Volltext Seite (XML)
Wie Polen Danzig erobern will. Eine polnische Denkschrift. Genf, 28. Febr. In hiesigen diplomatischen und politichen Kreisen ist gegenwärtig eine polnische Denk schrift im Umlauf, die die Zukunft der Freien Stadt Danzig im Rahmen des polnischen Einflusses behandelt. Man geht nicht fehl, wenn man in dem Verfasser dieses außerordentlich interessanten Schriftstückes eine Per sönlichkeit erkennt, die nicht nur den polnischen Regie rungskreisen nahesteht, sondern auch über eine ein gehende Kenntnis des politischen und wirtschaftlichen Lebens der Stadt Danzig verfügt. Die in der Denk schrift zum Ausdruck gelangende Tendenz, die ehemals reichsdeutsche Stadt Danziq haupt sächlich durch wirtschaftliche Maßnahmen immer enger an Polen zu ketten, entspricht durchaus der von den polnischen Delegationen beim Völkerbund in der letzten Zeit eingenomenen Haltung. Die Denkschrift, die dreißig Schreibmaschinenseiten umfaßt, enthält nach einer eingehenden grundsätzlichen Erörterung der von Polen einzuschlagenden Taktik gegenüber der Freien Stadt Danzig zwölf Leitsätze, die u. a. folgendes besagen: Mit der wachsenden Macht Deutschlands wird der Druck der deutschen Politik auf Polen zwecks Wieder gewinnung des Korridors und der Freien Stadt Danzig wachsen. Diesen Druck muß Polen zu parieren suchen, durch eine psychologisch fundierte in wirtschaftliches Gewand gehüllte Politik, durch die die Bevölkerung des Korridors und der Freien Stadt Danzig dazu gebracht wird, die deutschen Absichten aus Revision der in Frage kommenden Bestimmungen des Versailler Vertrages als für sich selbst unvorteilhaft abzulehnen. Während im Korridor das deutsche Element zu rückzudrängen ist. mutz in der Freien Stadt Danzig aus taktischen Gründen jeder Angriff gegen die deutsche Kultur unterbleiben. Ebenso muß jeder Versuch unterbleiben, in poli tischer Hinsicht die Selbständigkeit der Freien Stadt an zutasten und Danzig Polen einzuoerleiben. Im Gegen teil, die imVersaillerVertragfe st gelegte scheinbare (!) Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Freien Stadt... muß auf das Nachdrücklichste von Polen unterstrichen und geschätzt werden. Unter ausdrücklicher Leugnung aller politischen Nebenabsichten muß Polen immer wieder die Gemein samkeit der wirtschaftlichen Interessen zwischen Danzig und Polen hervorheben. Es muß darauf hingewiesen werden, -daß die Danziger Wirtschaft, wenn sie sich ent schließt, ehrlich mit Polen zusammenzuarbeiten, sich selbst den besten Dienst leistet und große Verdienstmög lichkeiten hat. Die Danziger Presse muß so in Schach ge halten werden, daß sie nicht offen der polnischen Politik Widerstand zu leisten wagt. Jede Danziger Rechtsregierung ist scharf zu bekämpfen. Jede Danziger Linksregie rung ist unmittelbar nachdem sie die Geschäfte über nommen hat, sehr wohlwollend zu behandeln, damit sie greifbare Beweise für die Richtigkeit des Verständi gungskurses und für die Unrichtigkeit des nationali stischen Kurses der Danziger Bevölkerung auszeigen kann. Die innerpolitischen Kämpfe der Danziger sind ge schickt zu benutzen, um ihre Aufmerksamkeit von Polen abzulenken und auf innere Danziger Streitfragen hin zulenken. Vor allem der Verwaltungsapparat und die Finanzwirtschaft der Freien Stadt geben dazu reichen Anlaß. Auf diese Weise wird jedes Jahr, das vergeht, Danzig mit seinen Wirtschaftsinteressen fester an Polen ketten und die Danziger weniger geneigt machen, zu Deutschland zurllckzukehren. Ein Danzig, dem es durch die Verbindung mit Polen gut geht, wird nicht zu Deutschland zurückkehren