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658 PAPIER-ZEITUNG. N? 41 Photographie-Papier. Das Papier, welches zur Aufnahme photo graphischer Bilder dient, muss durchaus gleichmässig in Stärke, Weichheit und Durch sicht sein, namentlich aber darf es keine Verunreinigungen, chemischer oder mechani scher Natur, enthalten. Die geringste Spur von Eisen, selbst wenn sie im Papier gar nicht sichtbar ist, würde unter dem Einfluss der beim Photographiren angewandten Che mikalien störende Flecken hervorbringen. Ein Fabrikant, welcher diesen Anforde rungen zu entsprechen weiss, leistet das Vollkommenste, das in diesem Fache über haupt geleistet werden kann, und es ist daher nicht zu verwundern, dass es bis jetzt nur Wenigen gelungen ist. Zur Er reichung dieses höchsten Zieles genügt es nicht, dass eine Fabrik gut eingerichtet und geleitet sei, es genügt auch nicht, dass der technische Leiter die Erzeugung solchen Papiers anderswo praktisch durchgemacht hat, sondern alle denkbaren günstigen Vor bedingungen müssen Zusammentreffen. Die Fabrik muss vor allem möglichst reines, crystallhelles Waschwasser, welches nament lich frei von Metallen ist, besitzen. Sämmt- liehe Fabrikationsstufen müssen, jede selbst ständig, mit einer Sorgfalt und peinlichen Genauigkeit ausgeführt werden, wie sie nur möglich ist, wo der technische Leiter mit dem innersten Wesen der Fasern und ihrer Verfilzung vertraut ist und wo man einen Arbeiterstamm gross erzogen hat, der wo möglich schon seit mehreren Menschenaltern in der Fabrikation feinster Papiere lebt und wo jeder einzelne dadurch die Fähigkeit erlangthat, seineAufgabe aufsVollkommenste zu lösen. Die beiden Fabriken, welche beinahe sämmtliches auf Erden verbrauchte Photo graphie-Papier liefern, sind die von Steinbach in Malmedy und von Blanchet freres et Kleber in Rives, Dep. Isere. Wir wollen nicht untersuchen, welcher von beiden der Vorrang gebührt, um so weniger, als uns noch nicht vergönnt war, die Steinbach’sche Fabrik zu sehen, während wir die Fabrik in Rives wiederholt und eingehend besichtigt haben. Dass es keine Geheimnisse bei dieser Fa brikation zu verrathen giebt, beweist am besten der Umstand, dass Fachleuten von den Herren Blanchet freres & Kleber selten der Besuch ihrer Fabrik verweigert wird. Es ist uns bekannt, dass junge Fabrikanten (z. B. Baron Ritter von Görz in Oesterreich) Wochen lang in Rives verweilten und un behindert jeden Theil der Fabrik besuchen durften, um die Fabrikation zu erlernen. Schreiber dieses hat viele Tage dort zuge bracht und man zeigte ihm nicht nur Alles aufs Eingehendste, sondern der Leiter, die Seele der Fabrik, Herr Alexander Kleber, ertheilte auch mündlich ohne jeden Rückhalt die genaueste Auskunft. Die Fabrik oder richtiger Fabriken liegen dicht bei dem Städtchen Rives, wenige Meilen von Grenoble und bestehen aus mehreren Gebäudecomplexen mit mehreren Papiermaschinen und Schöpfbütten. Der Bach, welcher die vorhandene Wasserkraft liefert, giebt auch das Waschwasser, er hat oberhalb einen so kurzen Lauf, dass man in einer halben Stunde an seinen Ursprung gelangt. Auf diesem kurzen Wege wird er jedoch durch so viele kräftige Quellen ver ¬ stärkt, dass er bei der Fabrik eine ganz erhebliche Wassermenge führt. Das Gelände, durch welches der Bach von seinem Ursprung an fliesst, gehört der Firma und ihren Mit gliedern und jede nur mögliche Sorgfalt wird angewandt, um den Wasserlauf vor Verunreinigung zu schützen. Das Wasser ist absolut frei von Eisen und krystallhell, enthält jedoch so viel Kalk, dass es Eisen nicht angreift und als alkalisch gelten kann. Das zu Fabrikationszwecken dienende Wasser erfährt in einem von G. Planche geplanten Filtrirbehälter (s. Hofmanns Handbuch S. 576/77) eine erste Reinigung i und fliesst noch durch die von G. Planche angegebenen Filztücher (s. Papier-Zeitung S. 592) in den Vertheilungsbehälter. Damit ist aber die Reinigung noch nicht erschöpft, sondern die vertheilten Wasser fliessen, wo es nur angeht, in der Nähe des Verwendungs ortes nochmals durch Filztücher. Die zu Photographie-Papier benützten Hadern gehören selbstverständlich zu den besten Sorten weisser Lumpen, werden aber trotzdem mit grosser Sorgfalt gereinigt und geschnitten. Das Kochen wird zwar in Drehkesseln ausgeführt, doch sind dieselben klein und auf haltbare Weise mit nicht j rostendem Metall ausgekleidet, so dass nirgends Berührung der Hadern mit Eisen stattfindet. Die Kalkmilch, mit welcher die Hadern im Kessel vermischt werden, wird mehrfach und so sorgfältig geschlämmt und gesiebt, dass an eine Verunreinigung aus dieser Quelle kaum zu denken ist. Die Holländer sind sämmtlich aus Ziegel und Gement gebaut, mit Fayence- (Steingut) Platten