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cd. dem Nordpol im Ballon. Der lenkbar* Luftballon, mit dem der Journalist Wellmann und seine Gesellschaft den Nordpol zu erreichen gedenken, ist nun fertiggestellt und wird, wie aus Paris geschrieben wird, in diesen Tagen nach dem Norden gebracht werden. Das Luftschiff wurde am Sonntag in den Godardschen Ballonwerken in St. Ouen von vielen Luft schiffern und Gelehrten, auch vom Fürsten von Monaco besichtigt. Der „Amerika" ist 150 Fuß lang und hat einen Durchmesser von 45 Fuß. Er faßt 18 900 Kubikfuß Gas und ist imstande, 6500 Kilogramm zu heben. Er hat zwei Mo- tore, einen von 75 Pferdestärke zum Treiben der vorderen Schraube und einen zweiten von 25 Pferdestärke, der mit der Hinteren Schraube in Verbindung steht. Diese Motore können dem Lustschiff eine Ge schwindigkeit von etwa 40 Kilometer in der Stunde verleihen, sodaß die Fahrt zum Nordpol und zurück bis Spitzbergen in 100 Stunden zu rückgelegt werden kann. Der „Amerika" ist so konstruiert, daß er 15 Tage in der Lust bleiben kann und nimmt Proviant für 75 Tage auf. In einem besonderen Korbe befinden sich Motor schlitten, eine Erfindung Colardeaus, und auch ein Stahlboot, falls die Forscher den Ballon verlaffen wollen. Der Fürst von Monaco teilte Wellmann mit, daß er im Juli eine Fahrt in die nordischen Gewässer unternehmen und sich glücklich schätzen würde, wenn er den Forschern zur Erreichung ihres Zieles behilflich sein könne. ed. Das Duell der Nebenbuhlerinnen. Die Marienstraße in Paris war kürzlich der Schauplatz eines blutigen „Damen" - Duells. Ungefähr um 11 Uhr abends nahm sich in einer abgelegenen Straße eine elegant gekleidete Dame, die aber keinen Hut trug, einen Wagen und befahl dem Kutscher, sie schnell nach der Marienstraße zu fahren. Als der eigenartige Fahrgast in dieser Straße vier junge Damen erblickte, die dem Theater zustrebten, verließ er schnell den Wagen. Im nächsten Augenblick war ein Streit im Gange, und Vorübergehende waren Zeugen einer blutigen Szene. Junge Männer und „Damen" bildeten einen Krers und in seiner Mitte kämpften die hutlose Dame und ihre Rivalin einen erbitterten Kampf mit Dolchen aus; der Sieg war auf feiten der Dame ohne Hut, die ihrer Gegnerin den Dolch ins Herz stieß, so daß diese blutüberströmt zu Boden sank. Gleich darauf waren alle Teil nehmer an dem Schauspiel verschwunden, und als die Polizei erschien, fand sie nur die Schwer verletzte, die schon auf dem Transport nach dem Krankenhause starb. Bisher ist noch nicht fest gestellt worden, Iver die Erinordete ist, auch fehlt über die Täterin jeder Anhalt. Stach dem Genust gefrorenen argenti nischen Fleisches, das in Fäulnis überge gangen war, find sechs Insassen des Armen hauses in der Nähe von Hull (England) ge storben. Von einem Kriegsschiff überrannt. Das holländische Panzerschiff „Piet Hein" überrannte unweit der Nordspitze von Nordholland den belgischen Dampfer „Meuse", der von Bayonne nach Hamburg bestimmt war. „Meuse" ging in drei Minuten unter. Von der Besatzung von siebzehn Mann wurden nur sechs auf „Piet Hein" gerettet. Das Panzerschiff blieb un versehrt und lief alsbald den Hafen von Neu- vendiep an. Der belgische Dampfer hatte die geltenden Vorschriften über das Ausweichen von Schiffen auf hoher See nicht befolgt. Ein Basarbrand wird aus Ben Ghasi bei Tripolis gemeldet. Das Feuer, das in einem Bazar ausbrach, griff mit großer Schnelligkeit um sich und brannte 140 Läden aus. Viele Läden wurden während