posa - dowsky zu den Handelsvertragsverhand lungen nach Wien. Am 2. trat der bayrische Finanzminister v. Riedl zurück. Am 3. be gannen die Studentenunruhen in Innsbruck. Am 5. ohrfeigte Syveton den französischen Kriegsminister Andro. Am 8. wurde Roose velt wiedergewählt. Am 15. trat Andrä zurück, sein Nachfolger als Kriegsminister wurde der bisherige Börsenmakler Berteaux. Am 30. wurden die Verhandlungen wegen des Handelsvertrages in Wien abgebrochen. Am1. Dezember erstürmten die Japaner den 203 Meter-Hügel bei Port Arthur. Vom 7.—10. erfolgte die völlige Vernichtung der russischen Port Arthurflotte. Am 8. endete Syveton durch Selbstmord. Am 11. fanden blutige Unruhen in Petersburg statt. agte die Regierung^ miteinander, indem sie sich durch die Ankunft der beiden andern nicht stören ließen. „Ich habe eS immer prophezeit, daß es ein Unglück geben müßte," sagte die Regierungs rätin mit leisem Triumph in Ton und Blick. „Das kommt von den sogenannten Liebesheiraten, die über Hals und Kopf geschloffen werden. Schaut die Armut erst ins Haus, fliegt die Liebe zum Fenster hinaus. Heutzutage können sich nur wohlhabende Leute den Luxus des Heiratens erlauben!" „Aber mein Gott," wandte die andre schüchtern ein, „sie wären doch beide unglück lich geworden, hätte man sie gewaltsam aus einandergerissen.* „Ach, meine beste Frau Doktor, plädieren Sie doch nicht auch noch für diese dumme Gefühlsduselei, Liebe genannt. Das hört sich in Romanen ganz hübsch an, gehört aber nicht ins praktische Leben. In unserm Zeitalter muß der Verstand, der zu rechnen versteht, die Haupt rolle spielen, sonst ist's ein jämmerliches Elend. Ein Mann und eine Frau ohne Geld ist nun einmal eine absolute Unmöglichkeit. Da heißt es verständig sein und sich die verliebten Ge danken aus dem Sinne schlagen." „Er hat aber doch gemeint sein Auskommen zu haben." Die verständige Frau stand aut und ging Ä bin SpiewaU äes Sekicklals. Mj Roman von C. v. Berlepsch. (Fortsetzung.) Hier saßen Frau Regierungsrat Wendheim und eine andre Dame in intimem Gespräch vor den Spiegel, um eine Feder ihres Kopfputzes in Ordnung zu bringen. Lydia Wendheim, geborene v. Greetzen, hatte ihrerzeit Verstand für zwei gehabt. Sie sagte einem Leutnant ab und wurde die Frau eines reichen Mannes, dessen angesehene Lebensstellung und großer Geldbeutel das fehlende Adelsprädikat aufwogen. Sie hatte es nie bereut, damals einen dicken Strich durch ihre Gefühle gemacht zu haben; sie hatte sich in der kalten Atmosphäre voll kommen akklimatisiert. Eines schickt sich aber eben nicht für alle. Gertrud, die unfreiwillig Ohrenzeuge dieses Bruchstückes einer Unterhaltung gewesen war, preßte einen Augenblick die Lippen fest auf einander und lächelte dann bitter. Ja wohl, arme Mädchen haben überhaupt keinen Anspruch auf Glück. Die Frau mag recht haben, wir leben in einem berechnenden Jahrhundert, in dem Liebes heiraten unmodern geworden find. Sie sollte sich mit Helffrich verbinden! Endlich ist das Fest aus. Dr. Haller führt Gertrud durch die stillen Straßen. Es regnet noch immer. Er hält schützend seinen Schirm über sie, ihre Hand ruht auf seinem Arm. Da hält er nicht länger an sich. Gr vergißt, daß sich vor kaum drei Wochen das Grab