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Redaktioneller Teil. .1/ 85, 12. April 1918. der Beschränktheit und dem schnellen Verlauf dieser Erdenzeit ihm lieb sein möchte; aber die Wahrheit muß gesagt werden — Iisreat munclus. Die Metzlcrsche Buchhandlung hat mit Ausnahme meiner Shakespeare-Ausgaben alle meine für den englischen Unterricht geschaffenen Bücher und »Hamlets Urbild« verlegt, und während dieser vicljährigen Verbindung hat mich der frühere Inhaber, Kommerzienrat Werlitz, mehrfach besucht. Er war ein gemütlicher, hsrzensfreundlicher Süddeutscher, mit dem sich meine Verhandlungen immer auf das glatteste abwickelten, weil ihm jede Unbilligkeit fernlag. Eine durch ihre gründliche Kenntnis der englischen Literatur und Sprache interessante Persönlichkeit ist Bernhard Tauchnitz. Vor Jahren, als ich ihn in Leipzig be suchte, zu einer Zeit, wo in Deutschland noch nicht bekannt war, welch inneres Barbarentum die äußerliche englische Zivilisation verdeckte, hätte ich beim Anblick dieser hochgewnchsenen hageren Gestalt mit dem englischen Bartschnitt und der aristokratische» Haltung gesagt: er gleicht einem englischen Baronet. Heute, wo der durch die Aufnahme bedenklichster Finanzkreise ganz ent artete englische Adel einen Vernichtungskrieg gegen uns begonnen hat und mit allen Waffen verbrecherischer Nichtswürdigkeit führt, wissen wir, daß der deutsche Freiherr nur sich selbst gleichen kann. Was wird nach dem Kriege aus der wertvollen Tauchnitz- Sammlung werden, die uns durch die Veröffentlichung der besten englischen Gesellschaftsschildernngen einen so gründlichen Ein blick geliefert hat in den rapide» Fall der führenden Stände von der sittlichen und geistigen Höhe des Viktoria-Zeitalters? Was soll überhaupt aus dem Studium srcmder Kulturen werde», das allerdings a l l e in der d e u t s ch e n Bildung Bedürfnis ist? In Berliner Verlegerkreisen hochangesehcn ist vr. Ernst Vollert, der Mitinhaber des Weidmannschen Verlags, in dem drei meiner kritischen Ausgaben der Shakespeareschen Dramen*) und die »Unechtheiten« in der ersten Ausgabe der Schlegelschen Shakespeare-Übersetzung erschienen sind. Er ist einer von den wenigen Menschen, an die man immer wieder gern denkt; eine ganz ausgeglichene Persönlichkeit mit dem Grundzuge der Men schenfreundlichkeit. Von tüchtiger wissenschaftlicher Bildung und sicherem literarischen Urteil, wie sie dem Leiter eines solchen Veriages unerläßlich sind, bringt er allen ihm unterbreiteten schriftstellerischen Plänen ein lebhaftes, vorurteilslos eindringen des Interesse entgegen, mißt während der Auseinandersetzung ruhig sein sachliches und sein geschäftliches Interesse gegenein ander ab und entscheidet sich, sei es rücksichtsvoll ablehnend, sei es annehmend, auch über große Gegenstände schnell. Indem man so mitunter recht gewichtige Sachen auf die angenehmste Weise erledigt, empfängt man den Eindruck eines ehrlichen »nd aufrichtig wohlwollenden Menschen und entfernt sich von dem Ge- fchäftsmannc mit der Erinnerung an einen Freund. In lebhaftem Andenken steht mir der leider früh verstorbene Hermann Walther, seinerzeit der Verleger der Preußischen Jahr bücher und des freikonscrvativen Deutschen Wochenblatts, der nur meine kleine Schrift über Heinrich von Kleist verlegt hat. Er war der energische Vertreter einer bestimmten literarischen Richtung, und der heftige Kampf, der in der letzteren Zeitschrift gegen die Moderne gerade in der Zeit ihrer wilden Blütezeit geführt wurde, war ihm persönlich eine Herzenssache. Von neuesten Verlegern kenne ich naturgemäß nur wenige. Dem Insel-Verlag bin ich durch seinen Begründer, meinen jungen Freund Alfred Walter von Heymel, einen durch den Krieg uns diel zu früh entrissenen Dichter, zuerst nahegetreten. In seinem stattlichen Berliner Heim lernte ich bei einer Beratung über ein größeres (vom Kriege zurückgehaltenes) Verlagsunter nehmen den jetzigen Leiter des Verlags, Professor vr. Kippen berg, kennen. Daß wir in ihm einen geschäftlich klugen und lite rarisch ungemein kundigen Mann vor uns haben, zeigt das schnelle Aufblühen des Insel-Verlages mit seinen inhaltlich lockenden und künstlerisch anziehenden Buchschöpsungen. ' Er ist aber auch ein liebenswürdiger, absolut verläßlicher Mensch ohne jede Klein lichkeit im geschäftlichen Verkehr. In vr. Ernst Reclam, einem der Juniorchess der Firma Philipp Reclam jun., bei der einige Bühnenausgaben meines Shakspere-Textes erschienen sind, *) zvbat V " u l I l ist in der Taiichnitzscheii Ztucksnts' Kerles. ! 