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MsdmfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die Lgeipolitne Raumzelle 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Beichs Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Rachweisungsgebuhr 20 Reichsp^ennige. Dor- geschriebeneErscheinungs- —/r tage und B o^vorfü ris rn werden nach Möglichkeit FevNspvechek: AMt WllsdrUss Nk. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bisvorm.KMHr. > Für die Richtigkeit ter durch Fernruf übermitlelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Radatton^rr i ^rluct i.nrnn der L eirvt lr rch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in KrnluiL gire-. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das WU.diuffer Tageblatt" erlcheinl an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. stei Haus, bei Postbcstellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern Ul Rpsg. Alle Postanftalien, Poft- »°h«^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Gewalt, Krieg oder sonstiger De- uiebsstorungen besteht kein Anipruch -ui Liejerung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Tor<« l«>Ii>, i. Nr. 200 — 91. Jahrgang Telezr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrusf-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 26. August 1932 Was wird im Reichstag? Stürzen kann der neugewählte Reichstag; kann er auch stützen? Vielleicht darf man sogar sagen: Stürzen wird der neugewählte Reichstag das Kabinett Papen, — wenn er nicht vorher aufgelöst wird. Denn in dem augenblicklichen „Wirbel" der Innenpolitik, soweit sie sich auf das Schicksal das Reichstages bezieht, kann man nur eines als feststehend bezeichnen: An der „feindseligen" Einstellung der Nationalsozialisten und des Zentrums — natürlich ganz zu schweigen von Sozialdemokraten und Kommunisten — gegen die gegenwärtig amtierende Reichsregierung hat sich nicht nur nichts geändert, sondern sie ist vielleicht noch schärfer, noch feindseliger geworden. In dieser Gegnerschaft fließen zwei Strömitngen zu sammen: die Nationalsozialisten wollen das Kabinett Papen stürzen, weil es sich ihren Wünschen nach „Besitz nahme der vollen Macht" nicht fügen wolle und weil es sich jetzt obendrein auch innenpolitisch zum Gegner des Natio nalsozialismus entwickelt habe. Hitler hat in seinem Auf ruf zum Beuthener Urteil gerade auf diesen zweiten Punkt ausdrücklich hingewiesen. Das Zentrum anderer seits arbeitet gegen den Gedanken des bis zu den letzten Konsequenzen durchgeführten „Präsidialkabinetts", einer solchen Regierung also, die verfassungsrechtlich und nicht bloß tatsächlich unabhängig vom Reichstag und seinen Mehrheiten sein soll; in seiner Rede am 11. August hat ja der Reichsinnenministcr v. Gayl erklärt, daß die Ver- sassungsreform besonders nach dieser Richtung hin vor wärtsgetrieben werden müsse. Man hat jetzt diese Resormwüusche in die kurze Formel gepreßt: Abkehr von der „Demokratie" und Vormarsch zum „Autoritäts"staat! In der gleichen Richtung liegt übrigens auch die schon an- gcdcutete Idee, durch Schaffung eines „Oberhauses" gleichfalls die bisherigen Verfassungs-Kompetenzen des Reichstages cinzuschiLnken. Ja, was soll denn nun da in und mit dem Reichstag geschehen? „Nenn Zehntel des Reichstages ungefähr stehen gegen die Regierung in der Stunde, wo sie nach dreimonatiger Tätigkeit zum ersten Male mit ihm in Kon takt treten muß", schreibt ein maßgebendes Zentrums organ und spricht dann von der Absicht der Regierung, ihre ganze Machtvollkommenheit „nicht mehr von der Volksvertretung, sondern einzig und allein vom Reichs präsidenten zu beziehen.", was nach Lage der politischen und verfassungsrechtlickfen Verhältnisse „der Ansatzpunkt zu einem Konflikt sei, der von schicksalhafter Bedeutung werden könne". Das Gegenargument der Reichsregicrnng selbst ist natürlich sehr nahe liegend: der Reichstag ist nicht „arbeitsfähig"; in ihm ist für eine „Regierungsmehrheit" keine Möglichkeit zu sehen, — sr könne stürzen, aber nicht stützen, und es müsse ^irgendwie regiert" werden. Daher werde der Reichstag damit zu rechnen haben, daß er aufgelöst werde, ehe noch die Entscheidung, also die Erteilung eines Mißtrauens votums vor sich gehen würde, v. Papen, der nach dem 31. Juli erklärte, die Wahlen seien so ausgefallen, wie er es erwartet habe, dürfte aber auch kaum dem maucherseits geäußerten Vorschlag entsprechen, es gar nicht erst zu einer „offenen Feldschlacht" im Reichstag kommen zu lassen, sondern ihn gleich nach seiner Konstituierung aufzulösen. Denn er hat ganz klar geäußert, er würde sich „dem Reichstag stellen". Wenn sich dann freilich aus dem Gang der Debatte über ihn und das von ihm vorgesehene Re gierungsprogramm ergeben sollte, daß er mit einem Miß trauen rechnen muß, wird die Auflösungsorder die An nahme eines entsprechenden Beschlusses verhindern. Dann wäre allerdings zum zweiten Male tatsächlich keine Ent scheidung zu der verfassungsrechtlich gebotenen Not wendigkeit gefällt, daß der Reichskanzler und die Reichs minister „zu ihrer Geschäftsführung des Vertrauens des Reichstages bedürfen". Allerdings mutz auch hierbei zu nächst noch der Hinweis eingeschaltet werden, daß für den Reichstag nicht gerade selten das Wort von Wilhelm Busch gilt: „Denn erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt". Die Bemühungen besonders des Zentrums, eine Regierungsmehrheit zusammenzubringen, nehmen einen vorläufig ganz ungewissen Fortgang. Sie müßten aber Positiv abgeschlossen sein, ehe eine Auflösung des Reichs tages erfolgt, die doch damit begründet werden würde, daß er tatsächlich arbeitsunfähig wäre. Von verschiedenen Seiten her ist man an der Arbeit, eine „Plattform" zu schassen, auf der eine wirkliche, also arbeitsfähige Regie rungsmehrheit stehen soll. Denn .man ist doch allseits der Meinung, daß ein neuznwählcnder Reichstag kaum wesent lich anders aussehen würde als der jetzige, namentlich wenn er unter dem augenblicklichbestehendenWahl- recht zustande käme. Bezeichnenderweise hört man aber gerade aus Zentrumskreisen die Frage, ob ein neuer Wahlkampf „mit seinem Terror und Straßenkampf, mit der unerhörten Aufwiegelung und Verhetzung des Volkes und seiner neuen Erschwerung seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten" denn wirklich den Versuch lohne, „die Theorie eines Präsidialkabinetts bis zu den letzten, noch nicht übersehbaren Konsequenzen durchzufechten". Man versucht ja gerade eine Regierungsmehrheit im Reichstag im Geaenkaü zu jener „Theorie" zusammenzubringeL Englanckkürkleichbereehtigung veutlehlancks. kelorgnls vor einem ckeutKdrn kernbleiben in «enl? Die rechtlichen Untersuchungen im englischen Außen amt über die deutschen Gleichheitsansprüche inderRttstungsfrage haben nach eingehender Prü fung der verschiedenen in Frage kommen Verträge (Ver sailler Vertrag, Bries Clömenceaus an die deutsche Ab ordnung in Versailles, Locarnovcrtrag) ergeben, daß an der juristischen Berechtigung der deutschen Forderung kein Zweifel mehr bestehen kann. Man sei im englischen Außen ministerium, so versicherte ein hoher Beamter desselben