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No. 42. PAPIER-ZEITUNG. 1245 Ein Bild der literarischen Produktion Deutschlands ermangelt zum Theil der natürlichen Perspektive, weil es Wesentliches und Unwesent liches einfach nebeneinanderstellt, und in aufeinander folgenden Jahren kann das Bild von Zufälligkeiten beeinflusst werden. Einen Ueberblick der literarischen Produktion Deutschlands, soweit solcher in den regel mässigen buchhändlerischen Verkehr gelangt, geben folgende Zahlen. Es erschienen: Im Jahre . . 1800 1840 1871 1881 1891 Werke . . .3 335 6 904 10 664 15 271 21279 Der deutsche Musikalienhandel, in seiner modernen Form während des siebenjährigen Krieges auf ein in Deutschland erfundenes neues Notensetzverfahren begründet, zu Beginn dieses Jahrhunderts durch Verbindung der deutschen Erfindung des Steindrucks mit dem inzwischen aufgekommenen Zinnstichverfahren mächtig gefördert, hat gegenwärtig eine so bedeutende Entwickelung erfahren, dass seine Veröffentlichungen (1891: 8609 Werke) neben denen des deutschen Buchhandels (1891: 21 279 Werke) sich sehen lassen können, denn kein anderes Land weist eine so grosse Zahl auf. Der deutsche Musikverlag, der gegenwärtig von etwa 250 Musikverlagshandlungen betrieben wird, hat von vorn herein gleichzeitig zwei Richtungen verfolgt, den Originalverlag neuer Tonwerke unter grundsätzlicher Beseitigung des Nachdrucks, sowie schon seit Ende vorigen Jahrhunderts die planmässige Veranstaltung einheit licher Klassiker-Ausgaben in monumentalen wie volksthümlich billigen Ausgaben. Diese Klassiker-Ausgaben, auf dem gesunden Boden des deutschen Originalverlages erwachsen und durch Jahrzehnte lange, sorg fältige kritische Arbeit allmälig zu ihrer gegenwärtigen Bedeutung er hoben, haben sich seit mehr als einem Menschenalter den Weltmarkt erobert. Die Kartographie hat in den letzten Jahrzehnten besonders in Deutschland einen hohen Aufschwung genommen; kein anderes Land zeichnet sich in der jetzigen Zeit so sehr durch Leistungen, was sowohl die grosse Publikation an populären, als auch an wissenschaftlichen Werken betrifft, aus. Es sei hier besonders auf die Leistungen der geographischen Institute zu Berlin, Gotha und Leipzig, auf die zahl reichen Illustrationen zu den Mittheilungen der verschiedenen geographi schen Gesellschaften hingewiesen, um die Ueberzeugung zu erlangen, dass die Kartographie beschleunigt nach allen Richtungen fortschreitet. Nicht nur der Gelehrte, der Forscher, auch der Geschäftsmann und die Schule finden Befriedigung für ihre mannigfaltigen Bedürfnisse. Die Organisation des deutschen Buchhandels besteht in der Zu sammenfassung und Regelung des Verkehrs der über das ganze In- und Ausland vertheilten Verleger und Sortimenter an dem gemeinsamen Mittelpunkte Leipzig. Sie beruht auf dem Konditionsgeschäfte, welches die Verleger- und Sortimenterthätigkeit mit einander verbindet. Das Konditionsgeschäft mit seinen vom kaufmännischen Verkehr so ver schiedenen Grundsätzen zieht eine Scheidewand zwischen dem Buch handel und dem allgemeinen Handel. Die höchst eigenartige Ver mittelung des buchhändlerischen Verkehrs ist in der Weise organisirt, dass jeder Buchhändler — Verleger, Sortimenter und Antiquar — einen Kommissionär in Leipzig als seinen Vertreter bestellt. In Leipzig, dem Ilauptplatze des Kommissionsgeschäftes, werden 7137 buchhändlerische Firmen von 166 Kommissionären vertreten. An diese Kommissionäre gelangen die für den Sortimentsbuchhandel bestimmten Ankündigungen des Verlegers über neue Erscheinungen, durch sie auch die Bücher sendungen sämmtlicher Verleger gesammelt an den empfangenden Sortimenter oder Antiquar, durch sie in der Regel