422 fand ich eine für ihre Jahre auffallend ernste und würdige Per sönlichkeit. Beide Herren stehen jetzt im Kampfe für unser Vaterland. Eine Anzahl meiner Verleger ist mir persönlich nicht be kannt geworden, aber ich kann nur sagen, daß ich bei keinem von ihnen auf unfreundliche oder gar unbillige Gesinnung gestoßen bin. Selbst die z. T. schwierigen Fragen, die sich an die Ver wendung meines neuen deutschen Shakspere-Textes knüpften, der in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen, sind von dieser entgegenkommend entschieden worden. Wäre es nun nicht schön, wenn auch in andern, in allen gewerblichen Kreisen die wertvollen und angenehmen menschlichen Eigenschaften mehr zur Geltung gebracht würden? Denn das steht doch fest, daß neben jeder beruflichen Fähigkeit und Tüch tigkeit der Mensch immer die Hauptsache bleibt. Ich würde diese Frage speziell an die gedankenlosen Jchsüchtler unter unfern massenhaften Materialisten vor dem Kriege richten, wenn ich nicht aunehmen müßte, daß sic die furchtbare Prüfung, die uns der Gott der Geschichte geschickt, gut bestanden und freundlichere, d. h. also einsichtsvollere Menschen geworden wären. (Fortsetzung folgt.) Preiserhöhungen im französischen Buchhandel. (Aus dem »leinps« vom 10. März 1016.) Leit einigen Tagen haben die meisten Buchhändler in ihren Läden oder Auslagen eine für das Publikum bestimmte Bekanntmachung fol genden Inhalts ausgehängt: »Die Syndikatskammer der Buchhändler Frankreichs, in Über einstimmung mit dem Verleger-Syndikat, hat beschlossen, daß in Anbetracht der gegenwärtigen Umstände alle Bücher und sonstigen Veröffentlichungen zu den Katalogpreisen und -Bedingungen der Verleger zu verkaufen sind. Diese Bestimmung wird am 1. März in volle Wirkung treten«. Einige Buchhändler halten diese Bekanntmachung, in Besorgnis, daß sie die Belebung des Geschäftsgangs nicht fördern möchte, verschämt im Hintergrund. Erst beim Herantrcten an die Kasse erfährt der .Kunde zu seiner angenehmen Überraschung, daß ihm 3 Fr. 50 für eine Ware abgcfordert werden, die er bisher mit 3 Fr. zu bezahlen gewohnt war. »Was wollen Sie?«, entgegnet man ihm, »es ist Krieg. Alles wird teurer. Ihr Fleischer, Ihr Spezerei-, Ihr Gemüse-, Ihr Kohlenhünd ler, Ihr Schuhmacher, alle haben sie ihre Preise erhöht. Da dürste Ihr Buchhändler wohl das Recht haben, es ebenso zu machen. Dazu ist er schlechterdings sogar gezwungen, denn das Papier ist über die Maßen teuer geworden. Das kommt vom Krieg.« Ja, der Krieg hat einen breiten Rücken. Sicherlich und grundsätz lich hat jeder Geschäftsmann die Freiheit, das Gesetz von Angebot und Nachfrage nach bester Möglichkeit in seinem Nutzen zu wenden: ^ aber ein Buch ist ja keine Ware von unbedingt dringendem Bedarf, und die Buchhändler wird man gewiß nicht beschuldigen, die Bevölkerung etwa aushnngern zu wollen. Gleichwohl mag es nicht vom Übel sein, der Öffentlichkeit klarzumachcn, daß die von den Buch händlern angernfene Begründung nicht haltbar ist. Und zwar weil die Syndikatskammer nicht gewagt hat, diesen Grund in ihrer Bekannt machung ausdrücklich als solchen anzngcben: sie wird im Notfälle sogar erklären, daß sic für die von den Verkäufern ihrer Kund schaft gegenüber beliebte Auslegung nicht verantwortlich sei. Nur »in Anbetracht der gegenwärtigen Umstände« hatte sich die Syndikatskam- mer zu einer maßgebenden Regelung entschlossen. DaS Wesen dieser Umstände hat sic nicht näher gekennzeichnet: »nr dahin hat sie sich ge äußert, daß es »gegenwärtige« seien, wohl damit man nicht etwa meinen sollte, sie lägen im vorigen Jahrhundert oder im nächsten. Aber bedarf es der Belehrung, daß die Mitglieder dieses Syndikats ans ihre Kosten zu kommen suchen angesichts der Verteuerung der Le bensmittel oder im Hinblick auf die Einkommensteuer? Sollen nun wir anderen, schlichten Verzehrer und Steuerpflichtigen nicht nur unsere Steuer, unseren eigenen Fleischtopf bezahlen, sondern mittelbar auch die unsrer Lieferanten? Nette Aussichten! Jedenfalls vermeidet es die Syndtkatskammer, sich deutlich anszusprechen. Sie bringt Ver ordnungen heraus, deren Wortlaut klar ist, deren Begründung aber in nebelhafter Verschleierung bleibt. Daß man die Kundschaft glauben machen solle, der verteuerte Papierpreis sei die Ursache alles Übels, fordert die Kammer keineswegs: aber sie widerspricht auch nicht weiter. Das ist tatsächlich die ohne weiteres beglaubigte Auffassung. Sie ist falsch. Nicht daß das Papier etwa nicht tatsächlich teurer geworden wäre. ! An den Zeitungen hätte es wahrlich nicht gelegen, wenn jemand darüber-