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Deutsches Reich Hindenburg im Rheinland. Reichspräsident von Hindenburg reiste in Begleitung des Staatssekretärs Dr. Meißner und des Adjutanten Rittmeisters von der Schulenburg ins Rheinland, um der Städten Aachen und Trier den Besuch abzustatten, der seinerzeit abgesagt werden mußte. Der Reichspräsiden! trifft Freitag früh in Aachen ein, wo er am Bahnhof vom Regierungspräsidenten, vom Oberbürgermeister, vom Polizeipräsidenten und vom Finanzamtspräsidenter empfangen wird. Dort erwartet ihn auch der Oberpräsi dent der Rheinprovinz Dr. Fuchs, der an beiden Tagen den Reichspräsidenten auf seinen Besuchen in Aachen und Trier begleiten wird. Das Programm der Rundreise ist schon bekannt. Von Wengerohr tritt der Reichspräsident am Sonnabend die Rückreise nach Berlin an. Christliche Gewerkschaften und Regierungsprogramm. Der Hauptvorstand des Gesamtverbandes der Christ lichen Gewerkschaften Deutschlands hielt in Königswinter eine Sitzung ab, in der er sich mit dem Programm der Reichsregierung beschäftigte. In dem Programm sehen die Christlichen Gewerkschaften einen ernsten Versuch, in Staat und Wirtschaft wieder zu gesünderen Verhältnissen zu kommen. Zu einigen Punkten des Programms und seiner Begründung durch die Reichsregierung haben die Christlichen Gewerkschaften besonders nach der sozial politischen Seite hin ernste Bedenken. Sie werden ihre Stellungnahme der Reichsregierung in einem besonderen Schreiben mitteilen. Bayerns Regierungskrise. Die Sozialdemokraten haben sich mit der politischen Lage in Bayern befaßt. Es wurde beschlossen, den an sie seinerzeit ergangenen Auftrag, die Bildung einer neuen Regierung in die Wege zu leiten, angesichts der Unmög lichkeit, eine Mehrheit für die Wah! eines Ministerpräsi denten zu erreichen, zurückzugeben. — In seiner letzten Sitzung bezeichnet der Landesvorstand des Bayerischen Bauern- und Mittclstandsbundes dieOrdnung der Staats finanzen und die Abgleichung des Haushalts als vor dringlichste Aufgabe, an der er nach wie vor mitarbette. Der Bauernbund sieht eine Möglichkeit der Sanierung der Staatsfinanzcn nur in der Verminderung der Staats ausgaben und in der Vereinfachung der inneren Ver waltung. Italien. Zur Flottcnglcichheit mit Frankreich. Der Große Faschistische Rat nahm eine Entschließung an, in der die Außenpolitik voll und ganz gebilligt wird. Hinsichtlich der Wichligen Frage der Flottengleichheit mit Frankreich werden die früheren Beschlüsse bekräftigt, wo nach Italien keine Verträge annehmen könne, die nicht auf dem Grundsatz der Gleichheit aufgebaut seien Ferner hat der Rat die Schaffung faschistischer Jugendstoßtrupps be schlossen, die die männliche Jugend vom 18. bis zum 21. Lebensjahr umfassen sollen. Die hierbei vorgesehene Zu lassung aller Jünglinge, die nicht durch die faschistischen Jugendverbände gegangen sind, bedeutet eine wesentliche Milderung der bisherigen Bestimmungen. Österreich. Wiedereinführung der Zeitungszensur. Zum erstenmal seit Kriegsende erscheinen die „Neue Freie Presse" und andere bürgerliche Zeitungen mit großen weißen Flächen. Es handelt sich um eine zweite Ausgabe dieser Blätter. Die ersten Ausgaben der „Neuen Freien Presse", des „Neuen Wiener Tagblatts" und des „Neuen Wiener Extrablatts" wurden beschlagnahmt, weit sie Enthüllungen der Landbundkorrespondenz über die Tätigkeit des Majors Pabst, so Angaben über Geheim verhandlungen des