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Wilsdruffer Tageblatt I 3 Blatt—Nr 43— Sonnabend,d 30 Februar 1982 V Wir gedenken! Alles, alles habt ihr hingegeben Und geopfert euer freies Leben, Und das freie Land, das euch geboren, Nie vergißt es, daß es euch verloren, Nie vergißt es, daß ihr treu geblieben! Und in jedes Deutschen Herz geschrieben Steht am Tag, da sich die Fahnen senken: Wir gedenken! Wir gedenken eurer, all ihr Reinen, Die ihr aus der Jugend Blütenhainen Siegesmutig seid hinausgeschritten Wie zum Feste in des Kampfes Mitten, Die ihr stürmtet in der Feinde Reihen, Um dem Vaterlande euch zu weihen, Um ihm euer Herzblut froh zu schenken: Wir gedenken! Wir gedenken eurer, treue Sassen, Männer, die ihr Weib und Kind verlassen, Die ihr aus des Hauses stillem Frieden Und von Heim und Herd und Hof geschieden, Die ihr, fern schon von der Jugend Lenzen, Dennoch eiltet zu des Landes Grenzen, Um vom Wehr die Wogen abzulenken: Wir gedenken! Wir gedenken eurer, all ihr Stillen, Die ihr, nach des Todes starrem Willen, Schlummert irgendwo im fremden Lande, Auf dem Meeresgrund, im Wüstensande, Deren Gräber keine Blumen letzen, Keiner Mutter fromme Tränen netzen, Keiner Gattin heiße Zähren tränken: Wir gedenken! Wir gedenken eurer, schlichte Helden, Deren Taten keine Lieder melden, Denken eurer unter tausend Schmerzen — Alle, alle lebt ihr uns im Herzen, Alle, alle seid ihr unvergessen! Und voll Stolz, daß wir euch einst besessen, Mit den Fahnen sich die Häupter senken: Wir gedenken! Llm die Freiheit. Galaler 5, 1. So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat. Auf den Volkstrauertag füllt dieses Jahr der 200. Geburtstag von George Washington. Das gibt einen seltsamen Zusammenhang: wir gedenken der Opfer des Krieges, durch den unsere Freiheit verlorenging, Amerika gedenkt des Führers in dem Kampfe, durch den es seine Unabhängigkeit errungen hat. Äußerlich gesehen ist es ein großer Gegensatz: Trauer hier, Freude dort. Aber üeser betrachtet sind in Wirklichkeit beide Erinnerungen ein gleicher Antrieb ernstester Art zu gleichem Werk, nämlich zum Kampf um die Freiheit. Man braucht ja nur zu fragen: Ist denn Amerika frei? seufzt wie alle Völker, auch die scheinbar freien Siegcrstaaten, gerade jetzt unter der Knechtschaft der un heimlichsten Macht, die die Erde kennt, der Macht, die man auch Materialismus, Geist dieser Welt und ähnlich genannt hat. Das ist unheimlich klar geworden: Solange es nicht gelingt, die Herrschaft dieser teuflischen Macht zu brechen, wird es keine wahre Freiheit aus der Erde geben, weder bei den Völkern noch bei dem einzelnen. Daher gilt es, diesen Geist zu bekämpfen. Dazu mahnt uns auch die Erinnerung an unsere Toten: Wenn ihr Opfer und ihr Andenken überhaupt noch einen Sinn hat, dann muß es dies sein, daß sie für eine bessere Zukunft gefallen sind und daß wir den Kampf dafür weiterzuführen haben. Dieser Kampf nm die wirkliche Befreiung des Menschengeschlechts von den Mächten dieser Welt ist ja der eigentliche Sinn unseres Lebens überhaupt, und in diesen wahrhaft heiligen Kampf einzutreten, ist unser aller eigentliche Lebensaufgabe. über die rechte Art, um diesen Kampf zu führen, kann >tns gerade die Erinnerung an George Washington be- konders Wertvolles sagen. Man erzählt von ihm, als die Not am größten war und sie vom Feinde bedrängt derloren schienen, da zeigte er den verzagender Freunden auf der Landkarte den großen weißen Fleck westlich von ihrer Stellung, das unbekannte Land hinter ihnen: dafür kämpfen wir, das soll einst unser freies Land