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vi» „Vtten»»rfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag un» Sonnabend abend». Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen y20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag io Uhr. Inserate werden m't w Pf für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck un- Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 122. Mittwoch, den 12. Oktober 1904. 3. Jahrgang. Bekanntmachung. Donnerstag, den 13. Oktober 1904, abends Vr-9 Uhr, öffentliche Kemeinderatsfihung. 0ttenöors-^orit2öors, am 6. Oktober 1904. Der Gemeindevorstand. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla. p. Vktober 190^. — Die am 8. September 1904 unter Vorsitz des Herrn Gemeindevorstandes Lincke abgebaltene Gemeinderatssitzung in Ottendorf- Moritzdorf wurde r/,g Uhr eröffnet und hier auf in öffentlicher Sitzung nachstehende Be schlüsse gefaßt: 1. Als Vertrauensmänner für die Land- und Forstwirtschaft!. Berufs genossenschaft werden die Herren Gutsbesitzer Moritz Guhr und Hermann Leuthold wieder- gewählt. 2. Das Gesuch des GlaSgraveuers M. um Naturalisation wird befürwortet. 3. Die nochgesuchte Uebertragung der Bücher und Kassenreoision auf den vereideten Bücher revisor Pretzsen wird der Kostenhöhe halber bis auf weiteres abgelehnt. 4. Der vorgelegte Entwurf eine» Ortsgeietzes über die Anlegung einet Obstlastenbuches wird genehmigt. 5. Die Ausführung der Fußweganlage entlang der Radebergerstraße wird dem Unternehmer P. in Dresden übertragen- 6. Der Ausbau der Ernststraße auf 6 m wird genehmigt und die Erwerbung des hierzu erforderlichen Areals be schlossen. 7/8. Die Wohnhausbaugesuche der Herren Thieme und Ringel werden bedingungs weise befürwortet. 9. DoS Gesuch des Flcisch- und Trichinenbeschauers E. Küttner um Ueber- trogung der für das Roch'sche Restaurant er teilten Schankkonssion wird befürwortet. 10. Zur Herstellung der Ufermauer entlang der Orla wurden die erforderlichen Mittel bewilligt. 11. Für 1903 wird die Aufbringung von Maffenschutt auf einer Teilstrecke der Lomnitzer- straße beschlossen. 12. Ein Gesuch der im Gut»bez>rk Okrilla wohnenden Bahnbediensteten um Rückzahlung der bezahlten Gemeindeabgaden wird abgelehnt. In der hierauf stattfindenden nicht öffentlichen Sitzung wurde beschlossen: 13. in Besitzveränderungsabgabensachen E'S Erben dem Vorschläge des Herrn Vorsitzenden z-zustimmen; 14 von dem Sommes-Ergebnis für die Lomnitzer Brandgeschädigten Kenntnis zu nehmen: 15. die Gemeindekassierer- und Schutzmannastelle als pensionsberechtigte Stellen anzusehen nnd der Errichtung einer Landes- pensionakasi« bedingungsweise zuzustimmen; 16. die Laternenwärterstelle anderweit auszu schreiben; 17. in Armensachen Wilhelm dem Vorschläge des Vorsitzenden zuzustimmen; 18. «ine Anzahl säumiger und erfolglos gepfändeter Abgabenrestanten vom Schankstättenbesuch auS- zuschlicßen; 19. den bisherigen Gemeindeältesten Herrn Gutsbesitzer Mißbach, dessen Wahlperiode mi' Ende d. I- abläuft, auf weitere 6 Jahre zu wählen; 20. in einer Beleidigungssache des Gemeinderates den gemachten Vorschlägen zuzu- stimmen; von der Wahl des Herrn Vorsitzenden -um Bürgermeister der Stadt Dohna Kenntnis zu nehmen und die für Ende d. I. beantragte Entlassung mit dem Ausdruck des Bedauerns zu genehmigen; 22. die Stelle des derzeitigen Gemcindeoorstandcs auf Ansuchen dem seit 1902 hier amtierenden Gemeinde- und Spar- kassenkassierer