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Kurze Mitteilungen. 7. März 1928 Nach der letzten Ausgabe des Reichsarbeitsmarktan zeigers dauert die Still st andsperiode auf dem Arbeitsmarkt an. In der Gesamtheit ist die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger jedoch weiter zurückgegangen. Die gestrige Ankündigung des Reichswirtschaftsmini sters über eine beabsichtigte Kündigung des deutsch- englischen Handelsvertrages hat in London großes Interesse hervorgerufen. Der russische Außenkommissar Litwinow wird am 14. März zu der am 15. März beginnenden Tagung der Abrüstungskommission in Genf erwartet. Bei dem Eisenbahnunglück auf der Sta tion Jeddingen wurde eine Person getötet und zwei schwer sowie 19 leicht verletzt. Die Polemik in England wegen der Veröffent lichung des Sinowjew-Briefes nimmt großen ' Umfang an. In einer Wahlrede verlangte Macdonald eine eingehende Untersuchung dieser Angelegenheit. Vom englischen Landwirtschaftsministerium ist eine Gesetzesvorlage über Regierungshilfe für die britische Landwirtschaft fertiggestellt worden. Nach einer französischen Agenturmeldung aus Mexiko City sollen dort- neuerdings zahlreiche Katholikenverhaftungen stattfinden. Das Ergebnis der Füns-Mächte-Konserenz. 7. März 1928 Einsetzung eines besonderen Ratskomitees. Gestern nachmittag gegen 1/28 Uhr sand die Be sprechung der fünf Großmächte statt. An der Unter redung nahmen Chamberlain, Briand, Stresemann, Scia- loja und Adatschi teil. Die Besprechung dauerte etwa zwei Stunden. Auch Staatssekretär v. Schubert, der Generalsekretär Berthelot, und der englische Unterstaats sekretär Lindsay nahmen daran teil. Ueber das Er gebnis der Beratungen ist kein Kommunique veröffentlicht worden, dagegen wird folgendes mitgeteilt: Die fünf Großmächte sind übereingekommen, gegen Ungarn lein offizielles Investi- gationsverfahren einzuleiten, dagegen soll in der heutigen geheimen Ratssitzung ein besonderes Rats lom itee unter dem Vorsitz des holländischen Außen ministers Bloolland eingesetzt werden, das aus un parteiischen Ratsmitgliedern besteht und das dem Völker- bundsrat noch in einer der nächsten Sitzungen einen Vor schlag für die Untersuchung und Behandlung der In vestigationsaffäre gegen Ungarn oorlegen soll. Man nimmt allgemein an, daß das Ratskomitee dem Völker bundsrat die Entsendung einer Enquetekom mission zur Untersuchung des Szent-Eoithard-Zwi- schenfalles an Ort und Stelle vorgeschlagen wird. Ueber den ungarisch-rumänischen Optan ten st reit konnte ein abschließendes Ergebnis noch nicht erzielt werden. Zur polnisch-litauischen Frage und zu den amerikanischen Schiedspaktvorschlägen wurde noch nicht Stellung genommen. Aus aller Wett. 7 März 1928 Schwerer Eisenbahnzusammenstoß. Gestern nach mittag fuhr der Eüterzug 7692 im Bahnhof Jeddigen aus der Strecke Uelzen—Langwedel auf den Personen zug 467 auf. Durch den Zusammenstoß wurde eine Person getötet und mehrere verletzt. Zwei Aerzte waren bald an der Unglücksstelle, desgleichen die Saui- tätskolonne von Rothenburg. Die Strecke Uelzen- Langwedel ist bis Mittwoch morgen gesperrt. Der Betrieb wird durch Umsteigen aufrecht erhalten. Wahr scheinlich hat der Eüterzug 7602 das auf Halt stehende Einfahrtssignal überfahren. - Der ehemalige deutsche Kronprinz in Italien. Wje Havas aus Rom meldet, befindet sich der frühere deutsche Kronprinz incognito in Torre-Annunciata bei Neapel, wo er einen Monat zu verbleiben gedenkt. * Amanullah verläßt Deutschland. Der König von Afghanistan wird morgen um 15,30 Uhr Berlin verlassen, nachdem er sich vorher vom Reichspräsidenten von Hindenburg verabschiedet haben wird. Er begiebt sich zunächst nach