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Der langgesuchte BankuotenfSlscher , Köhler aus Schwabitz, der seinerzeit aus dem Gerichtsgefängnis in Warnsdorf entwichen war und auf seiner Flucht auch Deutschland und die Schweiz berührt hat, ist in Reichenberg (Böhmen) verhaftet worden. Er bezichtigt sich noch andrer Verbrechen, will aber erst bei der Hauptver handlung näheres aussagen. Der jüngere Johann Strauh bankrott. Unter der Anklage selbstverschuldeten Bankrotts erschien vor dem Erkenntnissenate in Wien Johann Straub, der Direktor der Hofballmufik, der Neffe des berühmten Komponisten Und Sohn von Eduard Strauß. Seine Schulden betragen 150 000 Kronen. Er schiebt alle Schuld auf die Wechsel und Bürgschaften, die er für seine Mutter und einen leichtsinnigen Bruder übernehmen mußte. Es wurde wohl nachgewiesen, daß er weit über seine Mittel lebte, aber auf den Antrag des Verteidigers hin beschloß der Gerichtshof, die Verhandlung zu vertagen und Erhebungen anzustellen, ob Strauß, wie er behauptet, seine Schulden zahlen kann, wenn man ihm Zeit gönnt. Er ist nur irovisorischer Hoskapellmeister, und ein Schuldig- prechen kann ihn seine Stellung kosten. In diesem Falle hätten seine Gläubiger gar nichts zu erhoffen. Das „schwache" Geschlecht. In der ungarischen Gemeinde Gelk wurde am Donners tag der Exekutionsbeamte Rudolf Gants, als er die Pfändung bei mehreren Bauern vor nehmen wollte, von den erbosten Frauen erschlagen. Gants hatte eben bei der Bäuerin Ruderschmidt das Bettzeug auf einen Wagen bringen lassen, obwohl ihn die Frau hände ringend bat, es ihr zu lassen. Es entspann sich zwischen den beiden ein Wortwechsel, und der Beamte versetzte der Bäuerin einen Schlag. Die angesammelten Neugierigen, zumeist Frauen, nahmen gegen den Beamten eine drohende Haltung ein. Gants sandte zur Gendarmerie um Hilfe. Als sich jedoch der Diener entfernt hatte, stürzten sich die Frauen auf Gants und prügelten ihn solange, bis er seinen Verletzungen erlag. Infolge Genusses verdorbener Wurst starben in Grellingen bei Basel vier, in Flavi in St. Gallen zwei Personen, außerdem find noch einige erkrankt und schweben in Lebens gefahr. Zwei Metzgermeister, bei denen die ver dorbenen Waren gekauft waren, find verhaftet worden. Absturz. Ein furchtbares Unglück ereignete sich in Zermatt. Die Pferde einer Postkutsche, in der fich acht Touristen befanden, gingen durch und stürzten mit dem Wagen einen 45 Fuß tiefen Abhang hinab. Der Wagen ging in Trümmer, vier Personen wurden sofort getötet, die übrigen schwer verletzt. Über den Bedarf an Bifitenkarten bei den italienischen Unterrichtsministern gibt der Bericht des parlamentarischen Berichterstatters Saporito Auskunft. Der flüchtige Unterrichtsminister Nasi hat ein Konto darüber aufgemacht, dessen Höhe allgemein verblüfft hat. Danach stellten sich die Ausgaben NasiS für Visitenkarten in den 32 Monaten seiner Amtsführung auf 887,42 Lira, die zur Her stellung von 67 900 Visitenkarten gedient haben. Herr Nasi verbrauchte also in einem Monat 2100, an einem Tage 70 Visitenkarten. Andre Minister haben ihn im Verbrauch von Visitenkarten noch übertroffen. ES sind ihrer folgende vier, sämtlich Vom Unterrichtsministerium: Boselli verbrauchte in 36 Monaten für 1288 Lira 89 500 Visitenkarten, d. h. im Monat 2700 oder an jedem Tage durchschnittlich 99; Villari in 15 Monaten für 700,70 Lira 54 000, also im Monat 3600, täglich 120; Gallo in 5^ Monat für 322,42 Lira 24 800, mithin im Monat 4500 und täg lich 150; Codronchi vollends, der nur 2^ Monat Unterrichtsminister war, erhob für Visiten karten einen Bettag von 1662,34 Lira, der, nach dem Preise der Nasifchen berechnet, 127 800 Visiten korten