Herrn Pirnbaum unter Neu regelung des Gehaltes einstimmig zu übertragen; 23. die freiwerdende Gemeinde- und Sparkassen kassiererstelle mit 1200 Mark Jahresgehalt öffentlich auüjuschreiben. Schluß der Sitzung 11 Uhr. — Mit Beginn der Heizung der Eisenbahn züge wiederholen sich auch die Klagen des reisenden Publikums über unzulängliche Er wärmung der einzelnen Abteile. Zuweilen mögen diese Beschwerden berechtigt sein, aber es darf nicht vergessen werden, daß namentlich die Beheizung außergewöhnlich langer Züge auch größere Schwierigkeiten bietet. Die Verwaltung schenkt dieser Ein richtung die strengste Beachtung, insbesondere auf Abgangsstationen. Eine scharfe Kontrolle wird hierüber feiten der Aufsichtsbeamten ausgeübt, unter Zuhilfenahme von Wärme messern. Nun hat aber auch das reisende Publikum die Verwaltung zu unterstützen, in dem es darauf hält, Türen und Fenster immer geschlossen zu halten, soweit dies bei ersteren möglich ist. Die Beheizung bringt natürlich für die Reisenden auch Gefahren, indem der ausströmende Dampf sich unter den Wagen hinzieht und auf den Fußtritten und Laufbrettern Eis bildet, was beim Ein- und Aussteigen zu beachten ist. Die Ver waltung läßt zwar Sand streuen, auf Unter wegsstationen ist dies bei kurzem Aufenthalt unmöglich. Vor allem meide man daher das Aufspringen auf einen rollenden Zug be ziehentlich vorzeitiges Aussteigen. Beide Handlungsweisen find verboten und strafbar, den Eisenbahnbediensteten ist es strengstens untersagt, hierbei hilfreiche Hand zu leisten. Klotzsche. Wie leichtsinnig manche Eltern in der Verwahrung ihrer Schußwaffen gegen über Kindern sind und welches Unheil unter Umständen daraus entstehen kann, zeigte ein Vorkommnis im Ortsteile Königswald. Im Schrammschen Grundstücke auf der Oueralle schossen mehrere Knaben mit einem Tschin nach Vögeln, was an sich schon eine gewisse Rohei des Gemüts der betreffenden Kinder verriet. Aber nicht genug damit — auch ein nebenan liegender Garten, wo fünf Kinder spielten, wurde von der Schießlust der Burschen nicht verschont, bis es endlich der Zufall wollte, daß der vorübergehende Ortsgendarm Bergmann beinahe von einem Geschoß in den Kopf ge troffen worden wäre. Der Beamte konfiszierte sofort das Teschin und erstattete Anzeige, sodaß nunmehr ein Verfahren im Gange ist- Blasewitz. Am Sonntag abends gegen 10 Uhr stürzte hier der Heizer Karl Lännich von dem Kettenschleppkahn Nr. 17 in die Elbe und ertrank. Die sofort unternommenen Rettungsversuche verliefen erfolglos; der Er trunkene ist bis jetzt nicht aufgefunden worden. Moritzburg. Die Weihe der hiesigen Kirche > oll am 7. November erfolgen. Meißen. Das hiesige Amtsgericht hat als Vormundschaftübehörde die Genehmigung zur nochmaligen Untersuchung des Geisteszustandes der Prinzessin Luise von Koburg erteilt. — Durch einen Betrüger, der sich Kar Köhler nennt und längere Zeit in zwei Leipziger Hotels gewohnt hat, ist ein hiesiger Juwelier um Schmucksachen im Werte von über 200 M. gebracht worden. Die Schmucksachen sind dem Betrüger auf briefliche Bestellung hin zum kommissionsweifen Betriebe in den Glauben überlassen worden, daß der Besteller der Be- rtzer des einen der erwähnten Hotels selbst sei. Der Betrüger hat Anfang dieses Monats von Leipzig aus, wo er die Schmucksachen zum Teil ür seine Hotelschulden an den Oberkellner des Hotels verpfändet hat, einen Jagdausflug nach Weinböhla mitgemacht, hat auch dort einen Hotelier um