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Äm Vorabend des Weltkrieges. Über die letzten Entwicklungsgrade der Einkreisungspolitik des Vierverbandes geben die Veröffentlichungen der,Nordd.Allgem.Ztg.' aus den gesundenen Archiven der belgischen Regierung Aufschluß. Die Schlußreibe der Depeschen der belgischen Gesandten umfaßt die Zeit vom 7. November 1913 bis zum 2. Juli 1914. Sie beginnt mit einer Charak teristik des politischen Programms Sir Edward Greys und schließt mit der Erwartung, daß Rußland sich nicht auf die Seite der Königs mörder von Sarajewo stellen werde. Zwischen diesen Daten liegen die Bemühungen des Dreiverbandes, die Einkreisung Deutschlands und seines österreichisch-ungarischen Verbün deten zum Abschluß zu bringen, den Dreiver band durch Heranziehung der Mächte zweiten Ranges zu erweitern und sich militärisch zu Wasser und zu Lande in übermächtiger Stellung den beiden alleinstehenden Zentral mächten entgegenzuwersen. Im Sommer 1913 kam auf Einladung der russischen Regierung eine größere Abordnung französischer Offiziere verschiedener Truppen teile und Rangstellungen unter Führung des Generalstabschefs Joffre nach Petersburg mit der deutlichen Absicht, die Kriegsbereitschaft der russischen Armee zu prüfen und zu kon trollieren. Bald nach diesem Besuche wurde bekannt, daß sranzösischerseits bestimmte Wünsche ausgesprochen morden waren, die aus eine Erhöhung der Offensivkrast der russischen Armee hinzielten, und daß die Zu lassung der neuen russischen Anleihe in Paris von der Erfüllung dieser Wünsche abhängig gemacht worden sei. Es handelte sich haupt sächlich um den von Frankreich verlangten Ausbau des strategischen Eisenbahnnetzes in Polen. Es folgt dann die Zeit des Liman-Kon fliktes. Der preußische General Liman von Sanders war zum Kommandeur des Ersten türkischen Armeekorps in Konstantinopel er nannt worden. Die russische Presse begann darauf eine wüste Hetze, weil Deutschland durch diese Ernennung einen übermäßigen Einfluß erlangt habe. England unterstützte natürlich die russischen Vorstellungen in Kon stantinopel. Kaum war der Limankonflikt, der die russische Regierung im Fahrwasser der Kriegshetzer gezeigt hatte, beigelegt, als in der Duma ein Sturm gegen Deutschland los brach, weil ein Abgeordneter behauptete, Deutschland habe 1904, um bessere Handels bedingungen vom Zarenreiche zu erlangen, Rußland internationale Schwierigkeiten be reitet. Auch diese Geschichtsfälschung, die die russische Regierung unwidersprochen ließ, führte zu einer schlimmen Hetze gegen Deutschland. Zugleich fanden damalsbedeutsameMonarchen- begegnungen statt. Der englische König er schien in Paris zu neuen militär-politischen Ab machungen und der Zar besuchte den König von Rumänien mit dem fast unverhüllten Zweck, ihn sür den Vierverband zu gewinnen. Die belgischen Gesandten in London, Paris und Berlin habön, wie aus ihren Berichten nach Brüssel hervorgeht, all diese Dinge mit Besorgnis verfolgt. -Graf Lalaing läßt keinen Zweifel darüber, daß er in dem politischen Programm Greys eine Gefahr für die schwachen Staaten sieht: er erkennt, daß Eng land die Unpopularität der dreijährigen Dienstzeit in Frankreich mit Sorge verfolgte, stellt aber fest, daß nach dem Sturz Barthous fein Nachfolger Doumergue sofort in das früher von ihm bekämpfte Programm eintritt und für Weiterentwicklung des Abkommens mit England und sür Stärkung des französisch russischen Bündnissen zu arbeiten verspricht. Anläßlich des Besuchs des englischen König paares in Paris zeigt