entsprechen oder einen monatlichen Verbrauch von 49100, einen täglichen von über 1600 Stück voraussetzen würde. Herr Codronchi hätte also den Rekord erreicht; denn er müßte in jeder der zwölf Tagesstunden — während der Nachtstunden wird er ja wohl auch keine Besuche gemacht oder Empfeh lungen geschrieben haben — durchschnittlich 133 Visitenkarten abgegeben oder verschickt haben. Eine ansehnliche Leistung, namentlich wenn man bedenkt, daß der Herr nebenbei auch noch Unterrichlsminister war und als solcher noch allerhand andre Dinge zu erledigen hatte. Gibraltar vom Lande abgeschnitten. Ein Telegramm aus Madrid meldet, daß die Bahn zwischen Algestras und Gibraltar infolge Platzens eines Wasserreservoirs gestört ist. Die Landverbindung mit Gibraltar ist auf eine Woche unterbrochen. Rückkehr eines >40 jährigen verlorenen Sohnes. Eine gewiß seltene Heimkehr in das Vaterhaus feierte unlängst ein Mann namens Charles Christian aus Cleveland in den Ver. staatep. Als junger Bursche von 16 Jahren, der seinen Eltern viel Kummer und Sorge bereitet hatte, war er von Hause fortgelaufen und als verlorener Sohn betrachtet und betrauert worden. Lange Jahre ließ er nichts von sich hören, so daß seine Ange- GerlcktskaUe. Kaiserslautern. Wegen Fälschung von Wein verurteilte die hiesige Strafkammer den Wein- Händler Philipp Thamerus zu 600 Mk. Geldstrafe und verfügte die Einziehung der beschlagnahmten 18 000 Liter Wein. ThameruS, der im Jahre 1903 etwa 100 Fuder Birnwein erzeugte, verwendete diesen wenigstens teilweise dazu, unter Zusatz von Zuckerwaffer und Weinsteinsäure Wein zu machen. Nürnberg. Das Schwurgericht belegte einen jugendlichen Messerhelden mit einer exemplarischen Strafe. In der Nacht auf Sonntag den 19. Juni hatte in der Vorstadt Steinbühl der noch nicht 19 jährige Flaschner Hildner den ihm gänzlich unbe kannten Arbeiter Bauer auf der Straße ohne jeglichen Anlaß beschimpft und dann ohne weiteres derart ge Die Spannung, mit der alle Ereignisse, auch die scheinbar geringfügigsten, auf dem Kriegsschauplatz im fernen Ostafien verfolgt werden, ist leicht be greiflich. Ringen doch zwei Armeen miteinander, die wohl ausgebildet und ausgezeichnet bewaffnet find, werden doch alle Hilfsmittel angewandt, die die moderne Technik bisher ersonnen hat. Und alle Erfahrungen, die man heute dort macht, werden natürlich auch in späteren Kriegen angewandt wer den. Es ist bekannt, daß die Japaner ihre über raschenden Erfolge, die sie bisher erzielten, nicht zum wenigsten ihrer hervorragenden Beobachtungs gabe zu verdanken haben, durch die sie fich alles zunutze machten, was sie bei fremden Völkern sahen. Uno so bemerken wir denn auf unserm Bilde, wie General Kuroki selbst die Wirkung seines Artillerie feuers beobachtet und kontrolliert. Der Oberstkom mandierende überzeugt sich selbst davon, ob seine Artillerie in der richtigen Weise feuert — im Gegen satz zu den russischen Heerführern, die sich bitter über das regellose Feuer, das mangelhafte Zielen und die zwecklose Vergeudung von Munition bei ihrer Artillerie beklagen mußten. Eine genaue Befolgung von gegebenen Befehlen sehen wir bei den japa nischen Schützenlinien — jeder einzelne Soldat hat sein Visier gestellt: ein Zeichen dafür, daß das Feuer nicht planlos abgegeben wird. Auf russischer Seite sehen wir ein außer Gefecht gesetztes Geschütz; es ist von japanischen Granaten vollständig demo liert worden. Bei dem anerkannt guten Schießen der Japaner ist es denn auch kein Wunder, daß die Russen so viel wie möglich gute Deckung suchen, und daß sie in dieser Beziehung etwas gelernt habe», zeigt die sehr gut gewählte Stellung. hörigen ihn für tot hielten. Der junge Mensch hatte inzwischen