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838 4 PAPIER-ZEITUNG. N: 52 Album- und Lederwaaren- Fabrikation. Die Fabrikation von ‘Album, besonders Photographie-AI bum ist recht eigentlich eine Berliner Industrie. Hier bestehen dafür etwa •20 bis 30 grössere und kleinere Fabriken, während solche an anderen Orten nur ver einzelt Vorkommen. In Paris und London werden wohl auch Album angefertigt, be sonders in hochfeiner Waare, doch nicht im Grossen fabrizirt. Wer Marktwaare und Dutzendpreise braucht, muss sich nach Deutschland und vorzugsweise hierher wen den. Wenn wir von Marktwaare und Dut- zendpreisen sprechen, so ist damit keines wegs billige oder geringe Waare gemeint, sondern nur die Fabrikation in grossem Maassstabe. Auch an Güte und Feinheit der Arbeit kann Berlin es mit jedem Wett bewerber aufnehmen. Dass die Album-Industrie nicht mehr zu den Kleln-Gewerben gehört, beweist schon der Umstand, dass die dabei beschäftigten Arbeiter keine gelernten Buchbinder sein brauchen. Jeder arbeitsfähige Mann kann auf die Ausführung einer der verschiedenen Arbeiten, in welche die Fabrikation getheilt ist, eingeübt werden und erlangt darin häufig grössere Fertigkeit als ein Handwerker. Man kann wohl von jedem tüchtigen Buch binder erwarten, dass er ein Album anfer- tigeu kann, die Arbeiter in den Albumfa briken brauchen aber nicht Buchbinder sein. Als Beispiel dieses Industrie-Zweiges wollen wir unseren Lesern heute die Album- und Lederwaarenfabrik von Francois Vite, Annenstrasse lä beschreiben. Das steinerne Gebäude worin sie betrieben wird, ist bei- stehend abgebildet. Die Fabrikation theilt sich in die Anfer tigung der Einbanddecken, in die des In halts und in das „Einhängen" dieses Inhalts in die Decke. Jedes Blatt eines Photographie-Albums besteht aus einem Körper von Pappe und beiderseits aufgeleimtem weissen Carton. Beim Aufleimen des Gartons wird diezwischen liegende Pappe Glicht und manche Sorte wirft sich, wenn sie dann wieder getrocknet wird. Die Ursache dieses Werfens werden wir nächstens besonders besprechen, für heute genüge die Thatsache, dass manche Pappen diese Eigenschaft haben, dass dann auch der aufgeleimte Garton kraus und das ganze Blatt unbrauchbar wird. Bisher ist nur die althergebrachte gewöhnliche Pappe, die grösstentheils aus Hadern besteht, taug lich befunden worden, alle Versuche mit Strohpappen und sogennanten Lederpappen (aus gedämpftem Schleifholz) sind missglückt. Um alles Werfen, auch bei Lumpen-Pappen, möglichst zu vermeiden, lässt Herr Vite die selben wenn sie ausgestanzt sind, durch mehrere Tage langes Aufhängen in warmer j Luft gründlich austrocknen. Man hat auch versucht, den thierischen Leim durch das billigere Dextrin zu ersetzen, fand jedoch, dass der Garton kraus und I fleckig wurde, bei dünnem Garton schien das Dextrin sogar deutlich gelb durch. Auch j hier musste es bei dem Althergebrachten verbleiben. Vor dem Aufkleben werden sowohl in der Pappe wie in den Gartons die Oeffnungen für die Bilder sowie die Schlitze zum Ein schieben ausgeschnitten Dies geschieht in Wurfpressen (Balanciers) von derselben Art wie die in den Luxuspapierfabriken verwen deten: die beschriebene Fabrik hat deren zehn. Der Stempel oder Oberschnitt ist aus Stahl und passt genau in den messingenen oder stählernen Unterschnitt auf dem die Pappen oder Papiere liegen. Die ausge stanzten Stücke fallen in einen darunter stehenden Korb oder in eine Kiste. Die Verbindung der Blätter miteinander an der Rückseite wird mittelst aufgeleimter englischer Leinwand hergestellt. Früher diente hierzu deutsches Fabrikat, seitdem aber der Zoll so sehr herabgesetzt (aufgehoben?) ist, kann es im Preise nicht mehr gegen das englische aufkommen. Welche Summen in diesem einzigen, verhältnissmässig unbedeu tenden Artikel dem Lande entzogen werden, kann man leicht ermessen, wenn man be denkt, dass die beschr. Fabrik allein monat lich beinahe 2000 Mark dafür ausgiebt. Der innere Theil, welcher die Bilder auf nimmt, wird stets in ein und derselben Qualität angefertigt, er erleidet nur Veränderungen durch die Form und Grösse der Bilderrahmen, die bald oval bald viereckig, bald von Visiten- Karten- oder Cabinetform, oder auch aus Allen gemischt, sein sollen. Die