Baron Beyens in einer Depesche vom 24. April aus Berlin, daß der Einfluß des russisches Botschafters, Iswolski, auf die französische Politik sogar Herrn Chambon lästig geworden sei. Er spricht die Hoffnung aus, „daß der intrigante Diplomat den Zaren bald in London vertreten wird". Von größtem Interesse aber ist eine Be merkung in dem Bericht, Lie der Frage ge widmet ist, ob im Falle eines deutsch-franzö- sischen Krieges England an die Seite Frank reichs treten werde. Baron Beyens schreibt: „Wir hatten den Beweis dafür, daß die GieiLdes Mak. 28s Roman von A. L. Lindner. <SchlubN Waren sie denn wirklich allein in der Kirche, oder saß da hinten im Schiff noch jemand, den ihre Kurzsichtigkeit nur nicht zu erkennen erlaubte? War er es, war er es nicht? Die Ungewißheit machte sie endlich ganz nervös. Es wäre zu schade, wenn er etwa nicht hätte kommen können. Sie hatte sich so darauf gefreut, und sür Klara würde es in der Tat das schönste Hochzeitsgeschenk sein. Wieder sah sie hin, und in dem Sonnen strahl, der weiter unten im Schiff seinen Weg durch die Zuggardine eines Fensters gefunden hatte» erkannte sie endlich den Fremden. Gottlob, so war er also doch ge kommen ! Die Trauung war zu Ende und der Segen gesprochen. Der Pfarrer, den noch andere Amtspflichten riefen, entfernte sich eilig, nach dem er dem Brautpaar flüchtig die Hand ge schüttelt. Olden bot Klara den Arm, um sie zum Wagen zu führen, dis Schritte der kleinen Gesellschaft, das Rauschen der Brautschleppe schallten fast hart durch Len großen, leeren Raum. Der Herr unten in der Kirche hatte sich jetzt erhoben und trat in den Hauptgang hinaus, als erwarte er jemand. Olden streifte ihn mit fragendem Blick: hatte sich etwa ein Bekannter hier als Zuschauer eingefunden? Doch nein, dies war ja ein ganz Fremder, »nd.sofort erlosch sein flüchtiges Interesse. Mitwirkung der englischen Armee und die Entsendung eines Expeditionskorps auf das Festland von den Militärbehörden beider Länder ins Auge gefaßt worden war. Würde es heute noch ebenso sein und müßten wir immer noch befürchten, daß englische Sol daten in Belgien einmarschieren, um uns in der Verteidigung unserer Neutralität dadurch beizustehen, daß sie sie von vornherein kom promittieren ?" — Deutlicher konnte es gar nicht ausgesprochen werden, daß sich die bel gische Regierung Lessen bewußt war, daß für die-von dem englischen Generalstab im Ein vernehmen mit der französischen Heeresleitung geplante englische Landung in Belgien der Schutz der belgischen Neutralität nur einen Vorwand bildete. Daß dieses Eingeständnis gerade aus dem Munde Baron Beyens' kommt, entbehrt aus dem Grunde nicht des komischen Beigeschmacks, weil der jetzige belgische Minister des Äußern kürzlich in Ler „Revue des deux Mondes" in einem an ge hässigen Angriffen und Verdächtigungen strotzenden Artikel über die belgische Neu tralität die Schuldlosigkeit der belgischen Regierung nachzuweisen versucht hat. Die letzte der Beyensschen Depeschen (und zugleich die letzte Publikation Ler .Nordd. Allgem. Ztg/) datiert vom 2. Juli und betrifft die von Österreich-Ungarn an Serbien ge richteten Forderungen' aus Anlaß der Er mordung de^ Erzherzog-Thron folgers. Der Gesandte zweifelt nicht an der Mitschuld des serbischen Kabinetts, „das die Augen schloß, um den Herd anarchistischer Propaganda nicht zu sehen", fürchtet aber, daß aus einer Ablehnung der von Osterreich- Ungarn verlangten Genugtuung ein Konflikt entstehen könnte. „In Berlin sagt man. Serbien werde es nur dann so weit kommen