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Kurze Mitteilungen. 14 Mai 1928 Der Wiener Komponist Wilhelm Kienzl, bekannt durch seine Oper „Evangelimann" ist heute gestorben. Nobile hat gestern die Absicht geäußert, am heutigen Montag zwischen 2 und 3 Uhr früh erneut auf zusteigen. Ob der geplante Start der „Italia" aber tatsächlich erfolgt ist, war bis 7 Uhr morgens noch nicht bekannt. Reisende erzählen, daß bei Arad und Tövis ein P e r s o n e n z u g auf der Marosbrücke entgleist ist. Zwei Wagen sollen angeblich in den Fluß gestürzt, zahlreiche Passagiere getötet und sehr viele schwer verletzt worden sein. Nach Meldungen aus Hongkong sollen die ch i n e s i s ch e n R ä u b e r, die den italienischen Pater Lator gefangen genommen haben, für dessen Freilassung ein Lösegeld von 20 000 Dollar fordern. Festnahme -es Boxers nu- Ein brechers Dost. 14. Mai 1928 Nach einer Meldung des Leipziger Kriminalamtes konnte in einer dortigen Schankwirtschaft ein 22 Jahre alter Schlosser Dost festgenommen werden, der an grö ßeren Einbrüchen, verübt in der Nacht zum 14. April in ein Juweliergeschäft und in eine Feinkosthandlung, mitbeteiligt war, und wobei Beute im Gesamtwerte von rund 20 000 Mark gemacht worden ist. Hierzu schreibt eine Dresdner Korrespondenz noch folgendes: Im vorerwähnten Falle handelt es sich um den am 28. Oktober 1903 zu Dresden geborenen Schlosser und Gelegenheitsarbeiter Albert Alfons Woldemar Dost, der sich besonders auch als Boxer betätigte, und der wegen einiger Eeschüftseinbrüche in Dresden bereits seit Jahresfrist steckbrieflich gesucht wurde. So war er Hauptbeteiligter eines größeren Nachschlüsseldiebstahls, verübt in der Nacht zum 18. Februar 1927 in der Webergasse, wo unter Mitwirkung von Komplizen 17 Anzüge, 6 Wintermäntel und andere Sachen ge stohlen wurden. In den Nächten zum 21. gleichen Mo nats drangen Dost und seine Genossen in der Wettiner straße in die Räume eines Stoffhändlers, wo sie gleich falls gute Beute erlangten, und am 22. Februar 1927 in ein Dresdner Schneidergeschäft ein. In diesem Falle mußten die Spitzbuben erst über ein Dach klettern, be vor sie unter Zertrümmern der Fensterscheibe Zutritt erlangten. Erbeutet wurden 8 Coupons Stoffe und sehr wertvolle andere Sachen. Die mitbeteiligten Ge nossen und Hehler konnten von der Kriminalpolizei bald gefaßt und zur Verantwortung gezogen werden. Gegen diese wurde bereits am 24. Mai vorigen Jahres vor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden verhandelt. Das Gericht konnte nur eine teilweise Verurteilung eintreten lassen, weil der Haupttüter Dost flüchtig geworden und nicht erlangt werden konnte. Das Verfahren mußte insoweit abgetrennt werden. Wie die jetzt in Leipzig erfolgte Festnahme erkennen läßt hatte Dost das Feld seiner Tätigkeit nach Leipzig verlegt. Von Interesse dürfte wohl sein zu erwähnen, daß dieser bereits solange gesuchte Spitzbube in einem Kellerlokal am Brühl an getroffen wurde, und daß er sich als Boxer glaubte durchschlagen zu können. Den Kriminalbeamten gelang es aber, Dost zu überwältigen und abzuführen'. Von den behördlichen Stellen wird gegenwärtig nachgeprüft, was dieser jetzt unschädlich gemachte Einbrecher alles noch auf dem Kerbholze haben dürfte. Aus aller Mett. 14. Mai 1928 * Tod einer hundertjährigen Berlinerin. Wie ein berliner Blatt berichtete, starb am Sonntag vormittag die älteste Berlinerin, Frau Auguste Richter, im Alter von 100 Jahren und fünf Monaten. Sie war vor über 70 Jahren aus Landsberg nach Berlin gekommen. " Schweres Automobilunglück in St. Pölten in Oesterreich. — Ein Münchner tot und drei schwer ver letzt. Im Laufe des Sonntags ereignete sich eine Reihe schwerer Autounfälle, bei denen mehrere Bayern, die mit einem Auto zu einer Fahnenweihe gekommen waren, schwer verletzt wurden. Der Münchner Fabri kant und