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Erklärung äes Aeickskanrlers. Die Ententeforderungen im Reichstage. 57' (Aus der 1S6. Sitzung.) Wieder einmal eine große Sitzung. Das HauS bot das an solchen Tagen gewohnte Bild. Die Abgeordneten waren in großer Zahl erschienen, und die Tribünen waren überfüllt. Von der Reichsregierimg waren neben dem Reichskanzler sämtliche Minister erschienen, neben dem Reichskanzler saß der Vizekanzler Bauer, dann kamen der Minister des Auswärtigen Dr. Rathenau, ferner der Mi nister des Innern Dr. Koester und derRcichsfinanzminister Dr. Hermes und die anderen. Nach einigen geschäftlichen Ausführungen erteilte Präsident Loebe dem Reichskanzler das Wort. Die Ausführungen des Reichskanzlers Dr. Wirth über die Unmöglichkeit der Reparationsforderungen klangen diesmal so überzeugend, so eindrucksvoll und waren von einer Energie erfüllt, die wiederholt im Hause allgemeinen Beifall Wachries ' und nur selten und verein zelten geringen Widerspruch fand. Es war eine Dokumen tierung deutschen Willens, die auch im Auslande nicht »hn« Wirkung bleiben kann. * Vr. Mrlks Keäe. ,VaS Zustandekommen des SdteuerkompromisseS kennzeichnet die Tatsache, daß es als eine Stütze unserer aus wärtigen Politik betrachtet wirb, unserer auswärtigen Politik, die darauf gerichtet ist, einen vernünftigen Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands und den un« auferlcgten Lasten zu finden. Dieses Steuerkompromiß ist ein notwendiger Bestandteil unserer auswärtigen Politik, und wer diese« Kompromiß, sei eS von innen oder außen, stört, der stört auch unsere auswärtige Politik. Eine Störung von innen ist vermieden worden, eS ist aber eine Storung von außen erfolgt, und zwar durch die Note der ReparntionSlommission vom 21. März. Dies» Not« könnte wobl eine endgültige Regelung unserer Zahlungsverpflichtungen sein, wenn wir in der Lage wären, ibre Bedingungen zu ersüllen und die darin gesetzte Frist ein- zuhalten. Sie würde aber einer nochmaligen Prüfung unter liegen, wenn wir die Frist biS zum 31. Mai nicht einhalten können. Für diesen Fall sollen innerhalb vierzehn Tagen alle Forderungen fällig sein. Ich kann in diesem Verfahren eine praktisch« Lösung nicht erblicken. Der Brief der. Reparations kommission an.den Reichskanzler, der in überaus schroffem Tone gehalten ist, hat mit Recht in ganz Deutschland tiefste Entrüstung h e r v o r g eru s e n. Den ernsthaften Ersültunglbestrebungen Deutschlands wird darin in keiner Weise Rechnung getragen. (Lebhafte Zustimmung.) Die gewaltige Steuerlast, die wir jetzt auf uns nehmen wollen, wird gar nicht gewürdigt. Zu der Forderung dieser neuen 60 Milliarden Steu ern kann ich ganz bestimmt und eindeutig seststcllen, daß diese eine völlig unmögliche Bedingung, eine völlig un mögliche Zumutung ist. Wir haben die höchsten direkten Steuern und bringen jetzt auch die indirekten Steuern auf eine ähnliche Höhe. Die Stcuerleistung kann nur gewürdigt werden bet Berücksichti gung der wirtschaftlichen Kräfte eines Landes. Deutschlands Valuta wird aber gerade durch solche Noten immer weiter ge schwächt. ES ist sachlich unmöglich, Quellen zu finden, aus denen in einer so kurzen Zeit 60 Milliarden neuer Steuern geschöpft werden könnten. Die Entente hätte durch ein Mo ratorium die deutsche Valuta stabilisieren können. Durch ihre Note hat sie da- Gegenteil erreicht, hat