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790 PAPIER-ZEITUNG. N? 49 Fabrikation des vegetabilischen Pergamentpapiers. Aus der „Gazzetta delle cartiere Italiane“ über setzt von B. M. Papier, welches man gehöriger Weise in ein Bad von Schwefelsäure bringt, nimmt eine dein Leder ähnliche Beschaffenheit an. — Diese vom Chemiker Payen zuerst ver öffentlichte Beobachtung erweckte grosse Hoffnungen und man gedachte durch dieses neue Präparat, dem man die verschieden sten Eigenschaften zuerkannte, nicht nur das Pergament, sondern auch das Leder zu ersetzen. In den Laboratorien machte man Versuche über Versuche und fand zunächst, dass alle vegetabilischen Fasern sich gegenüber der Anwesenheit von Schwefelsäure in gleicher Weise verhalten, nämlich, dass durch eine verlängerte Behandlungsform das neue Prä parat in Traubenzucker überging, der wie derum durch Fermentbildung in Alhohol umgewandelt wird. Man entdeckte hierauf experimental die Verwandtschaft zwischen Cellulose und Alkohol. Zu gleicher Zeit wurde beobachtet, dass andere Körper wie Kupferoxyd-Ammoniak und Chlorzink rück sichtlich der Cellulose dieselben Eigen schaften wie Schwefelsäure besassen. Der eine Prozess bot zwar Anfangs nicht das, was man von ihm erwartet hatte, nichts destoweniger brach er aber einer Industrie Bahn, welche heutzutage in voller Blüthe steht. Man weiss jetzt, dass die Schwefelsäure zu vortheilhafter Einwirkung eine Coucen- tration von 50 bis 60 Grad B. haben muss. Bei einem Grade unter dieser Stärke ruft sie schon keine Umwandlung mehr hervor, und bei einem Grade über derselben wirkt sie zu heftig und hinterlässt auf dem Per gament Runzeln. Um die angedeutete Stärke zu erhalten, mischt man am einfachsten 1 Volumen Wasser mit 2 Volumen starker Schwefelsäure von 66 Grad B. und giesst dabei die Säure langsam dem Wasser zu; ja nicht umgekehrt. An den Papieren selbst beobachtete man, dass die Umwandlung bei baumwollenen Fasern kürzere Zeitdauer als bei leinenen in Anspruch nahm. Wenn demnach beide sich in der Stoffmischung eines Papieres vorfinden, so lassen sich die erst später vom Umwandlungs-Prozesse ergriffenen Leinen fasern deutlich von den baumwollenen, die bereits eine durchscheinende homogene Masse gebildet, unterscheiden. Papier ausschliesslich von Baumwolle be reitet, nimmt erfahrungsgemäss ein dem Leder äusserst ähnliches Aussehen an, aber nach dem Trocknen ist es auch desto runz liger und brüchiger. Der Fabrikant bat es durch verschiedene Lumpenmischungen, die den besonderen Eigenheiten der Fasern ent sprechen, in seiner Hand, dem Pergament papier die einen oder anderen vorherrschen den Eigenschaften, wie leichte Biegsamkeit, Härte oder dergl. zu verleihen. Papier von ungebleichtem Stoff giebt ein schlechtes Pergament, da die von inkrustirenden Stoffen verkleideten Fasern der Einwirkung der Schwefelsäure nur schwer zugänglich sind. Aus demselben Grunde erleidet auch der mechanisch erzeugte Holzstoff nur eine un vollkommene Umwandlung; Papier aus chemisch bereitetem Holzstoff erweist sich besser, weil der durch chemische Mittel bereitete Papierstoff bei Weitem reiner als der auf mechanischem Wege dargestellte ist. Die Dieke des Papieres hat grossen Ein- ! fluss auf seine Umwandlung. Wünscht man eine durch und durch pergamentartige Be- । schaffenheit, so muss das Papier derartig i sein, dass es, auf der Oberfläche fies Schwe felsäurebades schwimmend, von unten her durch seine ganze Stärke durchnässt werde; bleibt das Papier auf seiner Oberseite weiss und trocken, so ist es zu stark und müsste zur Vervollständigung des Procsses unter- getaucht werden. Dann findet aber die Um wandlung an einem und demselben Bogen von zicei Seiten statt und zwar auf Kosten der zu erzielenden Durchscheinbarkeit des Pergament-Papiers. Das Fabrikationsverfahren an sich ist äusserst einfach. Langsam und schön gleich- mässig führt mau das Papier dergestalt in j das Säurebad, dass es in demselben zwischen 5 und 15 verharrt; von hier tritt es in ein Bad von reinem Wasser, wo es seinen grösseren Theil noch anhaftender Säure absetzt, in einem dritten Bade in einer Alkalilösung werden die letzten Reste der Schwefelsäure total ausgeschieden, worauf das Pergament-Papier nach einem nochmali gen Waschprocess in reinem Wasser zum Trocknen gelangt. Während dieser Operationen ist es em- pfehlenswerth, die nachstehenden Vorsichts- maassregeln zu beobachten: 1) Die Säure muss stets auf gleichem Concentrationsgrade erhalten werden, ob gleich sie unter der beständigen Berührung mit der feuchten Atmosphäre, aus derselben so viel Wasser anzieht, dass sie nach einiger Zeit jede