über einen geschlossen hat, der ihr teuer war im Leben, teuer durch seinen Tod. Er weiß nur, daß er sie über alle Maßen liebt und daß er nicht mehr die Kraft hat, den uneigennützigen Freund zu spielen. So spricht er denn ruhig, während ihm das Herz bis in den Hals hinein klopft. „Fräulein Werner, ich habe kein Geschick zu der Rolle eines Freundes, die Sie mir zu erteilen. Haben Sie es denn nie geahnt, wessen Augen über mir find, wen ich tief im Herzen trage? Ich sehne mich danach, Ihnen mehr als bloß Freund zu sein. Sie haben unser Geschlecht von einer erbärmlichen Seite kennen gelernt, können Sie noch an die Liebe und Treue eines Mannes glauben? Wollen Sie es lernen, etwas andres als den Freund in mir zu sehen?" Sie hat seinen Arm losgelassen und ringt nach Atem, den ihr ein Gefühl berauschender Seligkeit für einen Augenblick raubt. Geliebt von ihm, geliebt ohne Schuld! — Aber sie hat nicht lange Zeit, selig zu sein. Im Geiste er scheinen ihr hohnlächelnd die Gesichter des Pro fessors und der Regierungsrätin — mit Ge dankenschnelle ist ihr der Weg klar, den sie zu gehen hat. Nein, sie darf nicht glücklich sein I Soll sie die Sorgen und Entbehrungen, die sie zu tragen hat, auch auf sein Haupt laden, sie, die ärmer ist als eine Bettlerin? Sie darf es ihm nicht sagen, die Liebe fragt ja nichts danach. Nein, er darf nicht hinab in den Kampf mit kleinlichen Verhältnissen, unter denen sie so schwer gelitten, Adlerhoch soll er fliegen. Ein kurzer Kampf — dann ist's entschieden. „Nie, nie! — Sie wissen nicht, was Sie fordern. Ich bin nicht zum Lieben gemacht; lassen Sie mich wie ich bin." Sie kann nicht weiter. Er hat auch genug gehört. Er sieht ja nicht den Blick unendlicher Liebe unter ihren gesenkten Wimpern, ahnt nichts von dem namenlosen Weh, das ihr Herz zerreißt. Er hört nur, daß sie nichts von ihm wissen will. Sie stehen vor ihrem Hause. Sein verwundeter Stolz bäumt sich in ihm auf und verbietet ihm jedes weitere Wort. „Verzeihen Sie," kommt es eisig kalt von seinen zuckenden Lippen; „auch ich war ein Träumer. Gute Nacht!" Er wendet sich und geht. Zittert nicht sein Name leise durch die Luft? Er lauscht mit angehaltenem Atem. Nein, der Wind stöhnt in den Lüften. Sie, die kein Herz hat für das Beste im Weibe, sie fragt nichts danach, ob ein Herz um sie bricht. Sie nimmt wohl ein sterbendes Haupt in ihren Schoß und küßt ein Paar tote Lippen — aber den Lebendigen läßt sie vergehen vor Schmerz. Fort mit der Schwäche, die man Liebe nennt; sie kennt ja auch keine Schwäche, die PallaS Athene mit dem Medusenhaupte. Er stößt ein bitteres Lachen auS, das un heimlich durch die stille Nacht tönt. „Wer lacht da? Herr des Himmels, Doktor, was treibst du hier? WaS amüsiert dich so? — Komm mit, Herzbruder, dort seh' ich noch Licht. Tue mir Bescheid in einem Glase vom Besten, trink' mit mir auf die kleine blonde Hexe, deren Lippen ich heute zum ersten Malgeküßt." Thomas will ihn mit sich fortziehen, aber Dr. Haller wehrt sich. „Laß mich, ich bin müde." „Nein, nein, komm. Sonst nenn' ich dich einen Neidling. Der Wein hilft über die Müdigkeit fort, der liebe, alte Freund. Komm, dort fließt eine famose Quelle.
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