sie die deutsche Mark so entwertet, daß unser Haushaltsplan über den Haufen ge worfen worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) Es zeigt sich hier wieder, daß Gewaltpolitik nicht die Rcparationssrage fördern kann, sondern, daß solche Gewaltpolitik eine weitere Einschrän kung der deutschen Leistungsfähigkeit und damit am Ende auch eine Schädigung der Gegenseite bewirkt. Wie soll bei solchen Bedingungen der Weltaufbau möglich sein? (Sehr wahr!) Schon aus rein parlamentarisch politischen und technischen Gründen ist die Erfüllung der Bedingung der Reparationskommission bl« zum 31. Mai eine Unmöglichkeit. Die parlamentarisch regierten Länder der Entente sollten da für Verständnis haben. Es hat sich gezeigt, daß auf die Re- parationSkommission wirtschaftlich« Darlegungen der deutschen Regrerung keinerlei Eindruck mehr machen. (Beifall recht«.) Der in den kontrollmaßnahmen unS zugemutete Eingriff in di« deutschen Hoheitsrechte ist ein Eingriff in da« Selbstbestimmungsrecht unsere« Volke«, gegen den wir die schärfste Verwahrung rinlegen. (Lebhafter Beifall.) Wir haben schon genug trübe Erfahrun gen mit den Kontrollkommissionen gemacht. (Sehr wahr!) Wir können nicht damit einverstanden sein, daß diese« scht- kanis« und gänzlich unproduktive Kontroll- fchstem noch weiter -»«gedehnt wird. Da« ist eine Zumu- tuüg, der sich keine deutsche Regierung im Interesse unsere« verarmten und notleidenden Volkes unterwerfen kann. (Leb hafter Beifall.) Eine Steuerkontrolle, die über das bisherige Aufsichtsrecht der Reparationskommission hinausgeht, und der das Recht zusicht, Bedingungen vorzuschreiben, unter denen Steuern in bestimmter Höhe erlassen werden sollen, können wir niemals anerkennen. (Lebhafter Beifall.) Es ist unmöglich für einen demokratischen Staat, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, wie sie eine fremde Kommission jeweils von ihm verlangt. Die Staais- grnndlage würde dadurch erschüttert und untergraben werden. Gleich nach dem Fricdcnsvertrag und auch im Londoner Ulti matum ist ausdrücklich betont worden, daß solche Befugnisse, wie sie jetzt verlangt werden, niemals der Reparationskom- mission eingeräumt werden sollen. Daran erinnern wir jetzt die fremden Mächte. Im weiteren wies der Reichskanzler zahlenmäßig den Vorwurf zurück, daß die Reichsverwaltung verschwenderisch wirtschafte. Von den 200 Papiermilliarden des Reichshaushalts entfallen nur 9)4 Papiermilliardcn aus die Reichsverwaltung. Ter Reichspräsident und sämtliche Reichsminister zusammen kosten uns noch nicht so viel wie zwei Ementcgenerale in Deutschland. (Lebhaftes „Hört!") Wir wollen in der Verwaltung sparen, aber Milliarden können dabei unmöglich herauskommcn. Aus dem Treiben einzelner Kriegsgewinnler und välutastarker Ausländer darf nicht auf den Wohlstand des deutschen Volkes geschlossen werden. Den Forderungen der Reparationskommission zur Verhinderung der Kapitalflucht werden wir gern entsprechen. Hilfe kann aber nur durch ein internationales Zusammenwirken ge schaffen Werder. Die beste Lösung wäre eine Besserung der deutschen Valuta Die Zwangsanleihe geht mit ihrem Ertrage von 1 Milliarde Goldmark schon weit über die von der Kom mission geforderten 60 Milliarden Papier hinaus. Die Er- füllung der Reparationspflicht kann aber damit nicht allein er«, möglicht werden, dazu brauchen wir eine äußere Anleihe. Diese