wollen . . . Wirtschaftliches Wohlergehen der Freien Stadt Danziq liegt also in der Richtung der polnischen Interessen. Zur Begründung dieser Leitsätze wird in der Denk schrift u. a. ausgeführt: Die Zeit arbeitet wirtschaftlich für Polen. Die deutsche Minderheit in den ehemals westpreußischen Gebieten wird von Jahr zu Jahr an Zahl geringer werden. Schon in einem Jahrzehnt werden die Bevölkerungs- Verhältnisse im ehemaligen Westpreußen sich so weit zu ungunsten der Deutschen verschoben haben, daß wir das Der Steuermann -es „Graf Zeppelin" gestorben. In Friedrichshafen ist der Navigationsoffizier und Ingenieur der Zeppelinwerft Walter Scherz (im Bild) einem langen, schweren Leiden erlegen. Walter Scherz hat sein ganzes Leben der Idee der Lustschifsahrt gewid met. Er war ein bekannter Freiballonführer, der man chen Rekord hinter sich brachte. Die Amerikafahrten des „Z. R. Ill" und des „Graf Zeppelin" hat er am Steuer der Luftriesen milgemacht. Ergebnis keiner Volksabstimmung im Korridor mehr zu befürchten brauchen. Weiter heißt es in der Denkschrift: „Es ist viel klüger, den Deutschen in Danzig die feste Gewißheit bei zubringen, daß Polen in kultureller Beziehung keine „Politik des Abbröckelns" dem Deutschtum gegenüber verfolgt. In dieser Beziehung muß die polnische Politik Danzig gegenüber gewiß anders vorgehen, als dem Deutschtum Pommerellens gegenüber. So wird man einen Keil zwischen die bisher im großen und ganzen noch im geeinter Front Polen gegenüber st ehenden Dan ziger Deutschen treiben können. Das Wichtigste ist eine immer stärkere Abhüngigmachung be deutender Danziger Wirtschaftsgruppen von Polen. Es schadet nichts, wenn die Danziger Firmen durch den pol nischen Handel viel verdienen — sie fühlen sich dann nur immer stärker zu dieser polnischen Geldquelle hin gezogen. Sie werden uns zum mindesten keinen aktiven Widerstand leisten und die Danziger Regierung wird wohl oder übel auf ihre Interessen Rücksicht nehmen müssen." Die Denkschrift schließt mit der Forderung, daß Wirtschaft heute die Politik Polens sei. Die nächste Generation werde nichts anderes kennen, als daß Dan zig nicht mehr zu Deutschland gehöre. Jedes Jahr, das zur Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Osteuropa beitrage, trenne Danziq nachhaltiqer vom Reich und schmiede es fester an Polen. Polens Politik gegen Danzig arbeitet mit den Mitteln der Wirtschaft — das muß jedem polnischen Politiker verständlich gemacht werden. Ein Aufdecken der Karten wäre gleichbedeutend mit der Vernichtung jeder weiteren Aussicht auf Erfolg. Wer die Oberfläche zu durchschauen vermag, der erkennt die gemachten großen Fortschritte und wird mit begründeten Hoff nungen in die Zukunft schauen. Das Utrechter Dokument ist echt. Amsterdam, 28. Febr. Das „Utrechtscht Dagblad" veröffentlichte am Dannerstag den vollen Text des Ge heimabkommens in der Form, wie es dem Blatt ange boten wurde, und zwar in französischem Urtext und holländischer Uebersetzung. Das eine Schriftstück ist vom 20. September 1927 datiert. Es trägt die Aufschrift „Kriegsministerium", darunter „Generalstab, IH. Sek tion, C. B. 17 442 Seer" und die Bemerkung „Streng vertraulich!" Die Ueberschrift lautet: „Die Kon ferenz der französischen und belgischen Eeneralstäbe vom 7. bis 12. Dezember 1927". Hierunter „Protokoll." Das Schriftstück ist von General Debeney im Namen des französischen Generalstabes und von General Galet im Namen des belqischen Generalstabes unter zeichnet. Es trägt ferner den Vermerk: „Gesehen und bewilligt, Krieqsminister C. H. de Brockquville" und die