die Remittenden und die Zahlungen des Sortimenters an den Verleger. Verleger wie Sorti menter haben sämmtliche Sendungen an einander, wenn sie über den Kommissionsplatz Leipzig senden, franko Leipzig zu liefern, sämmtliche Zahlungen franko Leipzig in deutscher Münze zu leisten. Der weitaus grösste Theil aller innere buchhändlerischen Korresppndenz im Deutschen Reich, Oesterreich - Ungarn und der Schweiz geht durch Vermittelung der Leipziger Kommissionäre an die 1842 vom Verein der Buchhändler zu Leipzig gegründete »Bestellanstalt für buch händlerische Geschäftspapiere«, die sich im deutschen Buchhändler hause befindet, und wird von dieser durch Vermittelung des betreffenden Kommissionärs an die buchhändlerischen Adressaten be fördert. Von der Bedeutung dieser Anstalt kann man sich eine Vor stellung machen, wenn man erfährt, dass 14 Sortirer mit dem Ordnen der Papiere von früh bis spät abends beschäftigt sind, und dass die Zahl der durch sie besorgten Verlangzettel, Zirkulare usw. in einem Jahre mehr als 30 Millionen Stück beträgt. Das offizielle Organ des deutschen Buchhandels ist das 1834 begründete, wöchentlich sechsmal erscheinende, ausschliesslich für die Berufsgenossen bestimmte »Börsen blatt für den Deutschen Buchhandel und die verwandten Geschäfts zweige «. Als Mittelpunkt für die genossenschaftlichen Bestrebungen des deutschen Buchhandels gilt der am 30. April 1825 gegründete »Börsen verein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig«. Diese Vereinigung der angesehensten buchhändlerischen Firmen erstreckt ihre Wirksamkeit vornehmlich auf das Deutsche Reich, Oesterreich - Ungarn und die Schweiz, aber auch auf die ganze übrige civilisirte Welt, soweit sich irgendwo mit dem deutschen Buchhandel verkehrende Firmen finden. Anfang 1892 zählte der Verein 2490 Mitglieder, welche 2672 Firmen vertraten, davon 2243 im Deutschen Reich, 179 in Oesterreich-Ungarn, 118 in der Schweiz, 6 in Belgien, 4 in Dänemark, 20 in Frankreich, 1 in Griechenland, 15 in Grossbritannien, 8 in Holland, 16 in Italien, 4 in Norwegen, 1 in Rumänien, 34 in Russland, 6 in Schweden, 2 in der Türkei, 15 in Amerika. Alljährlich zur Zeit der Buchhändlermesse wird am Sonntage Cantate die ordentliche Hauptversammlung, in der auch allgemeine Angelegenheiten des Buchhandels berathen werden, im deutschen Buch händlerhause zu Leipzig abgehalten, während an den nachfolgenden Tagen Saldirungen der Rechnungen über die im vorhergehenden Jahre gemachten Geschäfte dort vorgenommen werden. (Schluss folgt.) Büchertisch. Aus der Gasmotoren-Praxis. Rathschläge für den Ankauf, die Untersuchung und den Betrieb von Gasmotoren. Von G. Lieck feld, Ingenieur. Verlag von R. Oldenbourg, München und Leipzig. Preis 1 M. 50 Pf. Auf 67 Seiten giebt der Verfasser eine grosse Fülle nützlicher Rathschläge und Belehrungen über Ankauf, Untersuchung, Wartung und Pflege der Gasmotoren. Da die Bedienung dieser Kraftmaschinen meist in die Hände unkundigen, wechselnden Personals gegeben ist, der Besitzer in der Regel auch nichts von der Behandlung derselben versteht, so wird dies handliche, sehr verständig geschriebene Buch einem bisher unerfüllten Bedürfniss entsprechen. In der täglichen Praxis wird Kapitel IV: »Ueber die bei Gasmotoren auftretenden Be triebsstörungen « sich als besonders werthvoll erweisen. Lehrbuch für Fortbildungs-, Fach-, Gewerbe-, Handwerker schulen und Lehrwerkstätten. Von Hermann Paulick. Verlag von Gerhard Kühtmann, Dresden. 2 Bände. Preis ungeb. 