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268 dumpfe Schwüle bereits unheimlich genug über dem unglück lichen Lande lagert. Auch ans Galizien laufen beunruhigende Nachrichten ein. Die Bauern in der Gegend von Wadowice und Candee rotten sich abermals zusammen und zwar in der Absicht, nicht bloö dem Adel alle schuldigen Dienste zu verweisen, sondern — der ausge sprochenste und roheste Communismus — die Güter desselben in Besitz zu nehmen und unter sich zu vertheilen. Turin, 8. August. Wie hochmüthig der Clerus sich wie der benimmt, ersieht man daraus, daß auf Befehl des Erz bischofs dem.sterbenden Handelsminister Santa Rofa nicht nur die Sterbesakramente, sondern selbst ein kirchliches Begräbnis? verweigert wurde. Das Volk war wüthend darüber, und an 200 Individuen drangen in das Servitenkloster und forderten den Priester, welcher dem Minister die Sterbesacrameutc ver weigert hatte. Das Ministerium verlangte, daß der Erzbischof sein Amt niedcrlege. Als er sich dessen weigerte, wurde er nach der Festung Fenestrella abgcführt und Siccardi mittelst Courier eilig zum König berufen. Die Kölner Zeitung erzählt folgendes Nähere: Der Mi nister starb am. 5. Abends 10 Uhr. Als er seinen Tod hcran- nahen fühlte, verlangte er nach dem Geistlichen seines Kirchspiels, um von ihm das Sakrament zu empfangen. Dieser, Namens Pitavino, weigerte sich, den Sterbenden zu besuchen. Nochmals aufgcfordert, erschien er endlich, erklärte aber sofort Santarosa daß er ihm das Sacramcnt nicht reichen könne, weil er Mitglied eines Ministeriums sei, welches die Siccardsscheu Gesetze gegen die geistliche Gerichtsbarkeit in Vorschlag gebracht und durchge führt habe. Nur unter der Bedingung wolle er ihm die letzte Oelung z» Theil werden lassen, daß er Santarosa, sich schriftlich oder in Gegenwart von vier Zeugen gegen die Siccardi'schen Ge setze erkläre und seine frühere Zustimmung zu denselben zurück- nchme. Santarosa erhob sich von seinem Krankenlager und sprach mit fester, vernehmbarer Stimme: „Ich habe für jene Gesetze gestimmt, weil ich sie heilsam für den Staat halte; ich würde noch diesen Augenblick dasselbe thun, wenn ich es noch nicht gethan hätte. Mein Gewissen läßt nicht zu, daß ich meine Zustimmung zurücknehme. Ich bitte Sie, ich flehe zu Ihnen, thun Sie jetzt Ihre Pflicht als Geistlicher." Erschöpft sank Cantarosa ins Kopfkissen zurück. Die umstehenden Familien mitglieder, von tiefem Schmerz ergriffen, wollten vermittelnd eintreten; doch der Geistliche fuhr fort, Santarosa zur Zurück nahme seiner Zustimmung m bewegen zu suchen. Als Pitavino's Redefluß einen drohenden Ton annahm, erhob sich Santarosa nochmals mit großer Anstrengung, tadelte das Benehmen des Geistlichen und wies ihm in der letzten Aufwallung des Zornes die Thür. Dieser ging davon, und eine halbe Stunde darauf war Santarosa verblichen. Die nun entstandene Aufregung war nicht unbedeutend. Am 7. August Morgens fand die feierliche Beisetzung der Leiche Santarosa's in der Karlskirche unter unabsehbarem Volkszudrange Statt. Die Nationalgarde, die städtischen Behörden, die Minister und andere hohe Beamte begleiteten den Trauerzug vom Hause des Verstorbenen bis zur Karlskirche, wo unter der größten Feierlichkeit die Messe für den Verstorbenen abgehalten wurde. Von der russischen Grenze, 3. August. Jenseits des Niemen, in