Bestätigung durch General Michem. Dem Schrift stück ist ein Mobilisationsplan beigefügt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 27. Februar 1929. Auf der Tagesordnung stand die Zentrumsinterpcllation über den Bau von drei Nhnnbrücken bei Ludwigshafen, Speyer und Marau. Die Regierung wird gefragt, was sie zur beschleunigten Behebung der unerträglichen Verkehrsmißverhältnisse zu tun gedenke und ob sie erneut nachdrücklich auf die Bot- schasterkonferenz einwirken wolle, daß die Genehmigung zum Bau erteilt wird. Abgeordneter Dr. Frick (Nat.-Soz.) beantragte, da es sich hier im wesentlichen um eine außenpolitische Frage handele, die Herbeirufung des Reichsaußenmini sters. Der Antrag wurde gegen Deutschnationale und Antragsteller abgelehnt. Abgeordneter Hofmann-Ludwigshafen (Zentrum) begründete die Interpellation. Infolge des gesteigerten Verkehrs müsse der Bau der Rheinbrücken beschleunigt werden. Reichsverkehrsminister Dr. Schätzel er klärte in Beantwortung der Interpellation, daß sich die Reichsregierung über das Bedürfnis des Baues der drei Brücken einig sei und die Dordringlichkeit dieser Auf gabe anerkenne. Die erforderlichen Mittel seien bereits seit zwei Jahren in den Haushalt eingesetzt. Die Reichs regierung habe keine Gelegenheit versäumt, um bei der Botschafterkonferenz mit größtem Nachdruck im Sinne einer Genehmigung des Baues vorstellig zu werden. Erst vor einigen Tagen sei wieder ein diplomatischer Schritt unternommen worden. Unfälle, insbesondere Eisen bahnunfälle, die sich aus der weiteren Hinausschiebung des Baues ergäben, müßten der Besatzungsbehörde zur Last fallen. Nach weiterer Aussprache wurde die Interpellation ;ür erledigt erklärt. Das Haus stimmte dann über die von den Kommunisten vorgclegten Mißtrauens- anträge ab. Ter Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung wurde gegen die Stimmen der Deutschnationalen, Natio- nal-Sozialisten, Christlich Nationale Bauernpartei und Kommunisten abgeIehnt; der Mißtrauensantrag gegen den Reichswehrminister Groener gegen die Stimmen der National-Sozialisten und der Kommunisten bei Stimment haltung der Deutschnationalen. Es folgte die zweite Beratung des Zusatzabkommens zum Handelsvertrag mit Südslawien. Abgeordneter Stubbendorf (Dntl.) bezeichnete es als unerhört, daß angesichts der Notlage der Landwirtschaft der Mais- zoll gesenkt werden solle und lehnte das Abkommen ab. Auch die Abgeordneten Ger au er (BVP.) und von Sy bei (Chr.-Nat.-B.-P.) lehnten die Vorlage wegen der dadurch für die Landwirtschaft entstehende Schä digung ab. Abgeordnete Frau Wurm (Soz.) wies darauf hin, daß als Gegengabe eine wesentliche Erleichterung bei der Verzollung von Samt und Plüsch zugestanden wor den sei. Unverständlich sei die Erklärung der Bayrischen Volksparle, da die Maiszollsenkung gerade von der Bay rischen und württembergischen Regierung gewünscht wor den sei. (Hört, hört.) Reichsernährungsminister Dietrich er klärte, der Gedanke der Maiszollsenkung sei gerade aus der Landwirtschaft an die Regierung gekommen. (Hört, hört links.) Die bayrische Regierung habe sich diesen An trag zu eigen gemacht. Nur zwei Prozent der gesamten Maiseinfuhr würden davon betroffen. Der Präsident des Reichsmonopolamtes habe ihm ausdrücklich erklärt, daß auch nicht ein Kilogramm Kartoffeln wegen dieser Zollsenkung weniger verwendet würde. Der Minister be tonte zum Schluß, er könne für sich in Anspruch nehmen, daß er zum mindesten nicht bewußt irgend etwas tue, was die Landwirtschaft schädigen könne. Abgeordneter Tantzen (Dem.) stimmte dem Abkom men zu. Die