allerhand Abenteuer erlebt, war als Soldat für die Union in den Krieg gezogen, hatte sich nach Friedensschluß in allen möglichen Arbeiten und Beschäftigungen versucht, bis ihm schließlich das Glück lächelte und er sich als wohlhabender Mann in Iowa niederlassen konnte. Da packte den nun schon 80 jährigen Mann das Heimweh, er suchte Cleveland auf und hatte das gewiß einzig da stehende Glück, seine 99 jährige Mutter lebend und gesund anzutreffen. Das Wiedersehen zwischen dem verlorenen Sohne und der greisen Mutter war ein rührendes. Auf die Bitten des Heimgekehrten wird die Mutter mit ihrem Sohne nach Iowa ziehen. Die Pest. In Rio de Janeiro ist ein neues Austreten der Pest festgestellt worden. In der letzten Woche starben zwölf Personen an der Seuche, 60 Kranke befinden sich in ärztlicher Behandlung. stochen, daß Bauer nach einer Stunde starb. Das Schwurgericht verurteilte de» Hildner wegen Körper verletzung mit Todesfolge zu neun Jahr Zuchthaus und zehn Jahr Ehrverlust. Cm italienischer Minister als Erbschleicher? Man schreibt der ,Dtsch. Ztg/ aus Mai land : Das Appellationsgericht in Potenz« wird sich demnächst mit einer sehr delikaten Streit sache, die Herrn Tittoni, den gegenwärtigen italienischen Minister der auswärtigen Angelegen heiten in Mitleidenschaft zieht, zu beschäftigen haben. Folgende Tatsachen haben die Ein leitung des Prozesses veranlaßt: Im Jahre 1900 starb in Neapel Herr Giovanni Antona- Traverst, der ein Vermögen von mehreren Millionen sein eigen nannte. Er hinterließ drei Kinder: eine Tochter Bice, die Herrn Tittoni geheiratet hatte und zwei Söhne, Camillo und Gianmno, die beide als Drama tiker zu wohlverdienter Berühmtheit gelangt find. Die Überraschung und die Enttäuschung der beiden Brüder war nicht klein, als ihnen bei der Eröffnung des Testaments ihres Vaters gesagt wurde, daß fie enterbt seien, und daß ihr Neffe, der Sohn ihrer Schwester Bice, Universalerbe sei. Kurz vor dem Tode des alten Herrn Giovanni Antona-Traversi hatte ein gewisser Giuseppe Naffaeli dem Dichter Camillo Antona-Traverfi, der stets in Geld verlegenheit war, mehr als 100000 Lira ge liehen; als Sicherheit ließ er sich einen Teil der väterlichen Erbschaft seines Schuldners ver schreiben. Auch er war natürlich sehr betrübt, als er plötzlich erfuhr, daß der Schuldner von seinem Vater nichts zu erwarten hatte; um wenigstens einen Teil seines Geldes zu retten, wandte er fich an Herrn Tittoni, der damals Landrat von Perugia war, und schlug ihm einen Vergleich vor. Herr Tittoni erklärte jedoch, daß er sich um die Angelegenheiten seines Schwagers nicht kümmere. Kurze Zeit darauf kam Tittoni als Landrat nach Neapel und der Geldverleiher Raffaelli rückte nun mit schwererem Geschütz vor. „Wenn Sie," so schrieb er an Tittoni, „von dem angebotenen Vergleich nichts wissen wollen, werde ich nach weisen : 1) daß Sie Ihren Schwiegervater durch Gift aus der Welt gebracht haben; 2) daß das Testament gefälscht oder mindestens ungültig ist, da der Erblasser in dem Augenblicke, wo er seinen letzten Willen kundgab, nicht mehr im Vollbesitze seiner Geisteskräfte war." Statt zu antworten, erhob Tittoni gegen Giuseppe Raffaelli und dessen Helfershelfer Klage wegen versuchter Erpressung. Die Strafkammer von Neapel sprach jedoch die Angeklagten frei, und das Neapeler Appellationsgericht bestätigte das Urteil. Am 5. April 1903 wurde jedoch das Urteil der Berufungsinstanz wegen eines Form fehlers aufgehoben, wonach die Sache zur end gültigen Entscheidung an das Appellations gericht von Potenza verwiesen wurde. Die öffentliche Meinung in Italien ist nicht auf der Seite des Herrn Ministers. Man findet es sehr sonderbar, daß der verstorbene Millionär