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Snglanä in äer klemme. Seitdem man in London erfahren hat, daß der Sultan in Übereinstimmung mit den kirchlichen Behörden alle Mohammedaner der Welt zum heiligen Kriege gegen den Dreiver band und seine Bundesgenossen aufgerufen hat, ist Herr Grey eifrig um Abwehrmah regeln bemüht. Da er aber mit seiner Diplomatie am Ende ist, greift er immer wieder zur Lüge und läßt durch seine Organe nicht nur verbreiten, zwischen den deutschen und österreichischen Heerführern seien Un stimmigkeiten wegen der Teilnahme der Türkei ausgebrochen, sondern auch, daß der heilige Krieg sich gegen alle Chrtuen richte. Diese Lüge ist aber so faustdick, daß sie ohne weiteres zu widerlegen ist. In dem Feiwa, das zum heiligen Krieg ruft, sind aus drücklich die Dreioerbändler als die Feinde, Osterreich-Ungarn und Deutschland a's Ver bündete der Türkei bezeichnet. Türkische Blätter heben ausdrücklich hervor, daß in dem geschichtlichen Augenblick, da der Sultan in der Fatih-Molchee weilte, während 60 000 Menschen eine Kundgebung veranstalteten, an! der Seite des roten Halbmondes die Mahnen ! Osterreich-Ungains undD-utschlands flatterien, zweier Mächte also, deren eine katholisch und! deren andere die Wiege des Proiemntismus l sei. Auch untersagte der Fetwa ausdrücklich den muselmanischen Untertanen des Drei verbandes und deren Helfershelsern, sich am Kriege gegen Deutichland und Osterreich- Ungarn zu beteiligen, womit gemgt sei, daß es sich nicht um einen Krieg gegen das Christentum, sondern um den Kamps gegen jene bandle, die den Islam ausrotten wollen. Wenn aber noch ein Zweite! über Sinn und Wesen des heiligen Krieges bestehen könnte, den jetzt der Kalif unternimmt, so ist er behoben durch den Telegrammwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem Sultan Mohammed V. Drei Neffen bat der Sultan in das Kaiserliche Haupiguartier entsandt, und aus dietem Anlaß tauschten die Herrscher Telegramme aus, in denen sie der Hoffnung Ausdruck geben, daß ihren Waffen auch weiter der Sieg betchieden sein möge. Greys Lügen sind diesmal schnell vor der gesamten Welt gebrandmarkt. Eng and kann nicht darauf rechnen, zwischen den drei Ländern, die das Schicksal so seltsam neoeneinander gestellt hat, um Recht,. Gerechtigkeit und Freiheit zu verteidigen, Zwiespalt zu säen. Und doch hat Grey keinen Ausweg mehr. Südafrika, wo der »Ausstand" angeblich niedergeschlagen ist, hat man von allem Nach richtenverkehr abgefchnitten, ein Zeichen, daß die Burendewegung Fortschritte macht. Um Indien lebt man in banger Sorge, Äaypten stopst man in aller Hast mit allen möglichen Truppen voll. Das englische Weltreich kracht in allen Fugen. Da bleibt Herrn Grey, wenn es nicht gelingt, die Völker Europas zum Schutz des angeblich bedrohten Christentums gegen den Islam zu einen, nur eine Rettung: die allgemeine Wehrpflicht in England. Ihm schwebt das Bild vor, mit einem ministeriellen Federzuge Millionen Bewaffneter aus der Erde stampfen zu können. Aber ach, das eigene Volk will nicht. Wohin er auch das suchende Auge schickt, es sieht nur Ab weisungen, wohin immer sein flehender Rus dringt, man hat kein Herz für sein Leid. - Man hat den Krieg begonnen in dem Ge danken, ihn so führen zu können wie alle früheren: arme Schächer tragen gegen Be zahlung ihre Haut zu Markte. Der Gedanke aber, das ganze Volk könne am Kriege teil nehmen, ist für englische Hirne unausdenkbar. Der Mairn, dem Belgier, Franzosen und Ruffen, Indier, Kanadier, Basutoneger, Ja paner, Australier und Hottentotten nicht Helsen konnten, sitzt nun in der Klemme, und sein eigenes Volk läßt ihn ruhig darin sitzen. U.