sein, da hinein ziehen wir und jetzt zurück, es wird uns auf- Nehmen, da hinein kann der Feind nicht nach, da sam meln wir neue Kraft und stoßen wieder vor gegen den Feind und befreien so das Land vor uns im Osten, das er jetzt noch in seiner Gewalt hat. Muß es so nicht auch in unserem Freiheitskampf der Menschenseele und des Menschengeschlechts sein? Daß wir uns, bedrängt von den Mächten dieser Welt, immer wieder zurückziehen in die Gotteswelt hinter uns, vor der Unter der Sonne Süd-Italiens. Ä Das Grabmal einer Unterjeebvotbesatzung. M dem Grabstein stehen die Worte: „Hier ruht die Besatzung Zs am 16. März 1916 im Hafen von Tarent gesunkenen deut- d, Unterseebootes Es folgen dann die Namen " Offiziere und Mannschaften. (Aufnahme vom Volksbund für deutsche Kriegsgräberfürsorge.) Wir kämpfend stehen, zu die wir immer wieder unsere Zuflucht nehmen, um uns in ihr zu sammeln und zu stärken, und aus der wir dann mit neuem Mut und neuer Kraft immer wieder Vorstößen gegen den Tyrannen. So hat es Jesus, der freieste und größte Befreier auch ge macht, zuletzt in Gethsemane. So wollen auch wir es machen: aus dem Kampf mit den Mächten der Finsternis in stillen Stunden uns zurückziehen in das Gottes- reich des Friedens und der Kraft, um dann immer wieder neu gestärkt zu kämpfen um die wahre Freiheit. Deutsche Lugend an deutschen Kriegergräbern. Von Dr. Erich Müller-Halberstadt. Durch Zufall haben wir ihn entdeckt. Mit Halder- städter Schülern war ich in den letzten Sommerferien in einem Ferienlager bei Sete (früher Eene, Departement Herault). Vom Hügel aus sahen wir auf einem Spazier gang den Friedhof da unten an der Autostraße, der Cor- nische, liegen, mitten in grünen Weinfeldern. Der große Binnensee reichte fast bis an die Mauern, Himer ihm blitzten die blauen Fluten des Mittelländischen Meeres. Nur einige Jungen traten mit mir ein. Wir kannten ja die Friedhöfe da unten, die so gar nichts von der feierlichen Stille und Würde unserer deutschen Grabstätten haben: Ein Steinhaufen, dessen Weitz die Augen blendet, aus dem sich beim Näherkommen Zementplatten und plumpe Denk steine herausschälen. Auf den wackligen Eisengittern der Gräber hängen starre, aus Blech gestanzte Kränze oder unschöne Gebilde aus Draht und Perlen. Das zwischen den Steinen wuchernde Gras ist das einzige Grün, das sich gegen die südliche Hitze behaupten kann. Auch hier war es nicht anders. In einer Ecke lagen die gefallenen Söhne der Stadt Cette vereint. Hier und da war eine Photographie des Toten auf Porzellan am Gedenkstein. Wir wandten uns schon wieder zum Gehen, ein wenig bedrückt von der Unordnung und Verwahrlosung. Da fragte uns der Friedhofswärter: „Wollen Sie die deutschen Gräber sehen?" — Deutsche Gräber, hier am Mittelmeer? Also hatte uns doch eine Ahnung hierher gezogen. Hinten in der Ecke lagen sie, die hier in der Gefangenschaft, fern von der Heimat, gestorben sind, 76 an der Zahl; neben deutschen Namen nennen die Bronzeschilder zu Häupten der schlichten Zemerttplatten auch türkische. Ihre Kameraden haben ihnen ein einfaches Denkmal gesetzt: „Den in Cette gestorbenen Deutschen, Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften gewidmet von ihren Kameraden." Halberstadter Schüler bei der Instandsetzung unserer Kriegsgefangenen gräber in Cette/Sete Aber der Ort sieht eher einer Wüstenei ähnlich als der letzten Ruhestätte deutscher Soldaten. Gras und Disteln hatten alles überwuchert und hie und da die Grabplatten gesprengt, aus den Wegen lag allerlei Unrat umher. „Das kann nicht so bleiben, hier müssen wir