Druckereibefitzer Wittmann war in Beglei tung des Kaufmanns Bittermann, des Eisenbahnange stellten Gärtner, des Kaufmanns Zeiler und des Mon teurs Michael Erd vom Fest eines Kapsel-Schützen vereins aus Sierning bei Steyr nach Wien gekommen. Bei St. Pölten geriet das Auto ins Schleudern, ein Rad zerbrach und das Auto überschlug sich. Bittermann blieb auf der Stelle mit einem Schädelgrundbruch tot liegen. Wittmann, Pfeiler und Gärtner erhielten schwere Verletzungen. Der Monteur Erd erlitt nur Hautabschürfungen. Die Verletzten wurden mit Sani tätsautos nach St. Pölten ins Spital gebracht. Bei den übrigen Autounfällen, die sich in und um Wien ereig neten, sind noch ein Toter und mehrere Verletzte zu beklagen. ' i Eisenbahnunglück bei Kauschau. Der Prager Schnellzug, der um 22,44 Uhr in Kauschau eintreffen sollte, ist vor Kauschau entgleist. Die Lokomotive und ! der Postwagen stürzten um, ein Personenwagen wurde zertrümmert, die übrigen Wagen entgleisten zum Teil. ! Die Ursache des Unglücks ist noch nicht aufgeklärt, doch - vermutet man, daß die Entgleisung auf die Morschheit ! der Schwellen zurückzuführen ist. Von den Reisenden ! wurden drei Personen sehr schwer, 18 Personen leichter j verletzt. Tote gab es glücklicherweise nicht. Auf die - Nachricht von dem Unglücksfall wurden von Kaschau - sofort mehrere Hilfszüge nach der Unglücksstelle mit ! Aerzten und Verbandszeug entsandt. Die Verwundeten wurden nach Anlegung von Notverbänden in das Kaschauer Spital gebracht. Von der Kaschauer Eisen bahndirektion begab sich sofort eine Kommission an die Unglücksstelle, um die Untersuchung durchzufllhren. Sämtliche Verletzte sind tschechoslowakische Staatsbürger. Zur „Pressa" im führerlosen Auto. Das abgebildete führerlose Auto, das durch Fern lenkung in Betrieb gesetzt wird, fährt als Propaganda auto für die nunmehr eröffnete „Pressa" durch ganz Deutschland. Im Hintergrund unseres Bildes ist der all bekannte Pressaturm, das Wahrzeichen der großen inter nationalen Ausstellung zu sehen, ebenso ein Teil des i Hauptgebäudes der Ausstellung. * 16 Häuser durch Feuer vernichtet. Das schwedische Landstiidtchen Fjällbäck-By ist am Sonnabend abend von einem furchtbaren Feuer heimgesucht worden, daß 16 Häuser in Asche gelegt hat. Um das Feuer zu be- ' zwingen, mußten Dynamitsprengungen vorgenommen werden. Etwa 50 Menschen haben ihren Besitz verloren. Niesenbrand in Rußland. Wie aus Moskau ge- meldet wird, hat in Sassowo im Gouvernement Rjasan eine große Feuersbrunst gewütet, die durch den Sturm noch begünstigt wurde. Ein Drittel der Stadt ist nie- dergebrannt. Dem Feuer sind 600 Häuser, eine Fabrik, ein Krankenhaus und ein Schulgebäude zum Opfer ge- i fallen. Ueber 250 Personen sind obdachlos geworden. Die Zahl der Todesopfer steht noch nicht fest. Wie der „Montag" aus Moskau meldet, ist die Feuersbrunst durch Heimarbeiter beim Leimkochen verursacht worden. Die Schuldigen sind verhaftet worden. Das Feuer hat über ein Drittel der Stadt vernichtet. ; * Unwetter in Italien. Aus Norditalien wird ein starker Temperaturrllckgang gemeldet, der sich auch ; in Mittel- und Süditalien bemerkbar machte. In Nord italien sind starke Regengüsse und Hagelschläge nieder- gegangen. Aus den Voralpen und den Apenninen kom men Nachrichten über Schneefälle. In Neapel ver ursachte ein Unwetter großen Schaden. Die Feuerwehr mußte verschiedentlich eingreifen. Aehnliche Meldungen kommen aus Paruga. Zyklon über Brasilien — viele Tote. Wie aus Rio de Janeiro gemeldet wird, ging über das Gebiet von Palma und Parana in Brasilien ein schwerer Zy klon nieder. Eine große Anzahl von Häusern ist hin weggerissen worden. Zahlreiche Personen wurden ge tötet und verletzt. Weitere Einzelheiten fehlen noch. " Ein Toter, vier Schwerverletzte bei einem Auto- zusammenstoß in Polen. In der letzten Nacht wurde in der Nähe von Nypin