Wirkungsfähigkeit verlieren würde. - Ausserdem giebt das Papier selbst eine nicht zu unterschätzende Menge Wasser ab. 2) Die Temperatur der Schwefelsäure darf niemals 14 C. übersteigen. Ihre Wir kung geht zwar zwischen 16 und 200 noch gleichmässig, aber zu schnell vor sich, um das Papier durch das Bad durchzuführen. Die von selbst eintretende Temperaturer höhung findet auf Grund der Aufnahme von Feuchtigkeit statt. Die Einwirkung der Sonne allein, welche durch die Fensterscheiben des Arbeitslokales scheint, kann die Beendigung des ganzen Processes verfrühen. Der gleich mässige Stärkegrad kann aufrecht erhalten werden durch beständige geringe Zuführung von Säure; Temperaturregulirungen hat man mittelst einer Kühlspirale, die durch das Bad läuft, in der Hand. Die durch die Reaktion auf das Papier statthabende chemische Einwirkung ist leicht zu erklären: Unter der Einwirkung von Schwefelsäure löst, sich die vegetabilische Faser auf. Verlängert man diese Einwirkung, so zersetzt sich die aufgelöste Materie in Grundstoffe, deren Wesen bis jetzt noch nicht ganz genau erforscht ist; es tritt aber eiue Reihe stufen weiser Umwandlungen ein, ähnlich wie zwischen Stärkemehl, Dextrin, Traubenzucker etc. etc. Wenn mau nach erfolgter Umwandlung die Substanz, welche die Zersetzung bewirkt hat, schnell in einem Bade von reinem Wasser auswäscht, so zeigt sich uns die vegetabilische Faser in einer von ihrem ursprünglichen Aussehen weit verschiedenen Form. Die Moleküle sind in anderer Form gelagert, und obgleich der Stoff in chemischem Sinne derselbe geblieben ist, zeigt er gegen früher doch sehr ver schiedene physikalische Eigenschaften. Die Fasern haben sich in ihrer Masse dichter geschlossen, bilden nicht mehr eine schwamm artige Verfilzung, sondern einen Bogen, den weder Flüssigkeit noch Luft durchdringt, einen Bogen, den man im Wasser aufweichen kann, ohne dadurch sein Cohäsion zu ver mindern. Durch das zuerst fabricirte Pergament- Papier suchte man die Häute zu ersetzen, die allgemein zum Sicherheitsverschluss für Flaschen dienen. Zu diesem Zwecke fertigte man in kleinem Formate Bogen mit rauher Oberfläche an, die jedoch kein besonderes ehrenwerthes Debüt feierten. Es dauerte nicht lange, bis die hier wünschenswerthen Vervollkommnungen eingeführt und das Pa pier namentlich von seinem rauhen Aeusse- ren befreit wurde; man ging sogar einen bedeutenden Schritt weiter, indem man ver stand, den arbeitenden Apparat der con- tinuirlichen Leistung der Papiermaschine direkt anzuschliessen. Heutzutage ist die ganze Sache kein Problem mehr. Das gewöhnliche, der Pergamentirung zu unterziehende Papier kommt in Rollenforni auf den Apparat, von welchem es in das Säurebad abläuft und in demselben, von einem schweren Glasstab niedergehalten, untergetaucht wird. Das von Säure durch saugte Papier erhält die nächste Auspressung derselben durch ein Kautschukwalzenpaar. Nach diesem durchläuft es eine Reihe von Waschbütten, gefüllt mit reinem Wasser; vor dem Verlassen jeder dieser Bütten geht das Papier zwischen einem Paar Presswalzen durch, welche das oberflächlich anhaftende „Badwasser“ mechanisch zurückhalten. Die Trocknung geschieht mittelst geheizter Kup ferröhren, deren Temperatur genau regulirbar ist, ähnlich dem bei Stoffen und Tüchern angewendeten Verfahren. Zuletzt wird das Papier noch geglättet oder auch ungeglättet gelassen, um es später je nach Bedarf par- thienweise zu satiniren. Bereits in wenigen Jahren fand das neue Präparat eine nicht zu unterschätzende An- weudung in verschiedenen Specialitäten. Vor Allem verwandte man es zu Eisbeuteln für Krankenhäuser, zu Säckchen mit Patent verschluss für Waarenproben und Anderes. Ein Wiener Fabrikant, Eckstein, welcher der neuen Industrie schon beträchtliche Summen geopfert hatte, war der Erste, wel cher die Beobachtung bekannt gab, dass zwei pergamentirte Papierblätter, in noch feuchtem Zustande zusammengelegt, untrenn bar verbunden blieben, sie waren weder in kaltem noch warmem Wasser, noch einer anderen auflösenden Flüssigkeit von einander zu scheiden. Anwendung von Leim wäre also in diesem Falle „Luxus“. In Oesterreich versuchte man Briefum schläge aus Pergamentpapier in den Handel zu bringen, doch stiess die Idee auf eine fatale Schwierigkeit: „der Siegellack wollte nicht au der glatten Aussenseite haften.“ Eckstein empfahl darum, mittelst Matrize vier der Grösse und dem Standorte der Siegel entsprechende runde Scheiben aus dem Papier zu stossen und die verbleiben den Löcher bei noch feuchtem Zustande des Papiers durch gewöhnlichen Papierstoff aus zufüllen. Man erhielt auf diese Weise die bekannten