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Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich z Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« o»n Inseraten bi, ».»mittag so UhrH ^Inserate werden mit w ps für die Spaltzeil« berechn« TabellarischrrjSag nach b«sonderem Tarif Druck und Verlag vc-u Hermann Rühl, in «p>rofi-GkriUa. Lür die Reduktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 76. Sonntag, den 24. Juni 1906. 5. Jahrgang. Orrtliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den 2Z. Juni ^yos — Militärisches Leben entwickelte sich heute in Nähe unseres Ortes indem am Bahnhof Cunnersdorf drei Schwadronen Gardereiter welche von Königsbrück zurückkehrten, abkochten. — Gestern war Sommers Anfang! Schnell ist der schöne Frühling entschwunden und wir stehen nun schon im Zenith des Wachsens und Werdens. In der Natur ist alles in vollster Entwicklung: Das Getreide geht der Reife entgegen, die übrigen Feldfrüchte gedeihen unter der Einwirkung der äußerst fruchtbaren Witterung ebenfalls fzusehends. Die Früchte an den Bäumen haben sich meist gut entwickelt und nicht lange mehr wird es dauern, bis auf den Feldern die Sense klingt und die reifen Früchte von den Bäumen gepflückt werden können. — Heute, wo wir über elektrisches Licht und Gas verfügen, bekümmern wir uns nicht so sehr darum, wie hoch die Sonne steht, ob sie abwärts oder aufwärts steigt; bei einer all gemeinen Betrachtung der Jahreszeit wird das summarisch mit eingescklossen. Und besonders der Uebergang vom Frühling zum Sommer bietet in unseren ganzen LebcnSgewohnheiten so wenig äußeren Wechsel, daß kaum noch groß auf dem höchsten Stand des Himmels- gestirnS geachtet wird. In den Bergen, namentlich in den Alpen ist das ja noch anders da flammen auch heute noch die Johannisfeuer, schminkt der Bursch mit Hellem Juchzer sein Mädchen durch die lodernden Flammen, und vielerlei Aberglauben und Gebrauch knüpfen sich an die immer noch heilige Johannis-Nacht. Des Jahres Höhe haben wir erreicht, in unserer geräuschvollen Zeit wird auch das lange nicht so empfunden, wie einst, und von des Jahres Tiefe vom raschen Abwärts sprechen wir erst wenn eS so weit ist. Weit ist das noch vom Johannistag, aber, darüber täuscht doch nun einmal nichts fort, es hebt langsam an. Freuen wir uns der Sommertage nach der Johannisfeier, sie währen nicht immer. — Da in den letzten Jahren ungewöhnlich häufig und auch in diesem Frühjahre bereits Waldbrände wieder aufgetreten sind, seien zur Verhütung derartiger Schäden alle Personen, insbesondere Eltern und Erzieher zu gehöriger Verwahrung von Zündhölzern namentlich vor Kinderhänden angeholten. Außerdem sei in warnende Erinnerung gebracht, das alles Rauchen, Feueranzünden und sonstiges feuer gefährliches Hantieren in Waldungen verboten ist und auf Grund der Strasvorschristen in § 368 Ziffer 6, 7 und 8 des Reichs-Straf- gesetzbucheS strenge Bestrafung zur Folge hat. — Die Zeit der Hellen Nächte ist jetzt um Johanni, da wir uns auf der Höhe des Jahres befinden. Selbst in der Mitternachtsstunde weicht die Dämmerung nicht der eigentlichen Nacht, wenn nicht finstere Wolken das eigen artige Schauspiel verhindern. Die Sonne sinkt nach ihrem Untergange nicht mehr unter den astronomischen Dämmerung, der 18 Grad unter dem Horizont liegt, hinab. Sie verweilt in der Zeit von ihrem Untergange bis zum Wiederauftauchen über dem Horizonte über der sogenannten Dämmerungözone. Ihre Strahlen treffen dann mch die obeien Schichten der At mosphäre unseres Gesichtskreises. Diese Periode der immerwährenden Dämmerung, in der selbst um Mitternacht die dämmernden Strahlen der Sonne den nördlichen Horizont noch umspielen, dauert nur bis Mitte Juli. Zu Beginn der großen Ferien in den Schulen ist diese