ein Radfahrer von einem in rasendem Tempo fahrenden Auto im Dunkeln über fahren. Der Radfahrer war auf der Stelle tot. Die vier Insassen des Autos, das durch den Zusammenprall ebenfalls verunglückte und fast vollständig zertrümmert wurde, wurden ebenfalls schwer verletzt und mußten ins Krankenhaus nach Rypin überführt werden. Die Schuld an dem Unglück trifft den Chauffeur des Autos, der > völlig betrunken war und keine Warnungssignale ge- ! geben hatte. Ueberschwemmungskatastrophe in Ost-Maze donien. Nach Meldungen aus Athen sind im östlichen Mazedonien 180 Dörfer von den Fluten des Struma- slusses überschwemmt. 5000 Obdachlose fliehen in die größeren Städte. Zahllose Dörfer, die von der Flut noch nicht erfaßt sind, sind von den Bewohnern verlassen worden. Aus -em Gerichtssaal. 14. Mai 19^8 K Verurteilung eines ungetreuen Hausverwalters. Das Gemeinsame Schöffengericht Dresden verurteilte den im Anfänge der vierziger Jahre stehenden geschie denen Zivilingenieur Heinz Frierich wegen fortgesetzter Untreue zu fünf Monaten Gefängnis. Der Angeklagte, dem acht Wochen der erlittenen Untersuchungshaft an gerechnet werden, war früher vorübergehend beim Dresdner Wohnungsamt beschäftigt. Er hatte sich in den letzten Jahren berufsmäßig der Verwaltung von Hausgrundstücken zugewendet. Zeitweise waren ihm bis zu fünfzig und auch noch mehr Grundstücke anver traut worden. Nach der erhobenen Anklage muß er diese Aufgabe recht schlecht erledigt haben. Er will alles in eine einzige Kasse getan haben, was gerade zu er ledigen war. Friedrich war geständig, in der Zeit von Ende Dezember 1927 bis zu seiner Verhaftung rund 3600 Mark vereinnahmte Mieten und Mietzinssteuern nicht abgeliefert und veruntreut zu haben. Das Gericht lehnte es ab, für den Rest der erkannten Strafe eine Bewährungsfrist zuzubilligen. Einmal habe der Ange klagte nicht ausNot gehandelt,dann liege aber auch ein so unerhört grober Vertrauensbruch vor, daß eine der artige Milde hier bestimmt nicht angebracht erscheint. VOM l-Sti7iL. 54 Fortsetzung. Nachdruck verboten Da — Schritte — raschelte es nicht hinter ihr? Kam nicht das Gericht schon, sie zu holen, — sie auf die An klagebank zu schleppen und sie wegen Mordes zum Zucht haus zu verurteilen, vielleicht gar zum Tode? — All- barmherziger, hilf! Nie und nimmer das! Dann lieber gleich sterben. — Sterben, — o mein Gott, wenn man "och so jung ist und das Leben so liebt! — Es schüttelte ae vor Angst und Grauen — noch niemals hatte sie über haupt an den Tod gedacht — denken wollen — aber es blieb ihr keine Wahl — am besten wäre es, hinein in den der ist tief und gibt nichts wieder heraus, was sich 'hm anvertraut — Verzweiflungsooll irrte ihr Blick um- Ni kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, während ihre oahne wie im Fieber aufeinander schlugen. „Hans Det- vu — halt' ich dich lieb — und du bist mein Bruder — aber wer von den Eltern ist es, dem du das Dasein ver- oankst? — Verlangend hab' ich dich angeschaut, und ver engend hab' ich meinen Bruder geküßt —." ,. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte "es auf. . »Gerda — Gerda!" War das nicht Hellmut, der sie ^1, durch den das Unselige an das Licht gekommen war? In llü man sie schon holen? — Sie sprang auf, und hilf- os blickte sie um sich — nein, es gab keinen Ausweg — Men — sie mußte da hinein. — Immer näher kam die — gleich mußte er da sein — ein Schauer durch- rl" sarte Gestalt: es blieb ihr keine andere Wahl, in- m K die Augen, biß die Zähne zusammen und schritt d-n Eiskalt umspülte es die zarten Füßchen in lin '^enen Strümpfen — sie wollte zurück; doch der sump- »e Boden hielt sie fest; sie sank immer tiefer: — sie wollte schreien, doch kam kein Laut über die bleichen Lip pen — wie im Krampf waren sie zusammengepreßt — noch einige Sekunden, und es war alles vorüber: nur ein paar