Futtermittelpreise müßten niedrig gehalten werden, weil 90 Prozent der landwirtschaftlichen Be triebe auf die Einfuhr billiger Futtermittel angewiesen seien. Reichsernährungsminister Dietrich wies darauf hin, daß die erste Maiszollsenkung von dem deutschnationalen Reichsernährungsminister Schiele vorgenommen worden sei. (Hört, hört links.) Das Zusatzabkommen wurde darauf im Hammel sprung mit 205 gegen 112 Stimmen in zweiter Lesung angenommen. Dem Abkommen wurde dann auch in dritter Beratung und in namentlicher Schlußabstimmung mit 250 gegen 135 Stimmen bei drei Stimmenthaltungen zugestimmt. * Sitzung vom 28. Februar 1929? Aus der Tagesordnung stand die zweite Beratung des kommunistischen Gesetzent wurfes zum Schutze für Mutter und Kind. Der bevölkerungspolitische Ausschuß hatte diesen Gesetz entwurf abgelehnt und empfahl eine Entschließung zur Annahme, wonach der Reichstag wirksame Maßnahmen zum Schutze kinderreicher Familien für dringend erfor derlich hält und die Reichsregierung ersucht, die in dem kommunistischen Antrag enthaltenen bevölkerungspoliti schen Forderungen auf ihre gesetzgeberische, verwaltungs technische und finanzielle Durchführbarkeit zu prüfen und entsprechende Gesetzentwürfe vorzubereiten. Abgeordneter Höllein (Komm.) nahm den kom munistischen Gesetzentwurf wieder auf und warf den bür gerlichen Parteien vor, daß sie mit den durch Verspre chungen an die Kinderreichen bei den Wahlen ergaunerten Stimmen jetzt hier politische Geschäfte machten. Die Ausschußcntschließung sei nur eine Phrase. Abgeordnete Frau Lehmann (Dntl.) wies darauf hin, daß auch der Bund der Kinderreichen es abgelehnt habe, sich mit den kommunistischen Vorschlägen zu identi fizieren. An dem Geburtenrückgang sei besonders die zunehmende Religionslosigkeit schuld. Abgeordnete Frau Dr. Hertwig-Bünger (DVP.) bezeichnete die kom munistischen Anträge als finanziell und sachlich untragbar. Abgeordnete Frau Dr. Bäumer (Dem.) erklärte, die von den Kommunisten geforderten sozialen Maßnahmen seien zwar notwendig, in der vorgeschlagenen Form aber undurchführbar. Abgeordnete Frau Juch az (Soz.) betonte die Not wendigkeit, diese Frage ohne Parteileidenschast zu be handeln. Abgeordneter Joos (Z.) verlangte, daß die private Initiative, namentlich die der Kirche und des leben digen Herzens, aufrecht erhalten werde. Die Ausschutzentschließung wurde darauf angenommen. Zur Beratung kam dann ein Antrag des Verkehrs ausschusses, wonach auf die Reichsbahngesellschaft einge- wirkt werden soll, daß die bäuerlichen Siedler, die in Durchführung der vom Reiche finanzierten Siedlungs aktion umgesiedelt werden, bei ihrem Umzug möglichst weitgehende Frachtvergünstigungen erhalten, eventuell durch Bereitstellung besonderer Mittel seitens des Reiches oder der Länder. Abgeordneter Dr. Horlacher (BVP.) beantragte, diesen Antrag an den Ausschuß zurückzuverweisen. Diesem Antrag stimmte das Haus zu, ebenso wurde der Ausschußantrag angenommen. Es folgte die erste Beratung des von der Deutschen Volkspartei eingsbrachten Gesetzentwurfes zur Aenderung der Reichsversassung. Danach soll für einen Mißtrauensantrag gegen die Re gierung oder einen Minister eine Zweidrittelmehrheit des Reichstages notwendig sein. Nur in Verbindung mit der Schlutzabstimmung über den Etat soll eine einfache Mehr- Um die Kommerzialisierung der deutschen Reparattons- schulden. In Paris ist ein zweiter Unterausschuß gebildet wor den, dem die Frage der Kommerzialisierung der deutschen Schuld unterliegt. An seiner Spitze steht der zweite eng lische Delegierte Lord Revelstoke (im Bilde).