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Mittwoch, den 23. November 1932 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Lelegi.-Adr.: „Ämisblalt' Nr. 274 — 91. Jahrgang rs Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts- gerichts und des Etadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8x»u nltene Mnnmzeiie 20 Bpsx., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen «o Reiche Pfennige, die »gespaltene Beklamezcile im textlichen Teile 1 AMK. NachweisungsgedLhr 20 Aeichspscnnige. geschriebeneErscheinungs- » tage und Platzvorschrtp«, werden nach Möglichkeit VekNfpröll) Lk: AM! WttSbrUff Mk. v berücksichtigt. Anzeige«. annahmebisvorm.IVUKr. > " ' ' " ' > - ' - Fö, die NichUgtei» der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabaltanipruch erlisch», wenn der Betrag dttrch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, nchm°n""ui-Ä^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Uung^en^ Im Mebsstö/ungen bch^kein Anipruct- auf Lieie-Ut a der -eitung oder Kürzung des Dezugspreifek. - Rücksendung cingeiandter Schrifistücke erfolgt nur, wenn Porto b-iliegt. Mgs m den Wilhelmsplaß. Mit unverändert starkem Interesse wird rings um den Berliner Wilhelmsplatz die Weiterentwicklung der innenpolitischen Verhältnisse verfolgt. Auf das Ersuchen des Reichspräsidenten an Adolf Hitler als den Führer der stärksten Neichstagspartei, festzustellen, ob dieser für eine von ihm geführte Regierung eine sichere, arbeitsfähige Mehrheit mit einheitlichem Arbeitsprogramm im Reichstag finden könnte, hatte — nach der amtlichen Darstellung — Hitler zwar zugesagt, er werde bereits am Montagnach mittag, also biunen einiger Stnnden, antworten, aber diese Antwort bestand in — Rückfragen an Hinden burg. Und dadurch konnte man eine vorhergehende, aus nationalsozialistischen Kreisen stammende Andeutung für zutreffend halten, wonach dem Auftrage des Reichspräsi denten an Hitler „eine Anzahl präsidialer Vorbehalte" bei gefügt worden seien. Auf tziese Vorbehalte bezogen sich die Rückfragen des nationalsozialistischen Führers, auf die er dann am Dienstagmittag eine wieder schriftlich zu gestellte Antwort erhalten hat. Infolge dieses „Schrift wechsels" zwischen Hotel „Kaiserhof", wo Hitler wohnt, und dem Reichskanzlerpalais, wo der Reichspräsident Woh nung genommen hat, führte zunächst zu einer vierund zwanzigstündigen Verzögerung der endgültigen Antwort Hitlers an Hindenburg. So war der äußere Fortgang der Dinge, und man ersieht schon daraus, daß es hierbei zunächst auf die „prä sidialen Vorbehalte" ankam. Genaueres über sie war, als zuerst von den Nationalsozialisten darüber die erwähnte Andeutung veröffentlicht wurde, aber nicht zu erfahren, da das sie enthaltende Schreiben Hindenburgs im Wort laut nicht bekanntgeworden ist. Trotzdem wurden Ver mutungen über den Inhalt dieser „präsidialen Vor behalte" sofort oder doch sehr bald zum Gegenstand eifrig ster Diskussionen, die immer natürlich darauf abzielten, Wie denn Hitler und die Führung der Nationalsozia listischen Partei sich dazu einstcüen würden. Dabei muß aber stets auf den Wortlaut des an Hitler erteilten Auftrages zurückgegangcn werden, daß er eine „arbei ts- fähige sichere Reichstags Mehrheit" mit ein heitlichem Arbeitsprogramm zusammenbringen sollte, einem Arbeitsprogramm, das aber naturgemäß — in personeller wie in sachlicher Hinsicht — die „Vorbehalte" des Präsidenten umfassen oder, wenn man so will, von diesen als Voraussetzungen ausgehen müsse. Demgemäß dürfte Hindenburg es von vornherein als ausgeschlossen angesehen haben — genau wie am 13. August —, Hitler zum Kanzler einer nicht über eine „arbeitsfähige Neichstagsmehrheit" verfügenden Präsi dialregierung zu machen. Im offiziellen Organ der Natio