wird aber am meisten gefährdet durch die Haltung der Entent« und der Reparationskommission, die das Weltkapital zur Zurückhaltung veranlaßt. Das Weltkapital wird eine solche Anleihe erst bewilligen, wenn uns für einen längeren Zeitraum wirtschaftspolitische und finanzpolitische Atemsreiheit gewährt wird. Wir werden die Note weiter genau prüfen, ehe wir die schriftliche Antwort erteilen. Wir ver kennen nicht, daß uns in der Note gewisse Zahlungserleichte rungen gewährt werden und daß wir einem Teil ihrer Be dingungen entsprechen können. Unsere wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse dulden aber nicht die Vornahme einer so mechanischen Maßnahme, wie sie in der Ausschreibung von 60 Milliarden neuer Steuern von uns verlangt wird. Wir wollen unsere Steuern verbessern, aber eine gesunde Lösung kann nur gesunden werden bei einer Verbesserung unserer Va luta. Unsere Hof nung beruht darauf, daß oer Gedanke einer internationalen Reparationsanleihe immer mehr Anklang im Auslande findet. Wir wollten durch die Erfüünngspoliük den praktischen Nachweis sühren, wie weit die Erfüllungsmöglichkeit geht. Wir werden trotz der empfindlichen Störung, die die Not« der Reparationskommission hedcutet, alle unsere Kräfte daran setzen, aus dem eingeschlagenen Wege sortzufahren. (Unruhe und Gelächter rechts.) Bei der Verschlechterung unserer Valuta infolge der neuesten Rote der Reparationskommission wird «ns ohne die Hilse ausländischen Kapitals die Erfüllung der Nepa- rationSpslichten nicht möglich sein. Auch in dieser trüben Stunde bin ich nicht ohne Hoffnung. (Lachen und Zurllse recht«.) Wer obne Hoffnung ist, soll die Hände Von der Politik lassen. (Beifall von der Mehrheit.) Der Wiederaufbau Europas und Rußlands ist jetzt die Auf gabe der Welt, der auch die Konferenz von Genua dienen soll. Ohne die wirtschaftliche Gesundung Deutschland« ist der Wieder aufbau der Welt nicht möglich. Jetzt ist zu wählen zwischen dem Geist von Genua und dem Geist der jüngsten Ncparaiions- note. Ich kann mir nicht denken, daß man leichtfertig den Wiederaufbau der Welt gefährden will, sondern ich hoffe, daß die Erkenntnis der wirtschaftlichen Notwendigkeiten auch die Gegner veranlassen wird, Deutschland den Weg des Verderbens zu ersparen. Die Regierung erinnert sie daran, daß die Ohren der Welt aus ihre Aussprüche gerichtet sind. (Lebhafter Bei fall bei der Mehrheit.) Aussprache der Parteien. Abg. Hergt (Deutschnal.) Das Vorgehen der Reparations kommission ist nur eine Teilaktion der Generaloff-nstve Frank reichs gegen un«. Die Schutzpolizeinole, die Verdrängung von der Weichsel, alle» da« gehört dazu. Wir sollten Frank- reich- Generalofsenstve endlich mit einer Abwehrosscnsive be antworten.' Wir danken dem Reichskanzler, daß er heute wenig sten« zum erstenmal die unverschämte Zumutung der Finanz kontrolle entschieden zurückgewiesen hat. Wir fragen aber: Warum erst heute? Warum hat er nicht schon früher kräftig protestiert gegen die Überwachung, der wir schon feit langem ausgesetzt sind. Wir müssen dem Gegner zurufen: „Finger weg, ihr könntet sie euch verbrennen!" Das letzte Ziel der Gegner scheint auch bei der neuesten Maßnahme zu sein, sich einen Überblick über unsere Produktion zu schaffen, um den Wettbewerb der deutschen Industrie zu beseitigen. Wir weilen hi«r im eigenen Hause und bedanken un« für eine Sparsam- Sammelmappe —, für bemerkenswerte Tages- und Zeitereignisse. , * Im Berliner Auswärtigen Amt wurde der neue deutsch, lettländische Wirtschaftsvertrag unterzeichnet. * Aus München wird gemeldet, der Reichstagsabgeordnete Dr. Fehr habe die Berufung zum Reichsernährungsminister angenommen. * Die neutralen Sachverständigen für Genua sind zu einer Vorbesprechung am 5. April nach Bern eingcladen worden. * Im englischen Kabinett sind große Meinungsverschieden, heften hinsichtlich der Konferenz von Genua entstanden. keitskommission von Entente Gnaden. Darin stehen wir durch aus hinter dem Reichskanzler und freuen uns der großen Em- heitsfront, die in dieser Frage seit langer Zeit zum erstenmal sich im Reichstage zeigt. Die internationale Anleihe, von der in der Reparanonsnote gesprochen wird, soll leider nicht dazu dienen, uns Lust zu schassen. Eine wirklich eindeutige Ableh nung habe ich beim Reichskanzler vermißt. Er hat die Mög lichkeit einer Ermäßigung der Steuern zugegeben. Nern, auch nicht einen Teil der 60 Milliarden kann den Gegnern zuge standen werden. So lange der Reichskanzler nickt diese Er klärung abgibt, stehen wir ihm mißtrauisch gegenüber. Die Zumutung einer Heranziehung des deutschen Privat- vermögcns, fährt Abg. Dr. Hergt (Deutschnat.) fort, wird uns erst gestellt, seitdem im Deutschen Reichstage selbst leider das Wort von der Erfassung der Sachwerte geprägt wurde. Jetzt will man nun zur Zwangsvollstreckung übergehen. Vor Ein leitung dieser Politik stand der Dollar auf 60, jetzt auf 320 Mark. Das ist die Frucht der Erfüllung. (Zustimmung rechts.) Abg. Stampfer (So;.): Die Note der Rcparationskom- Mission hat gerade in sozialistischen Kreisen besonderen Un willen und besondere Erregung hervorgerufen. Der Ton dieser Note ist nicht angemessen. Solche machtpolitischen Ausschrei tungen wenden sich immer gegen den Urheber selbst. Man kann uns niedrig behandeln, aber nicht erniedrigen. Schärsite Ver wahrung aber legen wir anch ein gegen das Treiben gewisser Kreise im Jnlande, denen der gegenwärtige Augenblick weiter nicht? zu sein scheint als eine Gelegenheit, ihre parteipolitischen Geschäfte zu machen. Die weiteren Aussührnngen des Redners richteten sich gegen die Deutschnationalcn und besonders gegen die von dem Abg. Hergt verlangte Abwehroffenstve. Dann wurde die Sitzung geschlossen. dm äen ZckMunäentag. Gutachten für und gegen ihn. Eine Reihe von Gutachtern wurde im Sozialpoliti schen Ausschuß des Neichswirtschaftsraies als Sachver- ständige zur Frage des umstrittenen Achtstundentages ge. hört. Den Sachverständigen wurden folgende Fragen vor gelegt: 1. Glauben Sie, daß angesichts der besonderen durch den Krieg und seine Folgen geschaffenen Lage das deutsche Volk mit einem achtstündigen Maximal-Arbeiis- tage auszukommen vermag? 2. Welches Einzclmaterial können Sie für Ihre Ansicht aus Ihrem speziellen Beruf (Gewerbe) anführen? Der Vertreter der christlichen Gewerkschaften erklärte, daß man kaum mit dem Achtstundentag auskom men dürfte. Ehe man für die Verlängerung der Arbeits zeit einträte, solle man erst den Achtstundentag in der gan zen Wirtschaft vollkommen durchführen. Tie Vertreter der freienGe Werkschaften spra chen sich im allgemeinen dahin aus, daß sie die Beseitigung des Achtstundentages entschieden ablehnen müßten. Die Stimmung in Arbeiterkreisen sei durchaus gegen diese Ab sicht. Ehe man einer