Preisunterschiede liegen, äusser in der Grösse, nur in den Einbanddecken, auf deren Herstellung viel Kunst und Erfindung verwendet wird. Der Körper aller Decken besteht in der Hauptsache aus starker Pappe, welche innen und aussen mit Leder, Leinwand und Papier verkleidet wird. Auch hier kann man, wie bei den inneren Blättern, nur die altherge brachte, nachher noch ausgetrocknete Hadernpappe gebrauchen, Holz- und Stroh pappen werfen sich, nachdem die Beklei dung darauf geleimt ist, derart, dass sie nicht mehr tauglich sind. Wir haben selbst solche gesehen, können daher die Thatsache aus eigener Anschauung bestätigen. Ehe die Leinwand oder das Leder Prä gung erhält, giebt man ihr etwas mehr Halt dadurch, dass man sie auf dünne Pappe leimt, die dann ihrerseits wieder auf die schwere DeckerPappe geleimt wird. Als solche Unterlage finden dünne weisse Pappen aus geschliffenem Holz Verwendung, weil sie glatt, knotenfrei sind und sich hübsch prägen lassen. Die Prägungen werden in sogenannten Vergolderpressen ausgeführt, die wir schon früher beschrieben haben. Herr Vite hat deren neun, dabei drei sehr grosse, welche an Stelle der früher zu kräf ¬ tigen Prägungen dienenden Wurfpressen ge treten sind. Die Stempel sind in Messing gestochen und werden mit Gas geheizt, die zu prägende Leder- oder Leinwanddecke kommt auf eine mit dem Stempel geformte Papiermatrize zu liegen. Bei grosser Mannig faltigkeit von Mustern sammelt sich all- mälig ein Vorrath von derartigen Stempeln an, der bei Herrn Vite 2000 bis 3000 Stück betragen mag. Unter denselben befinden sich z. B. die Wappen fast aller europäi scher Staaten. Wenn einzelne Stellen einer Decke Gold- oder Silberprägung erhalten sollen, so prägt man die betreffenden Stellen zuerst ganz schwach und kalt, bestreicht sie mit Eiweiss, legt dann Gold- oder Silberschaum darüber und prägt dann kräftig mit dem durch Gas flammen erhitzten Stempel. Wo der Stem pel aufsitzt, löst sich das Eiweiss durch die Hitze so, dass das Blattgold daran haftet und was nach geschehener Prägung nicht festsitzt, wird weggebürstet. Äusser den beschriebenen Maschinen fin den wir hier noch alle in grösseren Buch bindereien üblichen Hilfsmittel, Schneidman schineu, Pappscheeren; auch Abschräg-Ma- schinen, die mit jedem Schnitt eine Seite der Pappe viel besser abschrägen, als eg von Hand geschehen kann. Die Hohlkehl maschine, womit dem Längsrande der xer- einigten Albumblätter oder eines Buches die concave Form gegeben wird, dürfte selbst manchem Fachmann neu sein. Wenn der Inhalt eines Albums zum Einhängen fertig ist, geschieht das Auskehlen gewöhnlich von Hand mit einem Hobel, desseu Schneide entsprechend geformt ist. Die Maschine verfährt umgekehrt, das Buch wird flach liegend eingespannt und durch Drehung einer Kurbel so geführt, dass seine Lang seite gegen ein feststehendes Hobeleisen läuft und sich concav, nach der Form des Messers, ausschneidet. Auf solche Weise können in der Stunde 50 bis 100 Album oder Bücher mit Hohlkehlen versehen werden. Im Lager der Fabrik linden wir Album jeder Qualität, von den billigsten bis zu solchen für 150 Mark das Stück. Sehr beliebt ist jetzt eine Decke aus ge prägtem schwarzem Kalbleder mit feinem versilberten oder vergoldeten Muster. Wäh- rend früher rothe Einbände sehr beliebt waren, werden solche, äusser in russisch Leder, wenig mehr verlangt. Bei diesen Sorten sind die Ecken meistens mit versilberten, manchmal auch echt sil- bernen Beschlägen versehen, die zwar sehr hübsch aussehen, aber den Nachtheil haben, dass sie, wie alle silbernen oder versilber ten Sachen, beim Gebrauch rasch anlaufen und dann geputzt werden müssen. Bei dem Putzen ist es kaum zu vermeiden, dass die den Beschlägen zunächst liegenden Theile des Leders mit gerieben werden und dabei nothleiden. Vernickelte Beschläge haben sich nicht beständiger erwiesen, sie laufen eher noch rascher an als silberne. Die Schlossbeschläge sind manchmal zum Yer- schliessen mit Schlüssel eingerichtet, dienen aber meistens nur zum Zusammenhalten. Bei billigen Sorten nimmt man sie einfach aus Messing, bei besseren aus vergoldetem Messing. Ein sehr hübscher und beliebter Einband besteht aus grau Saffianleder, welches so ge prägt ist, dass sich die Zeichnung in dunk-