lassen, wenn es sich von Rußland gestützt fühlte, aber die Regierung des Zaren werde es nicht unterstützen, denn sie muß selbst den Abscheu und die Furcht teilen, die das Ver brechen der Königsmörder von Serajewo her vorgerufen hat." Das hat man nicht allgemein in Berlin gesagt. Man war in Petersburg seit langen Jahren gewohnt, mit politischen Morden außerhalb Rußlands zu paktieren. Der monarchische Gedanke spielte in der Politik nicht mehr mit, er war vor den panslawistischen Leidenschaften völlig in den Hintergrund ge treten. Das war es, was den Weltkrieg un vermeidlich gemacht hat. Frankreich und Eng land aber mußten sich dem Beschützer der serbischen Mordgesellen an die Seite stellen. Das war Las Ergebnis Ler Politik, die sie aus Haß gegen Deutschland durch ein Jahr zehnt getrieben hatten. Überblickt man in Gedanken noch einmal die lange Reihe der belgischen Depeschen, so geben sie uns den bündigen Beweis, daß diese kühl beobachtenden Diplomaten eine klare Vorstellung davon hatten. Laß ein europäischer Krieg eine ernste Gefahr für ihr Vaterland bedeute: daß Deutschland alles, was an ihm liege, getan habe, um ihn zu verhindern, daß das französische Volk ihn nicht wolle, aber von ehrgeizigen Politikern in einen Zustand überhitzter, deutschfeindlicher Leidenschaft versetzt worden sei, die ruhige Überlegung ausschließe: daß ebenso in Ruß land Ler Ehrgeiz und die Rachsucht Iswolskis, sowie die panslawistische, deutschfeindliche Presse einen Konflikt vorbereile und daß end lich die von König Eduard V1I. eingeleitete, von Sir E. Grey sortgesetzte Politik die Entwick lungen herbeigeführl und ihnen als Rückhalt gedient habe. Es war ein Unglück für Belgien, daß es diesen Stimmen kein Gehör schenkte und die ihm zugestreckte deutsche Hand nicht ergriff, die bereit war und die Kraft hatte, dem Lande inmitten des Weltkrieges den Frieden und die Zukunft zu sichern. verschiedene UriegrmchriHten. Von dermil.Zensurbehörds zugelaflene Nachrichten. 100 ÖOL Gefangene bei der Armee Gallwitz, Die Armee des Generals v. Gallwitz hat seit dem Tage des Durchsbruch von Praßnitz, dem 13. Juli, bis zum 21. August 100 001 Ge fangene gemacht, darunter 354 O ffiziere: sie Klara hielt die Augen auf ihr Bukett ge senkt, aber sie sah die weißen Rosen und Ka melien kaum: eine Flut von Gedanken und Erinnerungen überstürinte sie, mährend sie am Arm ihres Gatten den dämmerig kühlen Gang entlang schritt. „Frau Professor, darf ich mir erlauben, Ihnen meine besten Glückwünsche auszu sprechen?" Bei der noch ungewohnten Anrede schreckte dis Neuvermählte auf. Beinahe entsetzt starrte sie den Sprecher an. „Herr Zur Heyöen." Ihr Gesicht wurde ganz fahl. Frau von Knorring, halb erschreckt, halb beglückt durch das Gelingen ihres kleinen Planes, trat hastig vor. Ihr ward auf ein mal etwas bänglich zu Sinn, M-« das Wiedersehen, von dem sie sich so viel ver sprochen hatte, ablaufen möchte. „Das ist wirklich sehr hübsch von Ihnen, lieber Ernst," sagte sie mit besorgtem Blick auf Klara, die anstatt zu antworten, sich unwill kürlich fest an Oldens Arm klammerte. Der Professor sah etwas verwundert drein, er hatte den Namen nicht verstanden und konnte sich die Geschichte nicht sogleich reimen. Der Fremde verbeugte sich leicht. „Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle — Zur Heyden —, Ihre Frau Gemahlin war im vorigen Jahre auf ein paar Wochen unser Gast, und ich wollte mir erlauben, unserer früheren Hausgenossin persönlich zu gratu lieren." - Jetzt ging dem Professor ein Licht auf. Das also