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5. Jahrgang. Mittwoch, den 10. Oktober 1906. Nr. 122. Krematorium hinzutreten. Wie in einer Ver- ammlung des Leipziger Verein« für Feuer- lestattung mitgeteilt wurde, will der Rat der Stadt Leipzig auf dem Südfriedhof eine tädtische Leichenverbrennungsanlage errichten. Er hat sich deshalb mit dem sächsischen Ministerium bereits in Verbindung gesetzt. Kirchberg. In Anbetracht der schon ängere Zeit anhaltenden Verteuerung aller Lebensmittel hat Herr Fabrikbesitzer Stadtrat Gerlach bekannt gemacht, daß er aus eigenem Antrieb bis auf weiteres jedem seiner Arbeiter und seiner Arbeiterinnen wöchentlich 1 Mark Teuerungszulage gewährt. Aus der Woche. Der Zar ist nach fast dreiwöchigem Aufent halt in den finnischen Schären wieder nach Peterhof zurückgekehrt. Endlich werden nun die Gerüchte von seiner Flucht schweigen. Nikolaus II. konnte, obwohl er der Allein herrscher ist. beruhigt seinem Lande den Rücken wenden, ohne sich mit Regierungssorgen zu beschweren, denn sein Premierminister Stolypin vertritt ihn ausgezeichnet. Es ist nicht zu verkennen, daß der Mann, der die neugewählte Volksvertretung auSeinanderzu- jagen Mut und Tatkraft genug besaß — denn es ist auf sein Betreiben gegen den Willen GoremykinS und TrepowS geschehen, daß die Duma aufgelöst wurde — mit ganzer Kraft daran gegangen ist, dem neuen, entweder im Dezember oder anfangs nächsten Jahres zu- sammentretenden Parlament reichen Arbeitsstoff an Gesetzesvorlagen vorzubereiten. Aber wahr bleibt auch, das er in ganz Rußland wieder ein Regiment der eisernen Faust eingeführt hat. Es ist daher wohl möglich, daß er sein dem Zaren gegebenes Wort, das Land erst zu be ruhigen und ihm dann nach Gutdünken Frei heiten zuzugestehen, restlos einlösen wird. Vor läufig allerdings bleibt im Lande Väterchens alles beim alten. — In Oesterreich-Ungarn kommt man mit den AuSgleichsverhandlungen nicht vom Fleck. Der Standpunkt beider Regierungen ist unverändert, Ungarn will seine eigenen Handelsverträge schließen und Oesterreich erblickt in solchem Anspruch eine Verletzung der Interessen der Monarchie. Zwar hat Frhr. v. Beck, der österreichische Ministerpräsident, als er seinen Einzug ins Kabinett hielt, mit überlegenem Lücheln erklärt, er werde den Ungarn ein neues Lied singen. Aber er scheint es doch nicht so recht zu können. In den maßgebenden Kreisen Wiens und Budapests hat man sich schon wieder mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß die ganze Sache weitergeht, wie bisher. Die Parteien sehen augenscheinlich keinen Ausweg au« der Klemme. — In England machte in den letzten Tagen merkwürdig viel der Kriegsminister Haldane von sich reden. Nach seiner Rückkehr aus Berlin, wo er als Gast des Kaisers die militärischen Einrichtungen besichtigte, trat er zum erstenmal aus seiner bis dahin zur Schau getragenen kühlen Zurückhaltung heraus und erklärte — eine Ueberraschung für alle, die in den letzten Wochen auf Englands Ruf zur all gemeinen^ Abrüstung gelauscht hatten — er sei in keinem Falle für irgend eine Verringerung der Heeresmacht Englands zu haben. Nun weiß man's endlich. Auch England betrachtet den Abrüstungsgedanken als einen wunder schönen Traum, der so zart ist, daß der ge ringste Hauch ihn in NicbtS zerrinnen läßt — er hält der rauhen Wirklichkeit des modernen politischen Treibens nicht stand. Zeigte die freimütige Aeußeruug des Kriegsminister«, daß England trotz aller Friedensliebe seine Wehr macht zu erhalten wünscht, was ihm im Grunde keine Macht verdenken kann, so waren die Abschlüsse, die die englische Diplomatie, die gewiegteste des Erdballs, in diesen Tagen zustande gebracht hat, weit ernsterer Natur. Das mit Frankreich getroffene