^.v. * * ch verschiedene Uriegsnachrichlen. Ansprache des Königs von Bayern. König Ludwig von Bayern hielt an die in München ausgebildeten Wehrkrafts schüler folgende Ansprache: „Der Krieg wird noch lange dauern. Aber wir werden nicht ruhen noch rasten, bis der Feind aus dem Felde geschlagen ist und wir einen Frieden haben, der uns auf lange Zeit vor Überfall sichert. Ihr bereitet euch vor auf den Krieg. Vergeßt aber darüber eure bürgerlichen Pflichten und eure Studien nicht, denn unsere Erfolge waren nur dadurch möglich, daß wir in der Schule eine Bildung erreicht baden, wie sie in keinem Lande der Welt möglich i st. Vertraut auf Gott! Vertraut auf unsere brave Armee und tut eure Schuldig keit! Gott besohlen!" Die Kriegslage im Osten und Westen. Mit jedem Tage wird es klarer, daß unsere strategische Stellung im Osten und Westen vorzüglich ist. Wie im Osten -die Rusten jeden Versuch eines Vorstoßes" mit zehn tausenden Opfern bezahlen müssen, so sind im Westen unsere Feinde am Ende ihrer Wider standskraft angelangt. Die Entscheidung steht nahe bevor. -Der Mikado hat gestattet, daß der Kommandant und die Offiziere von Tsingtau ihre Waffen behalten. Täglich eine KriegSzigarre. Die bay,siche Heeresleitung hat angeordnet, daß fortan jedem Soldaten täglich eine Zigarre und zwei Z aaretten verabfolgt werden sollen. — Ferner ist ein Teil der belgischen Kriegs kontribution an die Soldaten verteilt worden, und zwar hat jeder 4 50 Mark erhalten. * Die belogenen Diplomaten von Bordeaux. Der bisherige türlische Botschafter in Paris' Risaal Pascha, der jetzt in Konstantinopel eingetroffen ist. erzählt, als er von Bordeaux in der Schweiz angelangt war und dort die Schweizer Blätter geleien habe, glaubte er zu träumen, so vollkommen war er und die gesamte Diplomatie in Bordeaux irregesübrt worden. Dort war alle Welt überzeugt, daß die deutsche und die öster- reichisch-unaariiche Armee von den Russen vernichtet (!) leien und die Deutschen längst den Boden Frankreichs wieder geräumt hätten. — Nach bulgariichen Blättern ha en Eng. land und Frankreich an Rußland die Auf- sorderung gerichtet, Konstantinopel zu nehmen. — Bulaarun soll für Mitwirkung oder wenigstens wohlwollende Neutralität A ria- nopel und das Ge net Tschataidscha ver piochen sein. — Konstantinopel selbst soll inter national werden. — Der Dreiverband verteilt w-eder einmal das Fell eines Bären, den er noch nicht erlegt bat. Zudem: Rußland war doch auch „aufaetragen", Berlin zu nehmen, hoffent lich führt es den neuen „Au trag" genau fo gut aus. Der heilige Krieg. Schneller, als man glanben konnte, haben sich die Anhänger des Propheten für die Teilnahme am heiligen Krieg ent schlossen. Europa steht vor einer gänzlich neuen Erscheinung. Die Marokkaner, die Perser, die A raber, Afghanen, indische G rc u z ft äm m e, alles eilt zu den Waffe», um dem Ruf des Kalifen zu folge». Man kennt keine Parteien und Sekten mehr. Alle Landesgrcnzcn sind verwischt. Bernichtuug der (Slaubcns- feinde ist die allgemeine Lotung. Der letzte ttampf der „Emden". ' Ein Augenzeuge, der auf den Keelingsinseln lebt, macht jetzt nach Rotterdam ' folgende telegrap nMe Angaben über den letzten Kampf der „Emden". Am Montag 6 Uhr früh näherte