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Ottendorfer Zeitung : 24.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060624
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060624
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-24
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.06.1906
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PolltLlcke Aunälckau. Deutschland. * Der Kaiser ist in Kiel zur Teilnahme an den Segelwettfahrten eingetroffen. * Der Kaiser hielt bei dem Festmahl des Norddeutschen Regatta-Vereins an Bord der „Viktoria Luise" in Kuxhaven eine bedeutungs volle Ansprache, in der er die gewaltige Ent wickelung der deutschen Kriegs- und Handels flotte betonte und schließlich der Genesung des Reichskanzlers in herzlich empfundenen Worten gedachte. * Prinz-Regent Luitpold von Bayern verlieh Ms Anlaß des Abschlusses der Reichsfinanzreform dem preußischen Finanzminister Frhrn. v. Rheinbaben das Groß kreuz des Verdienstordens der bayrischen Krone und dem Staatssekretär Frhn. v. Stengel das Großkreuz des Verdienstordens von St. Michael. *Wie verlautet, wird die Erhöhung des Postkartenportos im Stadt- bezw. Land bestellbezirk sowie die Erhöhung für das Porto der außerordentlichen Zeitungsbeilagen schon am 1. Juli d. in Kraft treten. Die Postkarte wird von 2 auf 5 Pfennig erhöht, so daß der frühere Gebrauch wieder hergestellt wird. Der Bundes- rat wird sich dieser Tage mit der Angelegen heit endgültig befassen, worauf eine entsprechende Verordnung des Reichskanzlers ergehen wird. * Der Kolonialrat ging in seiner letzten Sitzung zur Beratung des Etats für Kamerun über. Hierbei erklärte der Vorsitzende, daß nur herrenloses Land zu Kronland umgewandelt wird, und daß durch besondere Landkommissionen, die mit Unterstützung von Missionaren arbeiten, die Rechte der Eingeborenen gewahrt werden. Zur Beseitigung von Mißständen auf dem Ge biete des Wander-Händlerwesens wurden von der Regierung Abwehrmaßnahmen in Aussicht gestellt. Im Zusammenhang mit dieser An gelegenheit wurde aus der Mitte des Kolonial rats darauf hingewiesen, daß es erwünscht sei, die Gewährung von Kredit an Eingeborene tunlichst einzuschränken. Osterreich-Ungarn. * Wie im englischen Unterhause, sind auch im österreichischenAbgeordnetenhause die greuelvollen Zu stände in Rußland Gegenstand der Besprechung gewesen. Abg. Breiter befragte im österreichischen Abgeordneten hause die Regierung über ihr Verhalten gegen über den Metzeleien in Rußland. Redner wünschte zu wissen, was die Regierung unter nommen habe, um die Schadloshaltung der österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen an läßlich der vorjährigen Schlächtereien in Ruß land zu erlangen, und was die Regierung zum Schutze der österreichisch-ungarischen Staats angehörigen in Rußland zu veranlassen beab- sichtigt. Die Antwort der Anfrage wurde vom Minister des Äußern hinausgeschoben. Frankreich. *Jn der Kammer wandte sich Clö- menceau, der geistvolle und ehrgeizige Mi nister des Innern, in längerer Rede gegen den Sozialistenführer Jaurös. Seine Ausführungen «gipfelten in der Anerkenntnis, daß zwar der Arbeiter berechtigt sein müsse, auch unter An wendung von gewissen Zwangsmaßregeln «'Streiks usw.) seine Lebenshaltung zu verbessern, daß aber niemand seinen Mitmenschen zwingen dürfe, die Arbeit zu verlassen und nur auf all gemeinen Befehl zu feiern. Wie der ,Temps' erklärt, erregte