des Feuers ausge plündert. Die Mohammedaner in der heiligen Stadt. Die Mohammedaner, die den über wiegenden Teil der Bevölkerung in ganz Palästina ausmachen, befinden sich in Jerusalem in der Minderzahl. Nach einer neueren Zählung gibt es in der Hauptstadt nur 6000 Mohammedaner, die über nur vier Schulen verfügen, drei Ele mentarschulen und eine höhere; die Schüler der letzteren lernen den Koran in Arabisch, Türkisch und Französisch, Mathematik und Geographie und Geschichte. Unter den drei Elementarschickeu ist eine Mädchenschule, und auch in dieser bildet der Koran die Grundlage der gesamten Er ziehung. eb. 80 OttE Mk. Schadenersatz. Der bekannte Opernsänger Eduard Neßke hat vor dem obersten Gerichtshof in Washington den Leiter des Duß-OrchesterS auf 80 000 Mark Schadenersatz verklagt. Der Kläger behauptet, daß er am 1. Oktober 1903 das Orchester auf einer zwanzigtägigen Konzertreise begleiten und für jeden Tag 4000 Mk. erhalten sollte. Die Tournee wurde aber abgesagt und nun verlangt Reßke die Entschädigung, da er andre Engage mentsanträge ablehnte. Die Kaiser Friedrich-Base im bharlottcn- bnrger Schloßpark. Dicht am Eingang zu dem Charlottenburger Schloßpark ist eine Vase in Gegenwart des Kaisers enthüllt, die den Platz bezeichnet, wo der schwer leidende Kaiser Friedrich am 29. Mai 1888 den Vorbeimarsch der von seinem Sohne, dem Kron prinzen, jetzigen Kaiser, befehligten 2. Garde-Jn- fanteric-Brigade abnahm. Kaiser Friedrich erwartete in Gegenwart seiner Gemahlin, im offenen Wagen sitzend, die Brigade, die, von einer Gefechtsübung bei Tegel zurückkehrend, längs der Gartenterrasse des Schloßparks den Vorbeimarsch in Halbzugs kolonne vollzog. Es war ein tiefschmcrzlich er greifender Akt ehrfurchtsvoller Pietät des Sohnes, der in dem Gefühl, es sei das letztemal, dem Vater seinen Stolz, seine soldatische Freude als jung ernannter Brigadekommandeur zum Ausdruck bringen wollte. Nach Beendigung des Vorbei marsches küßte der Kronprinz seinem Vater die Hand und erhielt zur Antwort einen kleinen Zettel von des Kaisers Hand mit Worten allerhöchster und gewiß warm empfundener Anerkennung, die dem schwer Geprüften leider versagt war, mündlich zu geben. Der Vorgang in seiner ergreifenden, weihe vollen Einfachheit und in seiner tiefen Tragik ist für jeden Offizier und Soldaten unvergeßlich, der an diesem letzten Vorbeimarsch vor dem kaiserlichen Herrn teilnehmen durfte. Die jetzt enthüllte Vase verewigt den historischen Vorgang. A Ein fruchtbarer Schriftsteller. Der Tod eines bekannten englischen Romanschreibers, des Rev. S. Baring-Gould, wird aus Kapstadt gemeldet; er ist in Port Elisabeth an Bord eines Dampfers gestorben. Baring-Gould war ein außerordentlich fruchtbarer und auf den ver schiedensten Gebieten mit Erfolg tätiger Schrift steller. In den sechzig Jahren, seitdem er zu schreiben begonnen hatte, hat er im ganzen über 150 Bände verfaßt, Romane, Theaterstücke, Gedichtbände, theologische Bücher, Werke über Geschichte und Mertumssorschung, Reisen und Legenden. Besonders bekannt wurde er auch als Verfasser von Kirchenliedern; sein berühmtes „Vorwärts, christliche Soldaten!" findet sich in allen englischen Gesangbüchern. Unter seinen Romanen wurden besonders „Mehalah", „Richard Cable", „John Herring" und „Court Royal" viel gelesen. Baring-Gould hat ein Alter von 73 Jahren erreicht. ob. Auf der Suche nach den Schätzen der Armada. Schon sehr oft sind Versuche unternommen worden, um die angeblich un geheuren Schätze, die