den Gegenden von Grodno und Kowno, sollen wie der jene furchtbaren Bauernaufstände auSgebrochen sein, von denen Rußland fast jährlich bald hier, bald dort heimgesncht wird, und welche uns von Zeit zu Zeit den nnterminirten Boden dieses Riesenreiches darlegcn. Obgleich diesen Bauernaufstän den keine eigentliche politische Tendenz zn Grunde liegt, sic viel mehr wirklich nichts als Racheausbrüche der unterdrückten und gemißhandelten Leibeigenen sind, so sind dieselben doch für die politische und sociale Zukunft von großer Bedeutung; denn sie sind die sichern Vorzeichen einer vielleicht nicht allzufernen großen socialischen Revolution, welche den großen Coloß des russischen Reiches zertrümmern wird. Diese Aufstände brechen so plötzlich in einer Nacht in mehreren Dörfern zugleich los, daß auch keine nur ernstere Miene die Katastraphe verräth; die Rachcwuth ver schont nichts, böse nnd gute Herren, Weiber unk Kinder werden gemordet, und die Gehöfte mit den Vorrächen gehen in Flam men auf. So verbreitet sich der Aufstand nächtlich weiter, bis das anrückcnde Militär ihm Einhalt thut. Kopenhagen, 10. August. In einer officiellcn Mittheil- ung wird nun von den dänischen Blättern die frühere Angabe über die Zahl der bei Idstedt verwundeten Schleswig-Holsteiner in Schleswig (2000) berichtigt; cs scicn nur dic Schwcrvcr- wundcten dort gelassen, etwa 500, von denen 341 (darunter 15 Offiziere) noch daselbst liegen, 22 in Fridericia, die ttcbrigen auf Alfen und Füucn. Dic officicllc Liste über den Verlust der Dä nen am 24. und 25. Juli ist erschienen und wird von den Nye Post-Efterrcdninger ein Theil derselben wiedcrgcgeben. Nach Kjöbcnhavnposten betragt der Gcsammtverlust 3771 M., näm lich 439 Tobte, 2718 Verwundete und 614 Gefangene. Vermischtes. Vor 20 Jahren fand in dem Schlosse C nicht weit von Paris ein unerklärliches Ereigniß statt, dessen Lösuna erst jetzt durch einen Zufall möglich wurde. Das Schloß datirt aus dem Mittelalter und sein finste res Aeußere gab diesem Unfälle gerade den schauderhaften Charakter, der seitdem cs zur Oede machte. Fräulein von C nämlich, welche da mals erst vor wenigen Wochen mit dem Marquis R vermählt war, hakte eine zahlreiche Gesellschaft geladen, die sich in den Nachmittags stunden vor der Dinerzeit mit Blindekuhsoiel erqöitte; eine Stunde ver ging, die junge Frau war verschwunden. Das Schloß wurde bis in den entferntesten Winkel durchsucht und keine Spur war mehr von ihr anfzu- finden. Zwanzig Jahre waren dahingegangcn und nie hatte man von ihr etwas gehört. Seit jenem Traucrtage stand das Schloß verödet und fiel in Trümmer. Erst vor Kurzem fiel das Schloß durch Erbschaft Hrn. L. zu, und er fand Interesse daran, cs wiederuni wohnbar zu machen. Ec ließ in einem früher unbewohnten Theile einige Neubauden machen, als die Maurer plötzlich auf einen großen Koffer stießen, den sic aus Neugier öffneten. Wie groß war ihr Schre.ken, als sic darin ein weibliches Ske lett fanden. Es waren die Reste der unglücklichen Fran C. mit ihren Ju welen und ihrem Brautschmuck. Die Sache erklärt sich dadurch, daß die Unglückliche beim Blindekuhspiel sich darin versteckte. Der Koffer hatte eine Feder, die von selbst sich schließt, sobald der Deckel sich herabläßt, und so war sie lebendig darin begraben, ohne daß irgend jemand eine Ahnung davon habe» konnte.