nalsozialisten wird gesagt, daß es doch eine Rückkehr zur parlamentarischen Regierungsform sei, wenn unter den Vorbehalten erwähnt werde, Reichskanzler, Reichswehr minister llnd Reichsaußenminister müßten in einem Kabinett Hitler auch das Vertrauen einer Reichstags mehrheit haben. Ähnlich sei es mit den anderen Vor behalten: Keine Abänderung und Abschwächung des Artikels 48, keine Wiederherstellung des politischen Dualis mus Reich—Preußen usw. Der Völkische Beobachter meint also, der Reichspräsident wolle zwar eine parla mentarisch ausreichende Grundlage für ein Kabinett Hitler fordern, schreibe hierfür aber Bedingungen vor, deren Ablehnung durch eine der oder durch überhaupt alle in Frage kommenden Parteien die Mehrheitsbildung für ein derartiges Kabinett ausschließen müsse. Allerdings ist — also durch Verhandlungen mit diesen Parteien — vor läufig noch nichts oder nichts endgültig Entscheidendes festgestellt worden, ob sie die präsidialen Vorbehalte annehmen wollen oder nicht. Adolf Hitler ist also vor die Tatsache gestellt worden, daß ihm als Führer der größten Partei, aber eben doch als Parteiführ er nicht die „ganze Macht", wie etwa dem Reichskanzler Papen, gegen die Mehrheit des Reichs tages oder ohne Zustimmung einer arbeitsfähigen Mehr heit in die Hand gegeben werden sollte. Das zu tun hatte Hindenburg ja schon am 13. August abgelehnt. Diese Tat sache ist der eigentliche Drehpunkt der Verhandlungen „rings um den Wilhelmsplatz" gewesen und hat hüben wie drüben die Entscheidung bestimmt. Man muß aber angesichts dieses schon recht lange, vielleicht überlange währenden Hin und Her einmal ab seits des Wilhelmsplatzes daran erinnern, daß die un entschiedene Krise — wir sind ja erst in ihrem Anfang — eine nicht sehr erfreuliche Rückwirkung auf die wirtschaft liche Entwicklung ausübt und die von ihr erzeugte Un ruhe schon spürbar ein Stocken und Zögern in dieser Ent wicklung hervorznrufen beginnt. Das aber wäre ver hängnisvoll; denn heute steht über jeder politischen Krise, ihrer Behandlung und ihren Lösungsversuchen warnend dre „Forderung des Tages", das mahnende Wort: Arbeitsbeschaffung! Daran dürfte auch der lientzspräsident denken, wenn er und wie er die Behand- und Lösung der Krise vorwärts treibt in der Absicht, schnell eine Regierung zu schaffen, die für feste Sicherheit jenseits aller parteimäßigen Interessenten Interessen Gewähr bietet. » Fördert die Ortspresse , Jie Antmt Hitlers N Hindenburg. Was Hindenburg von Hitler will. Frage und Antwort. Die Rückfrage, die Hitler am Montagabend an Staatssekretär Meitzner hat gelangen lassen, die sich mit einem Punkte der Bedingungen Hindenburgs an Hitler beschäftigte, ist am Dienstag vom Reichspräsidenten be antwortet worden, über den Inhalt sowohl der Rück frage wie der Antwort wird amtlich noch immer Still schweigen bewahrt. Doch verlautet aus sicherer Quelle, daß der Kern der Rückfrage dahin geht, ob der Auftrag Hindenburgs an Hitler bedeute, daß dieser eine Präsi tz i a l regierung mit parlamentarischen Bindungen bilden solle oder ob er eine parlamentarische Mehrheits regierung mit Präsidialbindungen zu bilden habe. Wie verlautet, liegt die Antwort des Staatssekretärs Meitzner in der Linie, datz es der Gedanke einer Präsi- dialregicrung ausschließe, datz diese von dem Führer einer politischen Partei gebildet werde. Es käme daher für Hitler nur in Frage, den Versuch zu machen, eine Negierung auf parlamentarischer Grundlage zustande zu bringen, und daß für das beabsichtigte Regierungspro gramm wenigstens eine tolerierende Mehrheit im Reichs- tag gesunden werde. * ... -Li Oie Vorbehalte Hindenburgs. In der nationalsozialistischen Darstellung der Auf tragserteilung an Hitler ist auch von Vorbehalten Hindenburgs die Rede gewesen, die schriftlich niedergelegt worden sind. Drese Vorbehalte sollen folgenden materiellen Inhalt haben: 1. Keine Veränderung in der Leitung des Neichswehr- ministeriums, um die Stabilität der Wehrpolitik nicht zu gefährden. 