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194 PAPIER-ZEITUNG. N» 13 Neben den schon erwähnten Cotillon- Die Berliner Papier- und Pappwaaren-Industrie. Luxus-Papier - Fabrikation. {Fm'tsetzung aus No. 12.) Seit einem Jahre haben Sch. & Sch. eine kleine, von Karl Krause in Leipzig ge lieferte Presse in Betrieb, welche voll kommen befriedigt und eine nähere Be schreibung verdient. Auch diese Presse hat keine Schwung- oder Wurfkugeln und sie sieht viel mehr einem Papierschneide tisch als der jetzt üblichen Wurfpresse ähnlich. Der Ambos steht unverrückbar fest und der Stempel mit dem darauf liegen den Papier wird von unten herauf gegen ihn gepresst. Den Druck übt ein durch Räderwerk in Bewegung gesetzter Knie hebel aus. Der von einem Rahmen ge fasste Stempel kommt auf eine sehr starke auf- und niedergehende Platte zu liegen und wurde ursprünglich nach jeder Prägung von Hand herausgezogen und wieder hin eingeschoben. Sch. & Sch. haben die für Handbetrieb gebaute Maschine so einge richtet, dass der Stempel jetzt, sobald er mit Papier belegt ist, mechanisch wieder eingeschoben wird und dass die Presse überhaupt nur mit Dampfkraft arbeitet. In Folge dessen hat der bedienende Arbeiter gar keine schwere Arbeit zu verrichten, er muss nur das Papier richtig auf den Stem pel legen können, also die Punktur ver stehen. Die Presse kann daher von einem 12jährigen Knaben bedient werden. Hier bei laufen die Arbeiter keine Gefahr, von Schwungkugeln getroffen zu werden oder die Finger zwischen Ambos und Stempel zu quetschen und die Leistung ist so be friedigend, dass bei Neuanschaffung kleinerer Pressen nur noch diese Art genommen wer den soll. Als Stempel dienen auch hier wie schon erwähnt, gestochene Stahlplatten, doch ist in der Fabrik eine besondere galvano plastische Anstalt eingerichtet, mit Hilfe deren aus Bruchstücken alter Stempel neue zusammengesetzt und fertig gestellt werden. Wenn es gelungen ist, verschiedene Papier- Prägungen oder Theile von solchen zu einer neuen zusammenzustellen, so werden an Stelle der Papierstücke zunächst Blei- abdrücke von den verschiedenen Stempeln genommen und genau so vereinigt wie das papierne Muster. Die Bleiplatte kommt dann in’s Kupferbad und erhält darin durch Einwirkung des galvanischen Stroms einen starken üeberzug von Kupfer, der kräftig genug ist, um als Stempel zu dienen. An der Fabrik haben wir die geräumigen, hellen Räume hervorzuheben sowie die flir verschiedene Fabrikationsartikel errichteten Abtheilungen. So werden z. B. in einem Saale nur Cotillon-Orden, Pathenbriefe und ähnliche reich verzierte Gegenstände ange fertigt und in diesem Saale befindet sich selbstverständlich auch das zum Fälteln der verschiedenen Krepp- und Stoffarten nöthige Messing-Walzwerk. Geräumige Galerien, welche sich an der Rückseite der meisten Säle hinziehen, bil den die Vorrathskammern von Papier und anderen Rohstoffen, deren die in ihrer Nähe befindlichen Maschinen und Arbeiter be dürfen. Orden und Pathenbriefen fabriziren Sch. & j Sch. namentlich und hauptsächlich Gratu- lations- oderWunschkarten, Neujahrskarten, Tischkarten, welche sie in grösseren Men- j gen als je nach Paris verkaufen. Die Bilder sind so hübsch gezeichnet und die Farben mit einer Zartheit aufgedruckt, wie | sie besser wohl kaum erzeugt werden, und es darf uns daher nicht wundern, dass das mit dem feinsten Geschmack begabte französische Volk die Waare zu würdigen versteht. Dass das Haus nur eigenartige, d. h. Original - Erzeugnisse, liefert, bedarf I wohl kaum der Erwähnung, wird aber auch durch die überall angebrachte Schutzmarke bestätigt. Besonders bemerkenswerth fan den wir eine Rose, welche sich auf Ziehen einer seidenen Schnur vollkommen entfaltet und, wie ihr natürliches Vorbild, vortreff- | liehen Geruch spendet. Die Täuschung wird dadurch sehr vollkommen, dass die ' rothen Blätter aus gewebtem Stoffe be stehen und, auseinandergefaltet, wie die einer wirklichen Rose stehen. Ein passen der Spruch ist auf ein Blatt gedruckt und | von einem anderen Blatt bedeckt. Andere papierne Rosen lassen sich theil weise auseinanderfalten und einen Genius j aus den Blättern treten. Ein Geburtstags- j Glückwunsch besteht aus einer Karte mit Blumenstrauss, der mittelst Zugvorrichtung so entfaltet werden kann, dass er körper lich heraustritt und jede einzelne Blume sowie das Bouquetpapier besonders zeigt. Aus anderen Blumensträussen lassen sich durch Zug noch 5 in Maiglöckchen und