Clemenceaus Rede gewaltiges Aufsehen in der Kammer. Es wurde auf Antrag nrit 365 gegen 78 Stimmen beschlossen, die Kammerrede des Ministers öffentlich anschlagen zu lassen. England. *Die Debatte im Unterhause über die Zu stände in Rußland und ihre Rück wirkung auf die Frage der Bundesfähigkeit dieses Landes findet m der Londoner Presse lebhaften Widerhall. Alle bedeutenderen Zei tungen verlangen, daß im Hinblick auf die in Zialystok begangenen Grausamkeiten der Be- ' u ch der englischen Flotte in Kronstadt unter bleibe; sie erklären, es sei unmöglich, daß Eng ¬ land mit der gegenwärtigen russischen Regierung eine Verständigung abschließe. Italien. * Der Gemeinderat zu Rom hat das Projekt einer internationalen Aus stellung in Rom für das Jahr 1911 ange nommen. Belgien. * Die Eingeborenen des Kwango-Distritts im Kongo st aat befinden sich in vollem Aufruhr. Mehrere Faktoreien sind geplündert und ein Weißer getötet, ein andrer verwundet worden. Zur Unterdrückung des Aufstandes sind bereits Truppen entsandt worden. Holland. *Die Regierung beabsichtigt mit der deutschen Regierung wegen eines P o st- abkommens in Unterhandlung zu treten. Spanien. * Der Rektor der Universität Barce lona hat die Schließung der „modernen Schule" angeordnet, die von dem mit dem Bombenanschlag auf den König und die Königin von Spanien in Beziehung stehenden Ferrer geleitet wird. Von feiten des Gerichts wurden Geldbeträge und Schriftstücke, die von Ferrer bei einem Bankhause niedergelegt worden waren, beschlagnahmt. In einem in den Zeitungen veröffentlichten Briefe bestreitet Ferrer, Anarchist zu sein. Russland. * Die Reichsduma beschäftigt sich jetzt mit der Frage der Gleichberechtigung aller Staatsbürger, insbesondere auch mit der staatsrechtlichen Stellung der Juden in Ruß land. Auch diese Debatten und die danach zu fassenden Beschlüsse dürsten, wie die Beziehungen zwischen Volksvertretung und Regierung sich nun einmal gestaltet haben, kaum mehr irgendwelche Bedeutung für die politische Entwickelung ge winnen. * In Kronstadt, wo man den Ausbruch von Meutereien befürchtet, herrscht äußerlich Ruhe. Die Truppen stehen außerhalb der Stadt, auf allen Kriegsschiffen sind aber von den Geschützen die Verschlüsse abgenommen und die Munition ist fortgeschasst. * Die scheußlichen Vorgänge in Bialhstok scheinen allenthalben im weiten Zarenreiche die poli tischen Leidenschaften der Massen noch be denklich gesteigert zu haben. Mit elementarer Gewalt drängt namentlich die Arbeiterschaft wieder zu einer entscheidenden Handlung ohne Rücksicht dar auf, ob ihrer Sache damit im gegenwärtigen Augen blick irgend ein praktischer Erfolg zu erkämpfen wäre, oder ob ein offener Kampf nicht vielmehr die Stellung der Regierung auf lange Zeit neu be festigen müßte. Als Vorspiel zu dem unvermeidlich bevorstehenden politischen Generalstreik ent wickelt sich bereits in Moskau ein gewaltiger Lohn- kampf. In zahlreichen größeren und kleineren Be ttieben in Stadt und Land feiern Tausende von Arbeitern. Infolge des Konfliktes zwischen den Druckereibesitzern und den Setzern wird Moskau bald ohne Zeitungen sein. Da die Arbeitgeber mit Aussperrung drohen, legen in den nächsten Tagen die Buchdrucker die Arbeit nieder. Mit ihnen er klären sich die Zeitungssetzer solidarisch. Balkanstaaten. * Aus dem Gouvernement Eriwan wird ge meldet, daß kurdischeBanden die russische Grenze überschreiten und Armenier