Essen, wo er am 8. d. M. noch einige größere Jndustriewerke besichtigen wird. Hiernach wird er sich über Paris nach England begeben, wo er für den 11. d. M. erwartet wird. Der König wird bis zur Grenze von Geheimrat v. Richthofen begleitet werden. " Vom Zuge erfaßt. Als am Montag abend ein Schrankenwärter an einem Bahnübergang zwischen Oppenheim und Nierstein damit beschäftigt war die Schranken zu schließen, fuhr ein Kleinauto, das mit zwei Personen besetzt war, noch unter der Schranke durch.wurde aber im gleichen Augenblick von dem heranbrausenden D-Zug 162 erfaßt. Die beiden In sassen, darunter ein Stadtverordneter aus Oppenheim, wurden getötet. * Heins Aburteilung in Coburg. Neben den zahl reichen thüringer Straftaten des Mörders Hein wird nach der jetzt vorliegenden Entscheidung der sächsischen Regierung auch die Mordtat Heins in Plauen vor dem Coburger Schwurgericht verhandelt. Ueber die Ver weisung des Ohligser Postraubs liegt hier von Preußen noch keine Entscheidung vor. " Ein Lehrer ermordet. In St. Ruffine bei Metz wurde der 56 Jahre alte Lehrer und Eemeinde- schreiber Osbild in der Nacht von BanditeU in seiner Wohnung überfallen und durch Beilhiebe getötet. Die Tat wurde erst entdeckt, als die Schule am nächsten morgen nicht geöffnet wurde. * Der Distanzflug Thun—Casablanca—Bern mit einem Leichtflugzeug beendet. Der Schweizer Haupt mann Wirth hat seinen Distanzflug Thun—Casablanca —Bern, den er mit einem Klemm-Daimler-Leichtflug- zeug L 20, das mit einem 20 PS. Mercedesmotor aus gerüstet war, durchfllhrte, glatt beendet. Der Distanz flug, der über rund 6000 Kilometer führte, wurde bei zum Teil schwierigem Wetter in 65 Flugstunden er ledigt. '' Zur Grippe-Epidemie in Japan. — Ueber 8009 Erkrankungen. Die japanische Regierung veröffentlicht ein Kommunique über die Influenza, wonach die Krankheit von den Philippinen nach Japan einge schleppt wurde. Die Lehranstalten sollen für zwei Wochen geschlossen werden. Für die nach Japan ein reisenden Ausländer wird eine Quarantäne einge richtet. In Osaka, Tokio und Kioto sind nach amtlichen Angaben bereits über 8000 Erkrankungen festgestellt worden. Der Kriegsminister, Beamte des Außenmini steriums und der chinesische Geschäftsträger in Tokio sind ebenfalls an der Grippe erkrankt. " Schwere Explosion auf Java. Durch die Explo sion einer Feuerwerkskörperfabrik in Koedoes östlich von Semarang wurden einer Meldung aus Java zu folge etwa 100 Häuser zerstört und sonstiger großer Schaden angerichtet. Lohnbewegungen und Streiks. Tarifkündigungen und Lohnforderungen auch bei Berliner Verkehrsbetrieben. Wie die Arbeiter der städti schen Werke, haben jetzt auch die Arbeitnehmer der drei Berliner Verkehrsbetriebe, der Hochbahn, der Straßen bahn und der Aboag beschlossen, die Lohntarife zum 31. März zu kündigen, so daß es auch für die Berliner Verkehrsunternehmungen erneut Lohnkämpfe geben wird. Die Funktionäre des Verkehrspersonals haben ihre Or ganisationen beauftragt, für den neuen Abschluß der Tarife eine Erhöhung der bisherigen Bezüge um 15 Pf. für die Stunde einzureichen. Verhandlungen sind be reits für Freitag einberusen worden, und zwar für die Hoch- und Untergrundbahngesellschaft, während bei der Aboag am Montag nächster Woche über die eingereichten Forderungen verhandelt werden soll. Für die Straßen bahn ist noch kein Verhandlungstermin festgesetzt worden. Die Lohnbewegung bei den Berliner Verkehrsbetrieben umfaßt etwa 21000 Arbeitnehmer, so daß mit den Ee- meindearbeitern der Stadt Berlin zusammen 65 000 Ar beiter und Arbeiterinnen am Ende dieses Monats in einer Lohnbewegung stehen werden. Die fünf Berliner Großbetriebe im Metallkonflikt