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290 PAPIER-ZEITUNG. N? 19 Mittheilungen über Holzzellulose- fabrikation. Von E. Kirchner, Ingenieur in Aschaffenburg. Nachdruck verboten. {Fortsetzung aus No. 17.) April 1877. 1. Cellulose. — (06 H10 06 oder44,44°/C 6,180/0 49,38 °/o 0) besteht aus doppelt brechenden Elementarkrystallen. Sie ist weiss, geschmack- und geruchlos, unlöslich im Wasser, Alkohol, Aether, fetten und flüchtigen Oelen, verdünnten Säuren und kalten verdünnten Alkalien, löst sich in Kupferoxyd-Ammoniak zu einer klaren blauen, etwas klebrigen Flüssigkeit. Salz säure aber fällt sie wieder aus dieser Lösung, auch erhitzte verdünnte Alkalien scheinen sie bei über 200° C. und genügend langer Einwirkung zu lösen. [Oxalsäure, die sich nach Herrn Knösels Angabe bei Kochen mit zu starken Natronlaugen aus Cellulose bilden soll, konnte ich trotz An wendung sehr starker (16° B) Lauge nie in grösseren Mengen nachweisen. Näheres beim Kochprozess.] In concentrirter Schwefel säure schwärzt sich die Cellulose bei Er hitzung, ohne Wärme quillt sie in derselben anfangs auf und löst sich dann vollständig, bei Zusatz von Wasser scheiden sich weisse Flocken von Amyloid aus, die ähnlich wie Stärkemehl durch Jod blau gefärbt werden; wird ein dünnes Blatt Cellulose in ziemlich starke Schwefelsäure getaucht und gleich nachher mit Wasser oder verdünntem Am moniak gewaschen, so bildet sich eine dem Pergament ähnliche Substanz, durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure bildet sich aus der Cellulose Traubenzucker, beim Zusammenschmelzen mit Kali oder Natron hydrat, ferner beim längeren Kochen mit Salpetersäure verwandelt sie sich in Oxal säure, durch Salpetersäuremonohydrat oder einem Gemisch von Salpetersäure und Schwefelsäure geht sie in Schiessbaumwolle über, bei gelindem nicht zu lange fort gesetztem Kochen mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure löst sie sich nicht, bei trockner Destillation giebt sie Dämpfe saurer Reaction, darunter Essigsäure und Kreosot. 2. Die inkrustirende Mates'ie, besteht im Wesentlichen aus einer Verbindung von 55,55 % Kohlenstoff, 5,83 % Wasserstoff, 38,62 % Sauerstoff, die von Vielen Lignin genannt wird, sie ist der Cellulose sehr ähnlich und hat viele Eigenschaften mit der letzteren gemein, wichtig ist indessen, dass sie sich leichter in verdünnten erhitzten Alkalien und einer erwärmten Auflösung von chlorsaurem Kali und Salpetersäure löst. Die inkrustirende Materie ist es, die die Verholzung der Holzzellen bewirkt und da durch die verschiedenen physikalischen Eigenschaften der Hölzer, also deren Härte, Elasticität, Dichtigkeit etc. mitbedingt. 3. Die Intei'cellularsubstanz. Dieselbe wird als eine umgewandelte Schicht der Cellwand aufgefasst und hat auch viele Eigenschaften mit der Cellulose gemein, doch löst auch sie sich leicht in verdünnten erhitzten Alkalien und in einer erwärmten Auflösung von chlorsaurem Kali in Salpeter säure. 4. Das Harz. Dasselbe tritt immer im Zusammenhang mit dem Terpentinöl auf, in den sogenannten Harzgängen der Kiefer, es ist seiner chemischen Natur nach eine schwache Säure; von dem Oel befreit, er scheint das Harz der Kiefer bräunlich, ist geschmack- und geruchlos, ist unlöslich im Wasser, schon bei mässiger Wärme schmilzt es, lässt sich in Fäden ziehen und ver- ! brennt an der Luft mit heller Flamme unter Entwickelung eines stark russigen Rauches, | es lösst sich in Alkohol und ätherischen Oelen, mit Natron bildet es eine Natron- I seife (Harzseife), die wie andere Seife j schäumt, aus dieser scheiden Säuren das ! Harz wieder ab. Beim Schmelzen mit Kali I und Natronhydrat bilden sich neben Fett säuren Benzolverbindungen. Unter den festen Verbindungen ist schliess lich noch die Stärke zu nennen, die als hauptsächlichster Reservestoff auftritt, und zwar findet sie sich in runden länglichen Körnchen abgelagert. Die Stärkekörner sind im kalten Wasser und Alkohol unlös lich, im warmen Wasser quillen sie, platzen auf und bilden den Stärkekleister. Alkohol fällt aus dieser Lösung ein weisses, im Wasser lössliches Pulver. Besonders cha rakteristisch für Stärke ist ihre Blaufärbung durch Jod. Beim Kochen mit verdünnten Säuren -geht die Stärke in Dextrin über, i ebenso beim Erhitzen auf 160—200°. Dextrin ist im kalten Wasser löslich. Concentrirte Schwefelsäure löst Stärke zu einer Schwefel säure-Verbindung, welche mit Basen Salze bildet. Eine uns interessirende organische Ver bindung in flüssiger Form ist das Terpentin öl oder Kienöl, welches, wie schon erwähnt, immer in