eine größere Zeche betrogen und ist dann von dort aus am 3. d. M. ver schwunden. Er hatte sich in Weinböhla den Anschein gegeben, als ob er in hiesiger Gegend ein Rittergut kaufen wolle. In Weinböhla ist er von einer Frau und einem jungen Mädchen angeblich seiner Frau und Tochter, besucht worden, die aber später auch verschwunden waren. Hirschfeld. Ein schwerer Unfall ereignete sich bei dem Braunkohlen- und Brikettwerken, indem der aushilfsweise >zu Montage-Arbeiten verwendete Bergmann Tilke aus Hirschfelde durch einen Mauerziegel, der aus einer Höhe von 8 Metern auf seinen Kopf herabsauste, schwer verletzt wurde, sodaß er besinnunglos liegen blieb. Hohnsdorf. Von seinem eigenen Pferde erschlagen wurde der Drogist Weiser. Er wollte das Pferd aussponnen, als er von diesem einem so heftigen Hufschlag erhielt, daß er bewußtlos niederfiel und am nächsten Tage an den er littenen schweren inneren Verletzungen unter großen Schmerzen verstarb. Leipzig. Die Vorarbeiten für den neuen städtischen Meßpalast schreiten rüstig fort. Da die Straßen nach welchem das Gebäude Fronten haben soll, sämtlich verbreitert werden, kamen 5250 xm in Betracht. Die seitens der Stadt gekauften Privatgrundstücke, die schon seit Jahren erworben sind, bedecken 3100 gm und deren Ankaufspreis belief sich auf 3164500 M. Für das Grundstück Salzgäßchen 6 wurden 2625 Mk. pro Quadratmeter gezahlt! Der Meßpalast, welchen die Stadt mit einem Kostenpunkte von 3199000 Mark errichtete, vermag längst nicht mehr den Bedarf der aus- stellenden Firmen zu decken. Wilkau. Am Sonnabend abend in der 12. Stunde brach in dem Dampfsägewerk von Gläser und Weiß Feuer aus, welches das Werk einäscherte. Die Entstehungsursache ist noch unbekannt. — Die 69 Jahre alte Frau Kästner wollte in Abwesenheit ihrer Tochter den Ofen an heizen, obwohl ihr das in Berücksichtigung ihres hohen Alters untersagt war. Dabei sprangen einige Funken aus dem Feuerherd und erfaßten die Kleider der Frau, die sofort Feuer fingen und in Flammen aufgingen. Die Aermste erlitt am ganzen Körper schwere Brandwunden, denen sie am Sonntag er legen ist. Adorf. Der Viehhändler Gräßel aus Leubetha wurde auf dem Heimwege von Adorf nach Leubetha angefallen und um 1300 Mark beraubt. Plauen i. V. Hier gewann am Sonntax Günther das 50-Kilometer-Renncn. Der Kamps um den Goldpokal von Plauen blieb unbe stimmt. Nus der Woche. Modeste von Unruh, wieviel Unruhe ver schaffst du dem Deutschen Reichel Mit Dir fängt die lippische Affäre an. — Modeste von Unruh, die Aeltermutter der Biesterfelder soll nicht volle 17 Ahnen gehabt und somit die Un ebenbürtigkeit in die Familie der edlen Herren zu Lippe gebracht haben. Das Schiedsgericht unter Vorsitz des verstorbenen Königs Albert von Sachsen hat jedoch die Ansprüche des nun gleichfalls verstorbenen Graf Ernst zur Lippe anerkannt. Aber Schaumburg-Lippe bestreite die Ebenbürtigkeit der Gattin des Verstorbenen einer geborenen Gräfin von Karoline von Wartensleben, und damit die Rechte ihres Sohnes, des jetzigen regentschaftführenden Grafen Leopold. Aber nicht nur Schaumburg-Lippe bestreitet die Ebenbürtigkeit der Gräfin Wartens- eben, sondern auch Graf Erich zur Lippe- WeißenfelS der in sich allein die alleinige Rein heit des lippeschen Stammbaumes darzustellen vorgibt. Hätte Erich recht und würde er eventuell jetzt zum Regenten bestellt, so würden eine etwaigen Kinder doch nicht erbberechtigt ein, denn seine Gemahlin ist eine geborene