Militärabkommen hat die Phantasie der politischen Hitzköpfe la-h-"' L rK' ieht sich sogar genötigt, da sie ihren Bedarf rereits hinreichend gedeckt hat. die nicht nur aus der Umgebung sondern auch von aus wärts in Mafien angebotenen Früchte zurück zuweisen, da sie nicht im stände ist, sie zu ver werten. Elstra. Ein plötzliches Ende fand am Sonntag Nachmittag die Inspizierung der Üesigen freiwilligen Bürgerfeuerwehr. Mitten in der Uebung fiel der 82 jährige Wehrmann Schneidermeister Behnisch von einem Gehirn- chlag getroffen tot zu Boden. Die Inspizierung wurde sofort abgebrochen. Bautzen. Eine Feuersbrunst wütete in ver Nacht zum Sonntag hier. Im Dach geschoß des am Schießbleichberge gelegenen Restaurants „Zur Felsenburg" war am Sonn abend abends gegen 10 Uhr Feuer ausge brochen, daß sich schnell über den ganzen Dach stuhl verbreitete. Der Feuerwehr gelang es, die Nachbargebäude zu retten, während die „Felseuburg" niederbrannte. Neukunnersdorf. Von der Station Neu- kunnerödorf wurden mittelst drei Kutschen HochzeitSgäste abgeholt, kaum waren sie einige Minuten von der Station entfernt, als die Pferde des letzten Wagen« scheuten, in rasendem Tempo die vorderen Kutschen überholten und schließlich den mit vier Frauen besetzten Wagen in den Graben schleuderten. Die Kutsche wurde vollständig zertrümmert und der Kutscher und die Mritter des Bräutigam» schwer verletzt. Reinholdshain. Hier streiken jetzt die Bauern. Im nahen Ebersbach war kürzlich Feuer ausgebrochen. Leider konnte die Rein- holdshainer Pfiichtfeuerwehr mit der Spritze nickt ausrücken, weil im ganzen Dorfe keine Pferde auszutreiben waren. Das Gemeinde oberhaupt soll gegen die Bauern bei derartigen Fuhren allzusparsam gewesen sein. Darum be sprachen sich die Bauern, bei vorkommenden Fällen ihre Pferde nicht wieder zur Verfügung zu stellen. Und sie hatten die Macht in der Hand. Trotzdem die Feuerwehr versammelt war, mußte sie zum heimischen Herd wieder zurückkehren. Niederwartha. Von einem eigentümlichen Unfall wurde vor einigen Tagen der Ketten» Kämpfer Nr. 21 der Vereinigten ElbschiffahrtS- Gesellschaften betroffen. Als der Dampfer nachts die hiesige Elbbrücke passierte, rannte er mit dem Schornstein infolge de« hohen Wafierstandes an die Brücke an, da die Mannschaft übersehen hatte, den Schlot vor der Durchfahrt umzulegen. Der schwere eiserne Rauchfang fiel mit mächtigen Gepolter auf das Verdeck und rollte dann über Bord. Trotz eifrigen Suchens konnte er nicht wieder aufgefunden werden. Meißen. Morgen Mittwoch findet in der Zeit von abends si,7 bis 9 Uhr eine Be leuchtung sämtlicher Jnnenräume der Albrechts burg mit elektrischem Lichte und zum Teile mit Kerzen statt- Um auch gleichzeitig die herrliche Akustik zur Geltung zu bringen, wird ein hiesiger Männergesangverein einige Lieder vor tragen. Meißen- Am Donnerstag früh forderten die Maurer zweier hiesiger Arbeitgeber eine Lohnerhöhung von 40 auf 43 Pfg. die Stunde. Da diese Forderung von den be treffenden Meistern aber abgelehnt wurde, legten die Abgewiesenen die Arbeit nieder. Darauf wurden am Freitag früh sämtliche organisierten Maurer aller Arbeitgeber aus- gesperrt- Die wenigen gegenwärtig im Bau befindlichen Grundstücke sind von den üblichen Streikposten besetzt- Leipzig. Bei dem städtischen Vollstreckungs amte waren in 1905 „nur" 105046 Anträge zu erledigen. Ein großer Teil der bedrohten säumigen Steuerzahler hat es natürtich auf die Vollstreckung selbst nicht erst ankommen lasten. — Zu den bereits in Deutschland be stehenden Leichenverbrennungsstätten wird hier in nächster Zeit ein neues städtisches beider Länder mit tollen Zukunftsbildern ge neckt. Schreiben doch Pariser Blätter, die onst Wert darauf legen, ernst genommen zu werden, nunmehr