wär der Vater jenes Jungen! Ein willkommener Gratulant Latte in der Lat aar erbeutete in derselben Zeit 21 Geschütze und 271 Maschinengewehre. * Die Kanadier an der Front. Wie ans Amsterdam gemeldet wird, berichten amerikanische Blätter: Die »Associated Preß' meldet aus Ottawa, daß bis zum 9. August die kanadischen Kriegsverluste 10 680 Mann betrugen. Dr. Joseph Biffele, der in England war, um die Radiumbehandlung der Wunden zu zeigen, sagte nach seiner Rückkehr nach New Dark, die englische Regierung habe angeordnet, bei Soldaten, die tödliche Bajonettwunden haben, das Ende mit Morphium zu beschleunigen und schmerzlos zu machen. Dr. Biffele erfuhr dies von einem englischen Stabsärzte im Rangs eines Obersten, der eines der größten Spitäler leitet. Weiter erzählte Dr. Biffele, der Eindruck, den die Ameri kaner, die England besuchten, bekämen, sei, daß die Engländer das Kämpfen, soviel wie möglich, den Kanadiern über lassen. Rumänien und der Bierverband. Das deutschfeindliche.Journal de Gönöve' (in Genf) behauptet, aus sicherer Quelle er fahren zu haben, daß ein Abkommen zwischen Rumänien und dem Vierverband z u st an d e g e ko mm e n sei. Das Ein greifen Rumäniens solle jedoch nach den ge troffenen Vereinbarungen erst zu einem von Rumänien zu bestimmenden Zeitpunkt erfolgen. — Man wird angesichts der noch immer un geklärten Balkanlage mit dem Urteil über diese Meldung zurückbalten müssen. Oemscker R,§icbstZg. (Original-Bericht.) Berlin, 25. August Die Sitzung wurde, nachdem das Haus sich mit dem Vertagungsantrag (bis zum 30. November) einverstanden erklärt hatte, von einer Rede des Unterstaatssekretärs Michaelis eingeleitet, der auf die Aus führungen des Zentrumsabgeordneten Dr. Pfleger vom Montage antwortete. Dr. Pfleger hatte das Reichsgetreidestelle vorgeworfen, daß sie bezahlte Lobartikel auf sich selbst veröffentlicht, bei der Auswahl des Personals nicht unparteiisch sei und über mäßig viel Leute reklamiert habe. Der Unter staatssekretär wies diese Vorwürfe zurück. Wenn auch das Personal anfangs etwas zu sammengewürfelt gewesen sei, so sei es doch immer mehr gesiebt worden. Manche leisten für das Vaterland in der Getreidestelle mehr als bei den Schippern. Am 4. August d. Js. waren noch 311 Angestellte reklamiert, von denen die Kriegsverwendungsfähigcn im Laufe der Zeit der Militärbehörde zur Verfügung gestellt werden. Alle Verdäch tigungen müsse er (Redner) zurückweisen. Man Habs sich auch nicht entblödet zu behaupten, daß die Leiter der K. G. persönlicher Vorteile halber die westlichen Mühlen mehr berücksich tigt habe als die östlichen. Dabei liege der ganze Geschäftsbetrieb offen vor aller Augen. Vorwürfe seien ja begreiflich einer Gesellschaft gegenüber, die so tief in die Verhältnisse ein- gegriffen habe. Das Ausland werde alle diese Vorwürfe mit Wonne ausgreifen. Seinen Beamten sei er es schuldig, Lie Ungerecht fertigkeit der«. Anschuldigungen dazutun, da mit die Getreidestslle auch weiterhin ihre Schuldigkeit tun könne. Unter Lem Beifall seiner Parteigenossen führte Abg. Dr. Spahn (Zenlr.) aus, daß es wohl keine Behörde im Reiche gebe, wo eine derartig große Zahl von Beamten reklamiert würde. Untelstaatssekretär Michaelis erwiderte, daß die Auswahl der Dienstfähigen im Ein verständnis mit dem Generalkommando er folgt sei. Abg. Wam ho ff (nat.