über- allen. Amerika. * Das Repräsentantenhaus in Washington genehmigte den Gesetzentwurf iber die Verwendung von Geldmitteln für Zwecke des Ackerbaues samt den Zusätzen über die Fleischbeschau. Afrika. * Der Maghzen (der marokkanische Ministerrat) beschloß, das Algeciras-Pro tokoll zu unterzeichnen. Seine Gültigkeits erklärung ist daher binnen kurzem zu erwarten. Die Antwort des Maghzen auf die französischen Forderungen wegen Charbonniers Ermordnng gilt in Fes für befriedigend. Der Sultan chickt zwei Beamte nach Tanger, um die Sache zu erledigen. Japan. *Die Regierung beschloß zur Deckung des Defizits im Budget des neuen Jahres keine neue Anleihe aufzunehmen. Der griecbilck-rumänilcke Konflikt. Die griechische Telegraphen-Agentur hatte dieser Tage einen Bericht über die Sitzung der griechischen Kammer verbreitet, in dem amtlich der Abbruch der Beziehungen zwischen Griechen land und Rumänien mitgeteilt wurde, sowie die vom Minister des Äußern abgegebenen Er klärungen. Demgegenüber wird von der rumänischen Regierung folgendes erklärt: Die Regierungs kreise und die öffentliche Meinung Rumäniens waren erstaunt, in welcher Weise die Ursachen und die Entwickelung des Konflikts entstellt wurden. Der wahre Sachverhalt ist folgender: Alsbald, nachdem die Pforte infolge von Ver handlungen zwischen der rumänischen und der türkischen Regierung in Ausübung ihrer Souve ränität den im Ottomanischen Reiche wohnenden Stämmen rumänischer Nattonalität Gleichheit der Rechte und Anerkennung ihrer Nattonalität gewährt hatte, unternahm die griechische Regie rung Gewalttätigkeiten, die vor keinem Mittel zurückschreckten, um die Anwendung des kaiser lichen Befehls zu verhindern, durch den die Stellung rumänischer Untertanen im Ottoma nischen Reiche auf Grund von Verhandlungen geregelt wurde, die zwischen zwei auswärtigen Mächten gepflogen worden waren und an denen Griechenland weder teilgenommen hat noch teil zunehmen Hatte. Auf griechischem Gebiet organi sierte, von dem in Äthen bestehenden Verein gebildete und besoldete Banden überschritten die Grenze, ohne von den griechischen Behörden daran gehindert zu werden, und begingen ab scheuliche Gewalttaten, um die rumänischen Völkerschaften durch Brandstiftungen, Plünde rungen ihrer Güter und Mordtaten zu beun ruhigen, wie dies in Grevena geschah. Auf die in Äthen gemachten Vorstellungen hatte der damalige Ministerpräsident Nhallis u. a. erklärt, daß er nichts von Rumänen in Mazedonien wisse und daß ihm nichts bekannt sei, daß in Athen eine geheime Gesellschaft bestehe, welche Banden organisiere, die in den Grenzprovinzen des Ottomanischen Reiches tätig seien. Die griechische Regierung suchte die durch die ver brecherischen Taten erregte öffentliche Meinung Europas irrezuführen, indem sie wiederholte, daß sie für auf fremdem Boden begangene Untaten nicht einstehen könne. Die rumänische Regiemng erwiderte, sie habe der griechischen Regierung nicht zum Vorwurf gemacht, daß sie auf türkischem Gebiet nicht Polizeigewalt aus übe, sondern daß sie dulde, daß auf ihrem eigenen Gebiet Banden organisiert und besoldet werden, die in Mazedonien Verbrechen begehen und deren Offiziere der griechischen Armee ange hören. Das ist der wahre Ursprung des Kon flikts. Die rumänische Regierung antwortete ruf eine so merkwürdige Handlungsweise, die ich in abscheuliche Untaten umsetzte, mit der Kündigung des Handelsvertrages und mit der Ausweisung