werde man im Verein mit englischen Kriegsschiffen den Rhein herauffahren und gemeinsam mit England bei Belle-Allianc« üe Heere aus dem Lande des Sauerkohl» be legen können. Und jenseits des Kanals die- elbe Musik. Natürlich soll gern zugegeben werden, daß die Regierungen in London und Paris ihre Träume nicht von solchen Bildern lurchziehen lasten, aber daß selbst solche Mär gedruckt und mit fiebernden Augen gelesen oder zar ernst genommen wird, zeigt doch, wie manche Kreise unsrer Nachbarländer sich die Auseinandersetzungen mit dem deutschen Michel denken. Daß man im englischen Kabinett ibrigenS der alten Politik treu geblieben ist, die darauf abzielt, Deutschland mehr und mehr von allen Verbindungen mit den übrigen Staaten loszulösen, zeigt auch das Abkommen mit Rußland, Tibet und Persien betreffend. Die uralten Gegner in Asien sind mit einem Male Freunde geworden, um sich in aller Gemächlichkeit zu teilen, was irgendwie zu teilen ist. — Auf dem Balkan ist» ein wenig stiller geworden. Türken und Bulgaren be mühen sich, die Mächte ihrer Friedensliebe zu versichern und es hat den Anschein, al« ob auch diesmal das drohende Gewitter, ohne Unheil anzurichten, abziehen wird, wenngleich in eingeweihten Kreisen verlautet, daß die Türkei mit Eifer ihre Rüstungen betreibe. Auch auf Kreta, das bereits seinen neuen Gouverneur erhalten hat, ist die Ruh« wieder eingekehrt, nachdem einen Tag lang alles nach Kampf und blutiger Entscheidung gelechzt hatte. Haben die Rebellen, di« b«i d«m Versuch, ihren alten Gouverneur, den Prinzen Georg von Griechenland, mit Gewalt auf dem Eiland zu rückzuhalten, einig« Tote und viele Verwundete hatten, sich überzeugt, daß die Zeit für eine Auflehnung gegen das türkische Joch ungünstig gewählt sei, oder wollen sie erst sehen, wa- der neue Gouverneur ihnen für Zukunsts- garontien bietet? — Die Ver. Staaten haben auf Kuba, wo die Rebellen sich gegen friedliche Verhandlungen sträubten, 6000 Mann gelandet und Roosevelt hat seinen Kriegssekretär Taft mit der Regierungsgewalt auf der Insel betraut. Die streitenden Parteien haben sich augen scheinlich in das Unvermeidliche gefügt. Wie sich aber die Sachlage in der Zukunft gestalten wird, vermag man sich leicht auszumalen, wenn man in Betracht zieht, daß die Expedition der amerikanischen Truppen, die auf zwei Monate berechnet ist, 50 Millionen Dollar oder 200 Millionen Mark kostet. Wie soll Kuba da« jemals bezahlen, wenn es sich nicht selbst dem Onkel Sam als Zahlung gibt? Das Eingreifen der Ver. Staaten wird ohne Zweifel zur Einverleibung der Insel führen. — In unserm lieben Vaterland« ist die brennende Frage immer noch die Thronfolge in Braunschweig. Der Herzog von Cumber land verhält sich schweigend und der Reichs kanzler und preußische Ministerpräsident Fürst Bülow verharrt auf dem 1885 durch den Bundesrat festgrlegten Rechtsstandpunkte. Da» arme Braunschweig wird also wohl oder übel wieder einen Auahilfsregenten wählen müssen, da sich der rechtmäßige Thronerbe augen scheinlich nicht den Bedingungen unterwerfen will, die Preußen und das Reich im Interesse des Friedens zu stellen gezwungen sind. Die Ausblicke sind jedenfalls nicht besonders zufriedenstellend, um so weniger al» die Ver stimmung zwischen Preußen und dem Cumber- länder bisher nichts an Härte verloren hat. Der Herzog von Cumberland gehört leider zu den Leuten, die gern besitzen möchten, was sie begehren — oder lieber auf alle« verzichten; das ist im Interesse Braunschweigs und im Interesse des Deutschen Reiches lebhaft zu be dauern. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf.Vkrilla, den 9. Gktober ,<M. — Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Fünsmarkstück, um den gegen diese Münze erhobenen Einwand der Unhandlichkeit und Sperrigkeit möglichst zu beseitigen, eins Ver- kl«in«rung de» Durchmessers erbält. Das Aeußere der Münze dürfte, abgesehen von der stärkeren Dicke, welche die Aendcrung des Durchmesser» bedingt, sonst unverändert bleiben. — Da» Geld wird noch teurer, als es schon war. Für diese Woche wird eine aber malige Diskonterhöhung der Reichsbauk er- lvartet und zwar um ein volles Prozent, sodaß der Satz dann 6 Prozent betragen wird! — Zur Aufhebung des Epiphaniasfestes. Hunderte von sächsischen Industriellen und Ängestellttn derselben haben an die Evangelisch- lutherisch« Landessynode in Dresden das Gesuch gerichtet: diese wolle sich dem Kirchen- reaiment gegenüber damit einverstanden erklären daß der 5. Januar in Zukunft aufhört, ein allgemeiner Feiertag zu sein, und daß die Feier de» Epiphaniasfestes auf einen Sonntag verlegt wird. Königsbrück. Am Montag Vormiltag kurz nach 11 Uhr ereignete sich hier ein be klagenswerter Unfall. Der Wirtschaftsbesitzer Wilhelm Heinrich Wolf aus Schönbach war Mit Wagen und Pferd auf der Rückfahrt van hier nach seinem Heimalsoit begriffen. In der Nähe des Emaillierwerks auf der Weiß bücher Straße scheute sein Pferd. Hierbei kam Wolf zum Sturz vom Wagen. Der Sturz war so unglücklich, daß er einen Schädelbruch erlitt und besinnungslos nach dem Krankenhaus gebracht werden mußte, wo ihm ärztliche Hilse zu Teil wurde. Trotz der schweren Verletzungen befindet sich der Ver unglückte auf dem Wege der Besserung. Dresden. Am Sonnabend vormittag «urden hier drei Münzfälscher dingfest gemacht, die sich mit der Ausgabe gefälschter Zweimark stücke mit dem Bildnis des Königs Georg be saßt hatten. Dit Genannten sind bereits er heblich vorbestraft. — In der Nacht zum Sonnabend hat auf der Neue Gaste bei einem Schuhmacher ein 24 jähriger Schneidergehilfc einen Einbruchs diebslahl verübt. Er hat den Rolladen des Gtschästslokal» von außen ein Stück in !die Höhe geschoben und ist dann durch die Deffnung über den Vorsetzer eingcstiegcn. Ihm sielen etwa 25 Mark bares Geld in die Hände. D«r Dieb ist ergriffen und dem Gericht zugesührt worden. — Der Mörder Dittrich außer Verfolgung gesetzt. Da» Schicksal des Massenmörders Dittrich ist nun endgültig entschieden, er ist auf Grund d«S ärztlichen Gutachtens der Irren- station des WaldHeimer Zuchthauses, daß ihn kür geisteskrank erklärt, nicht allein von der Dresdner, sondern auch von der Berliner Staatsanwaltschaft außer Verfolgung gesetzt Horden. Dittrich ist demzufolge aus der -Menstation de» Zuchthauses in Waldheim Mafien und zur Unterbringung in einer ^eigneten Anstalt dem Rat der Stadt Dresden üb«rwiesen worden. Dieser hat die Unterbringung Dittrich» sn der städtischen v«il- und Pflegeanstalt angeordnet, wo der Mörder noch weiterhin unter Beobachtung bleibt. Füll« Dittrich für unheilbar geisteskrank er härt wird, wird er wahrscheinlich in der Irrenanstalt in Waldheim untergebracht werden. — Die Eicheln und Kastanien sind in °nsem Jahre außerordentlich geraten. Leute ^vd Kinder, die für den Bedarf des zoologischen Gartens zu sammeln pflegen, Men diesmal eine ganz außergewöhnliche i Ausbeute zu verzeichnen und aus der Menge °r» gelieferten Futters einen größeren Verdienst sonst ziehen können. Gegenwärtig ist das Agebot weit stärker als die Nachfrage. Die Direktion de» Dresdner Zoologischen Gartens Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Verlag von Hermann Rühle in töroß-Okrilla. Druck und Otten eltung Annahme »»a Inseraten bi, »»»mittag m Uh». Inserat« werden mit ,o Pf für die Spalt,eil» berechn« Tabellarisch«; Satz nach b«sender«m Tarif Vic „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen' „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend.