Volltext Seite (XML)
Vie „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag Uhr, ^Inserate werden mit w Pf für di» Spaltzetle berechn» LabellarischrrjSatz nach b»s«nd»r»m Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Kroß-Mkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 69. Freitag, den 8. Juni 1906. 5. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, den r. Juni — Dit deutsche Echweineeinfuhr hat im März und April d. I. also in den letzten zwei Monaten nach dem Inkrafttreten des neuen Zolltarif», 15 242 Stück betragen. Davon kamen aus Rußland 14225 Stück, aus Oester- reich.Ungarn der Rest. Nur aus diesen beiden Ländern ist eine Einsuhr gestattet. Bemerkens wert ist jedoch, daß Oesterreich-Ungarn das ihm zustehende Einfuhrkontingent fast garnicht ausgenützt hat. Der Grund hierfür liegt, wie da» Organ des Bundes der Landwirte ausführt, nicht in der Erhöhung des Zolles, sondern in dem außerordentlichen niedrigen Stand der Schweinepreise in Deutschland. Die Berliner Schweinepreise stehen gegenwärtig hinter den in Wien gezahlten um 17,60 Mark für 100 Kilo gramm zurück. Auch Rußland hatte sein Kontingent nur teilweise ausgenützt. — Die Benutzung der Vorderseite von Post karten zu schriftlichen Mitteilungen ist im inneren deutschen Verkehr, sowie im Verkehr mit den europäischen Ländern bisher nur bei Ansichts postkarten gestattet, nickt aber bei gewöhnlichen Postkarten, wie sie die Post verkauft. Nach einem Beschluße des Weltpostvereins in Rom soll es künftig allgemein im Verkehr zwischen sämtlichen zum Weltpostverein gehörenden Ländern gestattet sein, sowohl auf gewöhnlichen, wie auf Ansichükarten die linke Hälfte der Vorderseite zu schriftlichen Mitteilungen zu be nutzen. Für den internationalen Verkehr tritt die Neuerung erst am 1. Oktober 1907 in Kraft, für den inneren deutschen Verkehr wird jedenfalls ein früherer Termin festgesetzt werden. — Bei der Verwaltung ixr Königlichen Sächsischen Staatseisenbahnen werden mit großer Beschleunigung die Vorbereitungen ge troffen, die für die Einführung der Fahrkarten steuer auch im Königreiche Sachsen notwendig sind. Zunächst hat die Königliche General direktion der Staatseisenbahnen einen sofortigen Neudruck aller derjenigen Fahrkarten, 1-, 2 und 8. Klaffe angeordnet, deren Preis höher ist als 60 Pfg. ES ist jedoch bei den vielen Millionen der neu herzustellenden Fahrkarten heute noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob tatsächlich alle mit der neuen Steuer belasteten Fahrtausweise bis zum 1. August d. I., an dem auch in Sachsen die Fahrkartensteuer in Kraft treten soll, sertiggestellt werden. Die Steuer wird natürlich auch in Sachsen nach den bekannten, vom Reichstage beschloßenen und vom Bundesrate genehmigten Sätzen er hoben und soll gleichwie in Preußen mit in den tarifmäßigen Fahrpreis eingerechnet werden sodaß auf den Fahrkarten Fahrpreis und Steuer in einem Betrage erscheinen. Auch bei den sächsischen StaatSeisenbahncn ist die Einführung der neuen Fahrkartensteuer mit nicht unbeträchtlichen Schwierigkeiten verknüpft, die hauptsächlich in dem kurzem Termine bis zur Einführung liegen. Die in Frage kommenden Dienststellen sind jetzt in fieberhafter Tätigkeit, um das ihnen plötzlich zugefallene erhöhte Maß von Arbeit bis zum festgesetzten Termin wenigstens in der Hauptsache zu erledigen. — Der deutsche Lchrertag ist während des Pfingstfestes in München, zum ersten Male aus bayerischen Boden zusammengetreten, um zu der Echulvorlage Stellung zu nehmen und die Frage der Simultanschulen zu erörtern. An dem Schulgesetz, das in der vom preußischen Abgeordnctenhause angenommenen Fassung in Kraft treten wird, kann der deutsche Lehrcrtag, er möge beschließen, was er wolle, natürlich für den Augenblick nichts mehr ändern. Aber mi diesem Gesetz ist ja noch nicht das letzte Wort in der Volksschulfrage gefallen, sodaß die Be schlüße des deutschen Lehrertages unter allen Umständen bedeutuugsvolle bleiben. Und dies umsomehr, als dem in München versammelten Lehrerverein etwa 90 Prozent aller deutschen Volksschullehrer angehören, der Verein also wirklich eine Vertretung der deutschen Lehrerwelt st. Auch zahlreiche katholische Volksschullehrer vohnen als Mitglieder des Vereins den Münchener Verhandlungen bei. Klotzsche - KönigSwald. Hier findet Mittwoch len 13. Juni, die feierliche Einholung und die Weihe der Glocken für die neue Kirche statt. Die Feierlichkeit beginnt vormittags 10 Uhr. Dresden. Auf Grund von wiederholten Eingaben usw. hat die Polizeidirektion beschloßen, den Schluß für Konzerte und musikalische Ver anstaltungen in solchen Lokalen, die wegen ihrer Lage und Einrichtung eine Störung oer nächtlichen Ruhe nicht befürchten laßen, non ll auf 12 Uhr hinauszuschieben. Wiederholt ist die Rede davon gewesen, daß die Fremden in Dresden abends das Großstadtleben vermißen. Nach tO UHr sei bereits „alles tot" und dergl. Ob es nun anders wird? — Ein Vergistungsfall, der leicht sehr chlimme Folgen hätte haben können, ereignete ich während der Feiertage in der Familie eines hiesigen Schriftstellers. Die Familie satte mittags in Boullion gekochtes getrocknetes Gemüse, sogenanntes Leipziger Allerlei, bester Qualität, genoßen, ohne zunächst am Geschmacke etwas besonders auffälliges zu bemerken. Im Laufe des Nachmittags erkrankten zunächst vier Kinder und während der Nacht sowie am nächsten Tage traten bei weiteren Kindern und drei Erwachsenen deutliche Vergiftungssymptome (Kälte, Schüttelfrost, Schwindelanfälle, Erbrechen und Durchfall) in die Erscheinung. Die sofort angewrndeten Gegenmittel verhüteten ein größeres Unglück- Der Vorfall mahnt zur größten Vorsicht beim Genüße getrockneter Gemüse, renn die fragliche Ware stammte von einer erstklassigen Firma und war bester-Qualität. — Ein schwerer UnglückSfall ereignete sich am Mittwoch mittag Ecke Schiller- und Johannstraße. Der 18 jährige Kaufmann Herbert Kroitzsch fuhr auf einem Rade die Schillerstraße hinunter, als ein Straßenbahn wagen an ihm vsrübersauste. Beim Ausweichen kam Kroitzsch zu Fall und wurde vom Motor wagen überfahren. Dem Unglücklichen wurde der linke Fuß am Knöchel abgetrennt. Die Eltern de» Unglücklichen befinden sich auf einer Reise. — In vergangener Nacht geriet ein Motor wagen der Bühlauer Straßenbahnlinie in Brand. Die entsetzten Passagiere kamen un beschadet davon; auch das Feuer wurde bald gelöscht. Kamenz. Seit Ende voriger Woche sind hier gegen 1oO organisierte Ofentöpfer aus gesperrt, welche in der Mehrzahl in zwei hiesigen Chamotteofcnfabriken beschäftigt waren. Den Anlaß zur Aussperrung bildet ein in einem auswärtige Betriebe inszenierter Streik, zu deßen Abwehr die Unternehmer-Organisation der genannten Branche solidarisch vorgeht. Pirna. Bei der Firma Sächsische Sar d- stein-Jndustrie Schmidt und Herrmann, einer oer größten Firmen dieser Branche am hiesigen Platze, sind die Steinmetzen in den Ausstand getreten, da eine Einigung bezüglich der Forderungen nicht erzielt werden konnte. — Durch die vom Verband der deutschen Kachelofenfabriken am Sonnabend vorgenommene Aussperrung aller dem Verbände der deutschen Töpferarbeiter und Berufsgenoßen angehörenden Gehilfen ist auch Pirna betroffen worden. Löbau. Hier lehnten die Gesangvereine es ab, die Abhaltung des dort für 1908 geplanten Oberlausitzer Bundesgesangsfestcs zu übernehmen. Großenhain. In Brockwitz zündete am Pfingstsonnabend ein Blitzstrahl und setzte eine Scheune in Brand. Brockwitz b. Meißen. Weil das maßen weise Herumwerfen von Boykottzetteln