sich ein Kreuzer mit vier Schornsteinen mit voller Kraft dem Eingang der Lagune. Das Schiff führte keine Flagge. Der vierte Schorn- stein war anscheinend aus gemaltem Tuch angefertigt. Also waren wir von den folgen den Ereignissen nicht sonderlich überrascht. Der Kreuzer fetzte unmittelbar daraus eine Pan erbarkasse und zwei Schaluppen aus, die aus den Korallenriffen einen Offizier, 40 Mann und 4 Maschinengewehre landeten. Die Deutschen gingen eilig nach der Kabelstation, entfernten die Tele graphisten, zerstörten die Apparate und stellten Po:en aus. Alle Waffen des Personals wurden beschlagnahmt. Obwohl draußen England. eintraten, alles Nötige getan. Als die Deut schen den Radioapparat in die Lust sprengten, waren noch kurz vorher nach allen Seilen Radiodepeschen abgeschickt worden. Die Deutschen traten in vollständiger Disziplin auf und waren äußerst höflich. Es sanden keinerlei Gewalttaten statt. Während die Kabelstation außer Wirkung gesetzt wurde, versuchten die Mannschaften der Bariasse, das Kabel zu durchkchneiden. Die Elektrizitätsvorrichtungen wurden danach zersprengt. Um 9 Uhr morgens hörten wir die Sirene der „Emden". Der Landungs- abteiiung wurde bedeutet, daß sie an Bord zurückzukehren hätte. Die Deutschen eilten unmittelbar nach ihren Booten, aber die „Emden" dampjte ab unter Hinterlassung ihrer Boote. Am östlichen Horizont sahen wir ein Kriegsschiff in voller Fahrt sich nähern. Später hörten wir, daß es die „Sydney" war. Sie nahm den Kampf sofort am und feuerte den ersten Schuß auf eine Entfernung von etwa 2V« Kilometer ab. Danach dampfte ne in größter Geschwindigkeit in nördlicher Richtung ab. An angs schien das Feuer der „Emde n" vorzüglich, das Feuer der „Sidney" dagegen war unsicher. Dies war. wie sich nachher herausstellte, dem Umstand zuzuschreiben, daß der erste Schuß den Schußweiteschätzer auf der „Sidney" zerstört hatte. Die engli- jchen Kanoniere überwanden aber schließlich die entstandene Erschwernis. Nach kurzer Zeit waren zwei Schornsteine der „Emden" weg geschossen: einen Mast hatte die „Emden" «chon gleich anfangs des Gefechts verloren. Allmählich verschwanden die Kreuzer kämpfend am Horizont. Das Hinterteil der „Emden" stand in Flammen. Da das Gerecht au^er Gesichtskreis ge langte, konnten wir unsere Aufmerksamkeit den Hinterbliebenen Mannschaften zu wenden. Diese Leute waren schon zum Meer gegangen, aber als ihr Kreuzer abgedampft war, mm len sie zurückkehren und auf der Lagunenkusie landen. Dort bereiteten sie sich bis zum äußersten Widerstand vor, falls viel- letchl die „Sydney" eine Abteilung landen tollte. Aber die kämpienden Kreuzer blieben verschwunden, und abends 6 Uhr schifften >ich die Deutschen auf den alten Schoner „Ayesha", Eigentum des Herrn Roß, e i n. Sie nahmen Kleidungsstücke und Vor räte mit und und seitdem nicht wieder- ges ehen worden. Am folgenden Morgen 8 Uhr 45 Minuten warf die „Sydney" die Anker vor der Intel aus, und Leute der Besatzung erzählten fol gende Einzelheiten des Gefechts: Die „Sydney" hatte den Vorteil der größeren Schnelligkeit und onnte dadurch außer Schuß weite der „Emden" bleiben und den Kreuzer mit dem eiaeven schweren Geschütz beschießen. Der Kampf dauerte KO Minuten. Schließlich war die „Emden" auf der nördlichen Keeling- miel aufgelaufen, und von ihr blieben nur Trümmer übrig. Die „Emden" hatte zwei Treffer gehabt. Ersterer halte den Ent- ternungsschätzer der „Sydney" und einen weiteren