einiger auf rumänischem Gebiet etablierten Griechen, deren Anwesenheit sie mit der Sorge um die Aufrechterhaltung der Ord nung und öffentlichen Sicherheit für unvereinbar hielt. Die rumänische Regierung verwahrt sich am Schluß ihrer Erklärung gegen die vom griechischen Minister des Außem in der Kammer aufgestellte Behauptung, daß in Bukarest feind- elige Kundgebungen gegen die griechische Gesandt- chaft stattgefunden hätten. Von unä fern. Bei der Automobilfahrt des Kaisers durch die Lüneburger Heide erlitt der kaiserliche Kraftwagen in der Nähe des Ortes Marren, etwa 40 Kilometer von Hamburg entfernt, einen Pneumatikdefekt, der eine kurze Verzögerung der Fahrt verursachte. Der Kaiser, welcher von Hannover aus in einem Sechssitzer saß, war in- olgedessen genötigt, in einen offenen Zweisitzer imzusteigen, der eine« Notsitz für noch einige Herren hatte. In diesem Wagen nahmen außer dem Monarchen noch drei Herren seines Ge folges Platz. Die weitere Fahrt ging olM- Unterbrechung von statten. Bemerkenswerr isst daß der Kaiser jetzt bei seinen Automobiliahtten' mit Vorliebe persönlich eine vierstimmige silberne Trompete zur Abgabe von Warnungssignale« benutzt. Ein Gnadenatt. Der Prinz-Regent von Bayem hat das Raubmörderehepaar Schelhaas, das wegen Ermordung des Rentiers Cram«! zum Tode verurteilt war, zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Internationaler Wettstreit von Mili tärkapellen. Die badische Leibgrenadierkapelle mit ihrem Dirigenten Musikdirektor Böttge ist vom deutschen Konsulat in Gijon (Spanien) zur Teilnahme an einem internationalen Wettstreit von Militärmusikern eingeladen worden. Es nehmen Militärkapellen aus Frankreich, Öster reich, Rußland, Italien und Spanien daran teil. Die Kapelle erhält freie Reise, Verpflegung und Einquartierung sowie während des acht tägigen Aufenthalts 10 Mk. tägliches „Er- frischungsgeld" pro Musiker. Es sind drei Preise von 5000, 3000 und 2000 Pesetas (4000, 2400 und 1600 Mk.) ausgesetzt. Die badische Leibgrenadier-Kapelle reist Mitte August nach Spanien und ist für die Manöverzeit beurlaubt. Der älteste Offizier des bayrische« Heeres, Rittmeister a. D. Johann Paul Pfeiffer, ist im Alter von 98. Jahren gestorben. Pfeiffer war nach dem in Berlin lebenden Oberstleutnant v. Frank der zweitälteste Offizier der deutschen Armee. Er diente von 1828 bis 1883. Bom Blitz erschlagen wurden in Skoppen bei Rhein die beiden Knaben August und Hermann Jedamus im Alter von elf und drei zehn Jahren, die auf dem Felde das Vieh hüteten. Die Knaben suchten während des Ge witters in einem Graben unter einem Schirm Schutz. In einem Pistolenducll zwischen einem Referendar und einem Leipziger Landwirt in der Dolauer Heide bei Halle erhielt der Student einen tödlichen Schuß durch die Lunge. Der Anlaß war eine tätliche Beleidigung. Ein schweres Brandnnglück wird aus Rendsburg gemeldet. Dort brach in einer Gast wirtschaft Feuer aus, das mit rasender Schnellig keit um sich griff und das ganze Gebäude ein äscherte. Dabei kamen drei Arbeiter, um, die im zweiten Stockwerk schliefen; einem dienen Arbeiter gelang es, ins Freie zu kommen, er erlitt aber so schwere Brandwunden, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Man nimmt an, daß die Ursache des Brandes eine von den Arbeitern weggeworsene brennende Zigarre war. Einen Mordversuch an ihrer Schwieger mutter beging in Walschleben bei Erfurt die Ehefrau des Landwirts