Rechtsradikalismus mit der italieni schen Regierung zwecks Störung der österreichischen An leihe und über separatistische Plane, enthielten. Aus In- und Ausland Berlin. Die Verbandslettung des Nattonalverbandes Deutscher Offiziere Hal zugunsten der i n Leipzig ver urteilten Reichswehrossiziere den Reichspräsi denten in einer Eingabe gebeten, von seinem Begnadigungs recht Gebrauch zu machen Auch der Bund Deutscher Offiziere hat eine gleiche Eingabe an den Reichspräsidenten gerichtet. Breslau. Im Verlaufe einer politischen Auseinander setzung wurde in Hindenburg ein 26jährtger Arbeiter, der der Kommunistischen Partei angehört, von einem Stahlhelmmann mit einem Küchenmesser durch einen Stich tödlich verletzt. Birkenfeld. Unter dem Verdacht der Spionage zu gunsten einer fremden Macht wurden vor kurzem der frühere Regierungsbeamte Bleicker und sein Sohn verhaftet. Nun mehr ist eine dritte Verhaftung erfolgt Der Assistent bei Birkenfelder Landesregierung Pabst ist sestgenommen worden Königsberg. In der Stadtverordnetenversammlung wurde Oberbürgermeister Dr. Dr. e. h. Lohmeyer auf zwölf Jahre zum Oberbürgermeister der Stadt Königsberg wiedergewählt München. Der Völkische Beobachter teilt mit. daß der nationalsozialistische Mißtrauensantrag gegen di« Regierung Brüning bereits vorliege Die MMdiguiWN für preußische Abgeordnete. Was die Ausschußsitzungen kosten. In den letzten Tagen beschäftigte sich der Hauptausschuß des Preußischen Landtages mit der Frage einer anderweitigen Regelung der Aufwandsentschädigungen für die Abgeordneten. Anteressanl dabei war eine vom Berichterstatter Abgeordneten Leineri gegebene Darstellung der Entwicklung der Aufwands- .'ntschädigungen. Nach seinen Angaben sind neben den gesetz- ichen Aufwandsentschädigungen für des andere Ausschuß- sttzungen gezahlt worden: 1924 94000 Mark, 1925 145000 Mark, 1926 95 000 Mark. 1927 145 000 Mark, 1928 71 000 Mark, 1929 150 000 Mark. Der Berichterstatter wies daraus hin, daß es sich in der Landesversammimm gezeigt habe, daß gerade Ausschutzsitzungen ohne besondere Bezahlung nicht durchgesührl werden könnten. Im übrigen sei die Frage un Anschluß an sie Bestimmungen im Reichstag geregelt worden Da in dem neuen Programm der Retchsregierung eine Kürzung der Ab- geordnetendiäten um 20 Prozent vom 1. April 1931 ab vor gesehen sei, sei zu erwägen, ob man nicht zunächst abwarten wolle, bis der Reichstag die Frage entschieden habe Es lagen Anträge vor, die Diäten in wesentlicher Weise zu kürzen. Man einigte sich schließlich darauf, die Verschiebung der Beratung vorzuschlagen, bis das Plenum des Landtages sämtliche Diätenanttäge dem Ausschuß zur Erledigung »ver wiesen habe, um dann die Diätenfrage im ganzen einer Re form unterziehen zu können. GOA. gegen GehaZiskürzung. Die behördlichen Angestellten protestieren. Der Ausschuß der Reichsfachgruppe Behörden und öffent lich-rechtliche Betriebe im Gewerkschastsvund der Angestellten erhebt in einer Entschließung Einspruch gegen die von der Reichsregierung angeordnete Maßnahme, sämtlichen Behörden angestellten zu kündigen, um Einzelverträge abzuschlicßen, in denen die Vergütung um 6 Prozent gekürzt werden soll. Der Einspruch wird u. a. damit begründet, daß der Be- hördenangcstellte in Deutschland der schlechtest bezahlte Ange stellte sei. Admiral von Capelle der frühere Staatssekretär des Reichsmarineamts, wurde am 10. Oktober 75 Jahre alt Er wurde der Nachfolger des