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NlMche LMMng. Amts- uvö AnzeLgeblatt für das Kömgl. Amtsgericht und den SLadtrath zn Schandau nnd den Stadtgemeinderath zn Hohnstein. Die „Sachs. Elb-Zcitnng" erscheint Mittwoch nnd Sonnabend nnd ist durch alle Pvstanstaltcn, sowie durch die Expedition dies. Al. für I Mark dicrteljnhrl. zu beziehen. — MV Inserate für das Mittwochsblatt werden bis Dienstag früh 8 Ilhr, für das SonuabcndSblatt spätestens bis Freitag früh 8 Uhr erbeten. — Preis für die ge spaltene CorpuSzcile oder bereu Naum 10 Pf., Inserate unter 6 Zeilen werden mit 50 Pf. berechnet, (tabellarische oder complicirtc nach Ucbcrcinkunft.) — Inserate für die Elbzcitung nehmen an in Hohnstein Herr Vürgcrmstr. Hesse, in Dresden und Leipzig die Slnnonccn-BürcauS von Haasenstein <L Vogler, Jnvalidcndank und Nud. Mosse. 2. Schandau, Sonnabend, den 6. Januar 1883« Die parlamentarische Lage im neuen Jahre. Die Tagespolitik und die parlamentarischen Auf gaben waren in Folge der jüngsten Festtage fast auf zwei volle Wochen znr Ruhe vcrnrlhcilt, Niemand wollte zn Weihnachten nnd Neujahr etwas von ihnen hören, doch kaum haben wir einige Schritte in das neue Jahr gclhan, so bemerken wir auch, daß hin sichtlich der Tagespolitik Alles beim Alten geblieben ist nnd daß gcuan der Faden dort weiter gesponnen werden muß, wo er einige Tage vor Weihnachten abgebrochen worden war. Am eifrigsten ist dabei der BnndcSrath schon wieder bei seinen Arbeiten gewesen, denn schon am 27. Dcccmbcr hielt er eine Sitzung ab, iu welcher die laufenden Geschäfte erledigt nud der Landcöhauö- halt für Elsaß-Lothriugcu zum Abschluß gebracht wurde und vom 3. Januar ab wird der BuudeSrath dann wieder iu seiner gewohnten Thätigkcit fortfnhrcn, nm zumal noch verschiedene Vorlagen für den Reichstag zn vollenden. Gerüchtweise wurde auch die Mitthciluug verbreitet, daß der BuudeSrath sich mit einigen neuen Militärvorlagcn rcsp. den Entwürfen einiger strate gischen Eiscnbahnbautcu schon in diesen Tagen zn be schäftigen haben werde nnd wurde selbst die Reise dcö bayerischen Militärbcvollmächtiglcn, General von Xy- landcr, von Berlin nach München mit diesem Bor. haben in Verbindung gebracht, aber irgend welche zuverlässigen Nachrichten fehlen über diesen hochwich tigen Punkt »och gänzlich, nud da bekanntlich der jüngste Kricgölärm sich inzwischen mich in ein allge meines Wohlgefallen am Frieden aufgelöst hat und im Ucbrigcu die deutschen Grenze» nicht wehrlos da- stchcn, so werden wahrscheinlich mme Militärvorlagcn in maßgebenden Kreisen auch gar nicht für iwthwcndig gehalten. Bei der Fortsetzung der parlamentarische» Cam pagne wird sich auch sofort wieder der Ucbclstand von Arbcitsüberhäufnng für alle diejenige» Rcichö- tagöabgcordnctc» gellend machen, welche auch Mit glieder des preußische» Landtages sind, denn am 9. Januar fährt der Reichstag mit seinen Sitzungen fort nnd am 10. Januar das preußische Abgeordneten haus, nm l l. Januar tritt auch da« preußische Herren haus zusammen, um eine Reihe von Sitzungen zu halten, sodaß wir nnö von jenem Zeitpunkte an ans das Heraukommcn wahrer parlamentarischer Flnthwellcn aus der RcichShauptstadt gefaßt machen können. Wie man hört, sind anch die Parlamcntscommissioncn in der Zwischenzeit recht fleißig gewesen, nm die Spccial- bcrathnngcn verschiedener Gesetzesvorlagen zn beendigen. Zn wünschen wäre aber anch, daß in den parlamen tarischen Berathnngen des ncncii Jahres endlich ein mal hinsichtlich der mm schon seit Jahr nud Tag schwebenden Fragen eine Lösnug gefunden werde, den» bei mehreren derselben, znmal was die Alters- mid Unfallversicherung der Arbeiter aubctrifft, befindet mau sich immer »och in de» Vorbcralhuugcu. Es mag ja richtig sei», daß de» socialpolitischcu Ncformpläuc» ihrer Natur uach stets außerordentliche Schwierig keiten inncwohncn möge», aber eine positive neue Lcistnng möchten wir doch gerade auf dem sociale» Gebiete, welches i» mehr als einer Richtung untcr- wühll ist, sehen, und was in dieser Beziehung daun weiter geschehen soll, wird wohl der Erfolg