immer größer werdende Kreise im Wasser zeigten die Stelle an, wo Gerda versunken war sonst war alles still und bewegungslos wie zuvor. Eine Minute später stand Hellmut am Ufer und spähte an dem Ufer entlang: nichts von Gerda war zu sehen. Da trat er auf etwas — er bückte sich und hob den Gegen stand auf: es war ein Schildpattkamm, den sie im Haar zu tragen pflegte, — also hier mußte sie geweilt haben — wo aber war sie jetzt? Da sah er auf dem Wasser eine Schleife treiben — dieselbe war es, die er vorhin noch an ihrer Brust gesehen — und da schnürte ihm eine Angst plötzlich die Kehle zu, und die Gewißheit ließ ihn erbeben daß Gerda hier ihr Ende gesucht und gefunden hätte. Und er trug die Schuld daran: mit seinen Worten hatte er sie in den Tod getrieben! Konnte er seines Le bens wieder froh werden? O, über das unselige Geheim nis, das er nicht besser gehütet hatte, so daß es wohl den Tod zweier Menschen verschuldete! Und wie mochte das Ende sein? Hellmut gab die weiteren Nachforschungen auf und kehrte eilig in das Haus zurück, den alten Voß zu suchen. Dieser kam ihm schon entgegen und teilte ihm flüsternd mit, daß der Arzt eben gekommen sei und der Herr Baron sich mit ihm beim Kranken befinde. Hellmut teilte dem Alten seine Befürchtungen betreffs Gerda mit, und beide machten sich auf den Weg nach dem See, diesem, wenn möglich, sein Opfer zu entreißen. X. Eine Stunde später lag Gerda aufgebahrt in der Stube des alten Voß. Er hatte alles Ueberflüssige herausge räumt, ein frisches, weißes Tuch über sein Bett gebreitet und darauf „das liebe Varoneßchen" gelegt, wobei eine Träne nach der andern über seine runzeligen Wangen rollte Das Wasser lies aus Gerdas dunkien Haaren, aus ihren Kleidern, die eng den jungen Körper umschlossen, aus dem jede Spur von Leben geschwunden war Hellmut stand vor ihr, von Schmerz geschüttelt Da lag sie vor ihm, kalt und tot, die das Glück seines Lebens hatte werden sollen! Er konnte es noch nicht fassen, immer wieder griff er nach der Stirn — es war grauenvolle Wirklichkeit. Der alte Voß stieß ihn leise an. „Wollen der Herr Leutnant es nicht dem Herrn Baron jagen, daß das gnädige Fräulein verunglückt ist? Es ist auch kein Wunder, daß man bei solchem Nebel geradewegs in den verfluchten See rennen muß." Hellmut sah den Alten gerührt an. Wie taktvoll er über das Geschehene hinwegging, es als „Unglück" hin stellte: wortlos drückte er ihm die Hand und schickte sich an, den Eltern Gerdas Mitteilung zu machen. So schwer es ihm auch wurde, er konnte sich dieser traurigen Pflicht nicht entziehen. Man hatte die Leiche fchon deshalb nicht in das Herrenhaus geschafft, um die unglücklichen Eltern nicht zu sehr zu erschrecken; schonend mußten diese auf das trau rige Ende ihres Lieblings vorbereitet werden; gleichzeitig sollte auch unnötiges Aufsehen vermieden werden Hellmut fand den Varon im Eßzimmer am Fenster stehen, das Gesicht gegen die Scheiben gepreßt. Zögernd blieb er an der Tür und räusperte sich, da der andere sich nicht umwandte. „Onkel —" sagte er leise. „Was gibt's?" gab der kurz und gedrückt zurück. Der junge Offizier hatte nicht den Mut, etwas zu sagen, deshalb fragte er —?" „Wie geht's Krafft? — lebt er —?" „Noch lebt er — der Arzt sitzt drinnen bei ihm — ' kann weiter nichts dabei tun," entgegnete der Baron. „Wenn nicht ein Wunder geschieht, ist er verloren! Doch inständig hoffe ich, daß Kraffts gute Natur siegt, da mit ich nicht erleben muß, daß mein einzig Kind zur Mör derin geworden ist — wie könnte Gerda überhaupt darüber hinwegkommen — keine frohe Stunde mehr könnte sie im Leben haben. Junge, diese letzte Stunde hat mich zum alten Mann gemacht!" Aus seiner Stimme klang der ganze Schmerz seines Innern; wie gebrochen stand er da — und noch wußte, ahnte er überhaupt nicht einmal das schwerste, das ibm bevorstand! (Fortsetzung folgt.)