bei der Vernichtung der spanischen Armada durch die Engländer im 16. Jahrhundert ins Meer sanken, zu heben. Msher sind Erfolge nicht erzielt worden. Die Versuche sollen nun von einem englischen Syn dikat in der Tobermorop-Bai in Schottland wieder ausgenommen werden. Zu diesem Be hufs sind neun große Taucherschiffe gebaut worden, und Cossar, der große Ersolge im Auf- ftnden von Metallen im Wasser und in der Erde hat, mit der Führung der Expedition be auftragt worden. Das Taucherschiff soll in den nächsten Wochen an seinen Bestimmungsort ab gehen. ob. Das Testament des Goldgräbers. Ein sonderbares Testament verfaßte ein Gold gräber an den Quellen des Stewartflusses im Nukonterritorium kurz vor seinem Tode. Auf einem Stück Birkenrinde vermachte er die von ihm ergrabenen Schätze seinen Nichten. Ein Gefährte, der mit ihm in seiner letzten Stunde war, sagte den Nichten: „Wir hatten kein Papier, deshalb nahmen wir die Rinde, und ein Freund und ich unterzeichneten als Zeugen. ob. Vierzig Tage in einem offenen Boot. Mt dem deutschen Dampfer „Prinz Waldemar" kamen in Sydney fünf Franzosen an, die vor fünfzehn Monaten aus der Ver brecherkolonie Neu-Kaledonien entwichen waren. Sie hatten sich auf der Verbrecherinsel ein Boot gebaut und jede sich darbietende Gelegenheit benutzt, um aus den Vorratskammern Lebens mittel zu stehlen, die sie ins Boot brachten. Eines Tages bot sich ihnen Gelegenheit zur Flucht, kurz nach ihrer Abfahrt gerieten sie aber in einen heftigen Sturm, der sie an eine unbe wohnte Insel warf. Es gelang ihnen jedoch, das Boot zu retten. Nachdem sie die Beschädi gungen ausgebessert hatten, gingen sie aufs neue in See und erreichten nach vierzig Tagen Deutsch-Neu-Guinea. Ihr Boot wurde an einer Klippe zerschellt, so daß sie an Land schwimmen mußten. Sie wurden freundlich ausgenommen, besonders da sie eine nährende Geschichte von ihrem Schiffbruch erzählten, später aber entdeckte der Gouverneur, daß es entflohene Verbrecher seien. Er ließ sie deshalb mit dem Kreuzer „Prinz Waldemar" nach Sydney bringen, von wo sie mit der ersten Gelegenheit nach Noumea zurücktransportiert wurden. GericktsbaUe. 88 Erfurt. Ein Kaufmann N. war auf Grund einer Bauordnung in Strafe genommen worden; die Bauordnung schreibt u. a. vor, daß Vorgärten ohne polizeiliche Genehmigung nicht zu gewerblichen Zwecken benutzt werden dürfen. N. hatte zwei Reklametafeln an dem Zaun anbringen lassen, der den Vorgatten des Angeklagten umschließt. Ab weichend vom Schöffengericht verurteilte das Land gericht den Angeklagten zu einer Geldstrafe, da die Bauordnung rechtsgültig sei und der Angeklagte ohne polizeiliche Genehmigung die Reklametafeln an dem Vorgartenzaun nicht anbringen durfte. Die Grund lage einer solchen Bauordnung wurde in 810II 17 des Allgemeinen Landrechts und in ß 6 des Polizei- vettvaltungsgesetzes gefunden. Hiernach gehört es zu den Aufgaben der Polizeibehörde, für Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkchrs auf öffent lichen Straßen Sorge zu tragen und bevorstehende Gefahren vom Publikum abzuwenden. In seiner Revision betonte N., durch ein Blechschild, welches nicht in den Bürgersteig hineinrage, könne der Ver kehr auf der Straße nicht beeinträchtigt werden. Das Kammergettcht wies jedoch die Revision als unbe gründet zurück, da die Vorentscheidung ohne Rschts- irrtum ergangen sei, insbesoiwere müsse die fragliche Vorschrift als rechtsgültig angesehen werben. Paris. Vor den Geschworenen standen acht Männer verschiedener