seine beiden Söhne zugunsten seines Enkel sohnes enterbt hat und es herrscht allgemein, besonders aber in Neapel, wo man die Ver hältnisse genau kennt, das Gefühl, daß ein solches Ergebnis nicht ohne die Anwendung gewisser Kunststückchen erreicht werden konnte; es soll sich um Machenschaften handeln, die das Gesetz nicht bestraft, die aber ein ehrlicher Mann Weit von sich weist. buntes Allerlei. Eine Statistik ver Tierwelt hat daS Pariser Museum für Naturgeschichte aufgestellt. Danach gibt es aus der Erde und in den Meeren gegen 400 000 Tierarten, die den Gelehrien bekannt und von ihnen beschrieben worden find. Die Insekten allein bilden über 280 000 verschiedene Arten, die Vögel dagegen nur etwa 13 000 Arten, also den 30. Teil aller Tierarten. Ferner kennt man 12 000 Arten Fische, 8300 Arten Reptilien, darunter 1610 Schlangenarten, 50 000 Arten Mollusken, 1300 Arten Amphibien, 20 000 Arten Spinnweben, 3000 Arten Stachelhäuter und 8000 Arten Würmer. * * Ist Mißverständnis. Schauspieler (renom mierend): „. . . und in Berlin — ich sage Ihnen — dort haben fie mir die Pferde aus gespannt!" — Bliemchen: „Ja, ja! Dort gibt's beese Menschen! Mir hawen sie auch 'mal, wie ich dort war, die Reisedasche, 's Bordmonäh und die Uhr ausgeschband I" Recht unnötig. „. . . Sie heiraten ja nach Amerika, Fräulein Klara! . . . Wie heißt denn der glückliche Bräutigam?" — „Müller!" — „Und desweg'n reisen S' so weit ,ort?!... Das hätten S' doch hier auch hab'n können!" und Abscheu von fich stoßen. Und mußte er dann nicht natürgemäß sich ihr zuwenden? Der Kommissar erließ jetzt an Hedwig die Aufforderung, ihm zu folgen. Willenlos, halb betäubt, ergab fie fich in ihr Schicksal, und ließ fich von der Kassiererin hinausführen. Als fie den Laden durchschritten und Hedwig die Blicke der Mädchen auf fich gerichtet sah, schluchzte fie, ihr Antlitz in den Händen verbergend, laut auf. Die Kassiererin zog fie mit sich fort, und hob draußen die Trostlose in die bereitstehende Droschke. Der Kommissar setzte fich neben fie, und an seiner Seite fuhr Hedwig ihrem Ziele — dem Kriminalgericht — entgegen. 11. Dem Oberst Rodenberg war die Entdeckung der verschollen geglaubten Geschwister seines Schwiegersohnes eher unangenehm als erfreu lich, aber an der Tatsache ließ fich doch nun einmal nichts ändern. So lange die Leute in ihrer bisherigen Verborgenheit lebten, stand ja auch nichts zu befürchten; dagegen würde die Anerkennung dieser Verwandtschaft vor der Gesellschaft einfach unmöglich sein. Mit der Frau hätte man eS allenfalls noch wagen können, wenn nicht ihr ordinärer Bruder die unerwünsche Zugabe gewesen wäre. Der Oberst schauderte schon bei dem bloßen Gedanken, diesen Menschen mit dem roten Trinkergeficht vor anständigen und gebildeten Leuten als zu seiner Familie gehörend, be zeichnen zu sollen. Somit schwieg er auch fort- gesetzt gegen jedermann über seine Entdeckung, was ihm seinem Schwiegersöhne gegenüber nicht schwer fiel, da der noch immer leidende Zustand desselben von vornherein jede aufregende Mit teilung verbot. Anderseits besorgte der Oberst, daß Hartung vielleicht Philanthrop genug sein könne, Bruder und Schwester zu fich ins Haus zu nehmen, wodurch alle Welt das so ängstlich gehütete Geheimnis der Familie sofort erfahren mußte. Die noch größere Gefahr, die der Oberst in dem Verkehr Willis mit Hedwig sah, glaubte er glücklich beseitigt. Wenn das Mädchen den verlangten Brief schrieb — und er zweifelte nicht daran, daß fie es tun würde — so blieb Willi ja nichts weiter übrig, als zurückzutreten. Dazu würde er fich aber gewiß niemals ver stehen, sobald er erfuhr, daß verwandtschaftliche Bande ihn mit Hedwig verknüpften. Im Gegenteil hätte