Mann getötet. Der zweite hatte drei Mann getötet und vierzehn verwundet. Die Kreuzer verruchten vergebens, sich gegen teilig zu torpedieren, und „Sydney" halte während des Gefechts 26, die „Emden" 24 Knoten gefahren. Diese zwei Knoten größere Fahrgeschwindigkeit fegten die „Sydney" in den Stand, die Entfernung dhs Gefechtes nach eigenem Gutdünken zu regu lieren. Dadurch errang sie das volle Uvet- gewicht, ihre schweren Kanonen zur Geltung zu bringen. Die „Sydney" fuhr ab, um die elf Überlebenden der „Buresk", eines gesenkten Kohlenschiffs der „Emden", aufzusuchen. Aber weder von „Burejk" noch von „Ayesha" wurde eine Spur aufgesunden. Zwar behaupten australische Zeitungen, der Kreuzer „Sydney" stabe das Schiff ausge sunden und die Mannschaft sei gefangen genommen worden, aber diese Meldung entspricht nicht den Tatsachen. Ebenso ist es unzutreffend, daß Kapitän zur See v. Müller, der Kommandant der „Emden", nach Australien gebracht werden soll. Er hat vielmehr nur einen australischen Hafen ange Politilcke KurEckau. Deutschland. * Im englischen Unterhause richtete, wie ge meldet, der irische Abgeordnete Mac Keil an den Premierminister Asquith die Frage, was er zu tun gedenke, um den Herzog von Braun schweig von seinem englischen Titel und Vor rechten zu setzen. Die.Braunschweiger Neuest. Nachr.'bemerken dazu: „Der Herzog Ernst August von Braunschweig hat sofort nach der englischen Kriegserklärung an Deutsch land freiwillig auf die Führung des Titels eines Prinzen von Großbritannien und Irland verzichtet. Er ordnete an, daß dieser Untertitel in den Erlassen und Verord nungen usw. fortgelaffen wird." * Von der nationalliberalen Partei in Gelsenkirchen wurde einstimmig der Geschäfts führer des Zentralverbandes deutscher Industrieller Regierungsrat Dr. Schweig- Hoffer als preußischer Landtags kandidat des im Felde gefallenen Abge ordneten Hasenclever ausgestellt. * Für die in diesem Herbst im Fürstentum Lippe stattfindenden Landgemeinde wahlen ist zwischen den Parteien vereinbart worden, daß der gegenwärtige Besitzstand anerkannt wird. In den Städten finden keine Wahlen statt. Österreich-Ungarn. * Bevor die Zeichnung für die öster reichische Kriegsanleihe öffentlich be gonnen hatte, lagen schon zahlreiche Voran meldungen aui hohe Beträge vor. und zwar seitens verschiedener Körperichasten und vieler Persönlichkeiten (darunter Erzherzog Friedrich aus acht Millionen), von Bankinstituten (Bank haus Rothschild von 25 Millionen) und vieler anderer. Auch in zahlreichen Körperschaften wurden Beschlüsse gefaßt, sich möglichst zahl reich zu beteiligen. Frankreich. "Die französische Regierung beabsichtigt, nach Meldungen aus Bordeaux, die deut schen Kriegsgefangenen im Süden von Algier zu Eisenbahn- und Straßen bauten zu verwenden, da es unmöglich ist, für diese Arbeiten europäische oder eingeborene Arbeiter zu annehmoaren Löhnen zu finden. Russland. »Auf Befehl des Stadthauvtmanns von Petersburg sind viele Chinesen aus Peters burg ausgewiesen worden. Balkanstaaten. * Durch die Vermittlung der französischen Regierung hat eine Finanzgruppe der griechischen Regierung einen Vor schuß von 20 Millionen aus die zweite Rate der 250-M i l li on e n-Anl ei h e gewährt. Das griechische Budget für 1915 ver-eichnet sür Ausgabe 450 Millionen, davon 226 Mil lionen für Heer und Flotte. Amerika. * Das Marinedepartement ist ermächtigt worden, eine Erklärung des Präsidenten Wilson über die