Verlängerung der Arbeitszeit zuzu stimmest vermöge, müsse geprüft werden, ob denn darin das einzige Mittel für die Steigerung der Produktion liege. Das sei zu verneinen. Verbesserungen der Metho- den, planmäßige Durchorganisierung der Wirtschaft mit dem Ziele der Beseitigung aller Hemmungen im Produk- tionsprozeß würden der Produktionssteigerung ungleich stärker dienen. Mehrere andere Sachverständige legten dar, der Acht stundentag ist bereits früher in einzelnen Gewerben mit recht günstigem Erfolge durchgeführt worden, wobei aller dings im Stücklohn gearbeitet wurde. Eine Erhöhung der Arbeitszeit habe dort zu einem Rückgang der Arbeits- leistung geführt. Der sozialdemokratische Redakteur Kaliski verneinte die Frage, ob der Achtstundentag genügen könne. Arbeiterschaft und Unternehmertum hätten gleiche Verantwortungslosigkeit bewiesen. Er empsehle die Suspendierung des Achtstundentages auf fünf Jahre und die tarifliche Regelung der Arbeitszeit. Am die Heimst. Mamm Vs» Bruno Wagner. 11? (Nachdruck verboten.) Vst« vi«Mlstm»d« später kam der S-nitätSrat. Er schüttelt» «rnst den Svpf, al« e^ den Puls fühlte. Eine Urck«rsuchamg hielt «r im Augenblick für unnötig, sie würde den Patient«» za sehr aufregen. Ruh« in halb sitzender Sag«, ad und zu ein Schluck Ehampagner zur Anregung de? Herzen«, and Eisbeutel auf die rechte Brustseite, wenn Rlembts-werden und St«H«n eintreten sollten, das war alles, W«S er verordnen konnte. Der Kranke hatte vor Ermüdung die Augen ge- schlossen. Die drei Erwachsenen.ließen ihn einen Augenblick allein und singen in« Nebenzimmer. Der Sanitätsrai zog di« Lür hinter sich zu. „Kranke sind ost so hellhörig," sagte er dabei. Und dann kqm die bange Frage: wird er sterben? Der Arzt wiegte den Kopf. „Auf alle Fälle müssen Sie gefaßt sein, jeden Ausgang zu ertragen, Meine liebe Alice," sagte er dann. Er sah, wie Alic« fick» kaum aus den Füßen halten konnte. Mit einem «nisten Blick auf d«n jungrn Lehrer sagte er deshalb: „Sie werden diese Nacht Wohl allein die Krankenwache halten müssen, Herr Jessen. Fräulein von Vählow ist selbst auf dem besten Wetze, trank zu werden; und ich verordn« ihr ei» paar Stunden unbedingter Ruhe. Seien Sie venmnsüg, liebes Lind. Si« habe» in Herrn Jessen den besten Krankenpfleger von der Welt, das ist ein angeborenes Talent. Sie können ihm ruhig die Wache überlassen." Sie nickte nur. Sie wußt* ja, daß sie nicht schlafen würde. Nun ging der Arzt, von Johannes bis zur Treppe geleitet. »Da« kommt davon," sagt« «r l«is«. „Da« SüftSfräul-ein ist zu nicht« zu gebrauch»», und auf dem Mädel ruht die ganze Last." „Und hegen Sie Hoffnung für de» Knaben?" fragte Jessen halblaut. Der SanitätSrat fuhr »m mit der Hand., durch die Luft und schüttelte den Kops. „Man soll den Leuten nie die letzt» Hoffnung nehmen. Und für den Jungen ist es vielleicht besser so . . Eine bang« Nacht. Im großen Gssindezimmer neben der Küche saß dr« Dienerschaft; und die Köchin erzählte M«it gttämpfter Stimm« allerhand schrecklich« ttcrnkcnge- schichte». di« sie erlebt haben wollte. Und die Wirtschafte rin weinte in ihr großes, rotcö Taschentuch, Ganz allein abseits von den anderen — saß d.r alte Gärtner, und eine Träne nach der anderen rolltr lang sam auS'seinen hellblauen Augen über die glattrasierten Wangen und das kahle Kinn in den weißen Bark, der wie eure Frese sein Gesicht umrahmte. Und er dachte