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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« von Inseraten bi» vormittag >o Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzetl« berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Laris Verlag von Hermann Rühle in Hroß-Dkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkilla. Nr. 11. Mittwoch, den 24. Januar 1906 5 Jahrgang Hundesteuer. Die für das laufende Jahr fällige Hundesteuer ist bis 30. Januar dieses Jahres gegen Entnahme der Hundesteuermarke auf dem hiesigen Gemeiudeamte zu entrichten. Nach Fristablauf beginnt das geordnete Beitreibungsverfahren. Mttendorf-Moritzdorf, am Januar. Der Gemeindevorstand. Oertlichrs und Sächsisches Ottendorf-Vkrilla, den 2z. Januar MS — Dienstherrschaften und Arbeitgeber, die eine über 16 Jahre alte Person gegen Lohn beschäftigen, seien zur Vermeidung von Strafen und Nachteilen darauf aufmerksam gemacht, daß sie verpflichtet sind, diese Person spätestens am dritten Tage nach Beginn der Beschäftigung bez. nach Erfüllung des 16. Lebensjahres zum Zwecke der Invalidenversicherung anzumelden und spätestens am dritten Tage nach Be endigung des Arbcitsverhältnisseö wieder ab zumelden, desgleichen jede während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eintretende Veränderung welche auf das Versicherungsverhältnis von Einfluß ist, binnen drei Tagen nach deren Eintritt zu melden. Dresden. Anfang Januar ist ein 18 jähriger Schreiber einer hiesigen Verlagsbuchhandlung nach Verübung von Unterschlagungen und Urkundenfälschung unter Mitnahme der Ge schäftsschlüssel flüchtig geworden. Am 12- dieses Monats in den Abendstunden hat er versucht, mit diesen Schlüsseln in die Geschäftsräume einzudringen, aber die Warnehmung machen müssen, daß die Schlösser abgeändert worden sind. Hierauf hat er sich in die Wohnung der Aufwartefrau begeben und sich in ihrer Abwesenheit von den kleinen Kindern die neuen Schlüssel geben lassen, womit er in die Geschäftsräume eingedrungen ist, und aus zwei Schreibtischen 522 Mk. entwendet hat. Der Täter ist am 16. d. M. in einer hiesigen Schankwirtschaft in Begleitung einer stellen losen Verkäuferin dingfest gemacht worden. Er hat da» Geld bis auf 170 M. in der leichtsinnigsten Weise, hauptsächlich mit Frauens personen vertan und sich obendrein diesen gegenüber und in Schankstätten wiederholt als Kriminalbeamter ausgegeben. Die Verkäuferin der er von dem gestohlenen Gelde verschiedene Kleidungsstücke gekauft hat, ist wegen Hehlere gleichfalls festgenommen worden, — Auf hiesigem Friedrichstädter Bahnhofe ist Montag früh gegen 5 Uhr eine Güterzugs maschine einer Rangiermaschine in die Flanke gefahren. Hierbei entgleisten beide Maschinen und sperrten die nach dem hiesigen Hauptbahn hofe führenden Hauptgleise auf etwa zwe Stunden. Der Personenverkehr wurde während dieser Zeit mittels Umsteigens aufrecht er halten. Glücklicherweise ist bei diesem Unfälle niemand verletzt worden, — Als vor einigen Tagen ein Fuhr- werksbefitzer seine Pferde die Saalhausener Straße entlang führte, faßte ein siebenjähriger Knabe das eine der Tiere am rechten Hinter- deine an, worauf es, darüber erschrocken, plötzlich ausschlug und den Kleinen so un glücklich mit dem Huse in das Gesicht traf, daß er in das Schnittgerinne geschleudert wurde, in dem er besinnungslos und stark blutend liegen blieb. Man trug ihn sogleich zu seinen Eltern, wo ein Arzt an ihm eine Gehirnerschütterung und eine starke Verletzung im Gesicht feststellte. Heidenau. Ein Arbeiter der