Beobachtung der Neutralität in der Panamakanalzone während des Kriegs zu veröffentlichen. Es wird jedem Flugzeug von Kriegführenden untersagt, inner halb der Zone aufzusteigen, niederzugehn oder zu fliegen, Kriegsschiffe der Kriegführenden dürfen die Funkentelegraphie nur zu Zwecken, die sich aus den Kanal beziehen, benutzen. Der Erklärung ist ein Vertrag zwischen den Ver. Staaten und der Republik Panama beigegeben, wonach die Gastfreiheit, die die Republik Panama den Kriegführenden in ihren Ge wässern erweist, nicht am die Kanalzone aus gedehnt, sondern für eine Zeit von drei Mo naten aufgehoben wird. Den Kriegführenden wird untersagt, Truppen und Munition ein- oder auszuschtffen. In keinem Augenblick dürfen mehr als drei .Kriegsschiffe sich in den Endhäsen oder den benachbarten Gewässern befinden oder den Kanal passieren. Die Er klärung des Präsidenten beschränkt die Anker zeit eines jeden Schiffes Kriegführender auf 24 Stunden. große Erregung herrschte, wurde in der Sta-! laufen und befindet sich jetzt auf der Reise nach tion bis zum Augenblick, wo die Deutschen England. Das laufende Feuilleton wird durch folgende Erzählung uuterbrocheni kiockflut. Erzählung von C. Lichtenfels. In der Kur-Anstalt des Herrn Dr. Pfeil -Ksselliger Abend". Mit Blitz und Donnerschlag war /endlich nach der lang andauernden Julihitze der er sehnte Umschlag der Witterung gekommen und hatte starken, nicht enöenwollenden Regen mit sich gebracht. Der heutige „gesellige Abend" bot ein be sonders reichhaltiges Programm. Klaviervor träge, scherzhafte Aufführungen wechselten mit einander ab. Auch aus der Nachbarschaft waren einige Familien erschienen, unter ihnen der mit dem Doktor befreundete Fabrikbesitzer Hubert mit Frau und Schwägerin, sowie ein seit kurzem bei dieser Familie weilender Gast. Herr Waldemar Föhren, ein Maler, dessen aus gestellte Bilder im vergangenen Winter viel fach Aufsehen erregt hatten. Frau Hubert war eine Meisterin des Ge sanges. Auch heute wieder entzückte sie die Zuhörer durch die Fülle und Weichheit ihrer biegsamen Stimme, während ihr Gatte mit großer Gewandtheit die Klavierbegleitung dabei übernahm. „Nun aber genug, sagte sie endlich, mit liebenswürdigem Lächeln die Noten zurück legend, „genug sür die Gesellschaft und auch für mich. „Nur^" sie sah dabei zu dem Maler hinüber, „kommt die Reihe an Sie." Waldemar Föhren stand, den langen, dunklen *) Unberechtigt«^ Nachdruck wird verfolgt. l dem Eckpfeiler entdeckte Hanna die Ge- suchte, Marmorweiß — in Farbe und Haltung ! einer Statue gleich — stand sie dort, vor ihr ! Herr Föhren, wie es schien, mit bittender Ge- berde auf sie einsprechend; nur sekundenlang — Sann neigte Else mit ruhiger, aber ent schiedener Bewegung abwehrend das Haupt und der Maler trat, sich verbeugend, zurück. Hanna erhob sich, um zu Else Hinüberzu gehen, aber schon hatte diese den Saal ver lassen und — auch die Familie Hubert und mit ihr der Maler waren verschwunden. Es war Nacht. — Elsa lag, ohne Schlaf finden zu können, aus ihrem Lager. Ihre Pulse klopften, ihr Herz schlug heftig. Sie sah den Mann vor sich stehen, wie sie ihn am heutigen Abend gesehen, die Worte des Ge dichtes, das sie gehört, tönten an ihr inneres Ohr und aufschluchzend barg sie das Antlitz in den Händen. Draußen tobte das Unwetter mit wachsender Gewalt. Den Aufruhr des Innern über dem in der Natur draußen vergessend, erhob sich Eise rasch und warf ihre Kleider über; sie