Ordnung schaffen", das war der erste Gedanke meiner Jungen, und gleich machten wir uns daran, das Unkraut Heraus zureißen, so gut es mit Händen und Taschenmessern ging. Aber wir sahen bald ein, daß wir so nicht weiterkamen. So gingen wir zum Lager zurück, entliehen dort Werkzeug, und nach dem Mittagessen zog ich mit einer Schar Frei williger wieder zum Friedhof. Ter Totengräber bestaunte uns neugierig bei unserer Arbeit und erzählte uns, erst vor zwei bis drei Monaten habe eine Kommission die Gräber in Ordnung bringen lassen, aber das Unkraut Wüchse ja „so phantastisch" nach. Er stellte uns aber sofort seine sämtlichen Hacken und Harken sowie eine Schubkarre zur Verfügung. Manchen Schweißtropfen vergossen wir in der Mittagshitze, bis unser Werk beendet war. Wir taten es gern und freudig für die, die ja auch für uns gestorben waren und denen die Angehörigen diesen Liebesdienst nicht erweisen konnten. Noch einmal gingen wir dann zum Friedhof, um auch die letzten Spuren des Unkrauts zu entfernen, ehe wir am letzten Sonntag unseres Aufenthaltes die Gräber mit Blumen schmückten. In einer schlichten Feierstunde an den Gräbern gedachte der Führer unserer Ferienkolonie, Oberstudiendirektor Dr. Laue, der hier Ruhenden und dankte seinen Schülern Vogesengrob. Tin Hochkreuz auf der deutschen Kriegsgräderstätte Vordruck in den Hochvogesen, das vom Dokksbund der deutschen Kriegs- gräbersürsorge errichtet wurde. für ihr Tun und ihre Gesinnung. Zur Ehre der Fran- - zosen sei gesagt, daß auch sie voll Achtung und Anerken- ! nung über uns und unser Werk berichteten. Die Zeitung „L'information meridionale" brachte folgenden Bericht: Die Pflege der Erinnerung bei den im Ferienlager weilenden Deutschen. Eine Tat, die verdient, berichtet zu werden, ist die besonders rührende der jungen Deutschen, ) die seit kurzer Zeit im Ferienlager an der Cornische sind. Während der Stunden, die sie nicht dem Badevergnügen i widmen, gehen diese jungen Leute abwechselnd zum Fried- z Hof von Ramassis und pflegen die Gräber der deutschen ) Soldaten, die während ihrer Gefangenschaft in Säte ge- i storben sind. Es ist uns nicht bekannt, ob das auf An- ' ordnung der Neichshauptstadt geschieht, der besonders die > deutschen Schüler, die sich in Frankreich aufhalten, nach- ) kommen müssen, oder ob das der Ausdruck eines frommen - Gedankens ist, der im Geist einer dankbaren Generation i geboren wurde. Was wir kennzeichnen wollen, ist die Tat > selbst, denn sie stellt ein schönes Beispiel dar. Als ich den Redakteur aufsuchte und ihm erzählte, ! daß unsere Jungen — Gott sei Dank — keiner Weisung ! von „oben" bedurft, sondern einfach aus sich heraus die ! Gräber in Ordnung gebracht hätten, in dem Gefühl einer j selbstverständlichen Dankespflicht gegenüber unseren Ge- i storbenen, erklärte er sich sofort bereit, eine entsprechende j Berichtigung in seine Zeitung einrücken zu lassen. Leider ( konnte ich nicht feststellen, ob das geschehen ist, da wir ja ! kurz darauf abreisten. Die Gerechtigkeit gebietet auch, zuzufügen, daß die s Gräber der französischen Soldaten, die nicht in Cette be- : heimatet waren und die in einem anderen Teil des Fried- ) Hofes bestattet sind, kaum in besserem Zustand waren als ) unsere deutschen Gräber. Das Denkmal, das man ihnen - gesetzt hat, war hinter Dornen und Unkraut kaum zu ! sehen. Hier zeigt sich ein Abgrund zwischen deutscher und ) französischer Anschauung von Totengedenken und Helden- i ehrung. Heute, wo ich diese Zeilen schreibe, werden wohl auch z die letzten Spuren unserer Arbeit verschwunden