Möller, indem sie die alte Frau in den auf dem Hofe gelegenen Brunnen warf und ihr, als sie sich bereits im Wasser befand, mit einer Hacke zahlreiche schwere Verletzungen beibrachtc. Die Frau wurde von den auf die Hilfemfe herbeigeeilten Nachbarn noch lebend aus dem Brunnen geholt, der glück licherweise zufällig nur zum Teil mit Wasser gefüllt war. Die Täterin wurde noch in der- elben Nacht verhaftet. Selbstmord durch Erschiessen verüble in Ohlau ein als Freiwilliger dienender Husar. Der junge Manu war gelernter Kaufmann und tand im Alter von zwanzig Jahren. Die Ursache >er Tat ist bisher nicht bekannt. Durch giftige Guse betäubt wurden im Differdinger Hüttenwerke drei Arbeiter, von denen infolgedessen einer gestorben ist, während zwei lebensgefährlich erkrankt sind. Die Jndianerbraut. Nicht nur die männ liche, auch die weibliche «Jugend in Wien scheint durch die Indianer, die sich zurzeit im Prater zeigen, in Aufregung versetzt worden zu sein. Aurelia B., die Tochter einer in Hernals wohn- saften Bahnbedienstetenwitwe, ist plötzlich aus dem Hause verschwunden. Es besteht der Ver dacht, daß das erst 16 jährige Mädchen eine tiefe Leidenschaft zu einer der Rothäute Buffalo Bills gefaßt hat und nach Budapest durchbraynte, wo die Truppe gegenwärtig gastiert. «... . U VieMLge äerG^eekligkLit. 22) Roman von Maximilian Brytt. (Fottietzung.) „Es handle sich um den Prozeß Plügge," sagte die Alte. „Soviel verstand ich noch genau. Was er sonst verbrachte, klang ein bißchen fremdländisch, so daß ich ihm nichi zu folgen vermochte. Ich glaube auch übrigens nach dem Namen, der auf seiner Karte steht, daß er nicht von hier ist." „Geben Sie die Karte her; wie heißt er denn?" „Bonziani, glaub' ich." überrascht nahm Haushofer die Karie ent gegen. „Bonziani? Ermete Bonziani aus Genua, der Freund und Gönner Arnold Strucks? . . . Was mag das zu bedeuten Haber?" „Er will morgen in aller Frühe wieder bei Ihnen vorsprechru, Herr Landrichter," sagte die Haushälterin. „Gut, wecken Sie mich rechtzeitig. Der Besuch ist für mich von äußerster Wichtigkeit." 11. Ermete Bonziani stellte sich andern Tages, wie angekündigt, zu frühester Morgenstunde in der Wohnung des Untersuchungsrichters ein. Er war ein lebhafter, Keiner Herr, etwas untersetzt, mit ziemlich großem Kopf, dessen dichtes schwarzes Haar und kluge dunkle Augen deutlich den Südländer verrieten. Seine Ge» fichtsforbe war etwas gelblich; das Weiß der Bmoehaut seiner Augen blitzte dadurch nur um so lebhafter aus dem Antlitz hervor. Er war modisch und sorgfältig gekleidet und verriet in all seinen Bewegungen den wohlerzogenen Kavalier. Trotzdem er sich bei seinem Eintritt in Haushofers Arbeitszimmer in größter innerer Erregung befand, verlor er doch keinen Augen blick die Herrschaft über sich. Er sprach rasch und mit dem etwas harten Akzent, den das Deutsch der Genueser durchweg besitzt. Die Art seiner Darlegung war knapp und klar. Man anerkte seinem Auftreten an, daß er einen wett ausschauenden Blick besaß und gewohnt war, zu handeln, rasch zu entscheiden und viel zu befehlen. Einigermaßen außer Fassung geriet er erst, alS er aus die Verhaftung Stephanies zu sprechen kam, von der er durch den Artikel einer zufällig in seine Hände gelangten deut schen Zeitung erfahren hatte, gleich nach seiner Ankumt in Pegli. „Welch ein furchtbarer Verdacht!" rief Bonziani aus. „Meine Gattin, die die Jugend freundin meines jungen Sozius