Luise Schröder, die vor länger als einem Vierteljahrhundert von dem Herzoge von Meiningen den Titel einer Freifrau von Saalberg erhielt. In früherer Zeit dauerten in Deutschland Prozesse um die Ebenbürtigkeit vor dem Wetzlarer Reichskammergericht oft jahrhundertelang, und in hohem Grade interessant ist, daß der letzte Prozeß, dieser Art sich um die Frage der Ebenbürtigkeit des Vaters unserer Kaiserin, des „Augustenburgers" dreht. Kein andrer als Bismarck war es, der durch ein Gutachten von sechszehn preußischen Kronsyndici nachweisen ließ, daß der Herzog von Augustenburg kein Erbfolgerecht in Schleswig-Holstein habe. Daß 16 deutsche juristische Fakultäten den entgegengesetzten Standpunkt vertraten, tut hier nichts zur Sache. Der „Augustenburger" sollte wegen „Mißheiraten" rm-h erer seiner Ahnen nicht ebenbürtig sein. In dieses Tohuwabohu wirkt ein Ausspruch König Friedrich Wilhelms IV. von Preußrn wahrhaft herzerfrischend. Als ihm das Urteil wegen der Nichtebenbürtigkeit bezüglich des „Augustenburgers" vorgelegt wurde, sagte er: „Das sind faule Fische", und bei dieser Auffassung ist es in Preußen ge blieben, denn sonst hätte die Prinzessin Viktoria Auguste nicht deutsche Kaiserin werden können Aber was für Preußen recht ist, das muß für Lippe billig sein. Das Herumstöbern nach Nichlebenbürtigkeit tn hundert Jahre alte Ur kunden hat keinen Sinn und widerspricht dem modernen Empfinden durchaus. Es erschüttert den monarchischen Gedanken mehr, als es ihn festigst. Deutschland ist überwiegend ein monarchisches Land — die drei „freien" nnd Hansastädte ändern daran nichts. Es wird von 22 fürstlichen Familien regiert und nicht jeder der Stammbäume dieser hohen Familien ist ganz reinlich und ganz zweifels ohne Es lassen sich ein Dutzend Fälle an führen, in denen „Reichsunmittelbare", also „Ebenbürtige", Damen aus niederem Adel ge heiratet haben, ohne daß ihre fernere Eben bürtigkeit bestritten würde. Mitglieder der doch eigentlich auch nicht „ebenbürtigen" Familie Bonaparte wurden deutsche Fürstinnen, und der Fürst von Monaco hat eine Jüdin, eine Verwandte Heinrich Heines M Frau ge nommen, die noch dazu bei ihrer Verheiratung schon Witwe war; jetzt ist das Paar wieder geschieden. Dem modernen Empfindungen ent spricht es, wenn das Land, um das es sich handelt, bei der Thronfolgeregeln mitgehört würde, wie das beispielweise jetzt in Oldenburg der Fall ist. Dort wäre beim eventuellen Aussterben des Fürstenstammes nach monarchisch- agnatischen. Grundsätzen zweifellos der Zar der Nachfolger. Aber dieser hat vor kurzem auf das Nachfolgerecht zugunsten der Linie Holstein- Sonderburg-Glücksburg verzichtet. Das Fürsten haus und der oldenburgische Landtag akzeptieren diese Uebertragung, obwohl die ältere Augusten burger Linie (jetziges Haupt Herzog Ernst Günter. Bruder der Kaiserin) näher dazu wäre und — rein agnatisch genommen — nähere Ansprüche hätte. Indessen schafft daö Landesgefetz ein Recht und darum nützt auch der Einspruch des Herzogs Ernst Günter nichts. Dasselbe sollte auch für Lippe gelten, die daran sind, einstweilen wenigstens das Regentschafts recht ihres jetzigen Fürsten Leopold landes gesetzlich festzulegen. Die Thronfolge selbst soll später durch ein Austrägalgericht entschieden werden. — Der lippische Konflikt hat die ganze Aufmerksamkeit auf sich vereinigt uud er konnte das um so eher, als die sonstigen „Welt- ereignisse" in der Berichtöwoche ziemlich knapp waren.