der Rc- formvcrsuchc lehren. Gambetta. Mehr als zwölf Jahre war die Geschichte unseres großen Nachbarstaates Frankreich mit dem Leben nnd Wirken dcö Staatömanncs Gambetta verknüpft und große Hoffnungen hegten ohne Zweifel die meisten Franzosen auch noch von den zukünftigen Thatcn Gam- betta'S, denn dessen gcsammtcs Thim mid Wirken hatte nur ein Ziel: Wiederherstellung und möglichste Erweiterung der Macht nud Größe Frankreichs, wel ches Ziel nach französischem Simic ohne die vorhcr- gcgangcnc Niederwerfung Deutschlands nicht erreichbar war. Durch dieses Thun imd Schaffen, dieses Lancrn »nd Planen dcö begabtesten französischen Staatömanncs der Gegenwart ist nnn ein gewaltiger Strich gemacht worden, Gambetta ist unerwartet an den Folgen seiner mysteriösen Vcrwmidnng nud der dadurch hcrbcigcführ- teu Verschlimmerung eines älteren organischcil Leidens in der letzte» Ncujahrsnachl gcstorbc». Unmöglich kann sich aber die Erde über diesen mistrcitig bedeuten de» Staatsmann schließen, ohne seiner wnndcrbarcn politischen Laufbahn nochmals Erwähnung zu thuu, zumal sich um sein Leben thcils Lobpreisung nnd Ver herrlichung, lhcils Tadel und Spott iu unmäßiger Weise wiudeii, so daß ein objcctivcs Charakterbild von diesem Staatömannc wohl erwünscht sei» mnß. Lüou Gambetta, geboren 1838 zu Lahors iu Süd- frankrcich und aus einer ehemals italienischen Familie stammend, war eine geborene Hcrrschernatnr und besaß cincii eisernen Charakter und einen unbeugsamen Wil len. Von seinem Vater, einem Kaufmann nnd Grund besitzer, für den geistlichen Stand bestimmt, erzwang sich Gambetta durch furchtbare Drohmittcl die Em- williguug seines Vaters znm Austritt aus dem Prie- sterscmiuar, iu welchem er unter keinen Umständen mehr bleiben wollte, und stiidirtc in Paris Juriöpru denz. 1859 wnrdc er schon Advokat in Paris, zeich nete sich einige Jahre später znmal in politischen Prozessen durch eine glänzende Beredsamkeit nnd eine große Kühnheit ans und wnrdc bald anch, dem staats männischen Zngc scincs Geistes folgend, Führer mid Mitglied der republikanischen nnd democratischcn Clnbs in Paris, die sich keine geringere Aufgabe gestellt hatten, als das damals noch mächtige Kaiserreich Louis Napolcou's zu stürzen. Von den unversöhn lichen Dcmocraten der Stadt Marseille im Jahre 1869 iu den damalige» „eorps IvMlatik" (gesetz gebende» Körper) gewählt, gesellte sich Gambetta z»r Partei der Unversöhnliche» n»d war unablässig bemüht, mit den wuchtigen Kcnlenschlägcn seiner fulminanten dcmocratischcn Beredsamkeit das scheinheilige Kaiser reich Napoleons III. zu zertrümmern. 1870 tadelte Gambetta zwar die leichtfertige Art des Krieges Frankreichs gcgc» Dcnlschland, aber er stimmte für den Krieg, wahrscheinlich in der Voraussetzung, daß sich daS Kaiserreich in dem Kriege sein Grab graben wcrdc, und als diese Katastrophe nach der Schlacht von Sedan wirklich cintrat, stellte sich der erst zwei nnd dreißig jährige Gambetta mulhig nnd kühn am 4. Sep tember an die Spitze der ncncn französischen Ncgicr- nng, wnrdc Minister dcs Innern, dann Kricgöministcr nnd Diktator, predigte in fcucriger Beredsamkeit den Krieg bis anfö Messer gegen Deutschland und hoffte durch eine demokratische Masscncrhcbung die deutschen Heere zu schlagen. Wenn dies nun auch ciu großer Rechenfehler war, so mußte mau doch de» uubcug- snmeu Muth, die Thatkraft und das Organisations talent Gambclta'S bewundern und diese Eigenschaften brachten ihn auch dann noch, als cr in Folge des von der Nationalversammlung befürworteten Fricdcns- schlnsscö von der Negierung zurückgctrctcn war, in den Angcn der Franzosen den Ruhm einer nationalen Größe. Ruhmreich hat sich später Gambetta dann auch au dem Ausbau und der Befestigung der französischen Republik bcthciligt und zumal die Staatöstrcichsgclüstc der Bouapartisten und Monarchisten vereitelt. Zuletzt in Besitz eines maßgebenden Einflusses gelangt, ist in dessen Gambetta offenbar vor den Scheideweg zwischen Vaterlandsliebe nnd persönlichen Ehrgeiz getreten, denn als Kammer- nnd Ministerpräsident kannte cr fast nnr noch