Zellolose- Fabiik Heidenau hat sich erschossen. Er hatte sich durch auffällige Geldausgaben verdächtig gemacht, den in Heidenau verschwundenen Geld briefbeutel gestohlen zu haben. Obersteina. Unter dem furchtbaren Ver dacht' den siebenfachen Mord an seinen Familienangehörigen doch verübt zu haben, ist der Steinbruwpäckter Emil Thomschke aus Obersteina bei Pulsnitz abermals verhaftet worden. Bekanntlich hatte das gegen Thomschke ingeleitete gerichtliche Untersuchungsverfahcen wegen mangelnder Beweise eingestellt werden müssen, worauf Thomschke im November v, I. aus dem Bautzner Untersuchungsgefängnis ent- assen wurde. Die Behörde hatte jedoch den Verdächtigen seitdem scharf beobachten lassen, und jetzt scheint cs, daß Thomschke unvorsichtig genug war, sich selbst zu verraten. Thomschke and in Demitz-Thumitz in einem Steinbruche lrbeit, arbeitete dort ohne eine Ahnung davon u haben, mit einem Kriminalbeamten zu- ammen. Dieser verstand es, sich das Ver trauen Thomschkes zu erwerben, und brachte gelegentlich das Gespräch auf den von dem inzwischen Hingerichteten Glasmachermelster Wilhelm Linke in Kamenz verübten sechsfachen Mord. Dabei soll nun Thomschke mit Bezug aus Linke geäußert haben: „Der hats bloß dumm angedreht, bei mir klappte es besser. Ich nahm sieben Pfund Petroleum und brannte die Bude weg." Nachdem noch manche! neben sächlichen Bemerkungen gefallen waren, wurde insgeheim ein Kriminalbeamter gerufen und Thomschke verhaftet. Bischofswerda. Am Montag Abend wurde ein Personenzugg zwischen Nieder-Neu kirch und Putzkau durch die Notbremse zum Halten gebracht; es stellte sich heraus, daß ein sechsjähriger Knabe durch unbewußtes Oeffnen der Türe zum Wagen herausgefallen war. Der Knabe, ein Sohn des Bahnmeisters Heimert in Bischofswerda hat s wunderbarer Weise nur einige Hautabschürfungen davon getragen. Riesa. Kürzlich wurde in Canitz auf einem Diebesgange der Einwohner Walther aus Neupochra verhaftet. Walther scheint ein unheimlich langes ^Sündenregister zu haben. Nachweislich hat ec sein verbrecherisches Tan schon seit 1892 betrieben. Und daß es ein dringlich war, erhellt daraus, daß allein die Summe des von ihm seit 1904 gestohlenen Geldes sich auf über 10 000 Mk. betaust, cb- gesehen von der sonstigen Beute. Hasen, Gänse, selbst lebende Schweine hat der Mann gestohlen. Zwei Handwagen voll Eßwaren, Würste, Schinken usw. fand die Gendarmerie bei der Haussuchung vor, ferner 88 Haupt- und Nachschlüssel, zehn Feilen und ebensoviele Diedriche. Die Geschädigten wohnen haupt sächlich in Canitz, Leckwitz und LöSnig. Nie mand hätte eine solche Handlungsweise dem Manne, der Wirtschaftsbesitzer ist, zugetraut. Er stand in gutem Ansehen. Die Untersuchung wird sich aber nicht nur auf die Einbrüche und Diebereien, sondern noch weiter erstrecken Vor mehreren Jahren wurde in Canitz der Nachtwächter Vogelgesang in einem Wafsir- tümpel ertrunken aufgefunden. Begleitende Umstände ließen schon damals auf einen ge waltsamen Tod schließen. Jetzt wird nun der Verhaftete mit der Affäre in Verbinduug ge bracht, ob mit Recht oder Unrecht, wird die Untersuchung ergeben. Mühlberg. In höchster Gefahr schwebten am Freitag die Passagiere eines Personsnzuges der Linie Wittenberg — Torgau. Es hatten sich auf der Wittenberger Flutbrücke einige durch den Sturm losgerissene Brückenbohlen unter die Räumer der Lokomotive festgesetzt, was bei weiterer Fahrt leicht eine Entgleisung und den Absturz des Zuges von der Brücke zur Folge haben konnte. Das gefährliche Hindernis wurde aber, als der