Verbindung mit dem Harz auf tritt. Dasselbe enthält gewöhnlich Ameisen säure. Es ist eine farblose eigenthümlich | riechende Flüssigkeit, vom spec. Gew. 0,86 bis 0,89, welches sich sehr leicht verflüch tigt, aber erst bei 160° siedet. In Wasser ist es unlöslich, in wässerigem Alkohol schwer löslich; mit absolutem Alkohol, Aether und fetten Oelen mischt es sich in j allen Verhältnissen; es löst Schwefel, Phos phor, Harze und Kautschuk; beim Kochen mit verdünnter Salpetersäure bildet es Ameisensäure, Oxalsäure u. a. Es ist nach dem Gesagten erklärlich, was beim Kochen mit Natronlauge geschieht, es lösen sich die inkrustirende Materie, sowie die Intercellularsubstanz und zwar ziemlich vollkommen bei 180° C., nach Anderen sogar beinoch niederer Temperatur; die ätherischen Oele verflüchtigen sich, die Pflanzensäfte werden mit ihren Säuren, Salzen und Reservestoffen durch die Lauge verändert, die Harze bilden Natronseifen, so dass es bei genügender Menge Natron- \ lauge, bei richtiger Temperatur und ge nügender Zeitdauer der Einwirkung mög-1 lieh ist, 1. durch Lösung der Intercellularsubstanz die einzelnen Holzzellen zu isoliren, 2. aus deren Membranen die inkrustirende Materie zu entfernen, so dass die, Cellulose nrch erfolgter Waschung mit klarem Wasser in Form der faser förmigen Holzzellen zurückbleibt. Die Cellulose in möglichst chemisch. reinem Zustande aus dem Holz zu ge winnen, wird also die Aufgabe des Cellu-' losefabrikanten sein, sobald es sich darum handelt, aus ihr feine und feinste Papiere herzustellen, indessen kann man auch, wenn es sich um Herstellung ordinärer Papiere handelt, durch ungenügendes Kochen einen noch mit allen möglichen anderen Holz- bestandtheilen behafteten Faserfilz her stellen, (was quantitativ bessere Resultate ergiebt), der aber nur für genannten Zweck tauglich ist. Die Herstellung der Holzcellulose im j Grossen ist bisher nur mit Natronlaugen möglich geworden, die älteste schon lange bekannte Methode der Isolirung der Holz zelle für wissenschaftliche Untersuchung mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure, sowie andere neuerdings vorgeschlagene Verfahren bewährten sich bei Einführung in die Praxis bisher nicht, wegen zu hoher Herstellungskosten und technischer Schwierigkeiten. Aber auch die erste in der Industrie allein zu findende Herstellungsart, das Kochen mit Natronlauge, liefert meist noch recht ungenügende Resultate, sowohl be treffs der Qualität der erzeugten Waare. als des pekuniären Gewinnes und ist dies nicht zu verwundern, da es leider Cellulose fabriken giebt, die wirklich nicht die Vor bedingungen aufweisen können, die für deren Existenz nothwendig sind. Genügende Produktionsfähigkeit der An lage, genügender Absatz, Möglichkeit der Beschaffung geeigneter Hölzer zu mässigen Preisen, Vorhandensein guten Fabrikations wassers, Nähe guter Verkehrswege, eine tüchtige merkantile wie technische Leitung, sind die Hauptpunkte, die bei bestehenden wie neu zu erbauenden Fabriken zunächst Berücksichtigung finden müssen. Einer der grössten Feinde der Cellulose ist die Abneigung des Celluloseconsumenten gegen das neue Fabrikat, und des Cellu- losefabrikanten Bestreben mnss sein, diese Abneigung, die häufig genug auch berech tigte Ursache hat, durch Lieferung nur guten, leicht bleichbaren reinen Fabrikates in Vertrauen und Zuneigung umzuwandeln. Aber was knüpfen sich für den Cellulose fabrikanten an Erfüllung dieser Bedingung für Schwierigkeiten, in seltenen Fällen ist es in gewissen Anlagen bisher gelungen, so reine tadellose Waare herzustellen, dass sie für feinste Papiere zu gebrauchen ist, und doch muss dies überall möglich sein, möge man ein System haben, welches man will. Freilich muss man vom Anfang bis zum Schluss aller Operationen den Rein lichkeitssinn des gediegenen Papierfabri kanten beobachten. Dieser Reinlichkeitssinn muss zunächst bei der Zubereitung und Eintragung des Holzes zu Tage treten, gerade hier schon am Anfang wird sehr viel gesündigt. Man hätte vom Holzschleifer lernen können, wie er seit einer Reihe von Jahren bestrebt war, dem Bedürfniss des Papierfabrikanten, grösste Reinheit der zu verwendenden Materialien, genügend Rechnung zu tragen, er nimmt nur das gesundeste, sauber ent rindete und entästete Holz; indessen ver spricht man sich noch heute in einigen Cellulosefabriken von der Wirkung des chemischen Prozesses zu viel, man ver langt, dass die Natronlauge aus Borktheilen, Bast mit Cambium, Aesten-, Splint-, Kern-, Stamm- und Zopfholz, sogar noch mit allen möglichen organischen und unorganischen