Großadmirals von Tirpitz, als dieser im Marz 1916 wegen der U-Boot-Frage von der Leitung des Reichsmarineamts zurücktrat. In dieser Eigenschaft erhob er im Oktober 1917 vor dem Reichstage Anklage gegen du Führer der U. S. P. D. wegen Revolutionierung der Flotte Ein Jahr später schied er wegen der gegen das Reichsmartneamt er hobenen Vorwürfe^ den U-Boot-Krieg bautcchnisch nicht genügend vorbereitet zu haben, aus seinem Amte. Protestantismus und Poüük. Seine Stellung zur Parteipolitik. Die vierte Gesamttagung des Internationaler Verbandes zur Verteidigung und Förde rung des Protestantismus brachte den Tätig keitsbericht, aus dem ein erfreuliches Anwachsen des Ver bandes hervorgeht: 48 Gruppen aus 23 Ländern gehören zu ihm. Es wurde u. a. folgender Beschluß gefaßt: „Die Entwicklung des öffentlichen Lebens zeig! mit steigender Notwendigkeit, daß der evangelische Christ dem Gebiet« der Politik nicht im Sinne der Parteipolitik, sondern im höheren der ethischen Grundlagen des Staats lebens nicht gleichgültig gegenüberstehen darf: daß also dem Erbe der Väter, dem Evangelium der Reformation auf diesem Gebiete sein Recht gewahrt bleiben soll. Di« vierte Gesamttagung des Internationalen Verbandes be auftragt den Verbandsborstand, unverzüglich praktische Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Zieles in die Wege zu leiten." Die LleHervösterung Berlins. Debatte im Hauptausschuß des Preußischen Landtags. Berlin, 10. Oktober. Im Hauptausschuß des Preußischen Landtags wurde ein deutschnationaler Antrag gegen die Antragsteller, die Wirtschaftspartei und die Christlich-Nationale Bauern partei, abgelehnt, der die Vorlegung eines Reichsgesetzes zum Ziele hat, durch das die Freizügigkeit des Artikels 3 der Reichsverfassung im Sinne einer Verhinderung der Übervölkerung Berlins und der Entvölkerung des Landes auf eine gewisse Zeit eingeschränkt wird. Dem Antrag wurde entgegengehalten, daß das verfassungsmäßig ga rantierte Recht auf Freizügigkeit nicht eingeschränkt werden dürfe. Neues aus aller Weit Der Vizepräsident des Deutschen Tourenklubs töd lich verunglückt. Bei Echterdingen ist der Vizepräsident )es Deutschen Tourenklubs, Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Blaich-Stuttgart, mit seinem Auto tödlich verunglückt. Dr. Blaich war auch der Führer der Landesgruppe Württem- serg-Südbaden des Deutschen Tourenklubs. Ein Berliner Polizcibeamter erstochen. Eine schwere gluttat spielte sich in Brandenburg a. d. Havel ab. Der golizeiwachtmeister Schmerze und der Hauptwachtmeister Winkelmann von der Polizeiinspektion Berlin-Neukölln wurden von einem Fleischer, mit dem sie wegen eines Mädchens in Streit geraten waren, niedergestochen. Schmerze trug so schwere Wunden davon, daß er bald darauf starb. Die Oberammergauer Maria Magdalena heiratet. Hansi Preisinger, die Darstellerin der Maria Magdalena öei den Oberammergauer Passionsspielen, wurde in München mit dem Dr.