6 M. Alles Andere eher, als ein Lehrbuch für Fortbildungsschulen! Eine regellose Anhäufung unvollkommenen, theilweise veralteten Stoffes; aus jedem Lexikon kann man sich besser und gründlicher unterrichten. Der Verfasser hat aus allen möglichen Quellen geschöpft und einen Brei daraus gemacht, in dem er sich selbst nicht mehr zurechtfindet. Ein Beispiel, wie nachlässig dieses »Lehrbuch« bearbeitet ist: Die »Erfindung und Technik der Buchdruckerkunst« wird in folgender Weise abgethan: A. Geschichtliches (3 Seiten), B. Johannes Gutenberg (21/3 Seite); dann heisst es: Fortsetzung folgt im H. Band. Wo diese Fortsetzung stehen soll, ist leider nicht angegeben, wir haben sie nicht finden können. Ursachen und Wirkungen. Praktische Winke für Buch druckereibesitzer und deren technische Beamte. Von Constantin Link. Verlag von Friedrich Jasper, Wien. Zu beziehen von Oscar Heinze, Verlagsgeschäft, Liegnitz. Preis 1 M. 50 Pf. Das Heftchen will auf verschiedene Uebelstände in Buchdruckereien aufmerksam machen, deren Folgen in vielen Fällen grössere Kosten verursachen, als ihre Verhütung erfordert haben würde. Ueber das in den meisten Druckereien beliebte »Sparen am unrechten Ort« könnte man allerdings Bücher schreiben. Der Verfasser sucht nachzuweisen, dass auskömmliche Arbeitsverhältnisse, vor allem reichlich Licht und Luft, sehr zur Erhöhung der Arbeitsleistung beitragen. Er behandelt weiterhin bekannte technische Themata, wie Materialmangel, recht zeitiges Aufräumen, praktische Anordnung von Titelschriften, das Ab ziehen von Korrekturen usw. in erschöpfender Weise. Die angezogenen Beispiele erscheinen stellenweise etwas übertrieben, die aufgestellten Rechnungen können mitunter bemängelt werden, das Ganze aber ist jedenfalls eine dankenswerthe Anregung zur Beseitigung alter Gewohn heiten und kann zum Studium empfohlen werden. Der Telamone. Roman aus der Artistenwelt von Fedor von Zobeltitz. Mit 77 Bildern von Friedrich Stahl. Verlag des Vereins der Bücherfreunde, Berlin. Der Roman schildert die Leiden und Freuden des fahrenden Volkes in lebhaften Farben. Als Held tritt ein Kantorsjunge Fritz auf, der seine Eltern früh verloren hat und sich aus eigener Kraft empor zuarbeiten sucht. Er verfügt über unglaubliche Körperkräfte, wird erst Reitknecht, dann Athlet, wirft aber eines Tags, durch den tra gischen Tod einer Freundin tief erschüttert, sein Gewerbe voll Ekel bei Seite. Die nun folgenden Erlebnisse unsers Telamonen (Giganten) sind theilweise etwas unwahrscheinlich, namentlich dass der Hof- Antiquar Levy ihm für ein lange bewahrtes Erbstück, eine 42zeilige Bibel, frei willig 25 000 M. geboten haben soll, während er doch nur 90 M. ge fordert hatte. Der Konflikt seiner Armuth mit seinem Streben, sich als Sänger auszubilden, wird dadurch allerdings leicht und unerwartet gelöst. Fritz erreicht sein Ziel, ein berühmter Sänger zu werden, und läuft schliesslich mit seiner wiedergefundenen Jugendliebe glücklich in den Hafen der Ehe ein. Der Roman ist — bis auf den etwas allzu realistischen Anfang — angenehm zu lesen, die in den Text eingestreuten, in Autotypie ausgeführten Bildchen aber sind theilweise recht mangelhaft. Praktisches Lehrbuch der englischen Umgangs- und Geschäfts sprache für Fortbildungs- und Fachschulen, wie zum Selbst unterricht, von Dr. John Koch. I. Theil. Emil Goldschmidt, Berlin W. Preis geb. 1 M. 80 Pf. Unter den zahlreichen Büchern, welche die Kenntniss der englischen Sprache möglichst schnell und möglichst gründlich vermitteln wollen, scheint dieses eins der zweckmässigsten zu sein. Der Lehrstoff ist so gehalten, dass der Lernende nicht so sehr ermüdet wird, wie bei andern dickleibigen Büchern gleicher Art. Da der Stoff dem täglichen Leben und dem Geschäftsverkehr entnommen ist, so werden die Uebenden sofort in die Praxis eingeführt. Die Aussprache-Bezeichnung scheint praktisch zu sein.