einem deutschen Journalisten gegenüber, über die ethische und juristische Berechtigung der deutschen Gleichheits- ansprttche sich vollkommen klar, und man stehe den deutschen Wünschen aus Beseitigung der diskriminieren den Bestimmungen durchaus verständnisvoll gegenüber. Die anfänglichen Bedenken, die man zuerst beim Auf werfen der deutschen Forderungen gehabt habe, und die Befürchtungen, daß sie zu einer ungünstigen Rückwirkung auf die internationale Lage führen könnten, hätten sich glücklicherweise nicht erfüllt, und man sei jetzt in London der Ansicht, daß kein Schaden angerichtet sei. Das Beste, was man von der Abrüstungskonferenz im Augenblick er hoffen könne, sei, daß sie sich im Rahmen der letzten Ent schließung Punkt für Punkt weiterentwickeln werde. Man sei sich aber darüber vollkommen klar, daß nur langsam Fortschritte gemacht werden könnten. Die englische Diplomatie sei sich — ohne daß bisher amtliche Schritte in London unternommen worden seien — über die deutschen Ziele klar und rechne damit, daß die Deutschen vielleicht schon bald, sicherlich aber nach Wieder aufnahme der Genfer Verhandlungen und voraussichtlich innerhalb des Allgemeinen Büros die Frage der Gleichberechtigung aufwersen würden, obwohl dieser Punkt nicht in der Entschließung enthalten sei. Man habe ihn — wie auch die französische Sicherhcitsforde- rung — aus naheliegenden Gründen absichtlich aus der Entschließung weggclassen. Bei aller Würdigung der deutschen Absichten gebe man sich aber in London d"er Hoffnung hin, daß die deutsche Politik unter Berücksichtigung der internationalen Lage ihre Geduld nicht verlieren, sich bei Vorbringung ihrer Forderung des größten Taktes und Geschickes be fleißigen und sich der weiteren Entwicklung auf der Ab rüstungskonferenz anpassen werde. England sei zwar an deutsch-französischen Verhandlungen zur Regelung und Befriedung der europäischen Verhältnisse nicht unmittelbar interessiert, werde aber diese doch be grüßen, da sie zur Zeit die einzige Aussicht auf mögliche Fortschritte in den allgemeinen Abrnstungsverhandlungen böten. Französische Verdächtigungen Deutschlands. Gegen die deutsche Gleichberechtigungs-Forderung. Der Vorsitzende des Heeresausschusses der französi schen Kammer und Abrüstungsdelegierte Oberst Fabrh veröffentlicht im Jntransigeant einen Leitartikel, in dem er erklärt, daß Deutschland nur darum seine Gleichberechti gungs-Forderung so lärmend aufstclle, weil es die Auf merksamkeit der Welt von seiner bereits erfolgten Wieder aufrüstung ableuken wolle. Da bisher niemand gegen diese Rüstungen protestiert und Rechcnschast verlangt habe, komme es einer solchen Möglichkeit mit seinen Forderungen zuvor. Der Verfasser könne behaupten, daß die französische Regierung in der Lage sei, nachznwciscn, daß das deutsche Heer seit 1919 nicht ansgchört habe, die Versailler Be stimmungen zu durchbrechen. Jetzt sei es an der Zeit, den deutschen RttstungsstanL genau festzüstellcn. Weiter spricht sich Oberst Fabry gegen die Rüstungsgleichberechtigung aus. Es sei eine Utopie, von einer Gleichheit zwischen Frankreich und Deutschland zu sprechen. Eines der beiden Länder müsse immer stärker und das andere schwächer sein. Die Friedensverträge, Vernunft (?) und Gerechtigkeit (??) forderten das Über gewicht für Frankreich, wahrend Deutschland es für sich in Anspruch nehme. Sehicklalslehwere Lage. Der Kampf zwischen Regierungen und Parlament. Immer näher rückt der Tag, der als Termin für die erste Sitzung des neuen Reichstages bestimmt ist, der 30. August. Gleichzeitig