Nationalität und Herkunft, die es unternommen hatten, auf wahrhaft helden hafte Weise ihren Lebensunterhalt aufzubringcn. Sie ließen sich abwechselnd bei verschiedenen Versicherungs gesellschaften gegen Unfall versichern und führten dann mit Absicht Unfälle herbei, indem sie 'ick von Straßcnbahnzügen oder Wagen überfahren ließen. Dabei erlitten sie mehr oder minder schwere Verletzungen und hoben dann die Ver sicherungssummen ein. Zwei der Klomplicen waren stets bei solch einem Unfall zugegen, um die nötige Zeugenschaft ablegen zu können. Jeder aus der Gesellschaft mußte sich dieser gefährlichen Pri^edur unterziehen, sobald die Reihe an ihn kam. Einige von ihnen hatten es auf fünf bis sechs dieser Un fälle gebracht, zwei hatten in den letzten zwei Jahren durch drei Kopfverletzungen allein fünfzehntausend Frank „erworben." Die Bande ist nun wegen Be trugs angeklagt und verurteilt worben. Aix (Frankreich). Das Appellationsgericht ver handelte in geheimer Sitzung über die Emspruchs- beschwerde der von, Marseiller Zuchtpolizeigericht wegen Spionage verurteilten Deutschen Wolf und Wieger. Das Appellationsgericht verwarf die Be schwerde und erhöhte die Strafe Wolfs von zwei auf drei Jahr, die Strafe Wiegers von 15 Monat auf zwei Jahr Gefängnis. K Berliner kiumor vor 6erickt. Müllers Irrtum. „Angeklagter P.," fragt der Vorsitzende des Schöffengerichts einen stämmigen Mann mit martialischen, Schnurrbart, „Sie sind Pottier in einem kleinen Hotel?" — Angekl.: Janz recht. — Vors.: Es wird Jhnm zur Last gelegt, gegen den Schneidermeister Brüller eine Mißhandlung verübt zu haben, indem Sie ihm eine so heftige Ohr feige gaben, daß der Geschlagene ein geschwollenes Gesicht davontrug. Wie verhaft sich die Sache? — Angekl.: Janz so, wie 't in die Anklage steht. Die Ursache von den Vorfall aber waren zwee Irrtümer, von die eener mir, der andre den Zeujen Müller unterjcloofen is. Det fing nämlich uff foljende Weise zu: Ick bin, wie jesacht, Portier und Haus diener in een kleenet Hotel. Eenes Dages stieg Herr Müller, der, jloob' ick, aus irjend een kleenet Provinznest stammt, bei uns ab und fachte, er wäre Schneider, käme rejelmäßij nach Berlin, um Stoff inzukoofen und würde dann immer bei uns absteijen, wenn er mit allens zufrieden wäre. Er kriejte det Zimmer Nummer viere anjewiesen und ick hätte mir weiter nich um ihm jekümmert, wenn nich foljende merkwürdije Sache passiert wäre: Abends jejen halb elfe hatte ick noch wat uff Nummer fünfe zu dun, wir erwarteten nämlich um halb zwölfe eenen Reisenden, und da mußte ick det Zimmer zurechte machen, well unser Zimmermächen Ausjang hatte. Um den Müller nich zu stören, jing ick in Filzpantoffeln. Ick hatte die Nummer fünfe im Düstern betteten und suchte jrade nach die Streichhölzer, als Plötzlich die Düre uffjing und eene dunkle Jestalt lautlos, an scheinend uff de Strümpe, rinschlich. Ick dachte natürlich, et wäre een Hoteldieb und blieb in jespannte Erwartung im Düstern am Disch stehen. Die dunkle Jestalt schlich langsam 'ran, tappte um den Disch rum und im nächsten Oogenbftck fühlte ick eene Umarmung und eenen heftijen Kuß uff meine Backe! Ick war uff allens möjliche jefaßt jewesen, aber uff so wat nich. Die Jestalt schien ebenso paff zu sind, denn sie blieb eenen Mo- mang wie jelähmt steh'n. Ick erholte mir zuerst wieder und verabfoljte det Wesen eene Backfeife, det et mit lautenJepofter mang det Waschjeschirr flog, wobei et jämmerlich um Hilfe schrie. Et kamen natürlich jleich Leute