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No. 52. PAPIER -ZEITUNG. 1547 Kaufmännische Schreibweise. Aus einem Vortrage von E. Sclileusner, Bonn. Die mitunter merkwürdig verblümte kaufmännische Ausdrucks weise ist in der Papier-Zeitung mehrfach getadelt worden. In Nr. 74 v. Jahres wurde auf den Unterschied zwischen Redeweise und schriftlichem Ausdruck des Kaufmanns hingewiesen und die Missgestaltung des Schreibstils getadelt. Die Art der Amerikaner, sich brieflich und in geschäftlichen Empfehlungen nicht anders als sonst mündlich auszudrücken, wurde dort an einigen Bei spielen kenntlich gemacht. Demgegenüber sieht unser kaufmänni sches Deutsch recht verkommen aus. Der Vorwurf, diese üble Schreibweise grossgezogen zu haben, trifft aber nicht ausschliess lich den Kaufmann der Gegenwart, sie muss vielmehr als ein Ueberbleibsel der Vergangenheit betrachtet werden. Durch Jahr hunderte hindurch gepflegt, ist dieser Stil dem schreibenden Kauf mann zur Gewohnheit geworden; seine Absonderlichkeiten er scheinen ihm nothwendig und unentbehrlich, weil er sie als Standes-Eigenthümlichkeit, als eine Art Geheim- oder Zunftsprache ansieht. Um den heutigen kaufmännischen Brief zu verstehen, müssen wir in die Vergangenheit zurückgreifen. Noch zu Anfang des 14. Jahrhunderts kennt man kaum den Privatbrief. Der Mit- theilungs-Verkehr beschränkt sich auf Höfe und Stadtverwaltungen, also auf die Kanzleien. Es ist zu beachten, dass die von hier ausgehenden Schreiben, Urkunden, Vollmachten, Verträge, ebenso wie die Veröffentlichungen der Geistlichen und Gelehrten aus schliesslich in lateinischer Sprache abgefasst waren. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts hebt auch unter dem Bürgerstande ein Briefverkehr an. Aber die Schriftsprache ist nach dem Muster der Kanzleien noch die lateinische, in die hier und da einige deutsche Wörter und Sätze mit einfliessen. Erst mit dem Wachsen des Briefverkehrs, im Anfang des 15. Jahrhunderts, verdrängt die deutsche Sprache die lateinische. Mit dem Schreiben selbst sieht es im 14. und 15. Jahrhundert auch noch sehr übel aus. Der Ausdruck in Rede und Schrift ist ärmlich und ungelenk. Wie sich die öffentliche Rede und der Vortrag noch an Formeln halten müssen, so klammert man sich auch im schriftlichen Ausdruck an vorhandene Muster, ahmt sie nach, stellt die Redensarten zusammen, wie sie für den jeweiligen Zweck passen, und stückelt so den Brief zurecht. Als Vorbilder werden die aus den Kanzleien hervorgehenden Schriftstücke be nutzt, deren gewundener Stil somit in den Privatbrief über tragen wird. Im Kanzleiverkehr wird es bei der damaligen Unsicherheit des Verkehrs nothwendig, empfangene oder abgesandte Briefe zu bestätigen. Dies wird nun auch im Kaufmannsbriefe Gewohnheit: »Ich habe dir vor acht Tagen einen Brief gesandt, hoff ich, solcher sei dir wohl worden«. Das pflanzt sich bis heute fort. Der Kaufmann des 19. Jahrhunderts sagt: »und hoffe ich, dass mein Schreiben Ihnen geworden ist«. In der Kanzlei ist es Regel, am Schlüsse um Antwort zu ersuchen. Auch diesen Schlusssatz übernimmt der damalige Kaufmann: »und begehre Eure gütlich Antwort«. Alte Gewohn heit lässt diese Schlussbemerkung auch heute nicht fehlen, selbst wenn aus dem Briefe klar hervorgeht, dass Antwort nöthig sei, nur heisst es jetzt: »und bitte ich um gefl. Antwort«. Der damalige Kanzleistil liebt es, der Briefbestätigung einen langen Satz zu. geben, z. B. »Als Ihr uns geschrieben habt, haben wir vernommen«. Jetzige Formel: »Wir bekennen uns zum Empfange Ihres Geehrten vom« statt einfach: »Wir erhielten Ihren Brief vom«. In den alten Briefen fehlt selten die aus der Kanzlei herüber geholte Endbemerkung, dass man nichts weiter zu schreiben wisse: »anders nichts«, »sonst nichts«, eine Verlegenheitsformel, die be zeichnend genug für die Mangelhaftigkeit des Ausdrucks ist. Heute heisst es: »Ohne Mehr für heute«, »ohne Veranlassung zu Weiterem«. Auch die zu jener Zeit fast unvermeidliche Einleitung »Wisse«, »ich lass Dich wissen « finden wir in unserem: »Ich theile Ihnen hierdurch ergebenst mit« wieder. Während aber der Fortschritt in Kultur und Schriftthum auf briefliche Mittheilungen im allgemeinen kräftig einwirkt, der Wortreichthum zunimmt und das Bestreben wächst, natürlich und verständlich aus dem Gefühl zu schreiben, bleibt die kauf männische Sprache in den alten Geleisen der Kanzlei. Da nun die Geschäftsvorfälle sich gleichen, so werden auch die brieflichen Mittheilungen einander ähnlich. Der Kaufmann wiederholt Aufträge und Bitten, der Zeitersparniss wegen, immer mit den gleichen Wörtern und Sätzen; der Empfänger, ebenso