wird auch derPreutzische Landtag wieder zusammcntretcn. Beide Parlamente wollen sich aber bald wieder vertagen, damit die Zentrumsabgeordneten Zeit haben, am Katholikentag in Essen tcilzunehmen. Die Parteien sind mit den Vor bereitungen ihrer parlamentarischen Arbeit aufs eifrigste beschäftigt, obwohl man dem Reichstag nur ein ganz kurzes Leben voraussagt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß schon die erste Sitzung einen großen Krach dringt, nämlich dann, wenn die Kommunistin Klara Zetkin als Alterspräsidentin den Reichstag eröffnen will. Klara Zetkin lebt seit Jahr und Tag in Moskau, fühlt sich ganz als Werkzeug der russischen Regierung und als Bürgerin des Sowjetstaates. Die ganze Welt würde lachen, wenn ausgerechnet dieser Reichstag, in dem das Wort „national" ein stärkeres Gewicht hat als je, von einer Sowjetvertreterin eröffnet würde. Die Kommu nisten werden natürlich aus der ganzen Angelegenheit eine große Hatz machen und selbstverständlich verlangen, daß man ihrer Genossin den Weg zum Prästdentenftuhl freigibt. Noch weiß kein Mensch, wie man der Gefahr xines Skandals begegnen kann. Man darf sich also schon für die erste Sitzung auf allerhand gefaßt machen. Am 1. September soll die Wahl des neuen Reichstagspräsidentcn weil man weiß,'daß sich der Reichstag eben selbst äus- schaltet, wenn er nur stürzen, aber nicht stützen kann. Und darum sucht man nach „Möglichkeiten"; wenig stens tun es jene politischen Kreise, die ein Funktionieren der Volksvertretung herbeiführen wollen. Sonst führt die Krise des Parlamentarismus, von der man schon lange spricht, — zum Ende des Parlamentarismus. stattfinden. Nach alter Gepflogenheit hat die stärkste Fraktion auf diesen Posten Anspruch, diesmal also die nationalsozialistische. Nach der Präsidentenwahl will sich der Reichstag bis zum Abschluß des Essener Katholiken tages vertagen. Am Montag, den 5. September wird er wieder zusammentreten, und an diesem Tage will Reichskanzler v. Papen den Volksvertretern sein großes Wiederaufbauprogramm vortragen. Gleichzeitig werden dem Reichstag die Notverord nungen zugehen, die zur Durchführung des Wieder- aufbaüprogramms bestimmt sind. Dann wird der Reichs tag Gelegenheit haben — wenn es nicht vorher zum Krach kommt —, sich über das Programm des Kanzlers auszusprechen. In Verbindung damit wird sich der Reichstag auch mit verschiedenen Mißtrauensanträgen gegen Herrn von Papen und mit den Anträgen auf Aufhebung der Not verordnung befassen. Was aber am Schluß dieser Debatte kommt, weih niemand, darum geht das große Rätselraten. Kommt es zur Abstimmung? Kommt es zür Auflösung? Kreise, die der Regierug nahestehen, prophezeien, daß, wenn sich eine Mehrheit für Aufhebung der Papen- schen Notverordnung zusammenfinden sollte, der Reichs tag sofort aufgelöst würde. Die Regierung würde die Abstimmung über die Mißtrauensanträge gar nicht erst abwarten. Die Auflösung würde dann schon am dritten oder vierten Tag nach dem Zusammentritt erfolgen. Der Preußische Landtag wird ebenfalls am 30. August zusammentreten und sich zunächst über die Einsetzung des Reichskommissars in Preußen unterhalten. Der stell vertretende Reichskommissar D r. Bracht hat den Prä sidenten des Preußischen Landtages, den Nationalsozia listen Dr. Kerrl, aufgesucht, um ihm zu sagen, wie man annimmt, daß sich die jetzige preußische Regierung nicht verpflichtet fühl«, vor dem Landtag Rechenschaft abzulegen, denn sie sei nicht dem Landtag verantwortlich, da sie vom Reichs präsidenten auf Grund des Artikel 48 der Reims ULriqssunL