-Jng. Otto Kirschner, dem Leiter ves Münchener Forschungsinstituts für Wasserbau und Wasserkraft der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, getraut. Die Braut ist 24 Jahre alt. Dr. Kirschner, der 32 Jahre alt ist, hat kürzlich einen Nnf als ordentlicher Professor an sie Technische Hochschule in Dresden angenommen. Oskar von Miller, der Leiter des Deutschen Museums, wohnte der Trauung bei. Verschiebung von Piccards „Ltratvsphärenflug". ?ie beiden Assistenten des Professors Piccard, der von Augsburg aus in die Stratosphäre fliegen wollte, haben beschlossen, nach Brüssel zurückzukehren. Piccard selbst bleibt vorläufig noch in Augsburg, wird aber wahrschein lich auch bald abreisen. Der so großartig angekündigte Ballonaufstieg ist verschoben worden und soll, wie es heißt, erst „nach Eintritt einer besseren Wetterlage" erfolgen. Die ganze Sache erinnert immer mehr an den seinerzeit ebenso laut angekündigten Flug von Prof. Oberths „Weltraum rakete", auf den man auch noch wartet. Grostfeuer in Hannover. In der Lumpenfabrik Barksen in der Strangriede in Hannover brach ein Feuer aus, das in kurzer Zeit eine riesige Ausdehnung annahm und auch das angrenzende Eisenwerk Pruß ergriff. Das Rohproduktenlager der Barisenschen Fabrik wurde voll kommen vernichtet: das Eisenwerk und mehrere Wohn häuser sind schwer mitgenommen worden. Mehrere Woh- „Guten Tag, schöne Lady!" sagte der Kerl mit breiter Dreistigkeit. Gemeine Vertraulichkeit lag in seinem grüßen den Kopfnicken. „Wohin des Wegs? Sitzen Sie doch ein wenig ab! Ich war eben dabei, Reisig zusammenzutragen, um abzukochen Lade Sie ein. Möchte Sie auch dies und jenes fragen. Sie sind aus der Gegend?" Er kam aus sie zu. Helene, noch immer stumm vor Schreck, blickte starr auf ihn hin. Alles, was sie in Zeitungen über diesen rohesten Tvv des verwegenen Goldsuchers und deren Schand taten gelesen batte, ballte sich jetzt zu schreiendem Warnen. Wie viele Verbrechen blieben im unbewohnten Grenzland ungesühnt! Sie wollte fliehen. Doch das Pferd zeigte sich störrisch. Es ging weder vor noch zurück. Der Tramp er spähte seinen Vorteil Er kam näher. „Nur keine Furcht," sagte er, „ich tu' Ihnen nichts. Er sprach dem Pferd besänftigend zu mit Ausdrücken, die erkennen ließen, daß er dem Stall nicht fern stand. „Was wollen Sie von mir?" rang es sich angstvoll von Helenens Lippen. „Gehn Sie weg! Ich kenne Sie nicht!" Er lachte. „Das glaube ich", spottete er. „Es ist leider niemand hier, der uns einander vorstellen könnte. O ich weiß auch in der guten Gesellschaft Bescheid. Was ich von Ihnen will? Ihnen galant aus dem Sattel helfen, ehe Ihr Gaul Sie abwirst." „Lassen Sie mich!" rief sie. Im gleichen Augenblick sprang er sie an. Er fiel dem sich aufbäumenden Pferd in die Zügel und riß es mit starkem Arm herunter. Es spürte den Bändiger, stand und ließ es sogar geschehen, daß er ihm kosend den Hals klopfte. „Sehen Sie, sehen Lie," sagte er, Ihr Gaul ist weniger störrisch als Sie! Man muß nur mit Pferden umzugehen wissen Und ich bin vom Stall. Ich kenne ihre Tricks. Auch Weiber gefallen sich darin, zumal wenn sie so jung und o schön sind wie —" Er kam nicht weiter. Klatschend fiel die Reitpeitsche auf sein brünstig aus äugendes Gesicht. Blut sprang auf aus der zerfetzten Haut. Es war ihre äußerste Abwehr, ohne Nachgedanken, aus bloßem Empfinden erzeugt. Der Tramp stieß einen Fluch aus. Er taumelte, ließ aber die Zügel nicht los. „Wart', kleine Hexe," zischte er, „das sollst du mir büßen!" Obwohl Helene wußte, daß sie hier in der Buscheinsam keit, auf keinen Beistand zu hoffen hatte, schrie sie um Hilfe. Laut, gellend, mit tönendem Echo, drang ihr Rufen durch den weitständigen, stillen Wald. „Burburra, herbei!" ries sie. „Burburra!" Möglich, daß der besorgte Vater ihn be auftragt batte, ihren Spuren zu folgen. Verzweiflung gab ihr das ein. Der Kerl stutzte, äugte umher. War sie nicht allein? War der andere in Rufweite? Jetzt galt