-lib.) riet, diese An griffs nicht zu tragisch zu nehmen und wünschte im übrigen scharfes Vorgehen gegen den Wucher. Nunmehr nahm Staatssekretär Dr. Del brück das Wort, um die Beamten der Ge treidestelle zu verteidigen. Wenn die Kriegs getreidegefellschaft vielleicht etwas zu weit ge gangen sei in der Reklamation, so habe sie das nur aus der Besorgnis getan, ob sie auch ihre Ausgabe erfüllen könne und La wage man es hier den Versuch zu erheben, daß ste eine Versicherung gegen den Kriegsdienst wäre. Er scheue die Kritik nicht, aber er müsse gegen Vorwürfe Verwahrung einlegen, die in einem Augenblick erhoben werden, wo der KriegsministereineUnterfuchung eingeleitet habe. Abg. Dr. Spahn betonte demgegenüber, daß man alle diese Angaben heute zum ersten- male gehört habe. Ein Vertreter des Kriegs ministers bestätigte, daß die Untersuchung des Kriegsministers unabhängig vom Vorgehen der .Kriegsgetreidestelle war. Abg. Koch (fortschr. Vp.) bezeichnete die Ernte als gut und wünschte eine Erhöhung der Brotration. Der Fettverkauf sollte kontin gentiert werden. Abg. Weilnböck (kons.) dagegen konnte in die rosige Erntestimmung nickt einstimmen und wies Vorwürfe gegen die Landwirtschaft zurück, daß sie bei der Bestandaufnahme ein leichtes Gewissen gehabt habe. Die Lebens mittelverteurung beginne vielfach erst in der Stadt. Die Großmühlen haben eine riesige Dividende Herauswirtschaften können. Darauf erwiderte Unterstaatssekretär Michaelis, daß diese Dividenden vor der Schaffung der Kriegsgetreidegesellschaft ent standen seien. Die Mühlen veräußerten Mehl, das sie vor der Beschlagnahme zu niedrigen Preisen erstanden hatten. Abg. Behrens (wirtsch. Vereinig.) pries die Arbeit der Gesellschaften aller Art und wünschte für ste eine größere Freiheit nach dem Kriege. Nach weiterer kurzer Erörterung und nachdem die Vorwürfe gegen die K. G. in aller Form zurückgenommen worden waren, vertagte sich das Haus. Auf der Tagesordnung stand als erster Punkt die Fortsetzung der Beratung über die Anträge des Haushaltsausjchusses. Dabei wies zunächst Abg. Fegter (fortschr. Vp.) auf die Notlage der gering besoldeten Beamten hin und forderte einen Ausgleich derProdu- zenten- und Konsumenteninteressen auf einer mittleren Linie. Abg. Hestermann (wild), der darauf zu Worte kam, pries in temperamentvoller Rede die Leitungen der Landwirtschaft. Als die Höchstpreise kamen, habe nicht die Land wirtschaft, sondern Las Händlertum das Geld verdient. Das Volk sei nicht berechtigt von der Landwirtschaft zu verlangen, daß,sie bil liger produziere als sie kann. Die Ausfüh rungen des Redners riefen den lebhaften Widerspruch der Linken und of^ stürmische Zustimmung der Rechten hervor. Sie schlossen üfe allgemeine Aussprache. Die Entschließung des Ausschusses auf Schaffung eines Nahrungsmittelamtes wurde mit dem sozialdemokratischen Anträge auf Einsetzung eines Beirates aus Rßichstags- abgeordneten angenommen. Auch den übrigen Entschließungen zu den Ernährungssragen. wurde zugestimmt. Die Entschließung, die billigen Kredit sür die selbständigen Gewerbe treibenden und Erleichterung der Abtragung der entstandenen Schuld fordert, wurde nach kürzen Ausführungen des Abg. Dr. Böiger (nat.-lib.) ebenfalls angenommen. Die Lage der Kaliindustrie führte zu längerer Erörterung. Ein Gesetzentwurf verordnete, daß die Propagandagelder in diesem Jahre nicht erhoben und Ler Kalipreis etwas erhöht werden solle. Nach Aussüdrungen der Avgg. Herold (Zentr.), Sachse (foz.), Gotheim (fortschr. Nvt.) und Brock Hausen (kons.) und des Unterstaatssekretärs Richter be schloß das Haus entsprechend. Zum Schluß gelangten zwei sozialdemokratische Ent schließungen zur Verhandlung, der eine Änderung der Kriegsbesoldungsordnung