Veilchen gebettete Sprüche oder eine Reihe reizender Mädchenköpfe und dergl. ent wickeln. Fächer und andere Karten, die sich mehr oder weniger panoramaartig ausein anderschieben, sahen wir in vielen Mustern. Die musikalischen Karten, in welchen, aus einandergelegt, Noten und Text eines Liedes zum Vorschein kommen, sind von Sch. & Sch. eingeführt worden. Eine der feinsten und sinnigsten der neuen Glückwunschkarten zeigt auf den ersten Blick nur einen in einem Rosenzweig steckenden Briefumschlag. Zieht man je doch an dem oberen blauseidenen Bänd chen, so öffnet sich die Klappe des Um schlags nach oben und bringt ein Kärtchen mit heraus, welches den Wunschvers ent hält. Auf Ziehen des unteren seidenen Bändchens geht das Kärtchen zurück und der Umschlag schliesst sich wieder. Leute von Fach werden die Schwierigkeit wür digen, welche die Herstellung einer dauer haften Verbindung zwischen der Klappe und dem herauskommenden Kärtchen ver ursachen musste, so einfach die Sache jetzt auch aussieht. Einfach, hübsch und eigenthümlich sind auch die Wunschkarten, bei denen Bild und Schrift direkt auf Atlas gedruckt sind. Das direkt aufgedruckte Bild dient aller dings einem aufgeklebtenpapiernen meistens nur als Hintergrund, es kommt nur rings um zum Vorschein, wirkt aber dadurch um so stärker. Die auf Atlas gedruckten Bil der finden vielfache Verwendung bei der Fabrikation von Pappwaaren. Eine humoristische Wunschkarte zeigt eine als Mensch gekleidete Katze, welche einen genaschten Milchtopf fortträgt. Auf Ziehen eines Bändchens kommt hinter dem Milchtopf ein schreiendes Wickelkind her vor. Eine andere Art komischer Wunsch karten sind solche, auf denen Teller mit Speisen körperlich dargestellt sind, z. B. , ein darauf befestigter Teller mit einem | sauren Häring und der Inschrift: „Wohl ■ bekomme“. Auf dem Teller einer andern Karte findet sich belegtes Brod, und dar unter auf dem Teller der Vers: Das Schicksal wende jede Noth Und spende reich Dir Segen, Damit Du habest immer Brod Und kannst es auch belegen. Unter einem Stück Käse auf Brod steht auf einem andern Teller der Vers: Gesund verzehre dies Käs’gericht Und fürchte Dich vor Mädchen nicht. Ein Dutzend humoristische, sehr schwung voll gezeichnete Tischkarten hat unseren ’ besonderen Beifall, weil dieselben unzweifel haft sehr geeignet sind, sofort eine heitere Stimmung an der Tafel hervorzurufen. Am Fuss der Treppe steht z. B. in sehr schwankender Verfassung ein Nacht schwärmer, sein getreuer Hund kriecht ihm voraus die Treppe hinan und daneben heisst es: Sein oder nicht sein? Zwei sehr schwere Fragen; Die dritt’ und schwerste: Was wird Mutter sagen?! Auf einer anderen Karte ist folgender Spruch: Der alten Deutschen liebste Nahrung War Abends Bier und Morgens Harung. durch drei kneipende und rauchende Stu denten illustrirt, welche auf einem unge heuren Häring reiten. Für einen allzu gesprächigen Gast wäre wohl die entsprechend illustrirte Karte mit folgender Inschrift geeignet: Du bist ganz excellent in vielen Sachen; Nur bitt’ ich Dich, nicht so viel Wind zu machen. u. s. w. Selbstverständlich befindet sich auf jedem Bilde ein geeigneter Platz zum Einschreiben des Namens. Die mit Blumen und Früchten auf weissem oder schwarzem Grunde gezierten Tisch karten zeichnen sich, wie alle Bilder, durch Zartheit der Farben aus, am bemerkens- werthesten finden wir aber auch wieder diejenigen darunter, welche das komische Element vertreten. Die Erdbeere, aus wel cher ein lachender Mädchenkopf heraus guckt, die Kirschen, welche nur rothe Mütze und Weste für einen naschhaften Schuster jungen abgeben, sowie die Pflaumen, welche in Hausmütze, Weste und Geldsäcke eines behäbigen Spiessbürgers verwandelt sind, bieten neben hübscher Zeichnung und Farbe auch den mit Recht sehr gesuchten Humor. Die Heiligenbilder der Firma gehen noch immer sehr stark nach Spanien, dagegen hat der italienische Bedarf bedeutend nach gelassen. Die Italiener scheinen zu der Ansicht zu kommen, dass sie auch ohne Heiligenbilder ganz gut fertig werden können — jedenfalls ist die Erscheinung ein bemerkenswerthes Kennzeichen der dortigen Stimmung. Sch. & Sch. fabriziren auch die neuer dings beliebt gewordenen Blumentopf-Hüllen. Nachdem das Papier fertig bedruckt ist, wird es mittelst Kreisscheeren, wie die Klempner sie brauchen, rund geschnitten. Die Vorrichtung ist sehr einfach, das Pa pier wird auf das äussere Ende eines Blech segmentes gesteckt, dessen anderes Ende