es, sich des Pferdes zu bemächtigen, um einem etwa mit Feuerwaffen versehenen Verfolger zu entgehen. Er batte nur sein Bowiemesser. Er faßte Helene um die Taille und versuchte, sie aus dem Sattel zu reißen. Sie wehrte sich und schrie noch lauter. Pferd, Reiterin und Tramv verwuchsen zu einem Knäuel. Jeden Augenblick drohte eine Katastrophe. Plötzlich wurde es laut im Wald. Ein „Ku—u—u—ie!" schrillte irgendwo auf. Ein Reiter sprengte heran. Schon von weitem rief er: „Hände hoch!" Der vor- gestreckte Revolver verlieb diesen Befehl den nötigen Nach druck. Der Tramv warf blitzschnell die Arme hoch. Zögern war sicherer Tod. Der Fremde parierte sein Pferd mit Cowboyeauilibristik dicht vor dem Tramv. „Ein Schritt! Nur eine Bewegung, und Ihr seid er ledigt!" rief er wutschnaubend dem anderen zu. Helene war nun frei, doch ganz erschöpft und keines Wortes mächtig. Sie wankte im Sattel. Der Fremde sah es. Er lenkte sofort zu ihr hin. „Steigen Sie ab," bat er. „Erholen Sie sich, indessen ich mit diesem da abrechne. Sie sind in sicherer Hut." Er half ihr aus dem Sattel. Sie blickte dankend zu ihm aus. Er war ein Mann von stattlichem Wuchs mit edlen, sympathischen Zügen. Er trug die übliche Buschmanns kleidung. Seine Haltung war aber die eines Mannes, der zu befehlen gewohnt ist. Ein Sauatter mochte es sein, ein Herdenbefitzer. Hierzulande die Herrenkaste. „Und nun zu dir, Schurke! Mir voran!" Mit diesen Worten trieb er den Tramv vor sich hei zu einer ferneren Stelle, wo schanzendes Buschwerk sie den Blicken Helenens entzog. Das war eine Huldigung an ihre Weiblichkeit, die sie wohltuend empfand. Sie ordnete schnell ihre derangierten Kleider, sprach be ruhigend und liebkosend auf das Pferd ein und führte es zu einem Hickorybaum, wo sie die Zügel an einem nieder strebenden Ast befestigte. Unweit davon lag ein vom Alter oder vom Sturm gefällter Weißgummibaum. Auf dessen Stamm ließ sie sich nieder. Ihre Gedanken waren bei ihrem Befreier Der wilde Aufschrei eines Curlew, der lautlos heran geflattert war. schreckte sie aus ihrer Versunkenheit. Sie sprang auf, strich sich über die Stirn, Wie um Ge träumtes wegzuwischen, stand, starrte. War das wirklich nur ein Vogelschrei? War es nicht der Schmerzensruf eines grause ' Gefolterten? Angst löste sich von jener Malleewand, hinter der die beiden Männer verschwunden waren. Kam auf sie zu, lang sam, kriechend, krötenhaft, mit Augen, in denen Starres stand. Leichenstarres, aus denen es nach ihr griff mit Händen, feucht, kalt, vom Erdgeruch umwittert, blutbesudelt, denselben Händen, die sich noch eben in sie verkrallt hatten, um sie vom Pferde zu reißen. Wie Lassowurf legte es sich ihr um den freien Sals, schnürend, drosselnd, zerrend — „Hin! Hin!" Sie stöhnte in stummer Qual. Angst um ein mögliches blutiges Geschehen stieg auf und umflatterte die ihren Blicken entzogene Richtstatt. Sie lauschte hinüber. Kein Laut kam von dort, auch sonst von nirgends her. Der Gedanke, daß sie dieses furcht bare Gericht herauf beschworen batte, daß ihr Retter viel leicht in diesem Augenblick ihretwegen zum Mörder wurde, schwang wie eine Geißel über ihr, trieb sie zu raschem Handeln. Sie ging hastig nach einer Stelle, von wo sie, durch einen Baum verdeckt, hinter die Blätterwand blicken konnte. Ihr Herz ging in raschen Schlägen, ihr Atem stockte. Sie wagte nicht hinzusehen. Und doch, sie mußte sich dazu aufraffen. Sie mußte Gewißheit haben! (Fortsetzung folgt.)