mußte nicht zu sagen, weshalb sie es tat, sie fühlte sich sicherer. Beim Ankleiden war's ihr, als höre sie Stimmen im Hause. — Und nun ein vernehmliches Klopfen vom nächsten Zimmer aus, dort wohnte Hanna. Gemeinschaftlich gingen sie hinunter auf die Gartenterrasse, auf der sich bald die ganze, aufgestörte Kurgesell schaft zusammenfand. Welch ein Anblick! — Da, wo gestern neben dem kleinen, schmalen Bach die Chaussee ge wesen und weit darüber hinweg bis über beide Uferseiten — ein wogendes Meer, eine wild- empörte Masse. Und in dieser donnernden, gärenden, unaufhaltsam vorwärts treibenden Flut dahinschietzend und im Nu schon wieder verschwindend, Tische und Bänke, Möbel und Hausutensilien, entwurzelte Bäume und Mauer werk — eine gan-e Wand schoß dort auf ei» mal herunter und mit ihr — großer Gott! — auch Menschen. Kein Wort der Angst, der Klage fiel — die Elemente sprachen zu gewaltig — das Menschen- wort verstummte. Bleich, dicht aneinander gedrängt, standen die Gäste der Anstalt zu sammen. Feuerwehr und Militär, von den Herren der Anstalt aufs kräftigste unterstützt, arbeiteten, um zu retten, was zu retten war, um weiteren Schaden zu verhüten. Mit furchtbarem Ge polter borst die letzte der Brücken — die Arbeit eines ganzen Tages war umsonst — die Ver bindung mit der Außenwelt zerstört. Und es sollte noch schlimmer kommen! Ein neues Unwetter hatte sich zusammengezogen: ein Donnerschlag ertönte, der das Haus in seinen Grundfesten erbeben ließ. Wasser — Wasser — wohin das Auge blickte t Drüben aus der anderen, hochgelegenen Seite des Ufers war Sicherheit, aber kein Weg führte hinüber. Dort drüben standen wohl jetzt die Freunde, die Familie Hubert und all' die andern und beratschlagten, wie zu helfen sei. Unmöglich — hier war Menschenhilie machtlos. Der Doktor sah plötzlich schärfer hinüber. In einem der fahlen, zuckenden Blitze, die mit gespenstischem Schein die düster gewordene Gegend minutenlang weithin erleuchteten, glaubte er eine jeltsame Erscheinung dor> Vollbart streichend, unschlüssig da. Forschend flog sein Blick über die Versammelten hin: dann wandte er sich, wie in plötzlichem, schnellem Entschlusse dem in der Saalecke flehenden Bücherschrank zu und ergriff einen der darm aufbewahrten, goldgeränüertenBände. Atef ausatmend schlug er die Seiten um und begann: „Sie redeten ihr zu: Er liebt dich nicht, Er spielt mit dir — da neigte sie das Haupt, Und Tränen perlten ihr vom Angesicht Wie Tau von Rosen: o, daß sie's geglaubt! Denn als erkam und zweifelnd sand dieBraut, Ward er voll Trotz; nicht trübe wollt' er scheinen, Er sang und spielte, trank und lachte laut, Um dann die Nacht hindurch zu weinen. Ganz still war's im Saal ge worden. Mit angehaltenem Atem war man dem vollendeten Vortrage des ergreifenden Gedichtes gefolgt. So tief war der Eindruck, daß vorerst kein Wort des Lobes laut wurde. Dann aber wurde der Maler mit Betjalls- äußerungen fast üverschütiet. — Hanna Grundner war von ihrem Tänzer an ihren Platz geführt worden. Nun lehnte sie sich lächelnd und mit dem Fächer Kühlung zuwehend und sah sich nach Else um. Die beiden jungen Damen hatten sich freundschaft lich aneinander angejchlossen; sie waren an demselben Tage in die Anstalt gekommen, die eine, um nach den Strapazen eines ver gnügungsreichen Winters ein wenig auszu spannen, die. andere, die etwa 25 jährige Else Lachner, um sich von den Anstrengungen des Klaoierunterrichtens zu erholen. Drüben an