daran, wie er dem jungen Herrn noch im letzten Frühling ganz heimlich im Gebüsch ein Vo^lnest mit nackten Kleinen darin gezeigt, und wie er ihm Boote geschnitzt hatte, die sie zusammen aus dem See hatten fahren lassen. Und nun lag der arme Knabe in seinem Bett« und sollt« sterben .... Und die Süstsdame ging in ihrem Zimmer auf und ab. Ihr war Krankheit «twas so schreckliches. Sie hätte nie einen Menschen pflegen können. Und doch "war in ihrem altjüngferlichen, «egoistischen Herzen ein kleines Eck chen, und da saß ganz heimlich die warm« Liebe zu dem Jungen und dem großen Mädchen, das ihr so oft mit sei ner Wildheit und seinem lecken Wesen Sorge und Ärger bereitet hatte. Ach, wenn sie es doch sertig Sringen könnie,, hinüber zu gehen und deJungen zu streicheln und der' Nichte die Hand zu drücken! ES ging nun einmal nicht! Seufzend holte si« aus ihrer Kommode daS Gesang buch heraus und setzte sich damit an den Tisch und schlug aufs Geratewohl auf. Dann las sie — halb singend, halb sprechend, leise vor sich hin und nickt« dazu vor tieferer Empfindung. Denn dr« Wort« paßten so gut. , , < " - „Wenn ich einmal soll scheiden, » 7 ) Co scheide nicht von mir . . / JohannrS war i» da« Zimmer neben der Kranken stube zurückgekehrt. Er sand Alice von Vählow, die im stummen Schmerz am Fenster stand. Sie bat ihn leise, das Kleinmädcheu zu rufen, damit es in dem anstoßenden Kabinett sich ein Lager bereite. Sie selbst wollte sich ein halbes Stündchen auf das Sofa legen, denn jetzt fühlte sie, daß cs so nicht weiterFing. Langsam schlichen dir Viertelstunden.Johannes satz neben dem Kranken und lauschte dem unregelmäßigen Atemholen. Ab und zu faßte die magere heiße Knaben- Hand angstvoll zur Seite, und ein leises Flüstern drang an des Wachenden Ohr: „Sipd Sie noch da,.Herr Jessen?" Tann reichte er dem Knaben kalten Champagner oder er rückte den Eisbeutel zurecht. Und endlich versank der Knabe in ruhigeren Schlaf. Und Stunde, um Stunde verran. Im Nebenzimmer regte sich nichts. Johannes war aufgeflanden und schob den Vorhang am Fenster.ein wenig znr Seite. Drüben jenssits des Lees zog sich ein.Heller Streifen am Horizont hin. Der Morgen dämmerte mit mattem Grauen. Vor sichtig kehrte Johannes an das Krankenlager zurück. Mit weit geöffneten Augen, die im gedämpften Lampenlichte noch größer auSsahen, lag Bernhard in seinen Kissen. Er lächelte dem treuen Pfleger mit müdem Ausdruck zu. Aber das Fieber war gesunken, die Hände waren nicht mehr so glühend heiß. —. Der Morgen schien inS Fenster, als Alice von Dählow erwachte. Einen Augenblick mußte sie sich erst besinnen, wie sie auf das Sosa gekommen war, von dessen hartem Pfühl ihr der Nacken steif geworden. Dann richtete sie sich tief erschrocken auf. Wi« spät war eS denn eigentlich? Wie lange hatte sie geschlafen? An der Tür zum Krankenzimmer blieb sie zögernd stehen. Ein Gefühl der Schwäche überkam sie. Wenn da drinnen nun alles schon zu Ende wäre? Und fie hatte die ganze Aacht in bleiernem Schlaf« s«l«tz«»! Da kam ihr Jessen entgegen. Er reichte ihr oh«e alle Förmlichkeit di« Hand. „Ich glaube, wir dürfen Hessen!" faxte er mit ge dämpfter Stimme. „Er ist ehe« wieder eingeschlasen. Kommen Sie leise — l^se!" Sie hatte srine Hand in der ihren behaltrn. G» stan den sie beide an dem Lager, über das der Tstzsschyzel hinweggezogen war, ohne sich zum Wcihekuß herniedsrzua beugen., EorHetzMA