schwerfällig im Ausdruck, benutzt sie gleichfalls, und so bilden sich allmälig stehende Redensarten, die allen Kaufleuten geläufig und zur Regel werden. Wir müssen uns gegenwärtig halten, dass unsere Vorfahren weniger schreibgewandt waren, als wir es sind. Zu ihrer Zeit war Schreiben ein mühevolles, zeitraubendes Geschäft. Die Hand war ungeübt, das Schreibmaterial schlecht. Der Kaufmann sucht deshalb zu kürzen, er vermeidet viele der überflüssigen, im Privat- und Kanzleiverkehr ständigen Redensarten, lässt aber auch un entbehrliche Wörter aus; z. B. dass, ich, da. »Dieses Schreiben geschieht in Eile, höflichst gebeten haben«, »wiss gen Salzburg hergekommen bin«, »am 15. habe geschrieben«. Auch diese Eigenthümlichkeit ist auf unsere Tage gekommen. Eine andere wesentliche Eigenart des damaligen Briefes ist die häufige Verwendung der Fremdwörter. Dass im Anfänge der Entwicklung des Briefes viele lateinische Wörter gebraucht werden, ist natürlich, weil der deutsche Brief aus dem lateinischen hervorgegangen ist. Infolge der zunehmenden Handelsverbindungen mit Italien und Frankreich nimmt der Kaufmann aber auch viele italienische und französische Wörter in seine Sprache auf, die heut noch gang und gäbe sind. Die neuere Zeit hat dann noch das Englische geplündert. So bildete sich denn allmälig am Gängelbande der Kanzlei sprache ein eigener kaufmännischer Stil, an dessen Erhaltung die »Briefsteller« (Ende des 16. Jahrhunderts) stark betheiligt sind. Diese Bücher enthielten fast durchgängig auch Muster von Kauf mannsbriefen, die sich natürlich gänzlich dem herrschenden Ge brauch unterwarfen. Der angehende Kaufmann schöpfte aus ihnen seine Briefwissenschaft und impfte sich ihre Ausdrucksweise ein; die Herausgeber neuer Briefsteller benutzten die ältern Werke, und so pflanzten sich die alten Formeln von Geschlecht zu Ge schlecht fort, um in unsern heutigen sogenannten kaufmännischen Korrespondenzen weiter zu leben. Noch Eines haben wir aus jener Zeit ererbt, das uns in der heutigen kühlen Geschäftssprache auffällt: den gesteigerten Aus druck von Unterthänigkeit und Ergebenheit. Wenn auch der kaufmännische Brief der Vorzeit in dieser Beziehung hinter dem Privatbrief zurückblieb, so klingen doch die »ehrenwerthen, vor achtbaren, wohlführnehmen, günstigen Herren« im Anfänge der Briefe, die » dienstwilligen, allezeit und beständig getreuen Knechte « am Schlüsse, unangenehm in unser Ohr. Während jedoch der Privatbrief von heute bestrebt ist, sich von solchen Ausdrücken zu befreien, ist der Kaufmann im Banne des Unterthänigkeits-Stils geblieben, wie z. B. folgendes Beispiel zeigt: > Zufolge des mir durch Ihr Geehrtes vom 13. d. gütigst ertheilten Auftrages hatte ich heute das Vergnügen die unten stehenden Waaren ergebenst an Sie abzusenden. Es soll mir angenehm sein, Ihre schätzbaren Aufträge recht bald wieder zu erhalten, welche ich mit vorzüglicher Aufmerksamkeit zu effektuiren mich beehren werde. Indem ich mich Ihrem ferneren geneigten Wohlwollen bestens empfohlen halte, zeichne mit vollkommenster Hochachtung ganz ergebenst X. Z.» Man darf also sagen, dass die hauptsächlichen Absonderlich keiten des kaufmännischen Stils eine aus frühem Jahrhunderten sorglich bewahrte Eigenart sind. Einer spätem Zeit entstammen viele in der Handelssprache heute noch übliche Fremdwörter, z. B. italienische Wörter in der Buchführung. Der französische Einfluss ist auch immer mächtiger geworden. Der Kaufmann ist bemüht, französische, in der letzten Zeit auch englische Art zum Vorbilde zu nehmen. Was er bei seinen Studien der fremden Korrespondenzen oder aus den Geschäftsbriefen der Ausländer an fremden Formen findet, das übernimmt er ins Deutsche. Diesem Streben danken wir die ständigen Formen: Antwortlich — In Beantwortung — Im Besitze Ihres Schreibens — Wir sind Ihre Ordre erwartend — und vieles Andere. (Schluss folgt.) Redlicher Erwerb. Artikel 306 des Handelsgesetzbuchs bestimmt: »Wenn Waaren oder andere bewegliche Sachen von einem Kaufmann in dessen Handels betriebe veräussert und übergeben worden sind, so erlangt der redliche Erwerber das Eigenthum, auch wenn der Veräusserer nicht Eigenthümer war.« Als redlicher Erwerber im Sinne dieses Artikels ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I Civilsenats, vom 25. Januar 1893, im Gebiet des Preussischen Allg. Landrechts Derjenige nicht zu erachten, welcher schon zur Zeit der Erwerbung des Besitzes bei der Anwendung eines gewöhnlichen Grades von Aufmerksamkeit Ursache hatte, an der Giltigkeit seines Besitztitels zu zweifeln, und sich dennoch ohne weitere Untersuchung den Besitz zueignete.