stillgelegt. Mit dem gestrigen Schichtschluß sind auch die bisher im Siemenskonzern und bei der Bergmann A. E. noch arbeitenden Abteilungen stillgelegt worden, da das Fehlen der Arbeit der Werkzeugmacher eine längere Auf rechterhaltung der Abteilungen unmöglich machte. Aus dem gleichen Grunde haben auch die deutschen Tele phonwerke und die Lorenz A. G. nach Beendigung der gestrigen Schicht ihre Arbeiter entlassen. Die Arbeit ruht jetzt in allen fünf Betrieben des Verbandes Ber liner Metallindustrieller, die von dem Streik der Werk zeugmacher betroffen waren. Die weitere Entwicklung des Konflikts wird von den am Mittwoch beginnenden Verhandlungen abhängen. Versammlungen un- Kongresse. Die 3. große Wiedersehensfeier der ehemaligen 351er findet vom 23. bis 25. Juni 1928 in Dresden statt. Nähere Auskunft durch den Landesverband ehem. 351er, Dresden-A., Reitbahnstraße 2. Die Krisis im saarländischen Kohlenbergbau. Viertausend Bergarbeiter entlassen. Der saarländische Kohlenbergbau macht augenblicklich ein- schwere Krisis durch. Trotz aller Vorstellungen der Gewerkschaf ten hat die französische Eruben-verwaltung 4000 Bergarbeiter entlassen, und zwar ohne Rücksicht auf Dienstalter oder Familie, so daß Bergleute mit mehr als LOjähriger Dienstzeit und mehr fache Familienväter brotlos geworden sind. Da diese Berg ¬ arbeiter anderwärts nicht unterkommen können, Huben sich die " deutschen politischen Parteien des Saargebietes an das Verkehrs ministerium, das Auswärtige Amt und an die Deutsche Reichs bahn gewandt, da eine Behebung der Notlage nur durch ver stärkte Abnahme von Saarkohle-n möglich ist. > Unser Bild zeigt eine typische Grube des Saargebietes und zwar die Grube Quierschied zwischen Neunkirchen und Saar brücken. LeiUEvnL'W l-Omusn VOM l-Lstios. 29. Fortsetzung. Nachdruck verboten Wenn sie ihm ihre Zuneigung, ihr Vertrauen schenkte, dann mußte es auch für das Leben sein Er hatte ja be gründete Hoffnung, daß sie ihm gut war, aus jo vielen Blicken hatte er das gemerkt Und sie war ihm auch nW mehr gleichgültig: dennoch beherrschte er sich, damit er nicht in Konflikt mit seinen Anschauungen kam Denn bis jetzt hatte er noch stets die Schranke gesehen, die ihn den einfachen, bürgerlichen Inspektor, von der Tochtei seines Brotherrn trennte Und niemals würde er seine Augen zu ihr erhoben haben, wenn sie ihm nicht selbst dazn den Mut gegeben! — Würde sie aber in wenigen Monaten noch so wie jetzt denken? Bei ihr mußte man ja auf alles gefaßt sein. „Salome" kam ihm in den Sinn. So ungefähr wie Gerda war, dachte er sich jenes kalte, grausame Fürsten kind mit den großen und doch so gefährlichen Kinderaugen, in denen es so seltsam funkelte und sprühte, mit dem sinn verwirrenden Lächeln, wenn es galt, etwas zu erreichen Und war es Gerdas Ernst, daß sie ihn liebte, so war es auch nicht unmöglich für sie, es bei ihren Eltern durch zusetzen, den Mann ihrer Wahl auch zu heiraten Mit der Baronin würde es allerdings einen schweren Stand geben sie war sehr hochmütig, und für sie fingen die Menschen erst beim Adel an, während der Varon ganz anders als seine Frau dachte. Er lag auf seinem Diwan in >emem Zimmer, das rechl behaglich eingerichtet war, während alle diese Gedanken, die ihm die Halde Stunde Mittagsruhe, die er sich gönnte, raubten, durch seinen Kopf gingen Plötzlich lachte er laut auf, wie über sich selbst. „Hans Detlev, wohin verirren sich deine Gedanken? Ich glaube gar, du phantasierst am Hellen Tage — lasse dich nicht auslachen über solche Lust schlösset:; behalte deinen klaren Kops, der dir bis jetzt im mer das Rechte gezeigt hat! — Unsinn, nach Unmöglichem zu streben — immer hübsch au! ber Erde bleiben " Krafft sprang auf. Wasen tonnte er nicht mehr, des halb machte er sich zum Ausgehen zurecht Er hatte im Dorfe beim Schmied etwas zu tun, das konnte er jetzt gleich schon erledigen und brauchte nicht bis zum Abend zu warten, wie er ursprünglich gewollt. V1. Gemächlich schlenderte Gerda zu früher Nachmittags stunde nach dem Dorfe. Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel aus die staubige Landstraße, die zu beiden Seiten mit Obstbäumen bepflanzt war. In deren Schatten wanderte das junge Mädchen gehorsam ihrem Ziele zu, ohne den Waldweg gewählt zu haben, der jo ver lockend in seiner Kühle winkte Plötzlich stutzte sie: war das nicht Krafft, der ihr da entgegen kam? Was hatte er im Dorfe zu suchen gehabt? „Wo kommen Sie denn her, Herr Krafft?" fragte sie ihn, als er mit höflichem Gruße stehen blieb. „Aus dem Dorfe, Baronesse!" „Was hatten Sie denn dort zu tun?" „Hat das Interesse für Sie, Baronesse?" Ein Lächeln, das sein sonst ernstes Gesicht erhellte, flog um seinen Mund „Ah, ich weiß, Sie haben der schönen Katharine Fenster Promenaden gemacht," sagte sie spöttisch. „Ich bin gar nicht bis zum Gehöft des Herrn von Buchwaldt gekommen," entgegnete er ruhig. „Nun, dann will ich Ihnen jagen, was Ihre Absichi war, Herr Inspektor! Sie wollten mich kontrollieren, ob ich Ihnen gehorsam bin! — Ah, ich habe recht, ich setze es Ihnen an, leugnen Sie doch, wenn Sie es können!" „Das beabsichtige ich ja gar nicht," entgegnete er ge mütlich „Ich war beim Schmied und richtete es jo ein, daß ich Sie lehen mußte, wenn Sie diesen Weg gewählt hätten Nun bin ich beruhigt!" Gerda tat böse. „Sie behandeln mich wirtlich, als ob ich ein kleines Kind sei! Aber das bin ich nicht, merken Sie sich das, Herr KrafftI Ich lasse mir von niemand Vorschrif ten machen — auch von Ihnen nicht! Adieu!" Sie neigte hochmütig das Köpfchen und ging weiter. Nach einigen Schritten konnte sie es sich nicht ve^scgen, sich umzusehen — da stand er noch auf derselben Stelle und blickte ihr nach: als ihre Augenpaare sich jetzt trafen, schwenkte er grüßend den Hut. Er lächelte vor sich hin. „Warte, du kleiner Trotzkopf! Wir werden ja sehen!" Entzückend sah sie wieder aus mit dem großen Floren tiner Hut, der reich mit glühendem, rotem Mohn garniert war und der so gut zu ihrem dunklen Haar paßte. Katharine freute sich sehr, als Gerda kam. „Das ist lieb von dir, mich aufzujuchen!" „Ich halte dich doch aoer nicht auf, Käthe?" „Nein, im Gegenteil, ich freue mich jo über deinen lie ben Besuch, daß du bei der großen Hitze den Weg zu mir gesunden hast! Heute bin ich vollständig an das Haus gefesselt, da Mütterchen nicht ganz wohl ist. Sie ist des halb gleich im Bett geblieben: jetzt schläft sie! Da können wir gleich in den Garten gehen." Plaudernd saßen die jungen Mädchen zusammen, Ka tharine mit der Handarbeit beschäftigt. „Du erlaubst doch? Ich möchte gern fertig werden!" bat sie. „Aber bitte, Käthe! Du bist doch immer fleißig - neben dir komme ich mir so unnütz vor," jagte Gerda, sich aber doch behaglich wie ein faules Kätzchen in dem be quemen Triumpfstuhl dehnend. „Meinst du, Gerda?" lächelte Käthe nachsichtig, „du hast eben nichts zu tun, bist ein kleines, verwöhntes Prin- zeßchen!" „So etwas Aehnliches ließ Krafft, du weißt, unser neuer Inspektor, neulich auch einmal durchblicken." Bei Nennung dieses Namens wurde Katharine rot und lenkte den blonden Kopf tiefer auf die Arbeit. Gerda merkte dies wohl und sprach weiter: „Er be gegnete mir vorhin; er kam vom Dorfe, vom Schmied, wie er sagte Vorher hatte ich ihn gefragt, ob ich dich grüßen tollte, — er wußte aber nicht, ob dir dies angenehm sei." (Fortsetzung folgt.)