gegen einen hiesigen Gasthof seinen Zweck nicht er füllte, wurde dort nach einem anderen Mittel gegriffen. Die Aufforderung zum Boykol wurde in der Nacht zum ersten Feiertage mir Farbe mittels einer Schablone an eine große lnzahl Häuser angcmalt, sodaß die Schand lecken von den Besitzern wieder überstrichen werden mußten. Selbstverständlich hat diese verwerfliche Sudelei allgemeine Entrüstung, auch unter den vernünftigen Arbeitern hervor gerufen. Zabeltitz. Durch diese so oft Spielerei mit einem Taschenrevolver ist hier ein gräßliches Unglück geschehen. Gestern Abend in der neunten Stunde hantierten einige junge Leute, darunter )cr 17 jährige Lehrling Lehmann, mit einem olchen Revolver herum. Dabei ging ein Schuß os und unglücklicherweise traf dieser den gleich altrigen Gutsbesitzerssohn Richter in die Stirn und verwundete in schwer. Aerztliche Hilfe war noch in der Nacht zur Stelle; ob es ober gelingen wird, den jungen Monn am Leben u erhalten, ist sehr fraglich. Strehla. Eine am Donnerstag statt gehabte Einwohnerversammlung verhandelte über sie „Bürgermeisterfrage" und nahm mit großer Majorität folgende Resolution an: „Die Ver- ammlung von Einwohnern von Strehla vom 31. Mai 1906, an welcher etwa 300 Ein wohner von Strehla teilgenommen haben, be- ckließt, den Stadtgemcinderat von Strehla zu ersuchen, daß er dem Herrn Bürgermeister Burkhardt anbiete, sein Amt niederzulegen und auf alle Ansprüche gegen die Stadtgemeinde Strehla zu verzichten gegen Zahlung einer ein maligen Abfindungssumme von 18000 Mk." Leisnig. Herr Kurl Lüth, ein Pferde- jändler, der nach Herrn WichenbergS Mitteilung m „Lpz. Tgbl." beim Anblick der bekannten Automobilkatastrophe geäußert haben sollte: „Laßt sie nur schmoren!" und der dann weiter- gesahren sein soll, stellt den Unfall folgendermaßen )ar: „Die verunglückten Herren sind in durchaus keinem mäßigen Tempo gefahren, sondern in einer höchst rasenden, rüber und nüber gehender Fahrt, ohne jede Rücksicht auf die verkehrenden Geschirre und Personen, was auch erklärlich erscheinen mag, da die Herren nicht mehr in dem normalen Zustande waren, wie sie bei solch einer Fahrt hätten sein sollen. Ich habe mich schon früher mehrere Male vor Automobilen mit meinem Geschirr flüchten müßen, wie auch an diesem Abend. Ich bin daher sehr auf gebracht gewesen, als ich an der Unfallstelle erschien, habe aber dabei durchaus nicht die Worte gebracht, wie sie dem Publikum preis gegeben wurden. Die Aeußerung war u. a. „Die sind ja alle beschmort l" (d. h. betrunken) Dabei habe ich aber noch garnicht die schreckliche Lage der Verunglückten überblickt, die, wohl verstanden, schon in die benachbarten vorderen Häuser untergebracht worden waren. Meine Frau hat wohl den Wunsch geäußert, die Pferde zu halten, was aber von mir abgelehnt wurde. Denn jeder Pferdebcsitzer kann wohl nachfühlen, was daraus hätte folgen können, wenn die Tiere bei dem Benzinfeuer nicht in sicheren Händen waren. Darauf ist einer der verunglückten Herren an mein Geschirr gekommen und hat gebeten, nach einem Arzt zu fahren, welcher Wunsch auch sofort unter Mitnahme eines Sanitäters ausgeführt worden ist." Roßwein. Infolge des Zimmererstreiks in Döbeln und Waldheim ruht nunmehr auch die Arbeit aus sämtlichen Bauten in unserer Stadt und ihrer Umgebung. Die Aussperrung der Zimmerer und Maurer seitens der Arbeitgeber ist am Mittwoch erfolgt. Freiberg. In Oberlochmühle vergnügten sich am ersten Feiertage mehrere junge Leute im Walde mit Revolverschießen. Als ein Schuß versagte, legte der Holzdrechsler Harzer die Waffe auf den Bäckergesellen Martin ai und drückte ab. Der Schuß ging los und tra Martin in den Unterleib. Er liegt schwerkran darnieder, Böhlitz-Ehrenberg. Am ersten Psingst- feiertage wurde ein früher