bezw. die Einbringung eines Reichsgesetzes forderte. Abg. Stücklen (soz.) begründete sie und nannte die Ordnung einen Eingriff in das Budgetrecht des Reichstags. Diesen Vorwurf wies Schatzsekretär Dr. Helfserich und der stellvertretende Kriegsmiuistcr v. Wandel entschieden zurück, .erkannte» jedoch die Reformbedürftigkeit der Besoldungs ordnung und versprachen eine solche nach dem Kriege, da zurzeit die Arbeitslast zu groß sei. Die Entschließungen wurden mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Fort schrittler u. a. m. angenommen. Dann ver tagte sich das Haus. nicht erscheinen können. Er schüttelte Herrn Zur Heydens Hand mit großer Wärme. Dieser wandte sich jetzt zu Klara, die zitternd mit niedergeschlagenen Augen dastand. „Ich freue mich herzlich, Sie an Ihrem Ehrentage begrüßen zu können und so wohl aussehend zu'finden. — Wollen Sie mir denn nicht die Hand geben?" setzte er freundlich hinzu, da sie noch immer schwieg. „Wenn ich darf," sagte sie leise und zag haft. Als er das Zittern ihrer Hand fühlte, hielt er sie mit festem Druck in der seinen fest. „Gewiß dürfen Sie. Ich bin ausdrücklich dazu hergekommen, um Ihnen zu versichern, daß ich Ihrer Freundschaft gedenke. Ich dachte, es möchte Ihnen lieb sein." Ihre Augen standen voll Tränen, als sie sie endlich zu ihm aufsthlug. „Das ist zuviel. Ihre Güte erdrückt mich. Ich habe es nicht verdient." „Nein, sagen Sie so was nicht. Unser Herrgott richtet uns auch nur nach dem, was wir gewollt haben, und Sie —, aber denken Sie nun nicht mehr an die traurige Geschichte," unterbrach er sich. „Vielleicht wäre sie Ihnen überhaupt nie in solchem Lichte erschienen, wenn Sie nicht damals eben in krankhaft überreiztem Zustand gewesen wären. Dies ist kein Gespräch für einen Hochzeitstag. Leiden Sie es nichts Herr Professor, haß Ihre Frau Gemahlin Mi noch fernerhin so entsetzliche Vorwürfe macht." Die Negierungsrätin reichte ihm die Hand. „Das war gesprochen wie ein Mann, lieber Ernst. Ich hatte immer eine gute Meinung von ihnen, aber heute haben Sie sich in meiner Achtung ganz besonders befestigt." Er wehrte halb lachend ab. „Um Himmels willen, Tante. Da sieht man, daß Sie mich wirklich nur recht unge nügend kennen." „Und Ihre Frau? Wie geht es Else?" fragteKlara. „Glauben Sie, daß sie mir jemals verzeihen wird? Ich weiß wohl, daß sie es jetzt noch nicht kann, aber vielleicht später —" Ein leichter Schatten glitt über Herrn Zur Heydens Gesicht. Er wußte, wie lange seine Frau mit Lem ganzen Starrsinn kleinlicher Naturen an ihrem Groll festgehalten, und wie sehr sie in ihren Gedanken Klaras Schuld überleben hatte. " Frau von Knorring, deren Brief Klaras Seelenleiden in den beredtesten Worten schil derte, hatte sie erst ganz vor kurzem und mit vieler Mühe zu einer etwas milderen Auffassung der Sache bewegen können. Er hoffte in dessen auf den heilenden Einfluß der Zeit und sagte in beruhigendem Ton: „Ich hoffe sicher, daß Else später in Ihnen erwünschtem Sinne an Sie schreiben wird, augenblicklich ist sie freilich nicht dazu im stande." Er sah, wie Klara zusammenzuckte und fuhr schnell fort: „Nein, nein, erschrecken Sie nicht. Else ist nicht unversöhnlich. Wenn ste heute nicht schreiben kann, so hat dys andere Gründe. Ich kam nämlich noch nicht dazu, Ihnen eine freudige Nachricht mitzuteilen. Vor acht Tagen ist uns ein Sohn geboren worden," sagte der glückliche Vater mit strahlen dem Lächeln. Wer weiß, ob ohne dies Ereignis Herr Zur Heyden Frau von Knorrings Bitte, zu kommen, ganz so bereitwillig erfüllt haben