schöne Zeit des Jahres wieder dahtn. — Der Bierkampf zwischen Brauern und Restaurateuren wird in Berlin sehr heftig ge führt. Alle Weißbierwirle haben sich ver pflichtet. vom 1. Juli ab kein Weißbier mehr zu beziehen, bis die Brauereien vom Aufschlag obsehen. Der Obermeister der Berliner Gast- tvirte-Innung sagte, die Herren Brauerei- Direktoren sollten sich damit begnügen, einmal ährlich ins Bad zu reisen, statt dreimal, und )ie AussichMräte sollten mit weniger Tautiem- vorlieb nehmen, dmm wäre die Brausteuer so- ort heraus. Das stimmt: Ein Aufschlag auf Bier wegen den paar Pfennigen, die die neue Steuer beträgt, wäre seilens der Brauereien wie der Wirte eine schreiende Ungerechtigkeit gegen das Publikum. — Falsche Einmarkstücke befinden sich seit einigen Monaten im Verkehr. Die Falsifikate tragen das Münzzeichen und die Jahreszahl 1901. Sie sind durch Prägung hergestellt und haben einen ziemlich hohen Silbergehalt. Von den echten Münzen unterscheiden sie sich durch folgende Merkmale: Die Prägung des Eichenkranzes auf der Vorderseite ist schwächer, das Wappen im Adler aus der Rückseite un deutlich, die Schraffierung oberhalb des Wappens fehlt, die Prägung der Flügel ist nicht exakt, die Rand-Reifelung und die Punktierung am Rande sind schwächer. Die Falschstücke haben ein helleres Aussehen, und ind etwas dünner als die echten Münzen, am Gewicht stehen sie letzteren um ca. 0,200 Gramm nach, — Die Furcht vor der Brille und die Be handlung der Kurzsichtigkeit. In den letzten fünf Jahren hat die Behandlung der Kurz sichtigkeit wesentliche Fortschritte gemacht. Bis dahin hatte man den Kurzsichtigen nur soweit korrigiert, als dies seine Beschäftigung not wendig machte. Diese Form der Korrektion hatte bei dem Publikum eine Furcht vor dem Gebrauch der Brille erzeugt. Viele Kurz- rchtige haben aus Furcht, sich durch die Brille zu schaden, auf den Gebrauch einer Brille ganz verzichtet, andere haben sich deshalb mit ganz ungenügenden Gläsern beholfen. In der Ophthalmologischen Gesellschaft zu Heidel berg zeigten 1901 Pfalz und Heine an über zeugenden Statistiken, daß die Kurzsichtigkeit bei den Kinvern, die sie voll korrigiert hatten, weniger im Laufe der Jahre zugenommen hatte als bei den Kindern, die sonst unter gleichen Verhältnissen lebten, und bei denen die Kurz sichtigkeit nicht oder nur mangelhaft korrigiert war. Diese Mitteilungen erregten damals all gemeines Aufsehen und fanden bald allseitige Zustimmung Diese Frage ist in den letzten fünf Jahren so vielfach nachgeprüft worden, daß an der Richtigkeit jener Angabe kein Zweifel mehr besteht. Bei jugendlichen Kurz sichtigen, bei denen erfahrungsgemäß die Kurz sichtigkeit noch im Zunehmen begriffen ist, gibt eS kein besseres Mittel, diese Zunahme auszu halten, als das Tragen einer vollkorrigierten Brille. Die Furcht vor dem Tragen einer Brille, die durch die Art, wie man früher die Kurzsichtigkeit korrigierte, hervorgerufen war, ist unberechtigt. Freilich erheischt die Auswahl der Brille jetzt eine genaue Kenntnis über den inneren Bau jedes Auges. Früher genügte es vielfach, durch Probieren ein Glas auszu wählen, welches für die Bedürfnisse des Kurz sichtigen ausreichend war. Es war ihm daher ein leichtes, sich bei einem Optiker und mit dessen Anleitung ein Glas herauszuprobieren. Heute genügt dies nicht mehr! Das Glas muß dem Bau jedes Auges angepaßt sein. Ein solches Glas kann nicht durch Probieren allein gefunden werden, es erheischt dies eine genaue innere Untersuchung des Auges durch den Arzt. — Wurde früher in einer Familie der 7. Knabe geboren, so stand auf Ansuchen der Fürst des betreffenden Landes Pate, stand ihm doch die Freude in Aussicht, sieben stramme Soldaten zu bekommen. Das ist aber jetzt nicht mehr der Fall, wie auf Grund