hier wohnhafter seit längerer Zeit abwesender Arbeiter verhaftet, der anfangs Mai einem hiesigen Dachdeckermeister ein Fahrrad entwendet und dann verkauft hatte. Der Dieb ergriff beim Erscheinen eines hiesigen Polizeibeamten sofort die Flucht, wurde aber verfolgt und mit Hilfe anderer Personen erwischt und sestgenommen. Er führte einen geladenen Revolver bei sich. Später wurde er in das Königliche Amtsgerichts- gesängnis eingeliesert- Den Diebstahl hat er nach langem Leugnen eingestanden. Gun darf. Während einer Fahrt von Duckwitz nach hier stürzte der hier wohnhafte Gesckirrführer Karl Tandel so unglücklich von dem mit Kohlen beladenen Wagen, daß er von dem Vorderrade angesahren wurde. Der Un glückliche erlitt hierbei mehrere Rippenbrüche und eine Quetschung der Lunge. Er mußte ofort nach dem DiakoniffenhauS in L.-Lindenau zeschafft werden. Markranstädt. Auf der Lötzener Chanff ee ereignete sich direkt am Chauffeehause ein Automobilunfall. Beim Einbiegen von der Oetzscher Straße fuhr dec Chauffeur an einem Baum an, zertrümmerte ein Gartenstaket und beschädigte dadurch an seinem Fahrzeug ein Vorderrad, die Trompete, Schutzblech und Scheibe, so daß das Automobil gebrauchsunfähig bis zum anderen Morgen liegen bleiben mußte. Zum Glück passierte die Straße noch ein Auto, )as die Insassen nach Markranstädt brachte, woselbst sic mit dem Nachtzuge die Heimreise nach Weißenfels antraten. Markranstädt- Am Dienstag szielte ein üngerer Schlofserlehrling mit einem Taschen- esching auf einen Buchdruckerlehrling und drückte los, obwohl ihm wiederholt zugerufen wurde, daß das Desching geladen sei. Er traf den Ahnungslosen von hinten in den Hals Die Schwere der Verwundung läßt sich zurzeit noch nicht feststellen, weil die Operation nicht gleich vorgenommen werden konnte. Plauen. Der26jährtge Sohn de» ehemaligen Gemeindevorstandeö Groh im nahen Großzöber. war am Pfingstsonntag mit einem Einspänner auf der Rückfahrt nach Großzöbern begriffen In dem Wagen befanden sich noch die Mutter Grohs und zwei Kinder seiner Geschwister. Aus der Landstraße kam plötzlich ein Automobil dahergesaust. DaS Pferd scheute und rannte in den Graben. Der Wagen schlug um und wurde vollständig zertrümmert. Groh erlitt einen schweren Armbruch, seine Mütter einen Bruch des SchlüffelbeiudS und eine Verletzung an den Hüfteu. Die Kinder sind wunderbarer weise unversehrt geblieben. Das Automobil, das aus der Rheinprovinz stammen soll, fuhr weiter. Der Besitzer konnte nicht ermittelt werden. Plauen i. V. Ein empörender Akt der Tierquälerei fand vor dem Schöffengericht seine Sühne. Der Pferdehändler Franz Mauksch aus Dirperödorf war angeklagt, auf dem Dorf wege bei Oberlosa in der Nacht zum 2. März ein von ihm wenige Tage zuvor gekauftes Pferd so lange mit dem Peitschenstiel, einem Baum pfahl und einer Kette geschlagen und getreten zu haben, bis das arme Tier verendete. Der rohe Mensch verteidigte sich damit, daß da» Pferd sehr störrisch gewesen sei. Ein Beamter der Kavillerei hat festgestellt, daß dem Tiere zwei Rippen gebrochen waren. Im Magen wurde keine Spur von Hafer oder Heu, sondern nur Waßer gefunden. Das arme Vieh hat atso mindestens einen Tag nichts zu fressen gehabt. Mauksch wurde zu einen Monat Haft verurteilt. Oelsnitz. Zu dem Grubenbrand wird von zuständiger Seite mitgeteilt: Der in den Grubenbauen des Steinkohlenwerkes Vereins glück in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend stattgehabte Brand ist nur von sehr geringer Bedeutung gewesen und schon vollständig abgedämmt. DaS Ersticken der Steiger Schlegel und Groschupp, — beide Unfälle ereigneten sich unabhängig von einander — steht nur in sehr losem Zusammenhänge mit diesem Brande und ist hauptsächlich einem unglücklichen Zufall zuzuschreiben.