sein. , Unsere Blumen waren schon verwelkt, als ich ihnen am - Tage nach unserer Gedenkstunde frisches Wasser geben : wollte. Längst wird das Unkrarn wieder Wege und r Gräber bedecken. Aber vielleicht liest einer der An- ! gehörigen jener Toten diese Zeilen und ist den deutschen j Jungen dankbar, die ihre Toten und sich selbst ehrten durch i ihre Tat. Sind auch die Frücht" der Arbeit verloren, - eins bleibt bestehen: die Gesinnung die dahinterstand. < (Entnommen den Mitteilungen Kriegsgräbersürsorge".) WalhMa. Kriegsgefallcncnehrung in der nordischen Sagcnkunde. ) Des deutschen Volkes Trauerlag, der Tag, an dem der Opfer des furchtbarsten aller Kriege gedacht wird, der auf der Walstatt gefallenen und der innerhalb der Ge markungen der schwer bedrängten Heimat dahingesiechten, mag Anlaß geben zu einer rückschauenden Betrachtung über die hohen Ehrungen, die unsere Vorfahren, die alt- ) germanischen Völker, den aus dem Felde der Ehre ge fallenen Kriegern zuteil werden ließen. Walstatt, Wal halla, Walküre (Walkyre) — alle diese Worte sind zurück zuführen auf den Wortstamm „Wal", der im Germani schen die im Kampfe gefallenen Helden, dann aber auch das Schlachtfeld, den Kampfplatz selbst bezeichnete. Der Tod im Felde galt als der schönste Tod, weil als einzig würdige Beschäftigung des freien Mannes (neben der Jagd) der Krieg galt. An den Kämpfen nahmen die Walküren teil, die be sonders in der nordischen Sagenkunde große Bedeutung erlangt haben und uns Neueren durch Richard Wagners „Nibelungen"-Trilogie wieder nähergebracht worden sind. Die Walküren waren von Haus aus die Seelen der Kampfjungfrauen, die unsichtbar am Kampfe teilzunehmen pflegten, und die auch „Schildmädchen" oder „Schlacht mädchen" genannt wurden. Sie hatten als Geister die Aufgabe, den Freunden beizustehcn, den Feinden zu schaden. In Verbindung standen sie mit dem Sturmgott Odin (Wodan): in seinem Auftrage erteilten sie denen den Sieg, welche den Gott darum angefleht hatten. Die i gefallenen Krieger führten sie nach Walhalla und reichten ! ihnen hier die Trinkhörner. Die bekannteste Walküre ist j Brünhild (Brynhild). Walhalla, das war der Aufenthaltsort für die Kriegs gefallenen. Es war eine glänzende Halle in einem Haine, dessen Bäume goldene Blätter trugen. Über der Haupttür des Saales, der so hoch war, daß man kaum seinen Giebel sehen konnte, hing als Sinnbild des Krieges ein Wolf, darüber ein Adler. Der Saal, mit Schilden über Speer schäften gedeckt, hatte 540 Türen; durch jede dieser Türen sollten 800 besonders ausgezeichnete Kämpfer (Einherjer) schreiten, wenn es einst zum letzten Kampfe um die Herr schaft der Götter ginge. An jedem Tage schritten die Kämpfer hinaus, um zu kämpfen, am Abend aber kehrten sie zurück und verbrachten die Nacht unter Zechen. Be rühmten Fürsten zu Ehren wurde Walhalla besonders geschmückt; alle Helden standen auf zu ihrem Empfange. So dachten sich unsere Ahnen und die mit ihnen ver- : wandten Völkerstämme die Ehrung derer, welche ihr i Leben hatten lassen müssen für Weib und Kind, für Haus i und Herd und für den Schutz bedrohter Grenzen. „Wal- ) halla", die Halle der im Kampfe gefallenen Krieger, ist nicht mehr. Oder doch: sie ist. Sie ist in unseren Herzen, ; die den Opfern des Krieges ein treues Gedenken bewahren - für alle Zeiten, aber nicht nur denen, welche ans dem I» den Suppen Swlricns. ' Eine seltene Ausnahme von einem Friedhof deutscher Kriegsgefangener in Sibirien bei der Siadt Dniepropieirowst (früher Jekaterinoslaw- (Zur Verfügung gestellt vom Volls- bunb für Kriegsgräbersürsorge.)