erst kürzllich gemachter Erfahrungen bestätigt werden kann. Das Kämmereramt des Königs erwiderte au eine Eingabe, daß der König Gesuche um Uebernahme von Taus-Patenstellen infolge der großen Anzahl solcher Eingänge grundsätzlich ablehnt, und der preußische Gesandte in Dresden erwiderte auf ein an den Deutschen Kaiser ab gegebenes Immediatgesuch, er sei beauftragt worden, mitzutcilen, daß es bei den bestehenden Grundsätzen leider nicht tunlich gewesen sei, dem Gesuche zn entsprechen. — Zulassung von Vermerken auf Brief umschlägen und Streifbändern. Auf eins an den Herrn Staatssekretär des Reichspostamts von der Handelskammer zu Berlin gerichtete Eingabe ist der genannten Körperschaft folgende ür alle Kreise aus Industrie, Handel und Ge werbe wichtige Entscheidung des Kaiserlichen Reichspostamtes zugegangen: Die Postanstalten jaden Anweisung erhalten, auf den Um ¬ hüllungen von Drucksachensendungen befindliche durch Druck oder durch ein sonstiges mechanisches Vervielfältigungverfahren hergestellte Reklamevermerke jeder Art, auch wenn sie in die Form einer persönlichen Anrede des Em pfängers gekleidet sind (z. B. „Die angestrichene Stelle dürfte Sie besonders interessieren") nicht weiter zu beanstanden unter der Be dingung, daß die Vermerke in keiner Weise die Anbringung der Stempelabdrücke und der post dienstlichen Vermerke beeinträchtigen. Zur Vermeidung einer derartigen Beeinträchtigung empfiehlt es sich, die gedruckten Vermerke auf der Aufschriftseite tunlichst am oberen Rande oder auch an dem linken Ssitenrande so her- zustellen, daß der Raum für die Adresse, für die Freimarken und die Aufgabestempel von Druckangaben gänzlich frei bleibt. Dresden. Ein Einbrecher gelangte gestern nachmittag in der Johannstadt zur Festnahme Er war bei einem Besuche, den er auf der Stephanienstraße in der Abwesenheit der Wohnungsinhaberin deren Mieträumen abstaitete überrascht worden. In wenig mehr als einer Viertelstunde hatte er sämtliche verschlossenen Behälter mit den mitgesührten Dietrichen er brochen und 17 Mk. Bargeld, einige Münzen und zwei goldene Uhren gefunden. Er hatte auch eine Kassette mit einem Inhalt im Werte von etwa 3000 Mk. in Staatspapieren und Sparkasienbüchern ermitteit und unauffällig in einen Hutkarton verpackt, Nicht wenig erschrak die ahnungslos zurückkehrende Inhaberin der Wohnung, als ihr beim Oeffnen der Tür der Dieb entgegentrat und die Flucht ergriff. Die ofort aufgenommene Verfolgung war von Erfolg. Der entgegenkommende Gerichtsdiener Sträubler hielt den Flüchtling auf der Elisenstraße auf und übergab ihn einem Gendarmen. Der Einbrecher nennt sich Anton Dalz und gibt an 1870 in Strykovoh geboren zu sein. Diese Angaben sind mit Vorsicht anzunehmen, da er keinen Ausweis über seine Person bei sich hatte. Durch die gelungene Festnahme haben die Bestohlenen nun sämtliche Effekten wieder erlangt. Königsbrück. Die während der letzten Zeit in der Chamotte-Ofenfabrikationsbranche bestandemn Differenzen sind beigelegt. In Breslau ist der Ofentöpferstreik für beendet er klärt worden, infolgedessen ist auch in denjenigen Orten, wo der Arbeitgeber-Verband der Chamotteofenfabriken wegen de« Breslauer Streiks die Sperrung der Werkstuben für organisierte Arbeiter verfügt hat, diese Sperrung wieder aufgehoben worden. Demzu folge ist auch in der hiesigen Chamotteofenfobrik mit Beginn dieser Woche die Arbeit wieder ausgenommen worden. Moritzburg. Die hiesige Brüderanstalt mit RettungShauS (früher in Obergorbitz) ver sendet jetzt ihren Bericht über das 33. Jahr ihres Bestehens- DaS Brüderhaus will gläubige junge Männer im Alter von 19 bis 30 Jahren für den Dienst auf den mannigfachen Gebieten der inneren Mission ausbilden, während das mit ihm verbundene RettungShauS in sechs Abteilungen 