vor wenigen Wochen ja gleichfalls kennen gelernt Hai, ist außer sich. Sie hat Signora Kalwoda, die sie sofort schätzen, ja lieben gelernt hatte, hernach in Genua, dann in Nervi aufsuchen wollen, um ihr in der Abwesenheit Arnold Strucks zur Seite zu stehen. Leider war sie in beiden Orten nicht mehr «nzutreflen. Sre schrieb dann einmal hierher nach Berlin an sie, erhielt aber keine Antwort, und so mußte weine Frau annehmen, Signora Kalwoda wünsche keine Annäherung. Laß die Unglück liche damals schon hinter Schloß und Riegel saß — wie entsetzlich, wie schrecklich!" „Dieses Billett, dessen Sie Erwähnung tun, ist allerdings angelangt und mir ausgeliefert worden," sagte Haushofer ruhig. „Ich durste es Frau Kalwoda, die in ihrer Untersuchungs haft ohne Verbindung mit der Außenwelt bleiben mußte, aber nicht aushävdigen." Schwer seufzte der Italiener auf. „Ich lasse eS nicht, wie man die Signora eines so schrecklichen Verbrechens zeihen kann! Ich kenne sie j« nicht von Ansehen; aber alles, was ich aus Strucks Munde vernommen habe, und vollends, was meine Gattin über den persön lichen Eindruck sagte, den die Signora auf sie ausgeübt hat, mußte in mir den Entschluß reifen lassen, sofort hierherzueilen, um Sie zu fragen, Herr Landrichter, wodurch in aller Welt ist diese schreckliche Wendung eingetreten?" „Sie find über die Vorgeschichte des Falles orientiert, Signor Bonziani?" „Ich weiß alles, was mein Freund Struck und was Signora Kalwoda meiner Gattin an jenem ereignisreichen Tage mitgeteilt haben, daß bas hiesige Gericht eisten Verdacht auf Struck selbst geschleudert, ja, daß man ibn steckbrieflich verfolgt hatte, ohne daß er selbst auch nm eine Ahnung davon besaß, auf welch grauenvolle Art Signor Kalwoda ums Leben gekommen ist." „Struck soll, nach Aussage der Frau Kal woda, den eruflsn Willen zu erkennen gegeben haben, aus freien S-ücken von Genua nach Berlin MÜckzukrtzren?"- „Auch darüber bin ich unterrichtet. Selbst verständlich war es sofort der feste Entschluß meines Freundes, sich von dem auf ih« lastenden Verdacht zu reinigen und zu diese« Zweck hierher zu eilen, aber . . ." „Aber warum befindet er sich trotzdem seit jener Siunde auf der Flucht?" „Auf der — Flucht?!" entfuhr es de« Genueser in höchstem Erstaunen. „Hat Ihnen Signora Kalwoda denn nicht mitgeteilt, daß er sich noch in derselben Stunde aerwungen sah, die Verfolgung deS wahrhaft Schuldigen aufzunehmen?" „Sie sprechen für mich in Rätseln, Sigiwr Bonziani. Frau Kalwoda behauptet, leit jener Unterredung in Pcgli nichts wieder von ihre« Freunde gesehen oder gehött zu haben. Da sie sogleich nach ih' er Ankunft im Hotel za Genua, das sie noch in ihrem Gefährt er reichte, durch den KriminalkommissarinS Kötter vernommen und bald darauf verhaftet wor den ist, so muß dieser Aussage Gruben bei gem ttsen werden. Übrigens soll ihre Va« zweislung auf dem Bahnhof, als der Zug at- mbr, ohne daß sich Struck einsteM, zu r gewesen sein, als daß man hätte annehwen können, sie sei nur gespielt gewesen; das ist wenigstens die Ansicht meines Gewährs mannes, des Kommiss attus, der sie vom Moment ihrer Verhaftung an brS zur Einlieferung ins Untersuchungsgefängnis nicht aus den Augen gelassen har." , „Aber ich versichere Ihnen, Signora Kal woda muß darüber unterrichtet gewesen sein. Schon bei ihrer Ankunft im Hotel muß das Telegramm vorgesunden haben, iu dem
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