Zug in lang samer Fahrt die Brücke passierte, noch recht zeitig bemerkt und beseitigt- Niederhäslich. Ein Opfer seines Berufes wurde am Sonnabend der hier wohnende Bergmann Robert Schumann. Er ist in der Frühschicht am Bremsberg des Segengottes schachtes so schwer verunglückt, daß er sofort seinen Geist aufgab Leipzig. Am Sonnabend Nachmittag er schien in hiesiger Universitätspoliklinik der 59 Jahre alte Reisende Gustav Toussaint aus Gumbinnen, um einen Arzt zu sprechen; die Sprechstunden waren aber vorüber. Nachdem man T, bedeutet hatte, daß er ßam nächsten Tage wiederkommen müsse, ging er nach dem Hose, setzte sich auf eine Bank und erschoß sich. Plauen i. V. Durch raffinierte Spitz buben, einem Markthelfer und einem Schlosser wurde ein hiesiger Stickereifabrikant schwer geschädigt. In letzter Zeit wurden dem Fabrikanten für nahezu 4000 Mark Stickereien gestohlen. Am Donnerstag gelang es, die Diebe zu verhaften. Sie hatten mit hiesigen Ramschwarenhändlern, russischen Juden, welche die gestohlenen Waren für billiges Geld kauften und teuer verkauften, einen ordentlichen Geschäftsbetrieb eingerichtet. Die drei russischen Juden wurden wegen Hehlerei ebenfalls ver haftet. Die Frau und die Mutter des einen Hehlers, die die kostbaren Spitzen mitgenommen haben, sind flüchtig. In anderen Stickerei geschäften sind ebenfalls Waren abhanden ge kommen. — Angeregt durch das Lesen von Jndiancr- geschichten faßten zwei zwölfjährige Knaben, Söhne Plauener Arbeiter, den abenteuerlichen Plan, auszuwandern und sich die Welt anzu- ehen. Der eine entwendete seiner Mutter da zu 70 Mk. Aber schon in Hof wurden die Bürschchen von der Polizei aufgegriffen. Aus der Woche. Die Eröffnung der Marokkokonserenz und die Wahl des neuen Präsidenten von Frankreich haben wir glücklicherweise hinter uns. Ueber- raschungen gab cs weder in Algeciras noch in Versailles und es sieht auch nicht danach aus. als ob uns im Lause der Konferenz Algeciras etwa Ueberraschungen bieten würde. Daß sich die Furcht davor in einigen Gegenden Deutsch lands sogar schon zur Kriegsfurcht erdichtet hat muß wunder nehmen. Denn wir haben in Marokko nicht so bedeutende Interessen, daß wir unbedingt auf allen unsern Forderungen bestehen müßten. Deutschlands Würde und seine politische Stellung wird zweifellos ge wahrt werden, aber im übrigen macht Handeln und Bieten Kaufleute. Schlimm, sehr schlimm für den Zeitungsleser ist es um die Bericht erstattung bestellt. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich und den in Algeciras an wesenden Zeitungberichterstattern wird nur mit geteilt, was man ihnen mitzuteilen für gut findet. Da hat denn der eine die, der andere jene Quelle und noch andere sind auf das an gewiesen, was sie sich aus den Fingern lutschen und was sie ebensogut zu Hause am Schreib tisch zusammenstoppeln könnten wie in Algeciras, wo es schon seit Montag Bindfaden regnet. Der Aufenthalt wird durch das Wetter in dem mehr als langweiligen Nest noch unangenehmer aber wir dürfen nach dem, was disher ge schehen ist, leider daran nicht die Hoffnung knüpfen, daß sich die Delegierten beeilen werden um endlich wieder in wirklichere Gegenden zurückzukehren. — Wie schon bemerkt, ist auch die Versailler Präsidentenwahl ohne Ueber raschungen verlaufen, durch eine angestellte Generalprobe wußte man schon 24 Stunden vorher, daß Fallieres mit ziemlicher Mehrheit gewählt werden würde, und so ist es denn auch geschehen. Die Macht eines Präsidenten der ranzosischen Republik ist durch die Verfassung o eingeschränkt, daß