2. Keine Veränderung in der Leitung des Außen ministeriums, um nicht die schwebenden internatio nalen Verhandlungen zu stören. 3. Fortsetzung des wirtschaftlichen Erholungsprozefses, der durch das Kabinett Papen eingeleitet worden ist, und deshalb keine Aufhebung der wirtschaftlichen Notverordnungen. 4. Vermeidung von Währungsexperimenten, die das Gefüge der deutschen Wirtschaft erschüttern könnten. 5. Fortsetzung der Neichsreform unter dem Grundsatz einheitlicher politischer Leitung in Reich und Preußen, deshalb keine Veränderung der Ver bindung, die jetzt zwischen preußischer und Reichs - Politik hergestellt ist. 6. Durchführung der Gesetzgebung auf dem normalen verfassungsmäßigen Weg, d. h. Gesetzgebung durch durch den Reichstag mit parlamentarischer Mehrheit und nicht durch Notverordnungen auf Grund des Artikels 48, weil solche Notverordnungen nur ein Ersatz für die normale Gesetzgebm^ sein können. 7. Keine Beschränkung der Präsidialgewalt etwa durch Verminderung der Befugnisse, die im Artikel 48 ge geben sind, d. h. keine Reichsgesetze, die der An wendung des Artikels 48 durch den Reichspräsidenten Grenzen ziehen. Oie Auffassung der Nationalsozialisten. Die Rückfrage Hitlers an Hindenburg üjier die Art der von ihm zu bildenden Regiernng wird im Völkischen Beobachter sekundiert, der betont, daß in der Auftrags erteilung Hindenburgs an Hitler politische und parlamen tarische Gegensätzlichkeiten enthalten seien. Das Blatt schreibt u. a.: Man könne sich des Eindrucks nicht er wehren, daß die Rückkehr zur parlamentarischen Regie rungsform von den Schöpfern des Gedankens nicht restlos durchdacht worden sei. Die „Abänderung und Ab schwächung des Artikels 48" sei eine Forderung, die in der letzten Zeit besonders heftig von den parlamentarischen Parteien erhoben worden sei. Es bestehe demnach die Gefahr, daß gerade in diesem Punkt der Verhandlungs führer, der sich die Zustimmung aller Mehrheitsparteien sichern solle, Forderungen der Parteien gegenübersehe, die im Gegensatz zu den präsidialen Bedingungen stünden. Ähnliches gelte von der Fra^e der Rückkehr zum Dualis mus Reich—Preußen. Die letzte verfassungsmäßige Ent scheidung in der Neuregelung der Verhältnisse Preußens zum Reich liege vorerst immer noch beim Preußischen Landtag. Es lasse sich also nicht ohne weiteres von der Hand weisen, daß der Auftrag des Reichspräsidenten an einem inneren Widerspruch kranke. Auf der einen Seite werde ein Auftrag nach streng verfassungsmäßigen Regeln zur Bildung einer parlamentarischen Mehrheitsregierung erteilt, auf der anderen Seite stelle man Bedingungen, die die Ausfühung des Auftrags nicht nur erschwerten, sondern sogar undurchführbar machten. Oie Rechte des Reichspräsidenten. Hierzu wird von zuständiger Stelle erklärt, haß. gleich artige Vorbehalte und Bedingungen wie diesmal auch schon in früheren Fällen gestellt worden sind. Bereits Reichspräsident Ebert hat hinsichtlich der Führung der auswärtigen Angelegenheiten und der Besetzung des Neichswehrministeriums oft Auflagen gemacht, die von den durch ihn ernannten Kabinetten angenommen wurden. Nach Ansicht der amtlichen Stellen handelt es sich um etwas ganz Selbstverständliches, wenn zu Beginn einer Regierungsbildung gewisse Grenzen gezogen werden. Ähnliches gilt für andere Punkte, gegen die sich die natio nalsozialistische Kritik richtet. Bei den Verhandlungen mit den Parteien ist festgestellt worden, daß alle mit der bis herigen Handhabung des Artikels 48 einverstanden sind. Überhaupt stellen die Hindenburgschen. Bedingungen das Ergebnis der Parteiführerbesprechungen dar. Wie wir hören, hat sich der Reichspräsident bei diesen Be sprechungen ausdrücklich versich:»! daß keine der Parteien grundsätzlichen Widerstand gegen seme Vorbehalte erheben werde. -r- Gegen Gerüchtemacherei. Weiterhin wendet man sich von maßgebender Seite gegen Gerüchte und Kombinationen, wie sie in der Öffent lichkeit in diesen Tagen verbreitet worden sind. So wird beispielsweise gegen die Behauptung Front gemacht, der Rücktritt der Reichsregierung sei nicht freiwillig erfolgt. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, daß Reichs kanzler von Papen schon unmittelbar nach der Reichstags wahl vom 6. November den Entschluß gefaßt habe, dem Reichspräsidenten die Demission anzubietcn. In der ent scheidenden Kabinettssitzung habe Reichskanzler von Papen als erster den Vorschlag zum Rücktritt gemacht, uni damit den Weg zur nationalen Konzentration freizugeben. Auch in den weiteren Besprechungen innerhalb des Reichskabinetts und mit dem Reichspräsidenten habe Reichskanzler von Papen diesen Standpunkt vertreten. Pafien hat auch dem Reichspräsidenten aufs wärmste nahegelegt, den Auftrag an Hitler zu erteilen. Auch Behauptungen, daß eine Reihe ostpreußischer Herren vom Reichspräsidenten zu den Besprechungen heran gezogen worden sei, u. a. Herr von Oldenburg-Januschau und Herr von der Osten, werden auf das entschiedenste in Abrede gestellt. Nachdrücklich wird von den zuständigen Stellen den Versuchen gewisser Kreise entgegengetreten, den ernsthaften Charakter der Verhandlungen, die Hinden burg mit der Beauftragung Hitlers eingeleitet hat, in Zweifel zu ziehen. Was die Unterredung angeht, die der Reichspräsident mit dem Reichskanzler von Papen hatte, so wird darauf hingewiesen, daß der Reichspräsident seine weiteren Entscheidungen selbstverständlich auch mit den, amtierenden Reichskanzler bespricht. 4- Hitler vertagt -ie Entscheidung. Die Antwort erfolgt am Mittwoch. Verstärkte Bedenken der NSDAP. Die Entscheidung Adolf Hitlers, ob er den Auftrag des Reichspräsidenten von Hindenburg zur Bildung eines Kabinetts auf parlamentarischer Grundlage annchmen will, ist am Dienstagabend nicht mehr gefallen und wird erst am Mittwoch im Lause des Vormittags erfolgen. Es ist auzunehmcn, daß das Antwortschreiben Mitt woch vormittag dem Reichspräsidenten übergeben wird. In den Abendstunden des Dienstags haben sich in den nationalsozialistischen Kreisen die Bedenken gegen dicAnnahmcdesAuftragsverstärft,da eine indirekte Fühlungnahme mit den anderen Parteien doch nicht das Ergebnis hatte, das man zunächst zu erwarten schien, andererseits die Bedingungen des Reichspräsidenten, wie ans der Antwort des Staats sekretärs Meißner auf die Rückfragen hervorgiug, durch aus unverändert geblieben sind. Trotzdem läßt sich noch in keiner Weise absehen, wie die endgül tige Antwort Adolf Hitlers ausschen wird. Schacht für Hitlers Kanzlerschaft. Der zur Zeit in Berlin weilende Chefredakteur der Nordwestdcutschen Zeitung, Bremerhaven, drahtete seinem Blatt eine Unterredung mit dem früheren Reichsbank präsidenten Dr. Schacht Auf die Frage, ob Schacht nicht Reichskanzler werden wolle, antwortete dieser: „Es gibl nur einen, der hente Reichskanzler werden kann, und das ist Adolf Hitler!" Wird Adolf Hitler auf die B e - dingungen eingehen, die man ihm bei der Übertragung der Mission auferlegte? war die zweite Frage. Antwort: „Man darf einem Mann, der eine große Aufgabe und da mit eine große Verantwortung übernimmt, diese Aufgabe nicht durch Bedingungen einschränken — hinsichtlich der anzuwendenden Methoden." „Bei Gelegenheit", fuhr Schacht fort, „bitte ich Sie, folgendes zu veröffentlichen: Hitler hat am 13. August nicht gesagt: Ich will die ganze Macht, sondern: Ich will