seinen Willen und seinen Ehrgeiz und trat erbost zurück, doch offenbar in der Absicht, bei passender Gelegenheit eine entscheidende politische Nolle zn spie len. In dieser Periode seines staatsmännischen Wir kens wnrdc nun Gambctta vom Todc ereilt. Gambetta's Tod und dessen Eillwirkunq nnf die politische Laqe Frankreichs nnd Europas. Jäh und seltsam hat eine Katastrophe ciu bcdcu- tcudcö Leben uud der Republik Frcmkrcich ihren ersten, ja vielleicht größten Staatsmann dahingcrisscn: Lüo» Gambctta ist, erst 44 Jahr alt, in der Ncn>nhrs»acht wenige Minuten vor Mitternacht iu dem Landsitze Ville d'Avray bei Paris gestorben. Gchcimuißvoll war Gambetta vor einigen Wochen verwundet worden, denn man weiß heute noch nicht genau, ob eine Dame, mit der Gambetta eine Licbcönffaire unterhielt, auf ihn geschossen, ob cr selbst Hand an sich, oder ob cr wirklich nnr in Folge einer Spielerei mit dem Re volver sich selbst verwundet hat. Aber diese Wunde an der Hand war mindestens nicht die alleinige Ur sache von Gambetta's Todc, sondern sic mag denselben nur beschleunigt haben, denn das steht fest, daß der große Gambetta in Folge eines ausschweifenden Lebens an einer unheilbaren Krankheit gelitten hat, die seinen frühzeitigen Tod hcrbciführte mid deren wahren Cha rakter man vergeblich dnrch andere Krankheitösymptomc wie Darmcntzündnng nnd Blutvergiftung zu verhülle» versucht hat. Doch wir haben cö hier nicht mit Gambclta'ö Privatleben zn thnn, wir habe» seine Bedeutung als Staatsmann zu erörtern. So sehr anch Gambctta dnrch seine Hcrrschernatnr und das Fiasko seines Ministeriums iu letzter Zeit au Ansehen und Ver traue» ci»gcbüßt hatte, so ist sei» Tod dennoch ein gewaltiger Verlast für die französische Republik uud für ganz Frankreich. Denn cö ist gar nicht in Ab rede zu stelle», daß Gambctta der cigcntliche Begrün der der dritten französischen Republik war. Er war der erste, welcher die republikanische Fahne schwang, als am 2. September 1870 das Kaiserreich znsammcn- brach, cr war die Seele der damals organisirlcn Na- tionalvcrthcidignng nnd wenn sein wüthcndcr Kampfcö- mnth gegen die siegreichen dcntschcn Hem anch das Maaß aller vernünftigen Erwägungen überschritt, so mnß doch Gambetta's Patriotismus uud Organisations talent, welches cr damals als Diktator cntfaltctc, be wundert werden nnd man kann cö den Franzosen nicht übelnchmcn, wenn sie in Gambctta die Spitze der Revanche gegen Deutschland erblicken, znmal cr auch biö iu jüngste Zeit der eifrigste Förderer der fran- zösische» Hcercömacht war. — L>chr verdienstvoll waren auch Gambetta's Leistungen bezüglich dcö inner» Ans- ba»cs der französischen Republik nud bekannt ist ja auch, daß in mehrere» kritische» Zeitpunkte» Gam betta cö war, welcher dic StaatSstreichSversnchc der Bouapartisten nnd Legitimisten vernichtete. So war er ciu großer Faktor im politischen Leben Frankreichs nnd sein Tod reißt nicht mir eine Lücke in dasselbe, sondern wird auch eine tiefgreifende Umwälznng hcr- vorbringcn. Dic mächtige Partei der Gambctlistcn hat eben ihr Haupt uud ihren Führer verloren nnd kein Nachfolger wird sich finden, der Gambetta's Ta lente nnd Einflnß besitzt. Höchstwahrscheinlich wird dic gambcttistischc Partei sich sogar bald nnflöscn, denn cö bestand schon zn Lebzeiten Gambettas zwischen itzr und den Radikalen eine gefährliche Gegnerschaft nnd Clemenecan, der begabte Führer der Radikalen, wird alle Hebel in Bewegung setzen, um sich uud seiue Partei an's Ruder zu bringen, ivaö ihm wahrschein lich um so eher gelingen wird, da das jetzige Cabinct Dnclcrc nnr von Gambetta's Gnaden cxistirtc, denn der letztere besaß noch biö in die Gegenwart dic Macht, Minister zn stürzen. — Aber nicht nur Frankreichs innere, sondern auch dessen auswärtige Politik wird durch Gambctta'ö Ableben eine Acndcrnng erfahre», denn Gambctta galt als dic Verkörperung der fran- zösischcu Rcvanchcidcc, cr hatte seinen ganzen zukünf tigen Rnhm an diese Idee gcbnndcu nnd wäre gewiß im geeigneten Moment Frankreichs Führer und Herr scher im Kampfe gegen Deutschland geworden. Auch