herbeijestürzt un — wat soll ick Ihnen sagen, — die janze Jestalt entpuppte sich als der Schneidermeester Müller von Nummer viere. — Durch Befragen des Zeugen Müller stellt der Vor sitzende fest, daß Müller der irrigen Meinung war, das Zimmermädchen hantiere nebenan in dem dunklen Zimmer. Diese Gelegenheit, der holden Maid einen Kuß zu rauben, hielt er für so günstig, daß er auf den Socken hinterher schlich und nachher eine so schrecklich« Enttäuschung erlebte. Da beide Prozeßparteien durchaus versöhnlich gestimmt sind, gelingt es, einen gütlichen Vergleich zustande zu bringen, bei dem jeöM eine Hälfte der Kosten trägt. Buntes Allerlei. Schlau. A.: „Sehen Sie, mir machen die neuen Steuern nicht viel. Bier trinke ich nicht und von den Zigaretten habe ich mir ein paar tausend Stück auf Vorrat angeschafft Machen Sie's doch auch so." — B.: „Das ist ganz schlau. Ich werde mir hundert Zweipfennig katten auf Vorrat kaufen, ehe sie abgeschaft werden." gu».-) Unmöglich. „Hat sich doch dieser Baron, der Lebemann, von der jungen Künstlerin noch locken lassen!" — „Das glaube ich nicht! Ist überhaupt nicht möglich." — „Ja, warum denn nicht?" — „Der Herr Baron ist ja ein Kahlkopf!" cLust. Bl.y Mer Haushofer kam nun, in Begleitung des Gerichtspersonals und der vernommenen Zeugen, tn die Wohnung herunter. Fräulein von Reck wollte, sobald fie Sie- phanie gewahrte, auf diese zustürzen, um fie unter Schluchzen zu umarmen, die Kriminal beamten hielten fie aber zurück. Haushofer setzte die Vernehmung der Zeugen uun in Gegenwart der jungen Witwe fort, um lestzustellen, welchen Eindruck deren Aussagen M fie machten, und um fie zu aussührlicherer ""de zu zwingen. . »Wissen Sie mir zu sagen, Herr Ecken brecher," fragte er den Mühlenbesttzsr, „wo fich Herr Benjamin Plügge aufgehalten hat zu der Mt, da die Tat geschehen sein muß?" »Der Mord ist doch wohl während der Theatervorstellung verübt worden; in dieser Ute der junge Herr Plügge aber meines wissens aus der Bühne zu tun!" »Trat er denn selbst in dem Stücks auf?" »Das nicht; aber er hat — so vernahm ich 7- die Regie geführt. Er muß also doch wohl während des Stückes hinter den Kulissen be- Mltigt gewesen sein." »Das könnte ich sogar beschwören!" fiel Eutern von Reck eifrig ein. Überrascht blickte der Untersuchungsrichter .-über gnädiges Fräulein, wie können S - leichtsinnig mit Ihrem Eide umgehen? y°ben bei einer früheren Vernehmung doch daß Sie ihre Nichte, die während ^llung Plötzlich ohnmächtig geworden von einem Schwindelanfalt betroffen wen sei, aus dem Zimmer gesührt hätten,! — also können Sie doch gar nicht so genau wissen, ob Benjamin während der ganzen Zeit der Aufführung zugegen war?" „Das allerdings nicht," räumte die alle Dame ein. „Wenn fich'S um die ganze Spiel zeit handelt, dann würden die Mitspielenden, die fich im Verlauf des Stückes ein paarmal im Ensemble auf der Bühne befanden, ebenso wenig schwören können." „Man mutet ihnen einen Eid auch gar nicht zu." Haushofer ließ die Portiersleute, nachdem er fie darüber aus gefragt, ob si e vielleicht eine genauere Mitteilung über Benjamins Verbleib in jener Stunde machen könnten, ohne daß er etwas Neues erfahren hätte, wieder wsg- treten. Zu den Zurückbleibenden sagte er dann: „Es ist, wie ich der Angeklagten be reits miiteilte, von Benjamin Plügge ein Brief eingetrofsen, dessen eigeniltcher Abgangsort im Schreiben nicht genannt ist, von dem wir nur wissen, daß er in Bombay zur Post gegeben war. Dieser höchst seltsame Brief