ihn das nur rücksichtslos ge macht, und ein häßlicher Skandal wäre nicht ausgeblieben. Der Oberst hielt es also für geraten, auch Willi nicht ins Vertrauen zu ziehen, obwohl er ihn sehr gut zur Unterstützung in seinem Plan hätte gebrauchen können. Erst wenn es ihm gelungen war, die Unschuld des alten Grabow aufzudecken und den auf der Familie lastenden Schimpf abzuwaschen, erst wenn der wahre Mörder seiner Tat überführt im Gefängnis saß, wollte er sprechen. Hinter dieser neuen Aufgabe, die fich der Oberst gestellt hatte, und die er eifrig zu ver folgen begann, mußte das im Vordergründe stehende Heiratsprojekt zurücktreten. Noch hatte er den ehemaligen Kammerdiener des Freiherrn von Lanken nicht zu Gesicht bekommen, aber daran lag ja auch wenig. Er hatte über das Vorleben Ribbecks Erkundigungen eingezogen und unter anderm erfahren, daß derselbe lange in Amerika gewesen war. Er bezweifelte jetzt nicht mehr, daß dieser Blinde jener Diener Ribbeck sei. Es war am zweiten Tage nach der Ver haftung Hedwigs, von der der Oberst noch nicht das geringste wußte, als dieser fich nach dem Polizeipräsidium begab, um seinen Freund, den Detektiv Lenz aufzusuchen. Derselbe stand, als Oberst Rodenberg noch Premierleutnant war, mit ihm bei demselben Regiment und hatte dem Oberst im letzten Kriege einen wesentlichen Dienst zu leisten Gelegenheit gehabt; seitdem datierte die Freundschaft der beiden Männer. Nach dem Kriege hatte Lenz den Dienst quittiert und war zur Kriminalpolizei über gegangen. Obwohl nun der Verkehr zwischen ihnen mit der Zeit ganz aufgehört, hatte der Oberst den damaligen Leutnant Lenz im wärmsten Andenken behalten, und er war überzeugt, daß auch dieser ihn nicht vergessen hatte, und ihm darum seine Hilse nicht verweigern werde. Als der Oberst zur Fahrt nach dem Alexanderplatz einen Pferdebahnwagen bestieg, sah er im Innern desselben auf einer der fast leeren Bänke den Bankier Wechsler fitzen. Die Begegnung mit demselben war ihm heute nicht sehr angenehm, aber ein Zurückweichen seiner seits nicht mehr möglich, denn Wechsler hatte ihn bereits bemerkt und grüßte sehr freundlich. Der Oberst nahm neben ihm Platz und gab auf Befragen als Ziel seiner Fahrt den Alexanderplatz an. „Ei, so fahren wir ja noch eine gute Strecke zusammen," sagte Wechsler, „was mir um so lieber ist, als mir gerade jetzt ein Ge spräch mit Ihnen sehr erwünscht kommt." Und als ihn der Oberst etwas erstaunt ansah, fuhr er lächelnd fort: „Sie haben fich in der letzten Zett recht selten gemacht, lieber Freund. Man bekommt fast garnichts mehr von Ihnen zu hören. Ich weiß ja den Grund, aber meiner Ansicht nach verdient die fatale Geschichte, end lich aä »et» gelegt zu werden. Mein Neffe ist übrigens stark auf dem Wege der Besserung, die Wunde heilt sehr schnell. Apropos! — Wie geht es Ihrem Herrn Schwiegersohn? Hoffent lich nicht so schlimm, wie es die Zeitungen machen?" plauderte der heute sehr redselige Bankier in einem Atem fort. „Nein, die Gefahr ist vorüber," entgegnete kurz und, wie es schien, verstimmt der Oberst. Wechsler beachtete das nicht, sondern sprach lebhaft: „Das freut mich aufrichtig! Ich muß Ihnen gestehen, daß ich mit einer gewissen Angst die Zeitungsberichte las, es wurde ja ein wahrer Roman in bezug auf die Krankheit geschmiedet." „Ich weiß! Ich weiß!" wehrte der Oberst ab. Der Gedanke, daß Wechsler oder über haupt ein Fremder die Ursache der Krankheit erfahren mochte, beunruhigte und ängstigte ihn. Aber der Bankier äußerte nichts dergleichen, stimmte vielmehr in den wegwerfenden Ton des alten Herm ein, indem er hastig sagte: „Freilich, die Blätter fabeln alles mögliche, man darf nie viel davon glauben." F«u» (Fortsetzung folgt.)