er nicht viel Unheil an richten könnte, selbst wenn er wollte. Aber eS ist immerhin erfreulich, von allen Seiten zu hören, daß Fallieres ein besonnener und fried- ertiger Mensch ist, wie es Loubet war und raß also von ihm nichts zu befürchten ist. Wir brauchen daraus noch nicht die Hoffnung zu schöpfen, daß nun endlich mit unsern west- ichen Nachbarn ein besseres Verhältnis ent- tehen würde, als bisher; denn daß dies in den etzten sieben Jahren nicht eingetreten ist, hat an dem gutem Loubet sicher nicht gelegen. Aber wir dürfen mit Bestimmtheit hoffen, daß die bisherigen Beziehungen sich wenigstens nicht verschlechtern werden, uud damit müssen wir uns einstweilen begnügen. — In England gehen die Wahlen vor sich und werden noch einige Tage dauern. Seit der Anti-Korn- zollbewegung 1832 ist ein solch starker Stimmnngsumschwung in den drei vereinigten Königreichen noch nicht vorgekommen. Die Liberalen verfügen heute schon sicher über eine tarke Mehrheit und ihnen zur Seite wird eine Arbeitervertreterschaft von etwa 36 Köpfen treten, während das aufgelöste Parlament uur vier Arbeiter als Abgeordnete aufwies: Während viele der bisherigen Minister im Wahlkampfe unterlagen, ist das einzige Karnickel, Joe Chamberlein, in seinem alten Wahlkreise Manchester mit großer Mehrheit wiedergewählt worden. Das hat er aber nicht etwa seinem politischen Standpunkt zu ver danken, sondern seinen persönlichen Verdienste um die Stadt, die ihm sicher viel zu verdanken jat. Durch seine Wahl wird er nun auch un bestritten an die Spitze der Tory-Partei rücken und im neuen Parlament die Opposition sichren. — Es gewinnt tatsächlich den An« chein, als ob sich in Rußland die politischen Verhältnisse zu bessern beginnen, wenigsten» im europäischen Rußland, während es jenseits der Erdteilsgrenze böser wie je aussehen soll. Zweifellos ist die Lage in den Ostseeprovinzen „ruhiger" geworden, nachdem die Empörer alle Schlösser der deutschen Grundbesitzer niedergebrannt haben. Auch aus dem Innern Rußlands kommen keine so stark alarmierenden Meldungen mehr, wenn auch die fortdauernde Ermordung einzelner höherer Beamten noch andauert und Zeugnis davon gibt, daß das Feuer unter der Asche nnch immer fortglimmt. Die Reichsduma, die eigentlich schon im De zember zusammentreten sollte, dürfte vor April ihre Tätigkeit kaum beginnen können, und wie vorauszusehen, ist auf feiten der großen neu gebildeten Masse für die Aufgabe der Duma kein Verständnis vorhanden. Wälder abholzen Gehöfte nicderbrennen, Bomben werfen — das sind alles Dinge, die der gemeine Mann in Rußland begreift und als soziale Mittel oder als letzte Mittel gegen die Uniertrücker natürlich findet, aber für einen systematischen Umbau des Staates, für gesetzmäßige Re formen — dafür fehlt der großen Masse das Verständnis. Die Zahl deren aber, die un beirrt vom Parteifanatismus klar erkennen, was dem Riesenreiche fehlt und wo die bessernde Hand angesetzt werden muß, ist klein, sehr klein und wenn sich Witte die denkbarste Mühe gibt, entgegen den Stürmen von oben und unten das zu tun, was noch not ist, so ist das eine Tat des Heroismus und nicht geringer zu bewerten, wie die heldenhafte Ver teidigung einer Festung mit unzulänglichen Mitteln. Die Hoffnung, daß Rußland bald zu einem normalen Zustand zurückkehrt, darf man so wie so nicht hegen. Die Gefahr für das Kaiserhaus ist übrigens nicht groß. Der große Troß der Großfürsten hat sich nach der Riviera und Paris gerettet und wartet dort den Verlauf der Dinge ab. Weit davon ist gut vor'm Schuß!