soll nun vor Ihnen zur Verlesung gelangen." Fräulein von Reck, die schon mehrmals an gesetzt hatte, um etwas Näheres über das am Morgen zu ihrem großen Leidwesen ihr nicht ausgelteferte Schreiben ihres Neffen zu er fahren, horchte hoch auf. Während der Protokollführer das Schrift stück vollas, beobachtete Haushofer mit Argus äugen die Mienen der Anwesenden, deren Ge sichter durch das den öden, weitläufigen Raum erhellende taste, elekuyche Licht grell beschienen wurden. „Meine arme Stephanie! Wie immer fich inzwischen das Drama gestaltet haben mag, ich trag's nicht länger, die furchtbare Lüge mit mir herumzuschleppen. Längst wird meine Flucht aus Genua wohl den Verdacht gegen mich aufgebracht haben. In qualvoller Pein legte ich die Reise nach dem Auslande zurück, in der steten Furcht, daß man mich bei der Landung festnehmen und nach Deutschland zur Aburteilung zurückführen würde. Denn das Ungeheuerliche ist wahr, Stephanie: ich selbst habe Deinen Galten getötet! Ich weiß, daß ich von dieser Minute an Dein Bruder nicht mehr heiße, ich weiß, daß die Welt fich schau dernd von mir abwendet und unerbittlich meine Bestrafung fordern wird, ich weiß, daß mich der Richterspruch Gottes erwartet, auch wenn ich der irdischen Verfolgung zu entgehen weiß. Aber ich kann das Schreckliche nicht unge schehen machen. Ich war's, der heimlich den Revolver au» Behrs Radtasche holte, während alle mich bei dem lustigen Spiel vermuteten, ich war es, der hinausschlich und Leinen Gatten mit den beiden Schüssen nieder- strcckie. Niemand hat mich gesehen, da ich rasch wieder in die Wohnung Hai ab stürmte und mich zur Bühne zmückftuhl. Die Schüsse schreckten niemand auf; der Lärm, der im ganzen Hause herrschte, das Zertrümmern der Scherben, das Schießen im Garten und auf dem Hof übertönten den Schall. Du magst nun ermessen, Stephanie, in welch furchtbarer Verfassung ich eine halbe Stunde später vor die Leiche hintrat, nicht sicher davor, daß "trotz meiner Vorsicht sofort ein Zeuge da sein werbe, der meine Schuld der Welt offenbarte. Daß ch geschwiegen habe, daß ich die entsetzliche komödie bis zu jenem Tage in Genua durch- ührte, war ich Dir selbst schuldig; denn Du olltest nicht das traurige Schauspiel erleben, >aß man Deinen Bruder als den Mörder Deines Gatten aburteilte. Dies fino die letzten Worte, die Du je von mir hören wirst. Ich werde für Dich, für alle — auch für die Ge richte, falls fie mich verfolgen sollten — ver schollen bleiben. Ob mein künftiges Leben ein Bnßgang sein wird für die grauenvolle Tat, ob es aus mir einen Verbrecher machen wird, da ich schon einmal meine Hand mit dem Blute eines Mitmenschen, und zwar des besten und edelsten, befleckt habe, ich kann Dir's nicht sagen. Denke auch Du nicht über Deinen verbrecherischen Bruder weiter nach. Gräme Dich nicht um seine Schuld und seine Sühne. Ich muß für Dich, für Tante Gusti iot sein — tot, wt! Fragr auch nicht erst nach den Gründen, die mich zu meiner Untat bewogen haben könnten — fie wird Euch in ihrem Keim, ihrem- inneren und äußeren Zu sammenhang stets ein Rätsel, ein unlösbares Rätsel bleibe«. Macht einen d cken Strich unter die Abrechnung mit mir. Ob Ihr mich verurteilt, ob Ihr mich beklagt: ich tann's nicht ändern. Dir, Stephanie, wünsche ich, daß Du an Arnolds Sette das Glück finden mögest, das der arme, unglückselige Franz Kalwoda Dir zu bereiten gedachte. Vergiß mich — und beginne ein neues freudvolleres Leben! Dein Bruder Benjamin Plügge." G ro (Fortsetzung folgt.-