ausgekleidet und mit messingnen Walzenschinen und Grundwerken versehen. Die Steingut-Platten werden nicht auf irgend welche besondere Art befestigt, son dern einfach in eine Cementschicht gedrückt, sie geben den Holländern nach dem Erhärten das Aussehen, als seien sie aus Porzellan zusammengesetzt. In ganz gleicher Weise sind die Stoffbütten und die Abtropfkasten hergestellt und auch in den Stoff- und Wasserleitungen haben Wasser und Stoff keine Gelegenheit mit Eisen in Berührung zu kommen. Die gewöhnlichen Waschvorrichtungen, Holländer, Sandfänge etc. genügen wohl für Verunreinigungen die schwerer sind als Wasser, in dieser Fabrik ist aber auch eine Einrichtung getroffen, durch welche der be reits im Holländer gewaschene Stoff von obenaufschwimmenden Verunreinigungen be-1 freit wird. Sie ist in Hofmanns Handbuch I der Pap.-Fabr. S. 86 beschrieben. Die vielen an der Papiermaschine ange brachten, zum Theil sehr sinnreichen Ver- ] besserungen sind an den betr, Stellen in Hofmann s Handbuch beschrieben. Wir wollen hier nur noch zufügen, dass die Maschine, wenn sie Photographie-Papier erzeugt, sehr langsam, beinahe im Schneckenschritt, läuft und dass Alles aufgeboten wird, um ihren Gang möglichst regelmässig und ungestört zu machen. Der Abdampf der treibenden Dampfmaschine darf desshalb nicht die Trockencylinder heizen, sondern muss in einen Condensator gehen. Die Trocken cylinder bekommen direkten Dampf, dessen Druck durch einen Legat’schen Regulator (detendeur de vapeur) genau auf die ge wünschte Spannung vermindert und darauf erhalten wird. Viel mehr als die Anlagen in Rives be wunderten wir die aufs kleinste unschein barste gerichtete Kenntniss der Fabrikation seitens des Technikers der Firma, des Herrn Alexander Kleber. Hier sind und werden noch täglich durch fortgesetzte scharfsinnige | Beobachtung Fragen gelöst, welche vielen anderen Fabrikanten nicht einmal in den Sinn kommen. Das prachtvolle Quellwasser, der im Laufe eines Jahrhunderts für die Papierfabrikation erzogene Arbeiterstamm, die schönen zweckmässigen Einrichtungen sind allerdings Grundbedingungen, siebleiben aber ungehobene Schätze, wenn sie nicht von solcher Fach-Intelligenz beseelt werden. Die erwähnten Grundlagen sind seit langer Zeit in den Händen des jetzigen Leiters und doch war vieljährige stetige Entwicklung und Verbesserung nöthig, ehe es gelang, das jetzige Photographie-Papier zu erzeugen. Wir haben während der Arbeit viele grosse Bogen Papier von der Maschine genommen und konnten keine Stelle finden, die irgend wie, sei es in Durchsicht. Reinheit, Ver filzung, Stärke oder Aussehen von einer anderen Stelle verschieden war. Wenn auch Herr Alex Kleber als Papier fabrikant wohl Niemandem nachsteht, ist er doch weit davon entfernt zu glauben, dass er nichts mehr zu lernen habe. Er ist im Gegentheil von bewundernswerther Be scheidenheit, stets begierig, die Ansichten Anderer zu hören und bereit, ihnen Ge rechtigkeit wiederfahren zu lassen. Kein Schritt von Bedeutung wird unternommen, ohne dass man den Rath der Leute einholt, die darin Kenntniss und Erfahrung besitzen. Dervielerfahrenebewährte Herr Gabr. Planche ist ein Freund des Hauses und verlebt jedes Jahr einige Wochen in Rives. Auch wir hatten das Vergnügen, den liebenswürdigen alten Herrn dort zu finden und uns seiner Kenntnisse wie seiner geistigen Frische zu erfreuen. Die Beschreibung der Fabrik wäre unvoll ständig, ohne Erwähnung der Verdienste des kaufmännischen Leiters, Herrn Alphons Kleber. Wenn wir auch in diesen Zweig des Geschäfts keinen so tiefen Blick wie in den technischen werfen konnten, so ist doch einleuchtend, dass er mit Geschick und Um sicht gehandhabt sein muss, wenn sich das Absatzgebiet, wie hier, über die ganze Erde erstreckt. Die Verdienste des Herrn Alex. Kleber wurden bei Gelegenheit der Wiener Aus stellung auch durch einen österreichischen Orden anerkannt, Marschall Kleber sammelte Lorbeeren im Kriege, seine Grossneffen er werben sie im Frieden! Manche unserer geschätzten Leser sind vielleicht der Ansicht, dass wir vorstehend zu viel von Personen gesprochen haben, anstatt die Fabrik um so ausführlicher zu beschreiben. Es geschah jedoch, weil wir gerade die Personen für das Wesentlichste halten, für viel wichtiger als Alles andere. Es geht heute noch mit der Papierfabrikation und jeder anderen Fabrikation wie vordem mit Gevatter Schneider und Handschuh macher: Wer sein Geschäft gründlich ver steht und emsig betreibt, erzielt Erfolg damit, ohne dass er dazu besonderer Kunst stücke oder Geheimnisse bedarf, und wenn auch ringsum weniger befähigte Fachgenossen nur kümmerlich ihr Dasein fristen oder zu Grunde gehen. Zum Verständniss des Ge-