35 Mädchen und 65 Knaben, die an Leib und Seele gefährdet sind, aufnimmt und erzieht. AuS dem Berichte ist zu ersehen, daß die Anstalt von großer sozialer Bedeutung ist. Arbeiten doch die 106 Brüder auf 74 Stationen in vielen Erziehungsanstalten (Knaben- wrten, Waisen- und Rettungshäusern,) Herbergen zur Heimat, Arbeiterkolonien, Kranken- und Siechenhäusern, in der Jugendpflege und Stadt mission, sowie in der rettenden Arbeit an Trinkern und Strafentlassenen. Die Anstalt rst zu ihrem Unterhalts ganz auf die barm- jerzige Liebe angewiesen. Pirna. Aus dem Revolverschießstande der jiesigen Feld-Artillerie Regimenter ereignete ich ein Unglücksfall dadurch, daß einem Schützen der Revolver vorzeitig losging und ein in der Nähe stehender Gefreiter einen Streifschuß erhielt. Kamenz. Wegen tätlichen Angriffs gegen einen Lehrer verurteilte das hiesige Schöffen- zeucht einen renitenten Fortbildungsschüler zu einer Woche Haft und den Kosten. Großenhain. Im hiesigen Stadtparke wird zurzeit ein aus rotem Granit künstlerisch lergestellter, in der Mitte mit dem Relief des Turnvaters Jahn geschmückter Jahn-Gedenkstein ausgestellt. Derselbe ist von hiesigen Turn verein zu dessen 60 jährigen Stiftungsfeste dem Turnvater Jahn gesetzt worden und soll am 1. Juli feierlich eingeweiht werden. Bau da. In Vorvergangener Nacht sind hier zwei Einbruchsdiebstähle verübt worden, bei denen die Täter mit fast unglaublicher Dreistigkeit zu Werke gegangen sind. Nach Eindrücken von Fensterscheiben find die Diebe owohl in die hiesige Mühle wie in den Gast- wf eingedrungcn. Sie haben in ersterer Kommoden und Schränke durchwühlt, ein Pult zu erbrechen versucht und sechs Kisten Zigarren und ein Fahrrad mitgehen heißen, auch an Vorgefundenen Speisen und Branntwein sich gütlich getan. Im Gasthause haben sich die Spitzbuben einige Kleidungsstücke angeeignet und, um ihrer Frechheit die Krone aufzusetzen, bei ihrem Scheiden — die Bierhähne auf gedreht, sodaß am andern Morgen die Gaststube ärmlich schwamm. Zeithain. Freitag früh gegen */, 8 Uhr entlud sich auf bisher noch unaufgeklärte Weise in der Sammelstellung vor Beginn des Schießens ein Geschütz der 1. Batterie vom 4 K. S. Feldartillerie-Regiment Nr. 48. Das Geschoß krepierte unter dem Vorder« Sattelpferde des einige Schritt hinter der Rohrmündung haltenden nächsten Geschützes und verletzte den Vorderreiter desselben durch die dabei herumfliegenden Sprengstücke so chwer, daß er, nach dem Lazarett verbracht, dort alsbald verstarb. Das Pferd des Fahrers und dasjenige des daneben haltenden Geschütz führers wurden tödlich verletzt. Löbau. Hier ist beim Aufhalten eines durchgehenden Gespanns der etwa 30 Jahre alte Telegarphenarbeiter Schütze aus Kittlitz tödlich verunglückt. Das durchgehende Gespann das auf der Löbau-Weißenberger Chaussee dahergerast kam, gehörte dem Gastwirt John in Weißenberg. Schütze wurde, als er den Pferden in die Zügel fallen wollte, umgerifsen und überfahren. Zwei Räder gingen über die Brust, auch erhielt er eine schwere Kopf verletzung. Der wackere Mann ist seintn Verletzungen erlegen. Chemnitz. Der Anfang dieser Woche hier ausgebrochene Dachdeckerstreik zieht weitere Kreise. Bisher haben etwa 120 Gehilfen die Arbeit niedergslegt. Es arbeiten nur wenige Gehilfen. Streikobjekt ist ein Stundenlohn von 60 Pfg. und die Einführung 9 */, stündiger Arbeitszeit. Annaberg. Zwischen den Grenzbehörden Sachsens und Böhmens werden im Auftrage ihrer Regierungen Verhandlungen wegen Regulierung dersächsisch-böhmischen Landesgrenze geflogen. Die Grenze bildet im Erzgebirge das unregelmäßige Bett des sog. Grenzbachs, den man gerade zu legen beabsichtigt, was außer einer Steigerung der Wasserkraft auch mancherlei andere Vorteile für die Anwohner im Gefolge haben dürfte.